Das Inselhaus - Leonora Christina Skov - E-Book
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Das Inselhaus E-Book

Leonora Christina Skov

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Beschreibung

Sieben Menschen, die einander noch nie getroffen haben, werden aus den unterschiedlichsten Gründen zu einem Arbeitsaufenthalt auf eine Insel eingeladen. Wie sich herausstellt: auf eine einsame Insel. In ein Haus aus Glas. Doch warum gerade sie? Und wer ist überhaupt derjenige, der ihnen anonym die Einladung hat zukommen lassen? Wer lässt extra ein Haus für sie bauen? Und warum? Während ihres Aufenthalts geschehen seltsame und unerklärliche Dinge auf der Insel. Immerhin gibt es keine Toten. Zumindest noch nicht …

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Zum Buch

Sieben Menschen, die einander noch nie getroffen haben, werden aus den unterschiedlichsten Gründen zu einem Arbeitsaufenthalt auf eine Insel eingeladen. Wie sich herausstellt: auf eine einsame Insel. In ein Haus aus Glas. Doch warum gerade sie? Und wer ist überhaupt derjenige, der ihnen anonym die Einladung hat zukommen lassen? Wer lässt extra ein Haus für sie bauen? Und warum? Während ihres Aufenthalts geschehen seltsame und unerklärliche Dinge auf der Insel. Immerhin gibt es keine Toten. Zumindest noch nicht …

Zum Autor

LEONORA CHRISTINA SKOV, geboren 1976, ist in ihrer Heimat Dänemark für ihre sarkastische Literaturkritik und ihre bissige Kolumne in der Wochenzeitung Weekendavisen bekannt. Für ihre Romane »Das Turmzimmer« und »Der erste Liebhaber« wurde sie von der dänischen Kritik gefeiert. Leonora Christina Skov lebt in Kopenhagen.

Leonora Christina Skov

Das Inselhaus

Kriminalroman

Aus dem Dänischen von Nora Pröfrock

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die dänische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »Hvor intet bryder vinden« bei Politikens Forlag, Kopenhagen.Die Arbeit am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds e.V. gefördert, wofür sich die Übersetzerin herzlich bedankt.Das Zitat von Vladimir Nabokov entstammt folgender Ausgabe: Vladimir Nabokov, Lolita. Gesammelte Werke. Bd. 8. Deutsche Übersetzung von Helen Hessel u. a., bearbeitet von Dieter E. Zimmer. Copyright © 1959, 1989 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
Copyright © Leonora Christina Skov 2015 Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Covergestaltung: semper smile, München Covermotiv: © Shutterstock/Nejron Photo; somen; Love the wind Satz: Uhl + Massopust, Aalen AH · Herstellung: sc ISBN 978-3-641-18791-0V002
www.btb-verlag.dewww.facebook.com/btbverlag

Für Sidselmeine Schwester im GeisteUnd für meine geliebte Annette

Addis Abeba, Äthiopien, Montag, 5. Mai 2014

In Äthiopiens geschäftiger Hauptstadt Addis Abeba ging es allmählich auf die Hauptverkehrszeit zu. Ein paar Etagen unter dem Café Lime Tree warteten ramponierte blauweiße Taxis mit laufendem Motor (Hey Sister, need a ride?), die Sonne stand tief über dem Dunst der Abgase, in zwei Stunden würde sie sich von dem emsigen Treiben abwenden und untergehen. Es war bereits kühler geworden. Robin Lee zog im Café das Fenster zu und klickte sich durch ihren Artikel. Wenn sie sich beeilte, würde sie heute vielleicht noch mit einem ersten Entwurf fertig.

»Hast du wirklich gedacht, du würdest einfach so davonkommen?«, fragte irgendwo über ihrem Kopf eine Männerstimme, kurzatmig in der stickigen Luft. Robins Hände erstarrten ein paar Zentimeter über der Tastatur.

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte sie und schaute auf. Vor ihrem Tisch stand ein älterer Herr, der die Hände vor dem Körper übereinandergelegt hatte und Robin mit einem höhnischen Zug um den Mund anblickte. Aus der Brusttasche seines zerknitterten hellgelben Hemdes ragte ein länglicher Briefumschlag, und seine Haut war so weiß wie sein Haar, das an der Stirn bereits ein gutes Stück zurückgewichen war.

»Du weißt genau, was du getan hast, Robin Lee«, entgegnete er und betonte dabei ihren Namen, den er eigentlich gar nicht kennen konnte. Unmöglich. Einen Moment hatte Robin den Eindruck, als hätte sie ihn schon einmal gesehen, doch je länger sie sich in Afrika aufhielt, desto mehr schienen sich ihre dänischen Landsleute zu ähneln. Nach mittlerweile fünfzehn Jahren sah sie kaum noch einen Unterschied.

»Ich muss Sie enttäuschen, ich bin nicht die Robin Lee, nach der Sie suchen«, sagte sie, und das stimmte. Sie war eine gewissenhafte Reisejournalistin mit den Schwerpunkten Afrika und Asien, nichts anderes. Just in diesem Moment arbeitete sie an einem wichtigen Artikel über die euphorisierende Khatpflanze, die dem Horn von Afrika das Grundwasser entzieht und große Teile der Bevölkerung von Somaliland bis zum Jemen einer lähmenden Antriebslosigkeit anheimfallen lässt. Vorher hatte sie die E-Mails ihrer Redakteure beantwortet (Ja, ich lebe noch. Der Terrorangriff, von dem du schreibst, war am anderen Ende des Kontinents) und ihrer kambodschanischen Stammdolmetscherin geschrieben, um sie für einen weiteren Einsatz in einem krisengebeutelten Badeort in Südkambodscha anzufragen.

»Ich versichere dir, du bist die richtige Robin Lee«, sagte der Mann. Sein Brustkorb hob und senkte sich zu schnell. Wer ist das?, dachte sie. Wer zur Hölle ist das?

»Du tust also unschuldig, wie immer«, sagte er und sah sie an, als stellten ihr einteiliger Hosenanzug und das hastig zusammengebundene Haar eine Beleidigung dar. »Wahrscheinlich bist du mal wieder schwer damit beschäftigt, die Welt zu retten, was?«

Er deutete mit dem Kopf auf ihre Notizen und Interviewauszüge, die auf dem ganzen Tisch verteilt lagen, gleich neben der neusten Ausgabe des New African Magazine. »Exclusive. African leaders tell it like it is.« Afrikanischer Optimismus vom Feinsten. Der Kiefer des Mannes bebte.

»Oder willst du vielleicht erst noch ein paar weitere unschuldige Menschen um die Ecke bringen?«

Robin war ja schon einiges begegnet, aber noch nie hatte sie das Gefühl gehabt, sie würde gerade als Schurkin für einen düsteren dänischen Fernsehkrimi gecastet. Das hätte sie dem Mann am liebsten gesagt und ihn auch gleich gebeten, doch endlich mal umzuschalten, aber sie lächelte nur und sagte nichts. Diese Strategie hatte sie zuletzt im November angewandt, als ein paar simbabwische Polizisten in Bulawayo ein kleines Vermögen von ihr erpressen wollten. Es war ihnen nicht gelungen.

»Wie lebt es sich eigentlich, nachdem so viele sterben mussten?«, fragte der Mann zu laut. »Ist doch sicher komisch, oder?«

Gott sei Dank wurde seine Stimme von einem Flugzeug übertönt, das in einigen Kilometern Entfernung mit einem dumpfen Dröhnen vom Flughafen abhob.

»Wer sind Sie?«, fragte sie, ihr Lächeln war nun erloschen. »Was wollen Sie von mir?«

Der Störenfried war einer dieser Männer, deren Lippen mit dem Alter immer schmaler werden. Was noch von ihnen übrig war, bildete einen farblosen Rand, der auf der einen Seite herunterhing.

»Ich habe eine Theorie entwickelt, die ich gern mit dir teilen will«, sagte er. »Manche Menschen haben von Geburt an so etwas wie kleine, unsichtbare Widerhaken am Körper, an denen Volltrottel wie du einfach haften bleiben. Kennst du das irgendwoher?«

Robin sah sich hastig um. Im Café saß die gewöhnliche Mischung aus neureichen Äthiopiern und weißen Geschäftsleuten, die ihre westlichen Sandwiches aßen. Ein paar äthiopische Frauen mit geglättetem Haar und zwölf Zentimeter hohen Absätzen an ihren Lackschuhen warteten diskret auf Kunden, und eine Handvoll ungewaschener Touristen in Batikhemden und erdfarbenen Pluderhosen lasen in Reiseführern oder schrieben E-Mails. Ein Kellner lief zwischen den Tischen hin und her und servierte starken äthiopischen Kaffee, der die Anwesenden jedoch auch nicht munterer machte. Niemand schien den wahnsinnigen Dänen zu bemerken.

»Wenn ich jetzt Stormø sage, was sagst du dann?«, wollte er wissen. Robin hatte den Ausdruck Es lief ihr kalt den Rücken runter immer für eine leere Redensart gehalten, doch seine Frage war in der Tat wie Eiseskälte, die ihr durch Mark und Bein ging. Stormø war der letzte Ort auf der Welt, an den sie denken wollte, und dennoch sah sie in diesem Moment die Insel und das Haus und sieben Menschen vor sich. Einer davon war sie selbst. So recht hatte sie noch immer nicht begriffen, wie sie von dort entkommen war, und sie wollte es auch nicht herausfinden, nicht mehr. Stormø war ein Detail aus ihrer Vergangenheit, sonst nichts. Ein ausgelöschtes Detail von vielen.

»Du siehst blass aus«, sagte er. »Vielleicht hast du ja doch einen Funken Gewissen?«

Robin klappte den Laptop geräuschvoll zusammen und signalisierte dem nächsten Kellner, er solle zu ihr an den Tisch kommen.

»Excuse me! Yiqirta! This man is bothering me.«

Doch der Kellner musste gerade ein paar altersschwachen Touristen mit Sonnenhüten und fahrigen Armbewegungen dabei helfen, das Geld für ihren Kaffee in speckigen Birrscheinen zusammenzuzählen.

»Ich versuche, Sie möglichst diskret von meinem Tisch entfernen zu lassen, damit ich hier keine Szene zu machen brauche«, sagte sie in die Richtung des Mannes. »Äthiopier mögen so etwas nicht. Sie sind höfliche Menschen, im Gegensatz zu Ihnen. Bitte gehen Sie jetzt augenblicklich.«

»Nicht bevor ich dir das hier gegeben habe.«

Der Mann zog den Briefumschlag aus seiner Brusttasche und legte ihn mit einer feierlichen Geste vor ihr auf den Tisch. Er wirkte plötzlich friedlich, wandte sich um und ging zielstrebig auf den Ausgang zu.

Sobald er die Treppe hinunter verschwunden war, griff Robin vorsichtig nach dem Briefumschlag und betrachtete ihn, drehte ihn mit Daumen und Zeigefinger um und saß eine Weile regungslos da. Der Umschlag war nicht zugeklebt. Ein paar streng gefaltete, maschinenbeschriebene Bögen Papier schauten daraus hervor. Zehn Stück insgesamt, beidseitig beschrieben, wie sie feststellte, als sie den Brief vor sich ausbreitete.

Du hast dich weder nach rechts noch nach links umgesehen, Robin Lee, es war dir egal, du wolltest es nur zu etwas bringen in der Welt, und das hast du geschafft. So sieht Bosheit aus, las sie. Ihr Herz klopfte zu schnell. Ich dachte, früher oder später würdest du deine wohlverdiente Strafe schon bekommen, doch du bliebst verschont. Und daran hast du dich gewöhnt, nicht wahr?

Robin kramte in ihrer Tasche nach der Kakaobutter, schraubte den Deckel ab und rieb sich in langsamen Bewegungen Hände und Unterarme ein. Der süße Duft beruhigte sie normalerweise, doch an diesem Tag stieg er ihr penetrant in die Nase. Sie war eine gewissenhafte Reisejournalistin und nichts anderes, das war sie immer schon gewesen. Gewissenhaft. Die ganze Zeit. Alles andere waren ausgelöschte Details.

Mit einem Mal drang der Lärm von quietschenden Autoreifen und zersplitterndem Glas ins Café Lime Tree, und eine unheilvolle Stille legte sich über die Bole Road. Dann wurde gehupt und gerufen, immer lauter.

»Policetira tiri! Help! First aid, anyone?«

Robin schaute zum Fenster hinaus uns sah mehr als genug: ein Taxi mit blutverschmierter Kühlerhaube und ein weißer Mann, der in der dritten Spur ausgestreckt auf der Fahrbahn lag. Sein hellgelbes Hemd hatte dunkelrote Flecken, die sich unter ihm ausbreiteten, der Verkehr war in allen Spuren zum Erliegen gekommen. Schnell packte sie ihre Sachen zusammen, legte 130 Birr auf den Tisch und lief die Treppe hinunter, hinaus auf den Gehweg, wo die Leute ebenso stillstanden wie die Autos auf der Straße. Drei Männer standen über den schwerverletzten Dänen gebeugt und sprachen leise miteinander, während aus der Ferne Sirenen näher kamen. Wie auf Kommando setzten sich die Autos auf den anderen Spuren wieder in Bewegung.

»The gentleman didn’t watch out for the traffic at all«, sagte ein junger Äthiopier in ihre Richtung. Der Pappbecher von Kaldi’s Coffee bebte in seinen Händen. »I think he is dead, sister. Did you know him?«

Robin schüttelte den Kopf und ging weiter. Sie kannte den Mann nicht, und nun war er tot. Im Grunde hätte sie erleichtert sein sollen, doch das Ganze kam ihr vor wie ein Film, den sie irgendwer zu sehen zwang. Sie schlängelte sich vorbei an westlich gekleideten und verhüllten Äthiopiern mit schützenden Sonnenschirmen über den Köpfen und Grüppchen von bleichen westeuropäischen Touristen, die zum ersten Mal in Addis waren.

»Hey, faranji! Look, look!«

Zwei verlotterte Straßenverkäufer kamen geradewegs auf sie zu, der eine hielt ihr CDs mit Amharisch für Anfänger entgegen, der andere eine Sammlung gefälschter Rolexuhren. Die Taxis standen in Reihen vor dem Supermarkt, wie immer. Eigentlich war alles ganz normal, bis auf den Brief des toten Dänen, der in ihrer Tasche glühte, und seine Worte, die ihr Löcher in die Gedanken brannten. Wie lebt es sich eigentlich, nachdem so viele sterben mussten?

»Salam. Gerji area, 150 Birr«, sagte sie zum erstbesten Taxifahrer, der sofort den Mund öffnete, um zu verhandeln. Die Abgase trieben ihr die Tränen in die Augen, die trockene Luft brannte ihr in der Nase.

»Final offer. Just drive me there, okay?«

Sie stieg ins Taxi und schlug die Tür so kräftig zu, dass die Karosserie Anstalten machte auseinanderzufallen. Lauter ausgediente Ladas aus der Zeit des Derg-Regimes, was hier herumfuhr.

»Now, please. I am in a hurry.«

Sie zog ihr Handy aus der Tasche, gab die Nummer ihres Freundes Solomon ein und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Eine von Addis’ unzähligen gelbweiß gestreiften Baustellenabsperrungen glitt draußen an ihr vorbei.

Du erinnerst dich doch an meine Rückkehr aus Dänemark letzten August, oder?, schrieb sie. Ich habe dir etwas verschwiegen. Etwas Wichtiges. Komm so schnell wie möglich ins Laza View Café.

TAG 1

Kopenhagen, Donnerstag, 1. August 2013

Kevin Bergman sah sofort, dass etwas ganz und gar nicht stimmte, als Agnete das Schlafzimmer betrat.

»Die Nackentransparenzmessung«, sagte sie. So blass hatte er sie nicht mehr gesehen, seit ihre Schwester nach einem Betriebsfest spurlos verschwunden war, um danach nie wieder aufzutauchen. Sein Rücken knackte, als er sich aufrichtete. Der Koffer, den er gerade für seinen anstehenden vierwöchigen Aufenthalt auf Stormø gepackt hatte, lag aufgeklappt auf dem Bett. Mindestens 25 Bücher, viel zu wenig Kleidung.

»Der Fötus hat eine Nackentransparenz von 5,8 Millimetern«, sagte Agnete und sah ihn erwartungsvoll an. Er spürte, wie seine Schultern sich senkten.

»Ja?«

Das war die falsche Reaktion. Agnete schloss die Augen und massierte sich die Schläfen. Sie hätte nicht zum Friseur gehen sollen, dachte er. Das kurze Haar stand ihr nicht. Er wünschte, sie hätte auf ihn gehört, aber das tat sie einfach nicht mehr. Seine Worte waren wie unsichtbare Tinte.

»Es besteht offenbar ein Risiko von zehn Prozent, dass wir ein Kind mit Downsyndrom bekommen«, sagte sie und ließ sich so schwer aufs Bett fallen, dass seine Computertasche mit dem MacBook krachend zu Boden fiel. »Der Arzt hat auch von einem erhöhten Risiko für Herzfehler gesprochen und mit Namen von seltenen Chromosomenfehlern und Stoffwechselerkrankungen und ich weiß nicht mit was noch um sich geworfen. Die Hälfte habe ich schon wieder vergessen, und du warst ja nicht dabei.«

Wie immer, hätte sie auch gleich hinzufügen können. Ihre Kiefer bewegten sich, als hätte sie Schwierigkeiten, die Enttäuschung über ihn zu hinunterzuschlucken.

»Hörst du eigentlich, was ich sage, Kevin? Oder nickst du nur so vor dich hin, wie in den Gesprächen mit Mutter?«

Sie zog das M von Mutter mit andächtigem Tonfall in die Länge, um ihn zu provozieren.

»Ich höre dir zu«, sagte er und unterdrückte den Impuls, nach seinem Computer zu sehen. Der passte perfekt in das Leben als Wissenschaftler, von dem er geträumt hatte, als er vor anderthalb Jahren seine Doktorarbeit über Mary Shelleys Frankenstein abgegeben hatte. Damals waren nur hier und da ein paar vereinzelte Lehraufträge abzusehen gewesen, doch den Computer hatte er sich trotzdem gekauft. 66 Monatsraten à 329 Kronen zusätzlich zu seinem Studiendarlehen. Zum Glück hatte er gestern Abend noch eine Sicherheitskopie der Festplatte gemacht.

»Das Nasenbein war bei der Untersuchung auch nicht zu sehen«, sagte Agnete. An den hellroten Flecken, die sich an ihrem Hals ausbreiteten, sah er, dass sie den Tränen nahe war.

»Das Nasenbein?«

Vor seinem inneren Auge tauchte eine alte Fotoserie aus einem Kinderheim bei Tschernobyl auf, in dem sämtliche Kinder von Geburt an schwere Missbildungen hatten: ein Auge auf der Stirn, keine Nase, riesige Klumpfüße. Die Flecken an Agnetes Hals waren jetzt feuerrot.

»Die Broschüren haben hier wochenlang herumgelegen, und du hast nicht mal reingelesen, oder?«

»Aber natürlich habe ich das.«

»Aber natürlich hast du das nicht, und zwar nicht, weil du nicht lesen kannst, du machst ja kaum etwas anderes, als die Nase in irgendein Buch zu stecken.«

Das war nicht ganz richtig, aber er sah keinen Grund, Agnete von dieser Vorstellung abzubringen. Sie war ausgebildete Zahntechnikerin, und als sie sich vor fünfeinhalb Jahren kennenlernten, hatte sie ihn dafür bewundert, dass er kluge Abhandlungen über Walter Benjamin und Sophie Calle las. Er sah sie noch vor sich, nackt und zehn Kilo leichter. Sie rollte sich im Bett auf die Seite und sah ihn mit ihren überraschend großen Augen eindringlich an.

»Ich spüre, dass du mir etwas verheimlichst«, sagte sie. »Willst du mir nicht verraten, was es ist?«

Das war, bevor sie zusammengezogen waren und sie aufhörte zu fragen. Eines Tages, als er aus der Bibliothek nach Hause kam, hatte sie die Wände cremefarben gestrichen. Breathe hieß der Farbton. Wie gut, dass er sich ausgerechnet jetzt daran erinnerte.

»Der Arzt schlägt eine Plazentabiopsie nächsten Donnerstag um zwei im Klinikum Hvidovre vor«, sagte sie jetzt und sah ihn mit diesem resignierten Blick an, aus dem bereits die vorweggenommene Enttäuschung darüber sprach, dass er sie vor nichts, aber auch gar nichts bewahren konnte. »Ich habe natürlich um einen früheren Termin gebeten, aber wegen der Sommerferien war anscheinend nichts zu machen. Es besteht ein geringes Risiko, dass es während des Eingriffs zu einer Fehlgeburt kommt, und anschließend kann ich Schmerzen haben, deshalb sollte am besten jemand bei mir sein, und ja, ich weiß, was du jetzt sagen willst. Du willst sicher wissen, ob meine Mutter mich nicht begleiten kann. Oder Gitte von der Arbeit. Oder irgendwer sonst, nur nicht du, denn du bist ja verreist, und das ist natürlich wichtiger, auch wenn du der Vater des Kindes bist, stimmt’s?«

Agnete machte eine Pause, in der er offenbar sagen sollte, dass er sie selbstverständlich begleiten werde, doch er begnügte sich mit einer hektischen Kopfbewegung. Das Wort Vater rollte ihm durch die Gedanken wie eine lose Schraube. Das Ganze wurde auf einmal viel zu konkret. Dieser Fötus in Agnetes Bauch, der jetzt offensichtlich zu das Kind avanciert war. Die vielen Erwartungen, die strammen Schrittes über ihn hinwegmarschierten, auch wenn er unmöglich irgendjemandes Vater sein konnte und das auch nie gewollt hatte.

»Wieso führen wir diese Unterhaltung überhaupt, wenn du sowieso schon weißt, was ich antworten werde?«, fragte er zaghafter, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Agnete blickte auf ihre Hände. Die Knöchel waren weiß.

»Wahrscheinlich hoffe ich immer noch, dass du vielleicht etwas anderes antwortest.«

Dabei war die Situation doch ganz und gar hoffnungslos, dachte er. Im letzten halben Jahr hatte er 400 Bewerbungen geschrieben, ohne Erfolg. Inzwischen war selbst die Hälfte der Miete zu viel für ihn, und von Inhalt konnte in seinem Leben längst keine Rede mehr sein. Ehemalige Kollegen aus der Universität, die er nur noch selten traf, betrachteten ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Angst, denn womöglich war sein Unglück ja ansteckend, und sagten immer so betont fröhlich Na, wie geht es?, als hätte er nur noch wenige Monate zu leben. In ihrer Vorstellung hatte er das sicher auch.

»Später wollen die Ärzte noch einen Ultraschall vom Herz und ein paar andere Untersuchungen machen«, sagte Agnete und strich sich über den Bauch, der sich zum Glück noch nicht besonders stark wölbte. Der Fötus war so gut wie gar nicht da. Mit diesem Gedanken war es ihm die ganze Zeit am besten gegangen. »Eine Abtreibung kann anscheinend noch bis zur 22. Woche vorgenommen werden, und sogar danach, falls sich herausstellt …«

Sie tätschelte sich den Bauch. Er klang hohl.

»Aber mit 39 hat man ja auch nicht mehr alle Zeit der Welt, nicht wahr?«, sagte sie und sah ihn erwartungsvoll an. »Das Kind kann doch trotzdem ein gutes Leben haben, auch mit Downsyndrom oder Herzfehler, stimmt’s?«

»Aber doch nicht bei uns?«, platzte es aus ihm heraus. Sie schnappte nach Luft, doch diese cremefarbene Hölle hier enthielt längst keinen Sauerstoff mehr.

»Was willst du damit sagen?«

Schlagartig wurde ihm klar, dass diese Unterhaltung schon lange überfällig war, doch es war leichter gewesen, sie zu vermeiden. Nur eine von vielen kurzsichtigen Lösungen.

»Unsere Beziehung funktioniert doch schon seit Jahren nicht mehr«, sagte er. »Ständig streiten wir uns, und du hackst die ganze Zeit auf mir herum und regst dich auf. Ich wollte gar kein Kind, Agnete. Du hast einfach heimlich die Pille abgesetzt, und jetzt kommst du und willst, dass ich mich wie der perfekte Vater aufführe und alles stehen und liegen lasse, um dich zu dieser oder jener Untersuchung zu begleiten, und dich ganz selbstverständlich dabei unterstütze, ein behindertes Kind in die Welt zu setzen. Ich finde, das kannst du nicht von mir verlangen. Das hier ist echt nicht mein Ding, das siehst du wohl selbst.«

Er war ihr nun völlig fremd, wie es schien. Das kam der Wahrheit wenigstens näher, als wenn sie glaubte, sie würde ihn in- und auswendig kennen.

»Ich hatte wohl gedacht, du würdest es dir anders überlegen, wenn das Kind unterwegs wäre«, sagte sie. »Ich hatte wohl die Vorstellung, du würdest dich aufs Vatersein freuen, wenn du dich erst einmal an den Gedanken gewöhnt hättest. Man freut sich nämlich darauf, Nachwuchs zu bekommen, so ist das von Natur aus vorgesehen, Kevin. Man baut sich ein Nest und sieht sich die Ultraschallbilder ganz genau an und überlegt sich einen Namen für das Kind und kauft einen Kinderwagen und winzig kleine Babysachen. Alles andere wäre abgestumpft. Du bist abgestumpft, das ist ja wohl klar, wenn du so etwas sagen kannst.«

Die Unterhaltung war derart entgleist, dass Kevin ihr nicht mehr folgen konnte. So endete es jedes Mal, wenn Agnete ihren Willen durchsetzen wollte. Sie gab immer weiter Gas, bis er irgendwann einfach ausstieg.

»Ehrlich gesagt sehe ich weder dich noch mich in der Rolle der perfekten Eltern, für welche Art von Leben auch immer«, sagte er. Agnete stand ruckartig auf. Sie war größer als er. Nicht viel, aber genug. Kurz nach ihrer ersten Begegnung hatte sie ihm erzählt, dass ihre Mutter sie früher in Grund und Boden gestarrt hatte, um sie zu bestrafen. Das Gleiche tat Agnete nun mit ihm, doch inzwischen konnte er ihrem Blick standhalten. Seit er mit der Promotion fertig war, hatte er zwei Stunden pro Tag trainiert und acht Kilo an Muskelmasse zugenommen.

»Was schlägst du denn dann eigentlich vor?«, schrie sie ihn an. »Dass ich auch gleich abtreiben kann, weil ich sowieso eine schlechte Mutter werde, oder was?«

Er konnte es nicht ausstehen, wenn sie ihn anschrie. Genau deshalb tat sie es.

»Das mit der Abtreibung habe ich dir im Grunde sofort vorgeschlagen, als du mir von der Schwangerschaft erzählt hast«, sagte er, wohl wissend, dass seine Worte sie nur noch mehr auf die Palme bringen würden. »Ich finde nicht, dass wir einem Kind das hier antun können, Agnete. Ich habe wirklich keine Ahnung, woher wir die Energie nehmen sollen, ein mongoloides Kind oder ein krankes Kind oder von mir aus auch ein gesundes Kind großzuziehen.«

Sie trat gegen seine Laptoptasche, die im hohen Bogen gegen die Wand flog.

»Ich träume seit Jahren davon, ein Kind zu bekommen, okay? Mag ja sein, dass du das Größte in diesem Leben verpassen willst, aber ich will das nicht. Ich habe schon viel zu viel mit dir verpasst.«

Kevin musste schlucken.

»Meinst du nicht, es wäre fair gewesen, mir mal etwas früher von diesem Traum zu erzählen? Als wir uns kennengelernt haben zum Beispiel?«, fragte er und schielte auf den Wecker, der mittlerweile zehn nach zehn anzeigte. Wenn er um drei in Esbjerg sein wollte, würde er jetzt aufbrechen müssen.

»Was hätte ich denn tun sollen, ich wusste ja, dass du keine Kinder wolltest«, sagte Agnete leise. »Ich wollte dich doch nicht verlieren.«

Das wäre aber sicher das Beste für dich gewesen, dachte er. Eine Weile standen sie schweigend da.

»Ich muss jetzt leider los«, sagte er, und ihr Gesicht brach mitten entzwei. Sie ähnelte einer dieser Comicfiguren auf Cartoon Network, die über sein Leben hereinzubrechen drohten.

»Das ist nicht dein Ernst«, sagte sie. »Du setzt dich jetzt nicht in deinen dämlichen kackbraunen Skoda und haust einfach ab, das bringst du nicht!«

»Doch, das tue ich.«

Kevin hatte es kaum erwarten können, einen ganzen Monat aus dem Kalender zu reißen, und dieser Monat begann heute um drei am Kai von Esbjerg, wo eine Fähre ihn und sechs andere Künstler und Wissenschaftler auf die kleine Insel Stormø bringen würde. Dort würde er in einem neu eröffneten Künstlerhaus sitzen, ganz in Ruhe und Frieden, und seine Dissertation zu einem Buch umarbeiten. Der Aufenthalt war ihm vom Stormø-Fonds bereitgestellt worden, einfach so, ohne Bewerbung, das war die größte Chance, die man ihm seit der Disputation gegeben hatte. Es war die einzige Chance, die man ihm gegeben hatte.

Er hob die Laptoptasche vom Boden auf und öffnete den Reißverschluss. Der Computer hatte seine Begegnung mit der Wand überlebt, wie es schien. Agnete war nun vollends in Tränen ausgebrochen.

»Nein, geh nicht«, sagte sie. »Ich fühle mich so allein mit der Schwangerschaft und diesem Schock heute. Bitte, komm nächsten Donnerstag mit mir in die Klinik und halt meine Hand, wenn sie diese Plazentabiopsie machen, bei der ich eine Fehlgeburt haben kann. Wir müssen das einfach noch mal in Ruhe durchsprechen.«

Kevin schloss den Koffer und stellte ihn neben das Bett.

»Aber du hast dich doch sowieso schon für das Kind entschieden – komme, was wolle –, ich wüsste nicht, worüber wir noch reden sollen«, sagte er. Wir können auch gar nicht miteinander reden, dachte er. Ist das nicht sonnenklar?

Als Agnete und er sich gerade begegnet waren, hatte es ihn überrascht, dass sie sieben Jahre älter war als er, doch von da an hatte die Zeit immer deutlichere Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Seit Kurzem zeigten ihre Mundwinkel permanent nach unten, wenn sie sprach.

»Hältst du auf dem Weg noch bei Mmmutter?«, fragte sie. Eine boshafte Agnete war Kevin tausendmal lieber als eine verzweifelte, die ihm nur das Gefühl gab, ein schlechter Mensch zu sein.

»Ja, hatte ich vor«, sagte er und wartete ab. Agnete regte sich normalerweise wahnsinnig auf, wenn sie mitbekam, dass er schon wieder bei seiner Mutter in Hvidovre gewesen war, dabei war es kein Geheimnis, dass sie an Fibromyalgie litt und ein schwaches Herz hatte und ihr Reihenhaus nicht allein in Ordnung halten konnte, ohne sich zu überanstrengen und mit unerträglichen Schmerzen ins Krankenhaus eingeliefert zu werden.

»Sie droht doch sicher damit, dass sie sterben wird, wenn du dich einen ganzen Monat aus dem Staub machst«, fuhr Agnete fort. Bisher hatte Kevin seiner Mutter weder von Stormø noch von der Schwangerschaft erzählt. Neulich hatte er ihr zum 68. Geburtstag den gleichen Laptop geschenkt, den er sich selbst gekauft hatte, auch wenn dadurch weitere 66 Monatsraten à 329 Kronen auf ihn zukamen, die er zusätzlich zum Studiendarlehen und allem anderen aufbringen musste, ohne zu wissen, wovon. Er hoffte, nur ein winziges bisschen, das Geschenk könnte sie über den Schmerz hinwegtrösten, den er ihr mit Sicherheit zufügen würde, wenn er ihr vom aktuellen Stand seines Lebens erzählte.

»Warum kannst du mich nicht genauso liebevoll behandeln wie sie?«, fragte Agnete nun und sah ihn an, als müsste sie ihre Worte erst einmal sacken lassen. »Wie kann es sein, dass ich nie an sie heranreiche, nicht einmal jetzt?«

Es war so still im Zimmer, dass man das Ticken des Weckers hören konnte. In Kevin regte sich etwas. Er wusste nicht, was, also beachtete er es nicht weiter.

»Das ist ja wohl nicht vergleichbar«, sagte er, denn es war in der Tat etwas völlig anderes. Er hatte eigentlich gar nicht die Absicht, die Hand auszustrecken und Agnete über den Bauch zu streicheln, doch genau das tat er. Sie sah ihn eindringlich an. Mit jedem Blinzeln liefen ihr Tränen über die Wangen.

»Ich habe so eine Ahnung, dass etwas Furchtbares auf Stormø passieren wird«, sagte sie. »Ich habe diese Insel gegoogelt, aber nichts dazu gefunden. Das ist doch komisch. Niemand, den ich gefragt habe, hat jemals von ihr geöhrt. Niemand, Kevin. Warum wurdest du überhaupt eingeladen? Findest du das nicht auch seltsam? Ich habe Angst, dass … ach Scheiße.«

Sie atmete tief ein und wischte sich die Tränen weg.

»Ich habe Angst, dass unser Kind nie seinen Vater kennenlernen wird«, sagte sie. Die Zeiger des Weckers rückten zu schnell vorwärts. »Ich flehe dich an, kannst du nicht bitte zu Hause bleiben?«

Wenn Agnete ihren Willen nicht auf andere Weise durchsetzen konnte, versuchte sie, Kevin mit ihren rührseligen Vorahnungen einzuschüchtern, dabei hatte sie keinerlei hellseherische Fähigkeiten. Das kannte er schon zur Genüge, und dennoch bereiteten ihm ihre Worte ein ungutes Gefühl. Das lasse ich mir nicht von dir verderben, dachte er. Du hast schon genug verdorben, Agnete. Wir haben uns gegenseitig schon viel zu viel verdorben. Er griff nach dem Koffer und blickte sie ein letztes Mal an.

»Wir sehen uns in einem Monat«, sagte er und ging still und ruhig zur Tür hinaus. Nie hätte er gedacht, dass es so einfach wäre.

Joachim Wedel Nordgren war ausnahmsweise mal früh dran. Er befand sich schon auf der Brücke über den Großen Belt, und die Fähre von Esbjerg nach Stormø würde erst in zweieinhalb Stunden ablegen. Die Sicht war klar. Es gab vieles, worüber er sich freuen konnte, dachte er noch, bevor ihm einfiel, dass Nanna ihm heute vor fünf Jahren den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Am 1. August 2008. Er war von der Spätschicht aus der Redaktion zurückgekommen, mit Fast Food vom Shawarma Grill House, den Kopf voller Internetnachrichten, doch als die Haustür ins Schloss gefallen war, hatte er einen Widerhall bemerkt, der sonst nicht da war. Er verbreitete sich durch die Wohnung, dieser unheilvolle Hall, und Joachim war ihm nachgelaufen, von der Küche ins Wohnzimmer und wieder zurück.

»Nanna?«

Er hatte wie durch einen Strohhalm geatmet. So fühlte es sich immer noch an.

»Nanna, wo bist du?«

Normalerweise saß sie abends mit dem Laptop am Küchentisch, arbeitete an einer ihrer Grafiken fürs Büro und trank dabei ein Glas Wein.

»Hallo, Schatz«, begrüßte sie ihn sonst immer, »bringst du einen Krug Wasser mit rüber?«

Doch an diesem Abend wartete Nanna nirgendwo auf ihn. Der Küchentisch und die Stühle waren verschwunden, ihre flüchtigen Küsse waren verschwunden, aus den wandmontierten Montanaregalen waren sämtliche Bücher und Bilder verschwunden. Nicht mal die gestreiften Tassen im Regal über der Spüle waren noch da. Er hatte sie selbst eingeräumt, bevor er an diesem Vormittag zur Arbeit gefahren war.

»Das kannst du mir nicht antun«, sagte er zu den weißen Küchenelementen. »Das kannst du mir einfach nicht antun!«

Doch sie hatte es getan. Er wusste bereits, dass auch August und Ava nicht in ihrem Etagenbett liegen und schlafen würden, so wie immer: August auf dem Rücken, mit weit geöffnetem Mund, und Ava zusammengerollt auf der Seite. Wo August sonst lag, hatte Nanna einen Antrag auf Scheidung ohne vorherige Trennung hinterlegt. Darauf hatte sie sich als Ehepartner 1 und ihn als Ehepartner 2 eingetragen, »Wir beantragen die Scheidung einvernehmlich« angekreuzt und als Scheidungsgrund »Untreue« angegeben. Ehepartner 1 verzichte auf Unterhaltszahlungen und überlasse Ehepartner 2 die Wohnung in der Studiestræde, im Gegenzug dazu erhalte Ehepartner 1 das alleinige Sorgerecht für August und Ava. Nun fehlten nur noch seine Unterschrift und ein Grund zum Weiterleben. Unten auf das Antragsformular hatte Nanna einen neongelben Post-it-Zettel geheftet, auf dem sie ihm in aller Eile mit klecksigem Kugelschreiber eine Nachricht hinterlassen hatte. Bin mit A & A zu Papa nach Virum gezogen. Schick mir das unterschriebene Formular/Nanna.

Ruckartig zog Joachim den Audi hinüber auf die Überholspur, gab Gas und rauschte an einem Sonntagsfahrer in einem kackbraunen Skoda Estelle vorbei, den er mit 160 Sachen zum Glück schnell hinter sich ließ. Mit einem halben Blick auf die Straße öffnete er das Handschuhfach, nur um sich noch einmal zu versichern. Seine Heckler & Koch USP Compact 9 Millimeter lag an ihrem Platz, bereit, in seiner Tasche zu verschwinden, wenn er den Kai von Esbjerg erreichte. Er konnte ganz ruhig sein, auch während des kommenden Monats auf Stormø.

Damals war damals, jetzt war jetzt, seine Thriller verkauften sich quasi von selbst, und Linea war für alles zu haben. Ärgerlich, dass er sie nicht einmal küssen konnte, ohne das Gefühl zu bekommen, er würde Nanna betrügen, auch wenn die seit nunmehr viereinhalb Jahren mit Schriftsteller-Rasmus und den beiden Bonuskindern Noah und Liam in einer großen Wohnung in Østerbro einen auf glückliche Patchworkfamilie machte. Sie dachte nicht daran, zu Joachim zurückzukommen, unter keinen Umständen, aber er konnte nicht aufhören, mit offenen Armen auf sie zu warten. Die Wohnung in der Studiestræde war nach wie vor ihr gemeinsames Zuhause, Linea würde dort nie mehr als ein Gast sein. So war es auch mit den anderen Frauen gewesen, mit denen er angebandelt hatte, aber Linea war ausdauernder gewesen als ihre Vorgängerinnen. Sicher ein Zeichen ihres jugendlichen Optimismus.

Er hatte sie vor einem halben Jahr bei gemeinsamen Bekannten kennengelernt und war zunächst davon ausgegangen, sie sei die heranwachsende Tochter irgendeines anderen Gastes. Umso mehr überraschte es ihn zu hören, dass sie bereits 27 Jahre alt war und bald ihren Freund heiraten würde, mit dem sie seit sieben Jahren eine Beziehung führte. Riesenhochzeit auf einem Schloss und Flitterwochen auf den Malediven oder Mauritius, diese beiden Reiseziele konnte Joachim noch nie auseinanderhalten.

»Jeppe ist der Mann meines Lebens«, sagte sie. »So etwas weiß man einfach, oder?«

Vielleicht brachte ihn der wohlschmeckende Bourgogne dazu, Lineas Blick etwas zu lange zu erwidern. Vielleicht war es auch das ganz und gar Unverpflichtende daran, Vertraulichkeiten mit einem Mädchen mit Pixie-Haarschnitt auszutauschen, das von sich und ihrem Freund bereits als »wir« sprach. Joachim erkundigte sich nach ihrem Hintergrund, ihren Hoffnungen und Träumen, und sie erkundigte sich nach seinen. Er antwortete auf eine Weise, die ihn idealer erscheinen ließ, als er jemals gewesen war oder sein würde, nur um sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, wie es war, als die Möglichkeiten unbegrenzt vor ihm lagen. Er spürte eine tiefe Erleichterung in sich aufkommen, als er sie zum Abschied auf die Wange küsste. Zwar hatte er dabei zur Hälfte ihren Mund getroffen, doch auch diesem Szenario wollte er eigentlich nicht weiter nachgehen. Sie dagegen schon. Zwei Wochen später stand sie unangekündigt vor seiner Tür in der Studiestræde und sagte, sie habe es getan.

»Was getan?«, fragte er, etwas begriffsstutzig in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich soeben auf die Zehenspitzen gestellt und ihn minutenlang geküsst hatte.

»Ich habe Jeppe verlassen«, sagte sie. »So etwas wie das hier habe ich noch nie empfunden.«

Sie machte eine Kopfbewegung, als befände sich das hier überall um sie herum. Joachim sah nur das Chaos, das sich wie Atommüll in der ganzen Küche ausbreitete.

»Es kommt mir so vor, als würde ich dich schon ewig kennen«, sagte sie und war ganz außer Atem, was schnell passiert, wenn man dem Traum von der einzig wahren Liebe hinterherjagt. Joachim wusste noch selbst, wie das war, damals, als er Nanna gerade kennengelernt hatte. »Es hat einfach Klick gemacht, oder?«, fuhr sie fort. Für sie stand es außer Frage, dass er genauso empfand, auch wenn er die logisch folgenden Schritte wie Zusammenziehen, Gespräche über die Zukunft, ein Treffen mit August und Ava und ihre Einführung in seinen Freundeskreis immer wieder aufschob. In letzter Zeit hatte er jedoch den Eindruck, dass ihr das allmählich zu schaffen machte.

»Weißt du eigentlich, wie viel ich für dich aufgegeben habe?«, weinte sie, und das wusste er. Es plagte ihn auch. »Ist dir klar, dass ich alles über Bord geworfen habe, weil ich zufälligerweise den Mut habe, an die Liebe zu glauben?«

Den Übermut, dachte er. Hätte sie doch nur gewusst, wie schnell man vom Übermut beim Überdruss war. Ehe man sichs versah, waren die Jahre dahin, und das Ganze schmeckte plötzlich angestaubt. Es liegt nicht an dir, sondern an mir, hätte er gern gesagt. Es ist alles meine Schuld. Ich tauge nicht für eine Beziehung. Das existiert alles nur in deinem Kopf. Aber solche Aussagen erinnerten ihn an treulose Ehemänner im Fernsehen. Als er sich an diesem Vormittag vor dem Audi von Linea verabschiedete, hatte sie ihn mit ihrem ergebensten Blick angesehen.

»Ich liebe dich«, sagte sie, bevor er es verhindern konnte, und die folgenden Sekunden hatten sich ins Unendliche gedehnt. Er hatte tief eingeatmet und die Autotür geöffnet.

»Wir sehen uns dann in einem Monat«, sagt er und brachte sich in Sicherheit. Als er das Fenster herunterließ, wirkte sie noch kleiner und zierlicher als sonst. Das lag zum Teil an ihrem gepunkteten Oberteil. Der knapp bemessene Stoff wölbte sich, wo ihre Brüste hätten sein sollen, und dazwischen, in dem tiefen Ausschnitt, trat ihr Brustbein beim Einatmen deutlich hervor.

»So ist das nun mal, wenn man sich mit einem Autor einlässt, das weißt du doch«, sagte er. »Das mit den Büchern ist nicht so romantisch, wie es klingt, darüber haben wir schon gesprochen, Linea. Ich brauche eben manchmal Ruhe zum Schreiben.«

»Ja, ich weiß, aber vier Wochen sind einfach so lang«, sagte sie und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen. Er zog den Schlüssel hervor und steckte ihn in das Zündschloss.

»Ja, das ist viel zu lang, und es tut mir auch wirklich leid«, sagte er. In der Regel hörte Linea auf zu weinen, wenn er ihr nach dem Mund redete. »Aber ich kann leider nichts daran ändern, dass ich wegmuss, Linea. So ist das nun mal.«

Im Prinzip hätte er die Einladung auch ablehnen können, die vor drei Monaten vom Stormø-Fonds gekommen war, aber diese Möglichkeit hatte er gar nicht erst in Betracht gezogen. Wie aus dem Brief hervorging, hatte ein Wohltäter auf seiner Privatinsel namens Stormø in der Nähe von Esbjerg ein Haus errichten lassen. Dieses solle dänischen Künstlern und Wissenschaftlern von April bis Oktober für jeweils vierwöchige Arbeitsaufenthalte zur Verfügung stehen, und zwar umsonst. Vorerst sei es nicht möglich, sich um einen solchen Aufenthalt zu bewerben, stand in dem Brief, doch die Leitung des Stormø-Fonds freue sich, Herrn Autor und Journalist Joachim Wedel Nordgren (in Goldbuchstaben!) mitteilen zu können, dass man ihm im Eröffnungsmonat des Hauses, vom 1. August bis zum 1. September 2013, einen kostenlosen Arbeitsaufenthalt zuerkannt habe. Sofern er diesen wahrnehmen könne, werde er zusammen mit sechs weiteren dänischen Künstlern und Wissenschaftlern, die auf ihrem Gebiet jeweils herausragende Leistungen zur Freude Dänemarks erbracht hätten, in Haus Stormø einquartiert. Diesen letzten Satz hatte er ein paar Mal lesen müssen.

Joachim starrte auf die Streifen der Leitlinie, die auf der Fahrbahn vorüberflogen, und versuchte, sich den restlichen Inhalt des Briefes ins Gedächtnis zu rufen, doch der furchtbare Abend, an dem Nanna ihn verlassen hatte, holte ihn immer wieder ein. Er sah sich mit den Scheidungsunterlagen in der Hand im Kinderzimmer stehen und begreifen, dass sich seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf sieben Seiten Papier zusammenfassen ließen. So wenig beinhaltete sein Leben. So wenig war es wert. Er hatte einen dieser billigen Werbekugelschreiber von der Zeitung aus der Tasche gezogen und sein eigenes Todesurteil unterschrieben, denn er hatte keine andere Wahl, nicht nach dem, was er getan hatte. Ich, Joachim Wedel Nordgren, erkläre mich mit der Scheidung aufgrund von Untreue einverstanden.

Er hatte sich zu sehr geschämt, um Nanna bei ihrem Vater in Virum aufzusuchen, und wenn er August und Ava jetzt jedes dritte Wochenende abholte und anschließend wieder zurückbrachte, kam er nie weiter als bis in den Flur von Nannas Patchworkfamilienwohnung. Sie nickte ihm immer nur distanziert von der Wohnzimmertür aus zu, und jedes Mal dachte er, dass sie das Ideal einer Frau verkörperte. Sie war noch schöner als damals vor zwölf Jahren. Statt eines Gehirns musste er Kebab im Kopf gehabt haben, als er sie betrog.

»Papa?«, hatte August gestern gesagt, als er gegen Nachmittag mit sonnengebräunten Armen und Beinen zu ihm in die Studiestræde kam und sich beiläufig auf einen Küchenstuhl fallen ließ.

»Ja?«

Joachim hatte seine Zeitung auf all die anderen gelegt, die den Küchentisch übersäten, und seinen Sohn aufmerksam angesehen. Der Junge war genauso schmächtig, wie er selbst mit zehn gewesen war. Dünne Arme und Beine, rötliche Sommersprossen auf der Nase, glattes, sonnengebleichtes Haar, die Frisur ein paar Zentimeter herausgewachsen. Mittlerweile kam er allein mit dem Bus von Østerbro nach Indre By, das tat er schon seit ein paar Jahren. Joachim gab ihm das Geld für die Fahrkarte und fragte nicht nach, ob Nanna eigentlich wusste, wo er sich mehrmals pro Woche nach der Schule aufhielt, ganz zu schweigen von jetzt, mitten in den Sommerferien. An diesem Tag hielt August krampfhaft die Kaffeetasse umklammert.

»Alles in Ordnung, Groß-A?«, fragte Joachim. Er streckte den Arm aus, wuschelte dem Jungen durchs Haar und löste vorsichtig die Tasse aus seinen Händen. Einen Moment saßen sie einfach nur da. August hatte feuchte Handflächen, er trat rhythmisch gegen seine Tasche unter dem Tisch, so wie immer, wenn er wegen irgendetwas nervös war.

»Ich möchte lieber bei dir wohnen als bei Mama und Rasmus«, sagte er und blickte nach unten.

»Aber … ich dachte, du fändest es schön bei …?«

August schüttelte den Kopf. Joachim spürte eine wahnsinnige Freude in sich aufkommen. Das Gefühl, der Auserwählte zu sein, erwischte ihn völlig unvorbereitet.

»Also, es ist schon okay da zu wohnen«, sagte August, »aber wir sind immer so viele, und Noah und Liam halten sowieso die ganze Zeit zusammen. Hier ist es viel besser, du lässt mich einfach in Ruhe. Warum weinst du denn, Papa? Willst du lieber nicht, dass ich bei dir wohne?«

August trat versehentlich so kräftig gegen die Tasche, dass sie über den Fußboden rutschte und dabei aufging. Heraus purzelten sein grauer Lego-Roboter, die Lego-Zeitmaschine und jede Menge lose Steine.

»Ich weiß ja, dass du jeden Tag schreiben musst, ich bin auch ganz leise«, sagte er. »Ich verspreche dir, ich werde auf keinen Fall …«

Joachim wischte sich mit dem Hemdärmel die Augen.

»Komm her«, sagte er und zog August zu sich. Er liebte diesen Jungen und seine Schwester von ganzem Herzen, nie hätte er es für möglich gehalten, dass man jemanden so sehr lieben konnte.

»Ich würde mit niemandem lieber zusammenwohnen als mit dir«, sagte er in Augusts Haar. Es duftete nach Heu. »Ich rede mit eurer Mutter darüber, sobald ich von Stormø zurück bin, okay?«

(Wie zum Teufel sollte er das anstellen? Seit fünf Jahren hatten sie nun nichts als Hallo und Tschüss zueinander gesagt.)

»Versprichst du es?«, fragte August. Joachim sagte Ja.

»Halte ich meine Versprechen etwa nicht?«

August zog leise die Nase hoch.

»Nicht immer«, sagte er. Joachim erinnerte sich nur zu gut daran, wie eifrig er während Nannas Schwangerschaft an seinem Selbstbild als perfekter Vater gemalt hatte. Er würde verlässlich sein und mit seinem Sohn all die Männersachen machen, von denen Frauen nichts verstanden, und sich wie ein echtes Vorbild verhalten, das nicht wegen jeder Kleinigkeit sofort anfing zu jammern wie sein eigener Vater. Man musste Frauen eine Schulter geben, an der sie sich ausweinen konnten, das wollte er seinem Sohn beibringen, doch schon bei der Geburt heulte Joachim, als würde man ihn auspeitschen, und seitdem hatte sein schönes Bild so viele Risse bekommen, dass die Vaterfigur, die es darstellte, bis zur Unkenntlichkeit verfremdet war. Beziehungsweise, eigentlich sah sie seinem eigenen Vater zum Verwechseln ähnlich. Beide waren abwesend, verhielten sich erbärmlich und trieben ihre Familien auseinander. Hier saß Joachim nun mit bebender Unterlippe und demonstrierte seinem zehnjährigen Sohn, dass erwachsene Männer den Karren gründlich an die Wand fahren und vorher, hinterher und währenddessen in Selbstmitleid zerfließen.

»Ich habe so viel Mist gebaut«, sagte er und hörte seinen Vater genau dasselbe sagen. »Ich habe unsere Familie zerstört, deiner Mutter grundlos wehgetan und es dir und Ava verdammt schwer gemacht.«

»Mama sagt, du bist ein Riesenidiot«, sagte August in Joachims Hemd. Es klang, als würde er grinsen.

»Das sagt sie?«

»Ja, manchmal. Stimmt das?«

Joachim begann ihn zu kitzeln. August kitzelte zurück. Am Ende rollten sie zusammen über den schmutzigen Küchenfußboden, zwischen Legosteinen und halb fertiggebauten Robotern, bis Joachim August schließlich gewinnen ließ. Der Junge saß rittlings auf ihm und drückte ihn mit seinen schmächtigen Armen zu Boden. Joachim schnitten ein paar Legosteine in den Nacken.

»Stimmt das, Papa?«

Joachim blickte zu seinem Sohn auf. Das Haar war ihm ins Gesicht gefallen, sodass er aussah wie ein Mädchen.

»Das hat mal gestimmt, aber jetzt ist es anders«, sagte Joachim und meinte es auch so. »Ich werde mich nie mehr so danebenbenehmen, okay Groß-A?«

Der hirntote Mann in der Midlife-Crisis, der er vor fünf Jahren noch gewesen war, kam ihm inzwischen völlig unbekannt vor. In den Jahren zuvor hatte er sich als Ausnahmefall betrachtet, der sein Leben lang aussah wie 32. Aber ein Ausnahmefall ist so gut wie niemand, per definitionem, und als er irgendwann bei helllichtem Tag einen Blick in den Spiegel warf, sah er plötzlich das Alter in seinem Körper und die Jahre in seinem Gesicht. Jetzt oder nie, hatte er gedacht, und der Gedanke begann, sich im Kreis zu drehen wie ein unausgelastetes Haustier. Also hatte er eine dreimonatige Affäre, aber als Nanna ihn sitzen ließ, war das Mädchen schon sechs Wochen tot. Das war das Ironische daran.

Aus verschiedenen Gründen, an die Joachim jetzt lieber keinen Gedanken verschwendete, war der Todesfall groß durch die Medien gegangen, und auch die Polizeiverhöre ein paar Wochen später hätte er am liebsten einfach vergessen, genau wie die furchtsamen Blicke seiner Kollegen und ihre anschließenden Artikel über den Fall, in denen von dem verheirateten Geliebten der jungen Studentin die Rede war, dem Journalisten bei einer Tageszeitung miteinem Alibi so löchrig wie ein Schweizer Käse.

Diese Wochen bereiteten ihm immer noch Albträume. Ich hatte nur eine kurze Affäre mit ihr! Ich kannte sie kaum!, hatte er Nanna erst letzte Nacht wieder klarzumachen versucht. Im Traum natürlich. Im wahren Leben hatte er sich nicht einmal bei ihr entschuldigt. Auch nicht dafür, dass er gewartet hatte, bis sie zwei und zwei zusammenzählen konnte. Bei dem Gedanken wurden seine Handflächen am Lenkrad ganz feucht. Er hätte selbstverständlich vor ihr und der Polizei die Karten auf den Tisch legen sollen, sobald er in der Redaktion von dem Todesfall erfahren hatte, aber »selbstverständlich« sagt sich im Nachhinein immer so leicht. In Wahrheit hatte er sich einfach nicht vorstellen können, dass jemand hinter die Affäre kommen würde. Das brachte sein Leben perfekt auf den Punkt: Heute verdiente er mithilfe seiner Fantasie eine Stange Geld, aber als es wirklich darauf ankam, hatte sie ihn im Stich gelassen.

In den Wochen nach dem Todesfall hörten seine Kollegen auf, mit ihm zu reden, zum Teil machten sie sogar einen großen Bogen um ihn. Bald plagte ihn das unablässige Gefühl, irgendwo hinter den Kulissen säße ein Puppenspieler, der alle Menschen in seinem Leben von ihm fortbewegte, und im Oktober 2008 sah er sich schließlich gezwungen, einen Neuanfang zu machen. Es hatte sich nicht wie ein Neuanfang angefühlt, seine feste Stelle zu kündigen, sich eine Heckler-&-Koch-Pistole zuzulegen, für den Fall, dass der Puppenspieler ihn vernichten wollte, und von da an allein in der halb leeren Wohnung in der Studiestræde zu sitzen. Hier schrieb er seinen ersten Thriller und vermisste seine Familie, wann immer er den Blick hob. Er stellte eine Studentin ein, die ihm im Haushalt helfen sollte, aber jedes Mal wenn sie da gewesen war, waren Dinge verschwunden oder an einen völlig falschen Platz gewandert, und so feuerte er sie wieder und ließ das Chaos walten.

Als sein erster Thriller sich gut verkaufte, wurde ihm klar, dass er offenbar schreiben konnte, wenn die Pistole in der obersten Schublade seines Schreibtischs lag, bereit, ihn zu beschützen. Noch einmal öffnete er mit einem halben Blick auf die Straße das Handschuhfach, nur um sicherzugehen, dass sie immer noch da war, und das war sie natürlich (wo sollte sie auch sonst sein? Drehst du jetzt durch, Alter?). Bei der Arbeit an seinem zweiten und dritten Thriller hatte es ihm gereicht, jeweils morgens und abends einmal nach der Pistole zu sehen, doch im Laufe des letzten Jahres hatte er mehrmals am Tag nachsehen müssen, ohne dass es ihn sonderlich beruhigt hätte. Es war nur so ein Gefühl. Er spürte eine Gefahr, die über ihm aufzog wie eine dunkle Wolkendecke. Ohne die Pistole ging er mittlerweile nicht mehr aus dem Haus. Sie ließ seine Angst vor anderen ein wenig geringer werden, die Angst vor sich selbst hingegen nahm deutlich zu. Er wusste nicht so recht, ob das ein Fortschritt oder ein Rückschritt war.

Alle erzählten ihm, wie glücklich er sich schätzen könne, schließlich lebe er seinen Traum und seine Bücher hätten Erfolg, doch auf Abstand wirkte dieser Traum vermutlich viel attraktiver. Joachim hätte den Leuten gern klargemacht, wie erbärmlich er sich darin vorkam, aber wer seinen Traum lebte, hatte leider das Recht auf ehrliche Aussagen verloren. Wie geschmiert, schrieben die Rezensenten über seine Texte. Oder rund. Das klang, als wären sie irgendwas zwischen Butterbroten und nackten Frauen.

In eineinhalb Monaten erwartete sein Verlag das Manuskript zu seinem fünften Thriller, man hatte ihm längst den Marketingplan und das Titelbild geschickt, und er hatte längst sämtliche Verkaufstexte geschrieben. Ein Wissenschaftler entdeckt zufällig, dass Europa kurz vor der absoluten Auslöschung steht. Was soll er tun? Der Titel lautete Damnatio Memoriae, nach der härtesten Strafe im Römischen Reich: der spurlosen Tilgung aus der Geschichte der Menschheit. Joachim brauchte jedoch nicht jeden Morgen aufs Neue sein Dokument damnatio_2013 zu öffnen, um sich in Erinnerung zu rufen, dass er sich selbst wie aus seinem Leben getilgt vorkam. Vielleicht hatte er es deshalb seit April nicht mehr geöffnet. Vielleicht war der Grund aber auch vesnas_freier_fall_2013.

Vesna Vulović. Er verfluchte die Zeitungsnotiz, die er über sie gelesen hatte. Dieses Jugendbild, das der Meldung beigefügt war und auf dem sie aussah wie Nanna. Die kreative Explosion, die sie mitten in seinem ausgelöschten Leben ausgelöst hatte. Er verfluchte jeden einzelnen Morgen, an dem er mit einem Lächeln aufgestanden war und Linea geglaubt hatte, sie sei der Grund für seine gute Laune, dabei war es in Wirklichkeit Vesnas freier Fall. Eine literarische Fantasie. Eine literarische Fantasie! Solche Bücher schrieben sonst nur gefühlsduselige Frauen füreinander.

Am 26. Januar 1972 wurde die DC-9 mit der 22-jährigen Stewardess Vesna Vulović an Bord auf dem Flug über Srbská Kamenice in der damaligen Tschechoslowakei von einer Terrorbombe in tausend Stücke gesprengt. Im Laufe der folgenden drei Minuten stürzten die 28 Passagiere und Besatzungsmitglieder 10.160 Meter in die Tiefe auf einen eisigen Berghang. Alle starben bis auf Vesna, die in den Flugzeugtrümmern gefunden wurde, zwischen einem toten Besatzungsmitglied und einem Servierwagen. 27 Tage später erwachte sie aus ihrem Koma und verlangte nach einer Zigarette. Sie war von der Hüfte abwärts gelähmt, erlangte ihre Beweglichkeit aber vollständig wieder und war so wenig traumatisiert, dass sie auch weiterhin flog. Sie ähnelte Nanna nach wie vor, nun aber zusammengeknüllt, so als warte sie auf seine glättenden Hände, doch was ihn dazu brachte, sich ihr schreibenderweise immer mehr anzunähern, war ihre Fähigkeit, etwas so Extremes zu überleben. Vielleicht hoffte er, er könnte von ihr lernen, bevor auch er an der Reihe wäre, denn das ließ sich nicht abwenden, mit oder ohne Pistole. Die Wolkendecke sah immer bedrohlicher aus.

Er hatte den Textentwurf Nanna gewidmet, mit meiner ganzen Liebe und tausend Entschuldigungen, und ihn heute Morgen seinem Lektor geschickt. Anbei ein Textentwurf. Leider für das falsche Buch, aber sieh ihn dir mal an, hatte er geschrieben und auf »Senden« geklickt. Der Lektor hatte den Eingang der E-Mail noch nicht bestätigt, aber vermutlich hatte er sich auch längst aus dem Staub gemacht. Joachims Fans würden sicher dasselbe tun. Im Grunde war es gar nicht nötig, dass der Puppenspieler alle Menschen in seinem Leben von ihm fortbewegte oder alles, was er sich aufgebaut hatte, verschwinden ließ, denn das bekam er wunderbar selbst hin. Linea wäre auch nicht gerade erfreut, wenn sie herausfand, dass er ihr Lügenmärchen über seinen neuen Roman erzählt hatte und ihn nun Nanna widmete, über die er doch angeblich längst hinweg war. In seiner langen Reihe von Sorgen stand Lineas Reaktion bezeichnenderweise an letzter Stelle.

Er schaltete das Autoradio ein und ließ Peggy Lee aus den Boxen strömen. Nanna liebte diese Platte. Vor allem den ersten Song über eine Frau, die sich mit schwarzem Kaffee wachhält und darauf wartet, dass ihr Liebster nach Hause kommt. Joachim kannte das Gefühl. Ein Monat weit weg von allem würde ihm guttun.

Seit 43 Minuten stand Anne Elizabeth Sølvtoft nun schon am Kai von Esbjerg und wartete auf die Fähre, die sie und sechs weitere Künstler und Wissenschaftler zu der offenbar exklusiven Insel namens Stormø hinüberbringen sollte. Sie versuchte, den Gedanken an den Albtraum abzuschütteln, aus dem sie gegen drei Uhr morgens aufgewacht war, sah sich aber immer noch auf dem Waldboden knien und mit den Händen in der Erde wühlen. Um sie herum standen Grabsteine. Ein paar waren neu, andere alt und umgestürzt. Ich trage die Kleidung der Toten, sagte sie und sah genau in dem Moment auf, als ein Grabstein mit ihrem Namen auf sie niederstürzte.

Sie war hochgeschreckt. Das geschah nicht zum ersten Mal in letzter Zeit, aber es war das erste Mal, dass sie hatte aufstehen müssen, um wieder zur Ruhe zu kommen. Torben lag auf dem Rücken und knirschte im Schlaf mit den Zähnen (er sollte doch seine Beißschiene tragen, damit seine Kiefergelenke keinen Schaden nahm. Wie oft sollte sie ihm das noch sagen?). Nachts wirkte das große Haus in Aubonne noch größer, die Treppe hinunter ins Erdgeschoss kam ihr unendlich lang vor. Von Dunkelheit umringt rief sie am hellerleuchteten Bildschirm »lebendig begraben« im Traumwörterbuch auf. Furcht vor dem eigenen Tod, lautete ein Vorschlag. Sie hüllte sich in eine beigefarbene Wolldecke und klickte sich weiter durch die Deutungen. Unbewusster Wunsch, eine andere Person tot oder zumindest aus dem Weg geräumt zu wissen. Verdrängte Erinnerung, Empfindung, Sehnsucht oder Begabung. Sie hätte genauer darüber nachdenken können, wollte aber lieber ein paar Stunden auf dem Sofa schlafen, um am nächsten Tag ausgeruht zu sein, und das tat sie.

Als sie sich später aus ihrem wollenen Schlaf wickelte, saß ihr die Beklemmung jedoch immer noch in den Knochen. Sie verabschiedete sich von Torben (der die Lippen spitzte, als er sie küsste. Wann hatte er damit bloß angefangen?) und von ihren beiden Jüngsten, dem 16-jährigen Frederic und der zwölfjährigen Josephine, und fühlte sich den ganzen Weg von Aubonne bis zum Genfer Flughafen wie mitten entzweigerissen. Frederic hatte eine Tendenz sich einzuigeln, und Josephine war eigentlich noch ein Kind, auch wenn sie mittlerweile Mascara trug und Anne immer korrigierte, wenn sie »Spielkameraden« statt »Freundinnen« sagte. Länger als eine Woche war sie nie von den beiden getrennt gewesen, und die war ihr vorgekommen wie ein Jahr. War sie eine schlechte Mutter, wenn sie nun für einen ganzen Monat fortreiste?

Sie zwang ihre Aufmerksamkeit auf das Wasser und die Luft und den penetranten Tanggeruch am Kai von Esbjerg. Von Stormø hatte sie noch nie gehört, aber sie hatte auch lange im Ausland gelebt. 26 Jahre und drei Monate. Ihre Mutter und ihre jüngere Schwester Vibe machten immer Kommentare über ihr Dänisch, wenn sie bei ihnen zu Besuch war. Sie höre sich affektiert an, sagten sie. Ein bisschen wie die Königin bei ihrer Neujahrsrede.

»Meine Güte, Anne, man könnte meinen, du hast eine Kartoffel im Mund!«

Als sie mit Torben und den Kindern in Paris und Washington wohnte, und zum Teil auch während ihres Aufenthalts in Tokio und Schanghai, hatten sie jeden beziehungsweise jeden zweiten Monat Besuch von Verwandten und Freunden gehabt, oft mehrere Wochen am Stück, aber in den letzten sechs Jahren in Aubonne war Vibe die Einzige, die sie besucht hatte. Alle anderen interessierten sich offenbar nicht für den pittoresken Stil des Schweizer Gebirgsortes, wo alles frisch gestrichen war und kein Grashalm schief wuchs. Mit der stolzen Höhenlage des Ortes und der vorteilhaften Nähe zu Lausanne, wo Torben arbeitete und die Züge nach Genf und Montreux abfuhren, hatten sie herzlich wenig am Hut. Selbst ihre eigenen Kinder. Den beiden ältesten, der 25-jährigen Caroline und der 23-jährigen Beatrice, hatte sie die größten Zimmer im Haus zurechtgemacht, damit sie bleiben konnten, solange sie wollten, doch sie waren nicht einmal für eine Nacht gekommen.

»Ich habe das beste Bett für dich gekauft, Caroline«, hatte Anne sie zu locken versucht. »Ich weiß ja, dass du so schnell Rückenschmerzen bekommst, Schätzchen. Und erst die Tagesdecke! Darauf kannst du dich wirklich freuen. Ein superschönes Teil von Laura Ashley, sage ich dir.«

Anne wusste nicht mehr, was Caroline darauf geantwortet hatte, und das machte ihr Sorgen. Carolines Antworten kamen ihr zunehmend flüchtiger vor.

»Entschuldigung.«

Vor ihr stand ein Mann in Kapuzenpulli, der mit seinem Border Collie Gassi ging.

»Ja?«

»Ja, Sie stehen mir im Weg.«

Sie trat ein paar Schritte zur Seite und stellte fest, dass um sie herum meterweise Platz auf dem Kai war. Es war nicht das erste Mal, dass sie eine offensichtliche Ungerechtigkeit erst dann registrierte, als es für eine Reaktion bereits zu spät war.

»Scheißoberklassenschnepfe«, murmelte der Mann, als er an ihr vorbeiging, und sie spürte den wohlbekannten Druck in der Kehle, den Druck hinter den Augen. Sein Schweißgeruch blieb ihr in der Nase hängen.

»Was haben Sie gesagt?«

Der Mann wandte sich halb zu ihr um und ließ den Blick über ihren sandfarbenen Trenchcoat und weiter hinauf zu ihrem frisch geschnittenen Pagenkopf gleiten. Der Hund zog an der Leine, sodass er kaum Luft bekam.

»Oberklassenschnepfe, habe ich gesagt.«

Er legte die Zunge über die Vorderzähne, so als dächte er darüber nach, sie anzuspucken, und innerlich erhob sie die Stimme, wie sie es hin und wieder Beatrice gegenüber tun musste, als sie noch klein war. Immer nur Beatrice, nie Caroline, Frederic und Josephine gegenüber. Wie reden Sie eigentlich mit mir! Lieber bin ich eine Oberklassenschnepfe als ein sozialer Verlierer.

»Hatte ich also richtig gehört«, sagte sie, während der Hund ein halb ersticktes Fiepen von sich gab.

»Ja, hatten Sie wohl.«

Der Mann ließ sich von seinem Hund weiterziehen, und Anne schloss die Augen. Wenn sie sie wieder öffnete, würde Torben neben ihr stehen. Hab keine Angst, mein Annemädchen. Ich bin ja hier. Und dann würde er sie fort von diesem unangenehmen Kai bringen (Stormø war nichts als ein Missverständnis. Was solltest du auch dort?) und mit dem erstbesten Flieger fort aus diesem unangenehmen Land. Sie griff nach ihrem Handy und schoss ein paar Fotos vom Meer und vom Kai. Die besten Motive wurden mit dem richtigen Filter nur noch besser. Martinique with a Northern twist, schrieb sie, als sie die Bilder postete. So excited about this new adventure. Wish me luck! Ein paar ihrer Bekannten schrieben Wie gern ich mit dir tauschen würde! und Manche machen’s einfach richtig! und Du brauchst nicht zufällig eine Assistentin? Sie wartete ab. Vibe schrieb nichts. Mittlerweile war sie sicher in Aubonne, denn sie hatte extra den frühen Flug aus Kopenhagen genommen, um da zu sein, wenn Josephine aus der Schule kam.

»Wie lieb von ihr, dass sie ihren ganzen Urlaub darauf verwendet, auf Josephine aufzupassen«, hatte ihre Mutter gestern gesagt. Anne hätte antworten können, dass Josephine alt genug war, um auf sich selbst aufzupassen, und dass sie im Übrigen ein Au-pair-Mädchen hatten und es somit keineswegs notwendig war, dass Vibe kam. Aber sie wollte nicht schon wieder eine Diskussion über Au-pair-Mädchen vom Zaun brechen, noch dazu mit jemandem, der keinerlei Ahnung davon hatte, wie viel Arbeit ein 300 Quadratmeter großes doppelstöckiges Haus mit Swimmingpool machte, selbst mit Haushaltshilfe und Gärtner. Deshalb hatte sie ihrer Mutter einfach zugestimmt: Vibe sei wirklich eine fantastische Schwester und Torben ein fantastischer Ehemann, der schließlich nichts dagegen hatte, dass seine Frau einen ganzen Monat lang ihre eigenen Interessen verfolgte. Solche Männer wachsen nicht auf Bäumen. Das hatte sie auch immer Caroline eingebläut, als sie noch Arm in Arm miteinander spazieren gingen und über Gott und die Welt redeten. Bevor Caroline nach Boston zog und zu einer flüchtigen Telefonstimme wurde, die auf dem Weg ins Bett war, wenn Anne gerade aufstand.

Wenn Anne zurückdachte, und das tat sie in letzter Zeit häufig, kam ihr letztlich immer wieder der warme Augustabend im Sommer 1987 in den Sinn, als Torben mit roten Rosen nach Hause kam und ihr erzählte, man habe ihm seinen ersten Außenposten angeboten. Zwei Jahre Tokio. Sie waren Mitte 20, hatten keine Kinder, keine Verpflichtungen außer sich selbst.

»Willst du mich heiraten, Anne?«, hatte er gefragt. Damals hatte er noch seine volle Haarpracht. Seine Zähne waren noch nicht verfärbt von all den Substanzen, die er besser nicht konsumiert hätte, und in seinem Gang lag eine Leichtigkeit, der die Geschäftsessen und großen Banketts mittlerweile längst ein Ende gemacht hatten.