Das Informationssystem - Christian Albrecht May - E-Book

Das Informationssystem E-Book

Christian Albrecht May

0,0

Beschreibung

Der menschliche Körper weist drei Basisfunktionen auf: Information und Stoffwechsel stehen sich polar gegenüber, rhythmische Prozesse ergänzen und verbinden die beiden Polaritäten. Im vorliegenden Buch (das von seinem Umfang und seiner Vollständigkeit als Lehrbuch angelegt ist) werden die informativen Aspekte des menschlichen Körpers dargestellt; Schwerpunkt bildet dabei die Informationskonzentration im Nervensystem. Verschiedene Blickwinkel werden dabei miteinander integriert: die physische Struktur, die Funktion, erweiterte Reflektionen und klinische Aspekte. Dieses Lehrbuch verfolgt ein neues didaktisches Konzept, indem es konsequent auf Bildmaterial verzichtet, um dem Lesenden die Chance für die Entwicklung eigener Bilder zu geben. Außerdem gliedert es sich anhand von Fragen, die Neugierde wecken und die Bildung weiterer Fragen anregen sollen. Die Integration aller informativen Bereiche im Körper klärt auch die Stellung des Nervensystems für die verschiedenen Funktionskomplexe des menschlichen Körpers.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 313

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Christian Albrecht May

Das Informationssystem

© 2019 Christian Albrecht May

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-7482-3741-9

Hardcover:

978-3-7482-3742-6

e-Book:

978-3-7482-3743-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Vorwort

In der Einführungsveranstaltung zum ersten Semester des Medizinstudiums versuche ich den Studenten zu erklären, was es heißt zu studieren. Der wichtigste Punkt, den ich ihnen mit auf den Weg geben möchte, ist für mich dabei der, dass sie zunächst selber Fragen entwickeln sollen, deren Antworten sie dann suchen. Studieren ist in meinen Augen ein Prozess, bei dem es nicht darum geht, in kürzester Zeit viele Fakten zu erhalten, sondern ein tieferes Verständnis der zu studierenden Materie. In der Medizin ist das der Mensch, und die Grundfrage, die uns bewegt, ist die nach dem Wesen des Menschen schlechthin. Es geht um das Erlernen von Methoden, wie man die Grundfrage beleuchten kann und welche Ergebnisse man mit unterschiedlichen Fragevoraussetzungen jeweils bekommt.

Um die Grundfrage überschaubar werden zu lassen, muss man Teilaspekte betrachten, d.h. eine Zergliederung vornehmen. Die Antworten, die man dort findet, dürfen jedoch nicht als Teillösungen befriedigen, sondern sollten in den ganzen Zusammenhang zurück integriert werden.

Das vorliegende Lehrbuch hat den Anspruch, diese Methode des Studierens für das Informationssystem darzustellen. Es gliedert sich deshalb nach funktionell motivierten Fragen, für die mehr oder weniger klare Antworten aus den verschiedenen Bereichen der Wissenschaft vorliegen. Soweit möglich, wird am Ende eines Fragenkomplexes der Zusammenhang zum ganzen Menschen wieder hergestellt und der Teilbereich im Konzert der menschlichen Funktionen beleuchtet und gewürdigt.

Um nicht zu schnell von vorgegebenen Bildern beeinflusst zu werden, wurden die graphischen Darstellungen vom Text entkoppelt; das vorliegende Textbuch enthält deshalb keine Abbildungen. Ein zweiter Teil zu diesem Buch in Form eines Abbildungsatlas ist in Vorbereitung. Um eine eigene Gewichtung des Textes zu ermöglichen, wurde auf eine Hervorhebung von Schlagworten verzichtet. Einzig die unterschiedlichen Sichtweisen wurden mit unterschiedlichen Schriften abgegrenzt: fette Texte stehen für klinische, kursive für funktionelle, einfache für morphologische und diese eigene Schrift für erweiterte Aspekte.

Ich hoffe mit dieser bisher in Lehrbüchern nicht realisierten Methode der Darstellung einen neuen Impuls zu setzen. Für kritische Bemerkungen und Ergänzungen bin ich jederzeit dankbar und aufgeschlossen, denn ein solches Lehrbuch alleine zu schreiben ist ob der Fülle an Daten heute fast nicht mehr ohne Lücken möglich.

Ich wünsche allen Lesern viel Freude und bin fast sicher, dass jeder etwas Neues, und sei es nur eine ungewöhnliche Betrachtungsweise von bekannten Tatsachen, darin finden wird.

Dresden, im Frühjahr 2019

Christian Albrecht May

Einleitung. Funktionelle Elementargliederung des Informationssystems

Das Informationssystem hat als zentrales Organ das Nervensystem, ist jedoch weit umfangreicher und findet sich in vielen anderen Prozessen im Körper. Auf der anderen Seite ist das Nervensystem auch vom Stoffwechselsystem und dem rhythmisch-prozessualen System durchwoben.

Das Nervensystem nimmt innerhalb des menschlichen Organismus eine Sonderstellung ein, insofern es die organische Grundlage für unser bewusstes Erleben bildet. Selbstverständlich sind auch die übrigen Organsysteme als biologische Grundlagen für die Entfaltung unserer Persönlichkeit von Bedeutung, aber nur durch die Tätigkeit des Nervensystems werden wir uns unseres Selbst und unserer Umwelt bewusst. Das Nervensystem besitzt die bemerkenswerte Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern. Da Information als Ordnungsprinzip verstanden werden kann, greift das Nervensystem durch den Austausch von Informationen regelnd und steuernd in die Lebensprozesse der Organe und Gewebe unseres Körpers ein und setzt den Organismus als Ganzes zur Umwelt in Beziehung.

Diesen beiden großen Funktionsbereichen lassen sich zwei strukturelle Abschnitte des Nervensystems zuordnen: zum einen das autonome oder viszerale Nervensystem, das die innerhalb des Organismus ablaufenden biologischen Prozesse regelt, ohne dass uns diese Vorgänge primär bewusst oder von uns willkürlich beeinflusst werden, zum anderen der Teil das zentrale Nervensystems, das durch die Sinnesorgane die Verbindung zur Außenwelt herstellt. Zwischen diesen beiden Polen liegt der Bereich der Sensomotorik. Hierbei handelt es sich um einen Funktionsbereich, in dem körperliche Bewegungen so gesteuert werden, dass sie sich einerseits richtig in die Umwelt einpassen, andererseits aber auch unseren bewussten Vorstellungen entsprechen.

Vom morphologischen und entwicklungsgeschichtlichen Standpunkt aus lassen sich so am Nervensystem drei Strukturbereiche beschreiben:

- der zentrale Bereich (Kopfgebiet), in dem sich Nervenzellen und ihre Fortsätze sehr stark vermehren (Konzentration); dies steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der großen Sinnessysteme (visuell, auditiv, olfaktorisch)

- der mittlere segmentale Bereich (Rückenmark), der vornehmlich über die Spinalnerven die Muskulatur des Rumpfes und der Extremitäten versorgt und durch die Somitenbildung eine metamere Gliederung erhält

- der periphere Bereich (Organbereich), in dem sich Nervenzellhaufen (Ganglien) und Geflechte von Nervenfortsätzen (Plexus) entwickeln, die einen unmittelbaren Kontakt mit den Körpergeweben bekommen und dort autonom regulieren können

In einem ersten Themenkomplex (Kapitel 1-4) soll den Verbindungen der drei Funktionsbereiche des menschlichen Körpers im Detail nachgespürt werden.

1. Die allgemeinen Grundlagen für die Informationsprozesse im Informationssystem sollen zunächst in ihrem Entstehen aufgezeigt werden: die Entwicklung des Nervensystems als Organ und seine Gliederung.

2. Auf zellulärer Ebene gilt es dann die besonderen Stoffwechselfunktionen des Nervensystems, die ganz in das Intrazelluläre zurückgezogen werden, von den Informationsanteilen, die überwiegend an der Zelloberfläche erscheinen und eine rhythmische Komponente aufweißen, abzugrenzen.

3. Rhythmisch-prozessuale Vorgänge auf Organebene betreffen überwiegend die Flüssigkeitsbewegungen (Durchblutung, Lymphabfluss, Hirnflüssigkeit).

4. Um das Informationssystem als Ganzes zu verstehen, müssen die spezifischen Informations-Prozesse auch im Stoffwechselsystem und im rhythmisch-prozessualen System aufgezeigt werden. Im Stoffwechselsystem findet man dabei besonders das Prinzip der hormonellen Regulation.

Die großen Funktionsbereiche des Nervensystems bilden den zweiten Themenkomplex (Kapitel 5-7), der um die Themen von Regulation und Interaktion kreist.

5. Die Abstimmung des Inneren (viszerale Regulation) erfolgt in mehreren, aufeinander aufgebauten Regelkreisen: peripher am Organ (intramural), peripher übergeordnet (para- und prävertebral), zentral im Rückenmark (spino-medullär) und im Zwischenhirn (diencephal).

6. Die für die Sensomotorik gewählte Einteilung beschreibt das komplexe System mit fünf Stufen: Muskeltonus – spinale Regulation – cerebelläre Adjustierung – subcorticale Vorbereitung – corticale Ergänzung

7. Bei der Betrachtung der Sinne wird nach qualitativen Merkmalen eine Differenzierung des Sensoriums versucht. Neben den bekannteren Sinnen (Tastsinn, Gleichgewicht, Geruch, Geschmack, Sehen, Hören) finden sich auch unbekanntere Qualitäten (Lebenssinn, Temperatur, Sprache-, Gedanken-, Ich-Sinn, ausstrahlende Wärme, schöpferische Synthese).

Das Informationssystem wäre nicht vollständig betrachtet, ließe man die individualisierenden Aspekte des Menschen außen vor. Sie werden in neuerer Zeit insbesondere mit dem Endhirn in Zusammenhang gebracht, welches im dritten Themenkomplex (Kapitel 8-10) einer genaueren Betrachtung unterworfen werden soll. Wichtig wird hier vor allem die unterschiedliche Betrachtungsweise (je nach Festlegung der Prämissen) und die sprachlichen Beschreibungen, die mit großer Vorsicht auf ihre Analogie hin untersucht werden müssen.

8. Strukturell bildet das limbische System einen eigenen Komplex, der mit funktionellen Aspekten des Gedächtnis und der Emotionen in Zusammenhang gebracht wird.

9. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für das spezifisch menschliche Sein ist das Bewusstsein, dessen Existenz ohne die Großhirnrinde der Umwelt nicht gespiegelt werden kann.

10. Das eigentliche Individuum, die Leibnitz’sche Monade Mensch entsteht erst durch das kognitive Erkennen des Ich-Seins. Der Beginn dieses Prozesses ist schwer zu definieren; scheinbar leichter ist es, sein Ende mit dem Hirntod zu erfassen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung. Funktionelle Elementargliederung des Informationssystems

1. Kapitel. Entwicklung und Struktur des Nervensystems – Grundlagen für die Aufgabe als Informationssystem

1.1 Warum bildet sich überhaupt ein Nervensystem?

1.2 Wie bildet sich die morphologische Grundanlage des Nervensystems?

1.3 Wie entsteht aus gleichförmigen Epithelzellen eine Mischung aus Nerven- und Gliazellen?

1.4 Wie spezialisieren sich die Neurone auf die Informationsvermittlung?

1.5 Woher kommen die Impulse, die zu einem Aktionspotential führen?

1.6 Wie wird die Impulsweiterleitung optimiert?

1.7 Was passiert mit den Impulsen am ‚Ende’ der Nervenzelle?

1.8 Welche Grundgliederung bildet sich im Rückenmark?

1.9 Nach welchen Prinzipien gliedert sich das Rückenmark in den verschiedenen Dimensionen?

1.10 In welcher Beziehung stehen Rückenmark und Rückenmarkskanal?

1.11 Wie entsteht das periphere Nervensystem?

1.12 Nach welchen Prinzipien entwickeln sich die Hirnabschnitte?

1.13 Nach welchen Prinzipien gliedert sich das Gehirn in den verschiedenen Dimensionen?

2. Kapitel. Stoffwechselvorgänge im Nervensystem

2.1 Welche Rolle spielt der Stoffwechsel in einem auf Information spezialisierten Organsystem?

2.2 Gibt es einen besonderen Stoffwechsel für das Nervengewebe?

Energiegewinnung (Zuckerstoffwechsel und Ketonkörper).

Aminosäuren- und Eiweißstoffwechsel.

Lipidstoffwechsel (Zellmembran und Markscheide).

Spurenelemente.

Vitamine.

2.3 Unterscheiden sich die Zellen des Nervensystems prinzipiell von anderen Körperzellen?

2.4 Welche Charakteristika zeigt die Nervenzelle im Hinblick auf den Stoffwechsel?

2.5 Wie wirken welche Überträgerstoffe (Transmitter)?

2.6 Was leisten die Gliazellen?

3. Kapitel. Transportprozesse und Flüssigkeitsbewegungen

3.1 Wie viel Blut braucht das zentrale Nervensystem?

3.2 Wie kommt das Blut zum zentralen Nervensystem?

3.3 Welche Mechanismen erlauben eine Stoffabgabe aus dem Blut im zentralen Nervensystem?

3.4 Gibt es Besonderheiten beim Blutabfluss des zentralen Nervensystems?

3.5 Kann man die Blutversorgung des zentralen Nervensystems beim lebenden Menschen visualisieren?

3.6 Wie gliedert sich die extravasale extrazelluläre Flüssigkeit im zentralen Nervensystem?

3.7 Welche morphologischen Strukturen entwickeln sich für die Bildung des Liquor cerebrospinalis?

3.8 Wie entsteht und wie gliedert sich der äußere Liquorraum?

3.9 Gibt es in der Nervenzelle spezifische Transportsysteme?

4. Kapitel. Informationsprozesse außerhalb des Nervensystems

4.1 Welche eigenen Informationsprozesse bildet das Stoffwechselsystem?

Ionenkonzentrationen.

Säuregehalt.

Aktivität (Energieumsatz).

Wachstum.

Reifung und Differenzierung.

4.2 Welche Informationsprozesse beziehen sich spezifisch auf das Blut?

4.3 Gibt es nicht-neuronale Informationsprozesse am Bewegungsapparat?

4.4 Welche eigenen Informationsprozesse bildet das rhythmisch-prozessuale System?

4.5. Wie gliedern sich die Informationsprozesse im Immunsystem?

4.6 Welche Bedeutung haben Informationsprozesse im Reproduktionssystem?

4.7 Welche Informationsprozesse finden sich in einer einzelnen Zelle?

5. Kapitel. Viszerale Regulation

5.1 Wie gliedern sich die Regulationsprozesse im Körperinneren?

5.2 Welche Aufgaben kann das enterische Nervensystem als eigener Komplex erledigen?

5.3 Welche anderen organspezifischen Funktionen werden durch intramurale Einheiten reguliert?

5.4 Was versteht man unter dezentraler organübergreifender Regulation des autonomen Nervensystems?

5.5 Welche Rolle spielt das Endokrinum (humorales System) im peripheren autonomen Informationsprozess?

5.6 Hat das Spinomedulläre System eine eigenständige Regulations-möglichkeit?

5.7 Für welche Funktionssysteme findet man Regulationszentren im Hirnstamm?

5.8 Welche Rolle spielt der Hypothalamus im autonomen Konzert?

5.9 Wie ist der Hypothalamus in das zentrale Nervensystem integriert?

Kapitel 6. Sensomotorische Systeme

6.1 Warum sollte man die ‚motorische’ Komponente des Nervensystems nicht einzeln betrachten?

6.2 Welche phylogenetische Bedeutung hat die Sensomotorik?

6.3 Was bedeutet der Muskeltonus und wie wird er kontrolliert?

6.4 Wie gliedert sich die spinale Koordination für die Körperbewegung?

6.5 Was vermittelt das Kleinhirn und der Hirnstamm für die Sensomotorik?

6.6 Wie werden Bewegungsmuster generiert?

6.7 Was heißt Bewegungsantrieb und Handlungsmotivation?

7. Kapitel. Sinnessystem

7.1 Welche Grundelemente werden für die Sinne benötigt?

7.2 Wann ist ein Sinn ein Sinn?

7.3 Was ist die eigentliche Qualität des tastenden Fühlens?

7.4 Welche Bedeutung hat die Wahrnehmung der eigenen Bewegung?

7.5 Welche grundsätzlichen Aufgaben kann das Gleichgewichtsorgan übernehmen?

7.6 Wie äußert sich der Lebenssinn?

7.7 Welche Bedeutung hat der Geruch beim Menschen?

7.8 Ist das Schmecken gleichbedeutend dem Riechen?

7.9 Wie entwickelt sich eine Wahrnehmung für Licht, und wie das Auge?

7.10 Wie kommt das Licht bis zur Netzhaut?

7.11 Wie wird die Lichtmenge optimiert?

7.12 Wie und warum wird fokussiert?

7.13 Wie wird der Lichtimpuls verarbeitet?

7.14 Wie wird ein Gegenstand [als Ganzes] gesehen und wahrgenommen?

7.15 Warum sollte man die Temperatur nicht bei der Tastempfindung mit behandeln?

7.16 Wie entwickelt sich die Wahrnehmung für Schall?

7.17 Wie kommt die Information des Schalls zu den Sinneszellen?

7.18 Wie wird die Schallinformation erkannt und moduliert?

7.19 Gibt es für Sprache, Gedanken und Ich eigene Wahrnehmungsorgane?

7.20 Wie können wir unsere nach außen gerichtete Aktivität reflektieren?

8. Kapitel. Gedächtnis, Lernen und Emotionen (das limbische System)

8.1 Welche Vorstellungen existieren zum Gedächtnis?

8.2 Was versteht man unter Emotionen?

8.3 Was versteht man strukturell unter dem Limbischen System?

8.4 Welche Argumente unterstützen die Parallelisierung von Limbischem System, Gedächtnis und Emotionen?

8.5 Was passiert auf der physiologisch-humoralen Ebene der Emotionen?

8.6 Wie lässt sich die motorisch-verhaltensmäßige Ebene der Emotionen fassen?

8.7 Welche Ansätze umfasst die subjektiv-psychologische Ebene der Emotionen?

8.8 Kann man Emotionen noch ganz anders erfassen und beschreiben?

9. Kapitel. Bewusstsein und Großhirnrinde

9.1 Welche Voraussetzungen ermöglichen die Entwicklung eines Bewusstseins?

9.2 Gibt es verschiedene Bewusstseinszustände?

9.3 Welche Rolle spielt der Hirnstamm für das Bewusstsein?

9.4 Wie arbeitet die Großhirnrinde?

9.5 Wie kann die Großhirnrinde zum Bewusstsein beitragen?

10. Kapitel. Ich-Sein und Hirntod

10.1 In wieweit hängen kognitive Leistungen mit dem Gehirn zusammen?

10.2 Gibt es reines Denken ohne den Aspekt der Kommunikation?

10.3 Lässt sich das ‚Ich’ auf das Nervensystem reduzieren?

10.4 Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Hirntod?

1. Kapitel. Entwicklung und Struktur des Nervensystems – Grundlagen für die Aufgabe als Informationssystem

1.1 Warum bildet sich überhaupt ein Nervensystem?

Als erste Anlage des Nervensystems lassen sich die sensomotorischen Systeme nachweisen. Bei den Kammquallen (Ctenophoren) findet sich erstmals eine Zellverbindung zwischen der apikal gelegenen Statozyste, einem einfachen Sinnesorgan auf dessen Sinneszellen sich Mineralablagerungen (Kalziumcarbonat-Kristalle) befinden, und den zur Fortbewegung dienenden Tentakeln. Diese Grundeinheit zeigt, dass das Nervensystem als Information-weiterleitende Verbindungsstrecke zwischen einem Wahrnehmungsorgan und einem Bewegungsapparat angelegt wird. Der Grund dafür ist wahrscheinlich in der Orientierungsfähigkeit im irdischen Raum zu suchen. Das primitive Vestibularorgan kann in diesem einfachen Entwicklungsstadium durch Mineralablagerungen Strömungsbewegungen im Wasser wahrnehmen. Ein weiteres einfaches Sinnessystem nimmt Licht wahr und kann so im Wasser oben und unten differenzieren. Die Sinneseindrücke führen zu einer Bewegungsreaktion an einer anderen Stelle des Organismus, an der sich primitive Muskelanlagen ausbilden. Einzelne langgezogene Zellen vermitteln zwischen beiden Bereichen; dies sind die ersten Nervenzellen (Neurone).

Mit Zunahme der Komplexität des Organismus vermehrt sich die Zahl der Neurone und die Dichte ihrer Verschaltung untereinander: so wird die materielle Grundlage für übergreifende Funktionselemente geschaffen, die beim Menschen in der Großhirnrinde ihren (vorläufigen) Höhepunkt erreicht.

Die Notwendigkeit eines Informationsorgans entsteht bei Lebewesen, die eine Gastrulation haben, d.h. die einen Teil ihrer äußeren Kontaktfläche in ihr Inneres ziehen. Dieser für das Tierreich charakteristische Prozess führt zu zwei polar ausgerichteten Grenzflächen, die neben der auch bei Pflanzen vorhandenen äußeren Kontaktfläche einen Innenraum konstituieren (eine eingestülpte Außenwelt). Das Nervensystem bekommt die Aufgabe, die mannigfaltigen Eindrücke von außen und innen aufzunehmen, was sich in einer netzartigen Ausbreitung der Fortsätze über den gesamten Körper und in einer Bildung von Sinnesorganen für spezielle Teile wiederspiegelt. Während die äußeren Eindrücke in ihrer Intensität stark schwanken und mit zunehmender Organisation eine differenziertere Einzelbearbeitung fordern, bleiben die inneren Eindrücke aufgrund der stabileren Homöostase feiner und eigenständiger (autonom).

Beim Menschen finden wir die besondere Situation, dass er insbesondere die vom Nervensystem aufgenommenen äußeren Eindrücke auf seine Person (sein ‚Ich’) bezieht; die inneren Eindrücke werden in der Regel von diesem Bezugssystem ferngehalten. Während innerhalb des Nervensystems die abstrakte Ebene der Verarbeitung von Eindrücken stark differenziert wird ohne dass es eine zusammenführende Einheit an irgend einer Stelle gibt (Prinzip der Analyse), muss das sich als Einheit empfindende ‚Ich’ eine nicht-neuronale Repräsentation bekommen, die jedoch den gesamten Körper umfasst, um die Analysebausteine in den Gesamtbezug zu setzen (Prinzip der Synthese). Das einzige System, das dies im menschlichen Körper verwirklicht, ist das Blut (siehe auch Frage 10.3).

1.2 Wie bildet sich die morphologische Grundanlage des Nervensystems?

Um den 18. Tag der Entwicklung (Carnegie Stadium 8, Körperlänge 1-1,5 mm) verdickt sich durch zahlreiche Zellteilungen das Ektoderm rostral des Primitivknotens paraaxial auf beiden Seiten (Neuralplatten; Lamina neuralis) und bildet zwei Wülste (Plica neuralis), sodass sich in der Mitte eine Einfurchung bildet, die Neuralrinne (Sulcus neuralis). Diese entsteht nahezu über die gesamte Länge der Keimscheibe.

Die dicken Ektodermbereiche falten sich in die Amnionhöhle hinein auf und lassen bereits nach kurzer Zeit (um den 20. Tag, Carnegie Stadium 9) durch leichte Furchungen die späteren Abschnitte des zentralen Nervensystems erkennen. Etwa 2/3 der Neuralanlage formen das spätere Gehirn, während nur der unmittelbar am Primitivknoten entstehende Teil Anlage des Rückenmarks ist.

Mit fortschreitender Aufwulstung der Neuralplatten beginnen die in die Amnionhöhle ragenden Wülste sich zu nähern und verschmelzen schließlich miteinander. Es bildet sich so das Neuralrohr (Tubus neuralis). Der Verschluss beginnt in der Mitte der Keimanlage an der späteren Grenze von Hirnstamm und Rückenmark am 22. Tag (Carnegie Stadium 10), so dass vorne und hinten zunächst noch breite Öffnungen vorhanden sind (Neuroporus rostralis und Neuroporus caudalis). Bis zum 26. Tag (Carnegie Stadium 12) schließt sich das Neuralrohr rostral und kaudal und liegt dann dorsal der Chorda dorsalis unter dem wieder geschlossenem Ektoderm.

Durch den nicht vollständigen Schluss des Neuroporus posterior kann es zu verschiedenen Anomalien des kaudalen Rückenmarkbereichs kommen. Während bei einem Verschlussdefekt der Wirbelbögen (Spina bifida occulta, bei ca. 10% der Bevölkerung) das Rückenmark nicht betroffen ist, stülpen sich bei der Spina bifida cystica verschiedene Anteile bis an die Körperoberfläche. Die Meningozele enthält Hirnhäute und Liquor cerebrospinalis, die Meningomyelozele enthält zusätzlich nach außen verlagertes Nervengewebe, bei der Myeloschisis liegt das Neuralrohr an der Oberfläche und ist nicht durch andere Gewebe geschützt. Pränatal lassen sich diese Defekte durch einen hohen -Fetoproteinspiegel im mütterlichen Blut und durch Ultraschalldiagnostik nachweisen.

Schon während der Abfaltung des Neuralrohres vom Ektoderm wird an der Grenzzone zwischen Neuralplatte und Ektoderm eine besondere Zellformation erkennbar, die sich kurz vor der Vereinigung der Neuralwülste vom Ektoderm löst und dann beginnt peripherwärts (d.h. in den entstehenden Körper) auszuwachsen. Dabei bleibt der Kontakt zum Neuralrohr erhalten. Die auf diese Weise gebildete Gewebsplatte stellt die Neuralleiste (Crista neuralis) dar, die im Rumpfbereich zunächst kontinuierlich, im Kopfgebiet von vornherein diskontinuierlich angelegt wird. Im Rumpfbereich gruppiert sich, ausgelöst durch die Somitenbildung, ein Teil der Zellen der Neuralleiste beiderseits des Neuralrohres zu segmental angeordneten Knoten, den späteren Spinalganglien.

Die frühe Entwicklung der Anlage des Nervensystems wird durch verschiedene Steuerproteine reguliert. Ihre Beschreibung und die funktionellen Aspekte wurden überwiegend an Tieren erforscht und punktuell als auch für den Menschen gültig verifiziert. In einem ersten Schritt induziert die direkt unter dem Ektoderm liegende Chorda dorsalis eine verstärkte Mitoserate der zukünftigen Neuralplatte. Diese Zellen, anfangs etwa 50% der ektodermalen Keimscheibe, verändern ihre Morphologie und bekommen ein langgezogenes, säulenartiges Aussehen (Verdickung); die übrigen Ektodermzellen sind flach. Neben einer Aktivierung von cAMP und Protein Kinase C scheint eine Hemmung von Signalmolekülen in den seitlichen Ektodermbereichen (besonders FGF und BMP-4) dafür notwendig zu sein, dass nicht das gesamte Ektoderm in Nervengewebe umgewandelt wird. Der Impuls der Neurulation scheint also so stark zu sein, dass er aktiv in seinen Grenzen gehalten werden muss.

Während des Aufeinanderzuwachsens der lateralen Neuralplattenanteile und dem Schluss zum Neuralrohr werden in den seitlichen, dann dorsal liegenden Neuralplattenzellen durch Proteine des epidermisbildenden Ektoderms (hauptsächlich BMP4 und BMP7) einige für die Differenzierung zu Nervengewebe wichtigen Gene aktiviert, darunter dorsalin, Pax3 und msx1. Diese Genexpression wird allerdings ventral von der Chorda dorsalis durch das sonic hedgehog Signal gehemmt. Dadurch bildet sich die ventrolaterale Grundplatte, in der Aufgrund der anderen Bedingungen jetzt besondere Nervenzellen (Motoneurone) entstehen können.

1.3 Wie entsteht aus gleichförmigen Epithelzellen eine Mischung aus Nerven- und Gliazellen?

Unmittelbar nach Schluss des Neuralrohres setzt eine starke Zellvermehrung ein. Die proliferierenden Zellen sind hochprismatisch, radial orientiert und bilden einen epithelartigen, mehrreihigen Zellverband durch die gesamte Dicke der Wand des Neuralrohres. Man bezeichnet diese Schicht als Ventrikulärzone. Bereits in diesem frühen Stadium wird das Neuralrohr in ventro-dorsaler Richtung vergrößert und besteht im Querschnitt aus zwei paarig angelegten seitlichen Zellmassen (Grundplatte und Flügelplatte), die dorsal und ventral durch eine dünne Deckplatte und Bodenplatte verbunden sind. Die in der Ventrikulärzone proliferierenden Zellen differenzieren sich frühzeitig in zwei Klassen: Spongioblasten, die sich zu Gliazellen differenzieren, und Neuroblasten, die eigentlichen Neurone.

Grundsätzlich haben die Zellen des Neuralrohres die Anlage sich zu Spongioblasten zu differenzieren. Zur Bildung von Neuroblasten bedarf es deshalb zusätzlicher Impulse, die vor allem in einer Verzögerung des Proliferationszyklus bestehen. Dadurch entstehen asymmetrische Teilungen, d.h. aus einer Mutterzelle entsteht eine Tochterzelle (mit der Fähigkeit sich weiter zu teilen) und eine postmitotische Zelle, die eigentliche Nervenzelle. Getriggert wird dies durch die Ausrichtung der Teilungsachse und durch ein intrazellulär kodiertes Gen (Tis21).

Die Fähigkeit der asymmetrischen Teilung und damit der Neubildung von Neuronen (Neurogenese) bleibt beim Menschen nicht auf die Embryonalzeit beschränkt, ist im ausgereiften Gehirn jedoch nur noch an wenigen Stellen nachweisbar: dazu gehören der Hippocampus und das Riechepithel, beides Regionen in denen kontinuierlich neue Neurone entstehen. Auch in der subventrikulären Zone des Endhirns (siehe Frage 1.12) finden sich Stammzellen, aus denen nach Aktivierung neue Nervenzellen gebildet werden können. Die Neurogenese beim Erwachsenen scheint sehr sensibel gegenüber äußeren Reizen zu sein, so kann die Bildung neuer Nervenzellen z.B. durch Schlafmangel erheblich gebremst werden.

1.4 Wie spezialisieren sich die Neurone auf die Informationsvermittlung?

Morphologisches Kernelement der Nervenzelle ist der Axon genannte Fortsatz (siehe auch zweites Kapitel, dritte Frage), der am Zellkörper durch eine Nissl-Schollen freie Zone, den Ursprungskegel oder Axonhügel, deutlich von den anderen Fortsätzen (Dendriten) unterschieden werden kann.

Bei multipolaren Neuronen (häufigster Nervenzelltyp) hat der Ursprungskegel die Aufgabe, alle verschiedenen einströmenden Impulse (aktivierende und hemmende) aufzurechnen und bei einem genügend starken Summenphänomen ein erregendes Signal zu bilden, welches dann über das Axon weitergeleitet wird. Bipolare und pseudounipolare Neurone bilden ihr Signal bereits am dendritischen Axon und weisen am Zellkörper deshalb keine derartige funktionell wichtige Region auf.

Der erste Abschnitt des Axon ist zur Stabilisierung des neu gebildeten Signals noch ohne eine Markhülle und wird deshalb als Initialsegment bezeichnet. Zweigt sich das Axon in seinem myelinisierten Abschnitt auf, so spricht man von Axonkollateralen (meist die kürzeren Fortsätze), das Hauptzielgebiet wird als Terminationsgebiet bezeichnet. Dort zweigt sich das Axon in mehrere Endknöpfchen (Boutons) auf und überträgt sein Signal an die entsprechende(n) nachgeschaltete(n) Zelle(n).

Nervenzellen erfüllen ihre Aufgabe der Informationsvermittlung als Kondensatoren mit Hilfe von elektrischen Impulsen.

Die Erregbarkeit einer Zelle hängt im wesentlichen mit ihren Membraneigenschaften zusammen. Die Nervenzellen haben ein Ruhemembranpotential von –60 bis –90 mV, welches durch eine Trennung von positiven (außen) und negativen Ladungen (innen), begrenzt auf die Membranoberfläche, erreicht wird. Die Konzentrationen der Ionen sind in Ruhe innerhalb und außerhalb der Zelle ausgeglichen; es finden deshalb durch das Ruhemembranpotential keine Wasserbewegungen statt. Da die Membran für Ionen permeabel ist, im inneren der Zelle aber eine hohe Kaliumkonzentration vorhanden ist, strömen Kaliumionen entlang des Konzentrationsgefälles nach außen. Die negative Ladung im Zellinneren ist im wesentlichen von den Proteinen getragen, die nicht durch die Membran diffundieren können. Um keinen Ionenausgleich zu erhalten, muss deswegen fortlaufend Kalium aktiv wieder in die Zelle zurücktransportiert werden. Gelangen durch öffnen von Ionenkanälen sehr viele positive Ladungen in das Zellinnere, so kommt es nach überschreiten der Membranschwelle schlagartig zu einer Depolarisation mit zusätzlichem Einstrom von Natriumionen, die den Nullwert des Membranpotentials überschreiten und Aktionspotential genannt wird. Durch entfernen der übermäßigen positiven Ladung im Zellinneren wird der Ausgangszustand wiederhergestellt. Dabei kann man unmittelbar nach dem Aktionspotential kein weiteres Aktionspotential auslösen (absolute Refraktärperiode). Ist der Ausgangszustand noch nicht erreicht, das Membranpotential aber bereits negativ, kann ein erneutes Aktionspotential entstehen, das jedoch eine kleinere Amplitude aufweist (relative Refraktärperiode). Pro Sekunde können maximal 500-1000 Aktionspotentiale über ein Axon laufen.

Ist an einer Stelle der Nervenzellmembran ein Aktionspotential ausgelöst, so werden die Nachbarregionen von der Ionenverschiebung mit angeregt und das Aktionspotential breitet sich entlang der Zellmembran aus. Durch die absolute Refraktärperiode kann sich das einzelne Aktionspotential nur in eine Richtung (nämlich weg von der primären Stimulation) fortbewegen.

Die Leitungsbahnen können klinisch mit der Elektroneurographie auf ihre Funktionsfähigkeit getestet werden. Dabei werden in einem oberflächlich laufenden Nerven die Geschwindigkeit, die Amplitude (als Summenphänomen aller Axone in einem Nerven) und die Refraktärzeit abgeleitet. Veränderungen der Geschwindigkeit weisen auf eine Störung der Myelinisierung hin, Verringerungen der Amplitude auf einen Untergang von Axonen.

1.5 Woher kommen die Impulse, die zu einem Aktionspotential führen?

Es lassen sich drei verschiedene physiologische Ursprünge für die Impulse, die zu einem Aktionspotential einer Nervenzelle führen, ausmachen: nicht-neuronale Impulse als Sinnesmodalitäten führen entweder direkt oder über Hilfszellen zu neuronaler Erregung, verschiedene neuronale Impulse werden in einer nachgeschalteten Nervenzelle aufsummiert (siehe Frage 1.4) oder Neurone generieren eigenständig Aktionspotentiale.

Der wache Mensch ist dadurch charakterisiert, dass er über seine Sinnesorgane die Umgebung erkennt und sich bewusst macht. Dieser Vorgang ist auf neurobiologischer Basis so beschreibbar, dass in spezialisierten Regionen entsprechende Reize aus der Umgebung in eine Frequenz von Aktionspotentialen an afferenten Neuronen übersetzt werden, die dann zur Großhirnrinde gesendet werden. Bis auf die olfaktorischen Reize gelangen alle Afferenzen zum Thalamus, der durch tonische Folgen von Aktionspotentialen mit hoher Frequenz aber niedriger Amplitude eine ungetrübte Weiterleitung zu den primären kortikalen Regionen erlaubt (Unterschiede von Wachen und Schlafen siehe auch Frage 9.2).

Neurone weisen häufig kein stabiles Ruhemembranpotential auf, sondern generieren spontan Aktionspotentiale. Durch bestimmte Kaliumkanäle wird eine langsame Änderung des Membranpotentials bewirkt, die wenn sie an die Membranschwelle gelangt zu einer Depolarisation führt. Diese kann entweder regelmäßig oder in Form von Salven (‚bursting’) erfolgen. Bei der unregelmäßigen Entladung sind zusätzlich noch Kalziumkanäle beteiligt. Typische Beispiele sind das aufsteigende retikuläre Aktivierungssystem (ARAS – siehe Frage 9.3) oder die rhythmisch-oszillierenden Salven im Thalamus während des Schlafens, die eine Weiterleitung spezifischer Informationen der Sinnesmodalitäten weitgehend blockieren.

Treten größere Verbände von miteinander vernetzten Neuronen auf, die ein instabiles Membranpotential zeigen (Übererregbarkeit), dann können solche ‚Schrittmacher’-Bereiche Ausgangspunkt für epileptische Anfälle werden. Ursache dafür sind z.B. ein Missverhältnis von hemmenden und erregenden Transmittern oder eine Schädigung der Zellmembran. Auslösende Faktoren sind sehr unterschiedlich, ebenso die Größe der betroffenen Gebiete und damit das klinische Bild (grand mal – Anfall als Beispiel für eine generalisierte Synchronisation, petit mal – Anfall als beispiel für einen fokalen Synchronisationsprozess).

1.6 Wie wird die Impulsweiterleitung optimiert?

An einem isolierten Axon kann das Aktionspotential an der Zellmembran entlang wandern und so bis zum Ende des Fortsatzes gelangen. Solche Fortsätze werden als marklose Nervenfasern bezeichnet; ihr Axondurchmesser liegt zwischen 0,5 und 2 µm. Zur schnelleren Weiterleitung der Signale werden die meisten Nervenfaser jedoch von einer Isolierschicht umgeben, die im zentralen Nervensystem von den Oligodendrozyten, im peripheren Nervensystem von den Schwann-Zellen gebildet wird. An den zwischen den Isolierzellen entstehenden Lücken (Ranvier-Schnürringe) können die für die Erregungsvorgänge wichtigen Membranprozesse des Axons ablaufen, im Markscheidenbereich jedoch nicht. Die Erregung kann somit von Schnürring zu Schnürring springen (saltatorische Erregungsleitung). Je länger die Internodien zwischen zwei Schnürringen sind und je dicker die Markscheide ist, umso schneller ist die Leitungsgeschwindigkeit. Beim Menschen erreichen die dicksten Fasern einen Axondurchmesser von 20 µm und eine Myelindicke von bis zu 8 µm.

Die physiologische Einteilung der Nervenfasern erfolgte historisch gesehen für die efferenten (Erlanger-Gasser) und afferenten Fasern (Lloyd-Hunt) separat. Heute kombiniert man beide Einteilungen und bildet 6 Gruppen: Aα Fasern mit einer Leitungsgeschwindigkeit von 60-120 m/s ziehen efferent zu den extrafusalen Muskelfasern, bei den afferenten Fasern werden in dieser Gruppe die Muskelspindelafferenzen (Ia Fasern) und die Golgisehnenafferenzen (Ib Fasern) unterschieden. Die schnelleitenden Hautrezeptoren für Druck und Berührung (40-90 m/s) werden in der zweiten Gruppe (Aβ- bzw. II-Fasern) zusammengefasst. In der dritten Gruppe (Aγ-Fasern, 20-50 m/s) finden sich die intrafusalen Efferenzen und in einer vierten Gruppe (III- bzw. Aδ-Fasern, 10-30 m/s) die etwas langsameren Hautafferenzen (ein Teil der Temperaturwahrnehmung). Für das vegetative Nervensystem lassen sich die B-Fasern (5-20 m/s) als Verbindung zwischen zentralem Nervensystem und peripheren Ganglien von den C-Fasern (0,5-2 m/s) unterscheiden, die von den peripheren Ganglien zu den Effektorregionen ziehen. Die C-Fasern weisen keine Myelinscheide mehr auf und decken sich mit den afferenten langsamen Leitungen (IV Fasern).

1.7 Was passiert mit den Impulsen am ‚Ende’ der Nervenzelle?

Prinzipiell stehen dem Nervensystem zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung: bei der direkten Weiterleitung (elektrische Synapse) kommt es zu einer Kopplung benachbarter Neurone über Connexin 36. Die Information wird hierbei Kalzium-abhängig als direktes Signal an die nächste Zelle weitergegeben. Die Funktion dieser Kontakte (gap-junctions) dient vermutlich der schnellen Synchronisation von benachbarten Nervengruppen; daneben kann es auch zu einem Austausch von second messengern und anderen Stoffen kommen. Das Vorkommen von elektrischen Synapsen ist ubiquitär im gesamten menschlichen zentralen Nervensystem, besondere Häufungen finden sich jedoch im Rückenmark an den Motoneuronen, im Hirnstamm an der unteren Olive und in den Laminae IV und VI der Großhirnrinde.

Ebenfalls ubiquitär kommt auch die indirekte Weiterleitung mithilfe chemischer Botenstoffe (siehe Frage 2.5) vor. Diese chemischen Synapsen sind durch eine Reihe struktureller Besonderheiten gekennzeichnet. Die Zellmembranen sind in der Regel verdickt (prä- und postsynaptische Membranverdickungen) und durch einen 20-30nm schmalen Spaltraum (synaptischer Spalt) voneinander getrennt. Im Bereich der terminalen Axonschwellung findet man keine Neurofilamente und Neurotubuli, jedoch vermehrt Mitochondrien und Vesikel. Die synaptischen Vesikel unterscheidet man nach ihrem elektronenmikroskopischen Aussehen: kleine klare Bläschen (Durchmesser 40-60nm) enthalten häufig Azetylcholin, kleine granuläre Bläschen Monoamine und große granuläre Bläschen (Durchmesser bis 100nm) spezifische Neuropeptide.

Erreicht ein Aktionspotential die präsynaptische Axonauftreibung, verschmilzt durch einen Kalziumeinstrom die Vesikelmembran mit der präsynaptischen Zellmembran und die Transmitter gelangen in den synaptischen Spalt. Über entsprechende Rezeptoren der postsynaptischen Membran wird dann entweder ein aktivierendes (exzitatorisches) oder hemmendes (inhibitorisches) Signal aufgenommen.

Auch eine Interaktion benachbarter Synapsen (z.B. adrenerger und cholinerger Nervenenden) kann durch präsynaptische Rezeptoren vermittelt werden (cross-talk).

Die Erregungsübertragung im Bereich der Synapsen ist zwar definiert, die Synapsen selber aber keine starren Strukturen. Das Nervengewebe ist gerade auf dieser Ebene extrem anpassungsfähig und veränderlich. In einem ersten Schritt entstehen während der Entwicklung überschießend viele Kontakte zwischen aussprossenden Nervenfortsätzen, jedoch zunächst mehr zufällig. Nach Kontaktaufnahme kann dann entschieden werden, ob sich echte Synapsen ausbilden oder die beiden Fortsätze sich wieder zurückziehen. Durch das Verschwinden funktionell ungeeigneter und überflüssiger Kontakte kann sich dann die definitive funktionelle Struktur herauskristallisieren. Diese Modulationsfähigkeit bleibt dem Nervensystem zeitlebens erhalten. Auch strukturell ausgebildete Synapsen können sich so wieder auflösen, sodass über diesen Mechanismus zwei fundamentale Fähigkeiten erklärbar werden: zum einen die Notwendigkeit der ‚Bereizung’, zum anderen die Möglichkeit des Funktionserhaltes trotz Zelluntergang.

1.8 Welche Grundgliederung bildet sich im Rückenmark?

Die Neurone der Grundplatte bilden ventrolaterale Fortsätze, die das zentrale Nervensystem verlassen und frühzeitig Kontakt mit den Muskelanlagen aus den Somiten (Myotome) gewinnen. Diese enge Beziehung hat zu dem Namen ‚motorische Nerven’ geführt. Da der Informationsfluss in Richtung Muskulatur verläuft spricht man auch von efferenten Bahnen. Sie senden Signale zu den Muskelfasern und steuern so die in der Muskulatur ablaufende Bewegung.

Im Gegensatz dazu bilden die am zentralen Nervensystem verbleibenden Teile der Neuralleiste die afferenten Bahnen, sie leiten also Informationen aus dem Körper zum zentralen Nervensystem. Die Vielzahl dieser verschiedenen Informationen wird mit dem Begriff Sensibilität umschrieben. Einige wenige afferente Informationen werden direkt von Teilen des zentralen Nervensystems aufgenommen: dazu zählen optische und olfaktorische Signale.

Die eigentliche Verarbeitung der afferenten Informationen erfolgt in der dorsal gelegenen Flügelplatte; die dort befindlichen Neurone projizieren streng innerhalb des zentralen Nervensystems, haben also keinen direkten Kontakt mit dem übrigen Körper. Sie werden deshalb auch Interneurone genannt.

1.9 Nach welchen Prinzipien gliedert sich das Rückenmark in den verschiedenen Dimensionen?

links-rechts. Das Rückenmark ist streng bilateral-symmetrisch aufgebaut.

Die bilaterale Symmetrie im Rückenmark ist strukturell und funktionell ausgebildet. Jede Körperregion wird ipsilateral somatotopisch über das Rückenmark dargestellt; Kommissuren verbinden nicht nur gleiche sondern auch funktionell als Einheit wirkende Rückenmarksabschnitte. So werden z.B. für die abdominelle Zuggurtung der kraniale Teil des Musculus obliquus abdominis externus der einen Seite mit dem kaudalen Teil des Musculus obliquus abdominis internus der anderen Seite verbunden.

innen-außen. Die Neuroblasten der Ventrikulärzone schieben sich zur Seite und bilden die Intermediärzone (Mantelzone, Zona intermedia), aus der die graue Substanz des Rückenmarks (Substantia grisea) hervorgeht. Sie bildet sich zuerst ventrolateral in der Grundplatte zu Beginn der fünften Entwicklungswoche. Die Zellen, die in der Ventrikulärzone verbleiben, bilden einen epithelialen Verband um den Zentralkanal (Ependym um den Canalis centralis), der zum Gliagewebe gezählt wird.

Von der Intermediärzone schieben sich Fortsätze der neu gebildeten Nervenzellen nach außen (Nervenfasern), die Verbindungen zu anderen Abschnitten des zentralen Nervensystems herstellen. Dadurch entsteht um die Intermediärzone eine hellere, faserreiche Marginalzone (Randschleier, Zona marginalis), in der sich die Faserstränge des Rückenmarks (Funiculi spinales) als weiße Substanz des Rückenmarks (Substantia alba) ausbilden. Zusätzlich sprossen Fortsätze der Grundplatten-Neuroblasten seitlich aus dem Neuralrohr und bilden die vordere Rückenmarkswurzel (Radix anterior).

ventral-dorsal. Ventrale und dorsale Anteile des Rückenmarks bilden im Querschnitt ein charakteristisches Muster: Die graue Substanz formiert ventral das Vorderhorn (Cornu anterius), in dem sich die großen -Motoneurone befinden, und dorsal das Hinterhorn (Cornu posterius), in dem die sensiblen Informationen verschalten werden. Zusätzlich finden sich im thorakalen und lumbalen Abschnitt zwischen den beiden Anteilen ein Seitenhorn (Cornu laterale), das sowohl motorische als auch verschaltende Neurone enthält, die jedoch ein besonderes Aufgabenfeld (innere Organe; Vegetativum) haben. Linke und rechte graue Substanz sind durch die Commissura grisea miteinander verbunden, in deren Mitte der Zentralkanal liegt.

Die weiße Substanz gliedert sich durch die ventrolateral austretende Vorderwurzel und die dorsolateral eintretende Hinterwurzel in drei Abschnitte: ventral der Vorderstrang (Funiculus anterior), lateral der Seitenstrang (Funiculus lateralis) und dorsal der Hinterstrang (Funiculus posterior). Diese Gliederung ist rein topographisch und entspricht keiner funktionellen Einteilung. Die beiden Vorderstränge werden durch die Fissura mediana voneinander getrennt, die beiden Hinterstränge liegen dicht aneinander und sind nur durch einen kleinen Sulcus medianus posterior in der Mittellinie abgrenzbar.

rostral-kaudal.Die rostral-kaudale Entwicklung des Rückenmarks geschieht durch eine größere Gruppe von Steuersignalen, deren komplexe in vier unterschiedlichen Bereichen der Genkarte lokalisiert sind und als Hox-Gene bezeichnet werden (HoxA, HoxB, HoxC, HoxD). Innerhalb dieser Komplexe finden sich wieder Untergruppen, die von 1-13 durchnummeriert sind. Durch die unterschiedliche Kombination der Hox-Gene entwickelt sich ein fein abgestuftes System, wobei nahezu in jedem Segment eine spezifische Kombination mehrerer Untergruppen exprimiert wird. Ein wichtiger Faktor für diese Abstufung ist die Retinoinsäure (Vitamin A1), die rostral gebildet wird und nach kaudal zu einen Konzentrationsabfall aufzeigt. Die Kombination der Hox-Einheiten beeinflusst die Differenzierung der jeweiligen Rückenmarkssegmente. Durch eine enge Beziehung werden auch die dazugehörigen Somitenderivate (Myotome, Sklerotome, Dermatome) spezifisch geprägt.

Da die Extremitäten in den sie versorgenden Segmenten prozentual mehr Nervenzellen beanspruchen als die Brust- und Bauchwand, sind die zugehörigen Abschnitte des Rückenmarks und die sich bildenden Spinalnerven etwas dicker. Dies sieht man als Intumescentia cervicalis für den Arm und als Intumescentia lumbosacralis für das Bein bereits in der frühen Fetalperiode.

Auch das Verhältnis von grauer zu weißer Substanz und deren Anordnung im Querschnitt verändert sich von kranial nach kaudal: im oberen Zervikalmark findet sich ein schlankes Vorderhorn und sehr viel weiße Substanz. Im unteren Zervikalmark verbreitert sich das Vorderhorn, während im Thorakalmark das Seitenhorn deutlich hervortritt. Im Lumbal- und Sakralmark zeigt sich ein plumperes Aussehen der Vorder- und Hinterhörner im Querschnitt und prozentual nur wenig weiße Substanz.

1.10 In welcher Beziehung stehen Rückenmark und Rückenmarkskanal?

Während der Embryonalzeit reicht das Rückenmark durch die ganze Wirbelkette im Wirbelkanal bis zu den Schwanzsegmenten (Cocczygealbereich). Der Endabschnitt des Rückenmarks rudimentiert jedoch im Lauf der Entwicklung zum Filum terminale, einem fadenförmigen Strang aus Gliagewebe. Dieser ist embryonal noch an der Haut über dem Steißbein, später nur noch an der Rückfläche des Os coccygis befestigt.

Mit Beginn des dritten Fetalmonats bleibt die Wachstumsgeschwindigkeit des Rückenmarks gegenüber der des Rumpfes zurück. Die Wirbelsegmente verbreitern sich, wodurch das untere Rückenmarksende passiv nach kranial verlagert wird. Durch diesen scheinbaren ‚Aszensus des Rückenmarks’ verändert sich auch Form und Länge der Spinalnervenwurzeln. Die kaudalen Wurzelfäden werden zunehmend in die Länge gezogen, da die in den Foramina intervertebralia lokalisierten Spinalganglien ihre Lage nicht verändern. So entsteht das Bild der Cauda equina, d.h. die pferdeschweifartige Anordnung der Spinalnervenwurzeln (Fila radicularia) im Lenden- und Sacralbereich des Wirbelkanals.

Wenn zu diagnostischen Zwecken Hirnflüssigkeit punktiert werden muss, kann man beim Erwachsenen auf Grund des Rückenmark-Aszensus ohne Gefahr der Rückenmarksverletzung unterhalb des zweiten Lendenwirbels in den Subarachnoidalraum einstechen und Liquor entnehmen (Lumbalpunktion). Über den gleichen Zugangsweg kann auch Kontrastmittel für eine Myelographie (radiologische Darstellung des Subarachnoidalraums) oder Medikamente für eine Spinalanästhesie (gleichzeitige Betäubung mehrerer Spinalnervenwurzeln) injiziert werden.

1.11 Wie entsteht das periphere Nervensystem?

Zwei unterschiedliche Prozesse laufen bei der Entstehung des peripheren Nervensystems parallel: zum einen verlängern sich Nervenzellfortsätze der Grundplattenneurone und der Spinalganglienzellen und ziehen so mit ihrem zu versorgenden Gewebe an die Endposition im Organismus, zum anderen wandern Neuralleistenzellen die nicht im Spinalganglion fixierten sind in den Organismus.

Die vom Vorderhorn und vom Spinalganglion ausgehenden Nervenfortsätze bilden in Interaktion mit den Somiten die metamer und paarig angelegten Spinalnerven. Dabei wird zunächst eine dünne Leitschiene aus wenigen Nervenfasern (Pionierfasern) oder Gliazellen zum Zielgewebe (Somiten für die somatomotorischen Fasern, Entoderm bzw. Seitenplattenmesoderm für die viszeralen Fasern) aufgebaut, die dann von weiteren Nervenfortsätzen bis zum vollständigen peripheren Nerven erweitert wird. Durch das Auswandern der Somitenderivate werden die Fasern wie ein Ariadnefaden mitgezogen und können so komplexe Verläufe zeigen: dies gilt insbesondere für die Extremitäten, bei denen die Muskelanlagen durch das Längenwachstum stark gegeneinander verschoben werden. Aus sekundären Zusammenlagerungen von Abschnitten der Nervenfortsätze entstehen die Extremitätenplexus.

Die Zellen der Neuralleiste wandern mit den viszeralen Fasern von der zentralen Einheit Neuralrohr-Spinalganglien weg und bilden die peripheren Ganglien, die alle dem autonomen Nervensystem zugehörig sind. Sie besiedeln erst nach und nach das bereits ausgebildete Gewebe. Hierbei verhalten sich die Zellen in den verschiedenen rostro-kaudalen Abschnitten der Neuralleiste unterschiedlich.

Vom zerviko-thorakalen Rückenmarksbereich bleibt eine erste Gruppe dieser Zellen neben den Wirbeln (paravertebrale Ganglien), eine zweite um die großen Gefäße vor den Wirbelkörpern (prävertebrale Ganglien) liegen. Die paravertebralen Ganglien formieren sich beiderseits zu einem segmental gegliederten Strang (Grenzstrang, Truncus sympatheticus). Die prävertebralen Zellgruppen verdichten sich an den aus der Aorta ventral gelegenen Abgängen zu mächtigen Komplexen (Sonnengeflecht, Plexus solaris). Funktionell bilden beide Gruppen eine Einheit; die Nervenzellen werden als Sympathikoblasten zusammengefasst.

In Höhe der Medulla oblongata (Nervus vagus) und im lumbo-sakralen Rückenmarksbereich wandern die Neuralleistenzellen bis in das Parenchym der Organe selbst (intramurale Ganglien). Die Ausbreitungsgrenze des kranialen Anteils zieht sich weit nach kaudal bis an die linke Dickdarmbeuge (Flexura coli sinistra; Cannon-Böhm-Punkt); die kaudalen Darmrohrabschnitte und die Beckenorgane werden aus den sakralen Abschnitten besiedelt.

Erreicht die Besiedlung der distalen Kolonabschnitte durch Nervenzellen das Rektum nicht, so kommt es zu einer Hypo- oder Agangliose, meist im supraanalen Darmbereich. Dieser Darmabschnitt ist dann stark kontrahiert, der übrige Dickdarm übermäßig erweitert (Megakolon). Die Erkrankung nennt man Morbus Hirschsprung.

1.12 Nach welchen Prinzipien entwickeln sich die Hirnabschnitte?