Das Haus mit den Knochen von Gott - Georgios Grigoriadis - E-Book

Das Haus mit den Knochen von Gott E-Book

Georgios Grigoriadis

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Beschreibung

Die Edition Moonflower ist eine Mystery-Novellenreihe aus dem Hause Shadodex - Verlag der Schatten. Erscheinungsturnus: Vierteljährlich. Alle Novellen sind in sich abgeschlossen. Inhalt Band 2 (»Das Haus mit den Knochen von Gott" von Georgios Gridoriadis) "Heute Morgen erreichte mich eine Textnachricht meines alten Schulfreundes Kai-Uwe. Babe ist jetzt auch gestorben. ..." Es sind Erinnerungen an eine Kindheit in einem Ort auf der Schwäbischen Alp Ende der Siebzigerjahre. Vier von ihrer Lehrerin gemobbte Jungen halten ein Gebäude im Wald für deren Hexenhaus und wollen es zerstören, um sich von ihr zu befreien. Doch im sogenannten »Haus mit den Knochen von Gott« stoßen sie auf etwas, das ihr Leben für immer verändern und sie prägen wird. Bis heute …

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Seitenzahl: 86

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Edition

Moonflower

Band 2

Das Haus mit den Knochen von Gott

von

GeorgiosGrigoriadis

Alle Rechtevorbehalten.

Das Buchcover darf zur Darstellung des Buches unter Hinweis auf den Verlag jederzeit frei verwendet werden. Eine anderweitige Vervielfältigung des Coverbilds ist nur mit Zustimmung des Verlags möglich.

Die Handlungen sind frei erfunden.

Evtl. Handlungsähnlichkeiten sind zufällig.

www.verlag-der-schatten.de

Erste Auflage 2023

© Georgios Grigoriadis

© Coverbilder: depositphotos olegkrugllyak, creatista, Kotenko, nesterovoleg129

Covergestaltung: © Shadodex – Verlag der Schatten

© Bilder Innenteil: depositphotos wiro. klyngz (Moonflower), Kotenko,

nesterovoleg129 (Wald, Blitz)

Georgios Grigoriadis (Autorenfoto), Shadodex (Vorschau Band 3)

Lektorat: Shadodex – Verlag der Schatten

© Edition Moonflower, eine Novellen-Reihe des

Shadodex – Verlag der Schatten,

Bettina Ickelsheimer-Förster, Ruhefeld 16/1,

74594 Kreßberg-Mariäkappel

ISBN: 978-3-98528-303-3

Inhalt

ERSTER TEIL

ZWEITER TEIL

DRITTER TEIL

VIERTER TEIL

(Schwäbische Konversation auf Hochdeutsch)

Über den Autor

Vorschau

»Heute Morgen erreichte mich eine

Textnachricht meines alten Schulfreundes Kai-Uwe. Babe ist jetzt auch gestorben. …«

Es sind Erinnerungen an eine Kindheit in einem Ort auf der Schwäbischen Alp Ende der

Siebzigerjahre.

Vier von ihrer Lehrerin gemobbte Jungen halten ein Gebäude im Wald für deren Hexenhaus und wollen es zerstören, um sich von ihr zu befreien. Doch im sogenannten »Haus mit den Knochen von Gott« stoßen sie auf etwas, das ihr Leben für immer verändern und sie prägen wird.

Bis heute …

ERSTER TEIL

1

Heute Morgen erreichte mich eine Textnachricht meines alten Schulfreundes Kai-Uwe. Babe ist jetzt auch gestorben. An einem plötzlichen, wenn auch nicht unerwarteten, Schlaganfall, nachdem er sich über all die Jahre in die Fettleibigkeit gefressen hat. Beim Lesen erinnerte ich mich, wie ich Babe schon einmal verloren hatte.

Damals lebten wir in einem schwäbischen Nest, zu dem im Sommer eine enge Serpentinenstraße führte und im Winter nichts.

Wir hatten in der Grundschule dieselbe Klassenlehrerin, Frau Stäudle, ein echter schwäbischer Schieferfels, von der ich nicht selten die Freunde meiner griechischen Eltern munkeln hörte, dass sie noch dreißig Jahre zuvor Aufseherin in einem deutschen Internierungslager gewesen sein müsse. Auch wenn das nur ein Gerücht war, genährt von Frau Stäudles Gebaren im Klassenzimmer, das Grauen, das sie bei uns Kindern hervorrief, ist heute noch so tief in mir verwurzelt, dass die einstmalige Mutmaßung weiterhin plausibel klingt.

Ich hatte so viel Angst vor ihr, dass ich den Weg zur Schule nur trödelnd hinter mich bringen konnte, um die Begegnung mit Frau Stäudle so lange wie nur möglich hinauszuzögern. Wenn ich schließlich viel zu spät vor der schweren Tür zum Klassenzimmer stand, die dunkel und bedrohlich vor mir aufragte, hatte mich die Angst schon so sehr aufgebraucht, dass ich kaum noch Kraft hatte, sie zu öffnen. War das schwere Ungetüm erst mal einen Spalt weit aufgestemmt, zwang ich mich samt Ranzen hindurch. Dann stand ich in diesem von Neonlicht vereisten Raum, wo Frau Stäudle bereits darauf wartete, allen, die gegen ihre Regeln verstießen, deutlich zu machen, was Zucht für sie bedeutete.

Sie hatte stets farblose Kleidung an. Einen über ihre Knie reichenden grauen Rock, eine dunkle Strickweste, darunter eine Bluse. Ihr welkes Haar streng zu einem Dutt gebunden. Sie stand im kalten Schein des Klassenzimmers, eine Hand fortwährend auf Brusthöhe, die andere darin ruhend. Wie von einem Wachturm aus schaute sie mich durch die blank polierten Gläser ihrer Brille von weit oben an und ließ ein Lächeln auf ihre Wangen und in die Winkel ihrer Augen kriechen, das mir sagte: Wenn du denkst, dass ich dich verachte, dann hast du recht. Während sie regungslos neben dem Pult stand, prasselte die Stille der anderen Schüler auf mich nieder wie ein Bombenhagel. Sie forderte keine Rechtfertigung für mein Zuspätkommen. Sie sagte nur: »Wasch dir die Hände!«

Den schweren Ranzen noch auf meinen Schultern musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen, um an die Seife und den Wasserhahn des Waschbeckens zu kommen, das für alle Zuspätkommer direkt neben der düsteren Tür angebracht war. Das Wasser war eisig, besonders im Winter, und es schoss viel zu schnell heraus. Einzelne Rinnsale krochen durch die langen Ärmel meiner Sommerjacke oder meines Anoraks bis in meine Achselhöhlen und von dort aus die Rippen hinunter.

Über dem Waschbecken hing ein Spiegel, darin ich mich nicht sehen konnte. Ich sah nicht meine dunklen Augen und das darin schwimmende, von dieser Situation hervorgerufene unangenehme Gefühl. Nicht meine schwarzen Haare, die mir am Morgen meine Mutter gekämmt hatte. Auch nicht die runden, rot angelaufenen Wangen. Doch ich roch, dass etwas Unangenehmes von mir aufstieg. Etwas, das vorher nicht an mir gewesen war, das mir aber das Händewaschen auferlegt hatte und mich mindestens den Tag hindurch, wenn nicht länger, begleiten würde.

In einem Spießrutenlauf ging ich den Gang zwischen den Schulbänken hindurch, vorbei an Augen voller Widerwillen, zur letzten Bank rechts hinten in der Ecke, wo diejenigen saßen, die weder Frau Stäudles Regeln verstanden noch ihren Unterrichtsstoff zu lernen verdienten.

Am Fenster neben mir saß Jo. Die deutsche Übersetzung seines griechischen Namens war eigentlich Johannes, doch ich hatte irgendwann daraus Jo gemacht und er aus meinem Namen Gege, und dabei war es geblieben. Am Tisch neben uns saßen Kai-Uwe und Babe, dessen Namen man genauso ausspricht, wie man ihn schreibt, und von dem ich nie erfuhr, welcher Nationalität er angehörte. Er war damals schon recht dick. In jeder großen Pause holte er sich ein Schokoweck, ein Brötchen, das der Bäcker mit ordentlich Butter beschmiert und mit zwei bis drei dünnen Scheiben Schokolade belegt hatte. Babe rollte das deutsche Rund mied Artikel, als seien sie des Teufels, was Frau Stäudle zum Brodeln brachte, ohne dass sie je ihren Unmut verbal geäußert hätte. Nein, Frau Stäudles Lächeln war so fest wie der Fels, auf dem das weiße Jagdschloss gebaut war, das bereits seit einigen Jahrhunderten über der Stadt aufragte. Stattdessen wurden Babe Lernaufgaben mitgegeben, die er mit so vielen Fehlern abgab, dass er sie nach dem regulären Unterricht nochmals überarbeiten musste.

An einem Morgen im November, nachdem ich mich mit nassen Ärmeln und makellos sauberen Händen neben Jo gesetzt hatte, leitete Frau Stäudle das tägliche Ritual der Hausaufgabenrunde ein. Jo war ganz stolz darauf, wie ordentlich er seine Sachen geschrieben hatte. Mit einem ganz neuen Tintenkiller, der Fehler, ohne einen sichtbaren Rest zu hinterlassen, wegwischen konnte, und einem neuen Füller, den er jetzt aufschraubte, um die Tintenpatrone zu ersetzen.

Ein böser Geist musste entschieden haben, dass in der alten Patrone noch etwas Tinte blieb, denn als Jo sie herauszog, spritzte ein blauer Strahl über den Tisch. Derselbe Dämon hatte wohl auch dafür gesorgt, dass Stäudle just zu diesem Augenblick den Gang zwischen den Bänken entlang auf uns zukam. Sie sah die Spritzer auf der Oberfläche unseres kleinen Tisches und nahm sich Jo direkt vor.

»Du machst also den Dreck hier drinnen. Gut, dass ich das gesehen habe. Du nimmst jetzt bitte deinen Tintenkiller und machst alle Flecken an der Wand hinter dir weg, die du da hingeschmiert hast.«

Die Tintenflecken, falls es überhaupt welche waren, klebten an der Wand, seit wir dieses Klassenzimmer zum ersten Mal betreten hatten. Sie befanden sich nicht irgendwo, sondern genau dort, wo die Bodenleiste befestigt war, was jeden, der die Flecken entfernen wollte, dazu zwang, am Boden entlangzukriechen.

Ich sah Jos weiches, immer lächelndes Gesicht. Sah seine für einen Griechen ungewöhnlich blonden, ordentlich gescheitelten Haare und seine fröhlichen blauen Augen, die Frau Stäudle ungebrochen anschauten, ohne sie herauszufordern. Er machte kein großes Bohei um Stäudles ungerechte Strafe. Fing nicht an zu weinen oder zu wimmern. Er erwähnte nicht einmal, dass er die Flecken an der Wand gar nicht verursacht hatte, weil er genau wusste, dass er der Stäudle dadurch Raum geben würde, die gesamte Klasse zu einem Teil ihrer Maßregelung werden zu lassen.

Nein.

Sich seiner Würde durchaus bewusst nahm Jo seinen nagelneuen Tintenkiller in die Hand, als hätte er ihn eigens zu diesem Zweck gekauft, weil ihm nämlich diese Flecken in seinem Rücken schon lange ein Dorn im Auge waren, und fing an in der Ecke hinter uns zu wischen, noch bevor Stäudles Strafe zu einem Teil der Stunde werden konnte.

Ich bewunderte Jo, denn er hatte keine Angst. Es gab keine Strafe hier in der Schule und keine Prügelei auf der Straße, die ihn zusammenzucken ließen, denn beides kannte er, seitdem er sprechen konnte, in einer ganz anderen Form. Welche Packungen es zu Hause gab, hat Jo uns nie offenbart. Das gehörte in den Kreis der Familie, und Familiengeschichten hatten in der Familie zu bleiben, denn für alles andere hatte sein Vater die Höchststrafe vorgesehen. Jo deutete einmal an, dass es unterschiedliche Werkzeuge und Formen der Züchtigung gebe. Die flache Hand für kleinere Vergehen wie eine väterliche Anweisung zu hinterfragen. Den Gürtel dafür, dass solche Anweisungen missachtet wurden. Und dann hatte der Vater noch ein Werkzeug, das wohl hart und schmerzhaft war und für besondere Anlässe reserviert blieb.

Als an diesem Tag die Pausenglocke läutete, setzte sich Jo ungebrochen neben mich – die Spitze seines neuen Tintenkillers war schwarz. Er zwinkerte mich lächelnd an, während er gleichzeitig den Unterkiefer trotzig vor die oberen Vorderzähne schob, und er sagte: »Putana.« Leise. Fast ohne Groll. Wie jemand, der seine Arbeit getan hat und am Ende des Tages nur noch abstempeln muss.

Stäudle muss mit dem Effekt ihrer Strafe nicht zufrieden gewesen sein, denn sie wiederholte sie an Babe. Doch diesmal war sie darauf bedacht, dass der gesamte Umfang der Demütigung auch wirklich bei dem Jungen ankam. Babe wurde dabei ertappt, wie er zum dritten Mal sein Hausaufgabenheft vergessen hatte.

Das erste Mal musste er sich lediglich mit dem Gesicht zur Wand in die Ecke hinter Stäudles Pult stellen, bis die Hausaufgabenrunde vorbei war. Das zweite Mal schickte ihn Stäudle vor die Tür und befahl danach, Babe solle sich vor versammelter Klasse mit der Bürste die Hände schrubben. Durch das erdrückende Schweigen der Kinder drang das Ritsch-Ratsch des Schrubbens bis zu mir und Jo in die letzte Reihe. Der Missetäter schien aber aus den ihm auferlegten Bußen nichts gelernt zu haben, weshalb es nun an der Zeit war, ein Exempel an ihm zu statuieren.

Nachdem Babe im Angesicht aller Kinder bekannt geben musste, dass er seine Hausaufgaben wieder einmal zu Hause vergessen hatte, und sich das Getuschel legte, stellte sich Stäudle neben ihr Pult. Aus den dunklen Abgründen ihres Daseins ließ sie ein gehässiges Lächeln in ihre Mundwinkel und ihre grauen Augen gleiten. Die eine Hand auf Brusthöhe, die andere darin. Den Dutt in perfekter Strenge am Hinterkopf drapiert.