Das Juwel von Mahrusan - Mitchell Hogan - E-Book

Das Juwel von Mahrusan E-Book

Mitchell Hogan

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Beschreibung

Anasoma, die mächtigste Stadt des Kaiserreichs, ist gefallen, und zum zweiten Mal in seinem Leben muss der junge Magier Caldan alles hinter sich lassen und fliehen. Gemeinsam mit seinen Gefährten stellt er sich den Gefahren einer Welt, der ein schrecklicher Krieg bevorsteht und in der das Böse aus Legenden plötzlich lebendig zu werden scheint. Doch es ist vor allem Miranda, um deren Leben Caldan bangt. Ein verbotener Zauber droht sie zu töten. Caldan weiß, dass er sich seiner außergewöhnlichen Begabung stellen muss, um Miranda – und das gesamte Kaiserreich – zu retten. Doch um welchen Preis?

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Seitenzahl: 1021

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MITCHELL HOGAN

Das

Juwel

von

Mahrusan

Roman

Aus dem Englischen von Michael Siefener

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Das Buch

Anasoma, die prächtigste Stadt des Mahrusischen Kaiserreiches, ist gefallen. Zum zweiten Mal in seinem Leben muss der junge Magier Caldan alles hinter sich lassen und aus der Stadt fliehen, in der er eigentlich ein neues Leben hatte beginnen wollen. Gemeinsam mit seinen Gefährten trotzt er den Gefahren einer Welt, der ein schrecklicher Krieg bevorsteht und in der das Böse aus den alten Legenden plötzlich lebendig zu werden scheint. Doch es ist vor allem Miranda, um deren Leben Caldan bangt. Ein verbotener Zauber droht sie zu töten. Caldan weiß, dass er sich seiner außergewöhnlichen Begabung stellen muss, um Miranda – und das gesamte Kaiserreich – zu retten. Doch Magie hat einen tödlichen Preis … Ein dunkler Fluch, eine ewige Liebe und der ultimative Kampf zwischen Gut und Böse – nach Die Feuer von Anasoma setzt Mitchell Hogan mit Das Juwel von Mahrusan sein großes Epos um den Magier Caldan fort.

Der Autor

Mitchell Hogan entdeckte mit elf Jahren seine Liebe zur Fantastik, als ihm zum ersten Mal Der kleine Hobbit und Der Herr der Ringe in die Hände fielen. Seitdem füllt sich sein Bücherregal stetig mit Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Inzwischen hat er seine große Leidenschaft zum Beruf gemacht und arbeitet als freischaffender Schriftsteller. Sein Debütroman Die Feuer von Anasoma wurden mit dem Aurealis Award ausgezeichnet. Mitchell Hogan lebt mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Töchtern in Sydney, Australien.

Mehr über Autor und Werk erfahren Sie auf:

www.mitchellhogan.com

Titel der englischen Originalausgabe: BLOOD OF INNOCENTS Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 06/2018 Redaktion: Diana Mantel Copyright © 2016 by Mitchell Hogan Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkterstraße 28, 81673 München Karten: Maxime Plasse Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-22404-2V001www.heyne.de

DRAMATIS PERSONAE

CALDAN, ein Waise und Zaubererlehrling bei den Protektoren

MIRANDA, eine Unternehmerin und frühere Matrosin

AMERDAN LEPHAR, ein Ladenbesitzer

VASILE LAURIS, ein Richter, früher Hauptermittler bei der Kanzler-Garde

ELPIDIA, eine Ärztin

IZAK FOURIE, ein Adliger

LADY FELICIENNE (FELICE) SCHEUSTEIG, Dritte Adjudikatorin des Kaisers

SIR AVIGDOR, Lady Feliciennes Assistent

RENNEN, ein Informationshändler

DIEPROTEKTOREN UND DIE ZAUBERERGILDE

SIMMON, ein Meister, Caldans Lehrer

JAZINTHA, eine Meisterin

DIEHANDELSGESELLSCHAFT DER FÜNF OZEANE

GAZIJA, der Erste Erlöser

LUPHILDERN QUISS, ein Haupthändler

MAZOET MIANGLINE, ein Zauberer

REBECCI WALRAFFEN, eine Zauberin

LADYCAITLYNS TRUPPE

LADY CAITLYN, eine Adlige und Kreuzritterin

AIDAN, Caitlyns Stellvertreter

CHALAYAN, ein Stammeszauberer

ANSHUL CEL RAU, ein Schwertkämpfer aus der Steppe

INDRYALLANER

KELHAK, Gott-Kaiser von Indryalla

GLÖCKCHEN, eine Zauberin

SCHLÜSSELCHEN, ein Zauberer

1

Caldan setzte Glöckchen so sanft auf dem Boden ab, wie es ihm möglich war. Ihr Kopf rollte zur Seite, und kurz regte sie sich, bevor sie wieder still wurde. Sie befanden sich einige Stunden von Anasoma entfernt, und während der ganzen Reise war sie bewusstlos gewesen.

Er reckte sich und unterdrückte einen Fluch. Dunkle Wolken sammelten sich am Horizont, und der Gedanke, eine lange Strecke durch den Regen marschieren zu müssen, gefiel ihm gar nicht.

Vor ihm führte Amerdan Elpidia und Miranda über den staubigen Pfad zwischen frisch besäten Feldern hindurch. Hinter ihm war Rennen stehen geblieben und schaute den Weg zurück, auf dem sie hergekommen waren. Auch Amerdan warf nun einen Blick hinter sich und winkte kurz, dann lief er auf ein Gehöft zu. Caldan wusste nicht, ob sie einem fremden Haus trauen konnten, aber sie brauchten dringend Vorräte, und hier gab es die Möglichkeit, an sie heranzukommen.

Caldan erstickte ein Ächzen, hob Glöckchen wieder auf und trottete hinter Amerdan her. Sie wand sich in seinem Griff, sodass er sie kaum halten konnte. Dabei murmelte sie etwas Unverständliches, dann öffnete sie die Augen.

Vorsichtshalber legte Caldan ihr die Hand über den Mund. »Psst«, sagte er. »Wir werden dir nichts tun.«

Sie hingegen gab keine solchen Versprechungen ab.

Glöckchen griff nach seinen Augen, aber Caldan drehte ruckartig den Kopf von ihr weg. Er ließ sie fallen, packte ihren Arm und drehte ihn hinter ihren Rücken, während er ihr mit der anderen Hand weiterhin den Mund zuhielt. Glöckchen wimmerte, erschlaffte, sank auf die Knie. Caldan folgte ihr auf den Boden, während sie mit aller Kraft die Nägel ihrer freien Hand in seinen Arm schlug. Er bleckte die Zähne vor Schmerz, lockerte aber nicht seinen Griff um sie. Stattdessen drückte er ihr Gesicht in den Staub und stieß ihr das Knie in den Rücken.

Am liebsten hätte er sie für das erdrosselt, was sie Miranda angetan hatte. Sein Verlangen danach war so groß, dass seine Hand zu ihrem Hals gekrochen war, bevor er bemerkte, was er da tat.

Glöckchen atmete schwer; die Luft drang pfeifend durch ihre Nase. Sie wand sich und versuchte sich zu befreien, aber Caldan hielt sie unbarmherzig fest. Er unterdrückte ein Schluchzen und nahm die Hand von ihrem Hals. Nein, er durfte sie nicht töten, noch nicht. Zunächst musste er herausfinden, wie Miranda geheilt werden konnte. Aber danach …

»Hör mir zu!«, sagte Caldan zu Glöckchen. »Du kannst nicht weglaufen. Wir haben all deine Zaubermittel an uns genommen. Wir sind zu fünft, und du bist allein. Es wird leichter für dich sein, wenn du dich beruhigst.«

Glöckchens Gegenwehr ließ nach.

»Gut«, sagte er. »Jetzt wirst du aufstehen, und wir gehen weiter. Nicke, wenn du einverstanden bist.«

Einen Augenblick lang glaubte Caldan, Glöckchen würde wieder gegen ihn kämpfen, doch schließlich nickte sie.

»Ich nehme jetzt die Hand von deinem Mund. Es ist niemand in der Nähe, also wäre es sinnlos zu schreien.«

Glöckchen nickte noch einmal. Langsam zog Caldan die Hand zurück, drehte Glöckchen um und packte sie an beiden Armen. Sie bedachte ihn mit einem Blick, in dem reines Gift lag.

»Du bist ein ganz Starker, was?«, meinte sie.

»Ja, wenn ich es sein muss«, erwiderte Caldan. Mit ein wenig Glück würde sie glauben, dass er wusste, was er tat, und darum keinen Fluchtversuch mehr unternehmen.

»Am Ende wird es keine Rolle mehr spielen. Ich werde euch alle töten.«

Während Glöckchen redete, lief Rennen herbei. »Sieben Soldaten folgen uns«, sagte er.

Caldan lächelte dünnlippig. »Entweder wir kämpfen, oder wir fliehen.« Er sah zuerst Miranda und dann Glöckchen an. »Aber ich glaube nicht, dass wir weit kommen werden.«

»Wir können aber auch nicht gegen sieben schwer bewaffnete Soldaten kämpfen.«

»Bei den Ahnen!« Er wusste, dass Rennen recht hatte, aber das machte die Entscheidung nicht gerade leichter. Doch am Ende würde Caldans magisch aufgeladener Armreif keinen weiteren Druck mehr aushalten, und sie waren bereits jetzt völlig erschöpft.

»Ihr werdet alle sterben«, sagte Glöckchen.

Amerdan hob die Hand und wollte Glöckchen schlagen, aber Caldan trat zwischen die beiden.

»Nein«, sagte er. »Sie darf nicht verletzt werden.«

Amerdan sah Glöckchen an, als ob er von ihr eine Reaktion erwartete, aber die Zauberin blieb stumm. »Und was ist mit ihrer Magie?«

Caldan schüttelte den Kopf. »So funktioniert das nicht«, sagte er ungeduldig. »Sie braucht Zugang zu ihren Hilfsmitteln, und den hat sie nicht. Solange ihre Hände gefesselt sind und wir sie im Auge behalten, haben wir nichts von ihr zu befürchten.« Er traf eine Entscheidung. »Glöckchen ist unser Druckmittel und meine Hoffnung für Miranda. Also laufen wir weg. Uns bleibt keine andere Wahl. Anscheinend gibt es in dieser Gegend viele Gehöfte und Dörfer. Sie werden es nicht riskieren, dass wir uns in einem von ihnen verstecken und ihnen entgehen, also müssen sie jedes einzelne Haus durchsuchen. Das sollte uns ein wenig Zeit verschaffen. Kommt.«

Eine Stunde später öffnete sich der Himmel, und ein kalter Regen ging nieder. Es war kein angenehmes Marschieren. Zuerst war es nur ein störendes Nieseln gewesen, aber inzwischen regnete es so heftig, dass Caldan die Schritte seiner Gefährten hinter ihm nicht mehr hören konnte. Andauernd musste er sich das Wasser aus dem Gesicht wischen, und der Boden verwandelte sich allmählich in einen einzigen großen Teich. Links von ihnen war der ruhige Bach, dem sie bisher gefolgt waren, stark angeschwollen und wirkte nun wie ein tobendes Wildwasser. Caldan hielt Glöckchens Handgelenk umfasst und zerrte sie durch den Schlamm. Sie hatten ihr die Hände vor dem Bauch gefesselt und überdies die Oberarme an die Seiten gebunden, sodass nur ihre Beine frei waren, damit sie gehen konnte.

»Caldan!«

Caldan drehte sich zu Elpidia um, die seinen Namen gerufen hatte. Obwohl sie dicht hinter ihm lief, musste sie schreien, damit sie in dem Platzregen überhaupt zu hören war.

»Wir müssen weg von hier!«, brüllte sie. »Miranda friert, und ich auch!«

»Amerdan ist vorausgegangen und sucht nach einem Unterschlupf. Rennen sagt, es gibt in dieser Gegend viele verlassene Gebäude«, meinte Caldan. »Wir müssen weitergehen, bis wir eines gefunden haben.«

»Je schneller, desto besser.«

Caldan nickte. Er hatte gar nicht bemerkt, dass der Regen so kalt war. Als es ihm jetzt bewusst wurde, begann er zu zittern. Suchend sah er sich um und hoffte, Anzeichen für einen geeigneten Unterschlupf zu finden, und wie zur Antwort auf seine Gedanken erschien Amerdan vor ihm aus dem Regenschleier.

»Gute Neuigkeiten«, sagte der Ladenbesitzer. »Weiter stromaufwärts steht ein verlassenes Haus. Es ist sogar ziemlich groß und hat mehrere kleine Nebengebäude. Vielleicht ist es eine alte Mühle.«

»Den Ahnen sei Dank«, sagte Elpidia und drückte sich an Caldan vorbei, während sie Miranda an der Hand hinter sich herzog.

Caldan verspürte einen Stich im Herzen, als Miranda ohne ein Flackern des Wiedererkennens in den Augen an ihm vorbeiging.

Sie folgten Elpidia und hatten sie rasch eingeholt. Amerdan ging voraus, bis sie die alte Mühle erreicht hatten. Seine Stiefel platschten durch die tiefen Pfützen.

Ein großes Scheunentor war unversehrt, während eine kleinere Tür aufgebrochen worden zu sein schien. Sie hing nur noch an einer Angel und war zur Seite gekippt. Wilder Wein bedeckte die Hälfte des Gebäudes, und drinnen roch es nach Feuchtigkeit und Tieren. Eine Steintreppe führte in ein oberes Stockwerk, aber das Dach war schon vor langer Zeit eingestürzt. Allerdings hielt das Holz der Zimmerdecke den größten Teil des Regens fern; es war nur hier und da ein wenig Tröpfeln zu bemerken – doch darüber durfte er sich nicht beschweren. Neben dem Wohnbereich und der Mühle befanden sich die Lagerräume, vermutlich für Getreide und Mehl. Das Dach war zu großen Teilen eingesackt. Alles schien verrottet und wirkte bedrückend, aber wenigstens bot dieses Gebäude Schutz.

Das ist immerhin etwas Positives, dachte Caldan und schaute hinüber zu Miranda.

Elpidia kümmerte sich um die junge Frau, half ihr sich an einer trockenen Stelle niederzusetzen, und rieb ihr die Hände in dem Versuch, sie etwas zu wärmen.

Miranda reagierte nicht darauf.

Caldan seufzte und kletterte die alte Treppe zur Hälfte hoch. Ein Blick auf das obere Stockwerk, dessen Boden mit Unkraut und Gras bedeckt war, reichte aus, um ihn sofort zur Umkehr zu bewegen.

Rennen packte ihn am Arm, als er von der letzten Stufe hinuntertrat.

»Wie sicher sind wir hier?«, fragte Rennen. »Ich habe euch bis hierher geführt, aber ich werde bald zurückkehren, und dann müsst ihr auf euch selbst achtgeben.«

Caldan schob Rennens Hand beiseite. »Wenn du gehen musst, dann geh. Aber wenn du nach Anasoma zurückkehrst, musst du dort eine Botschaft für mich überbringen.«

Rennen kniff berechnend die Augen zusammen. »Eine Botschaft? Für wen?«

Caldan schüttelte den Kopf. »Das sage ich dir, wenn du uns verlässt. Es sind Informationen, die auch du nutzen kannst. Es wird sich für dich lohnen.«

Rennen nickte und gesellte sich schließlich zu Elpidia.

»Hier drinnen gibt es nicht viel, was wir verbrennen können«, sagte Caldan zu Amerdan. »Ich werde die anderen Gebäude durchsuchen.«

»Und ich kümmere mich um unsere Mitflüchtlinge«, sagte Amerdan.

Caldan warf einen ängstlichen Blick hinüber zu Miranda, aber er hätte nicht mehr für sie tun können, als Elpidia bereits für sie tat. Er stand in der Tür, und dicke Tropfen fielen vor ihm nieder. Dann blinzelte er durch den Wolkenbruch und sah drei Umrisse, von denen er sich sicher war, dass es sich bei ihnen um die anderen Gebäude handelte, die einmal zu dieser Mühle gehört hatten.

Caldan stählte sich kurz und rannte dann quer über den offenen Platz zu dem Haus, das ihm am nächsten stand. Er duckte sich in die geöffnete Tür, schüttelte den Kopf und wischte sich das Wasser aus den Augen.

Der Boden war mit den Trümmern eines Tisches und einigen Stühlen übersät, die in feuchter Fäule zerfielen. Wasser tröpfelte durch die Reste des Daches, das in keinem besseren Zustand als jenes der Mühle zu sein schien. Rechts von ihm gab es eine Tür, und zur linken Seite öffnete sich das Zimmer in einen großen, leeren Raum mit festgestampftem Lehmboden. Ein noch unversehrter Holztrog deutete an, dass hier während der Nacht das Vieh gehalten worden war. Er sah sich im Zimmer um, und es gelang ihm, einige relativ gut erhaltene Stuhlbeine aufzutreiben. Der nächste Raum enthielt ein verfaulendes Bett und eine Kommode, und Caldan entdeckte nur wenige weitere brennbare Holzstücke.

Er sammelte so viel ein, wie ihm möglich war, und steckte es sich unter den Arm, dann suchte er das nächste Gebäude auf. Es war ebenfalls ein Wohnhaus, aber es war völlig leer und besaß nicht einmal verfaulende Möbel. Caldan hoffte, dass er im letzten Haus mehr Glück hatte, denn sonst würde es eine kalte, elende Nacht werden.

Ein Umriss bewegte sich im Regen, und Caldan runzelte die Stirn. Niemand sollte dort draußen sein. Metall klirrte gegen Metall, und die Stimme eines Mannes drang an sein Ohr, gefolgt von der eines weiteren Mannes.

Bei den Ahnen!

Caldan duckte sich hinter die Wand und hielt den Atem an. Die Soldaten hatten sie entdeckt, oder sie waren auf diesen Ort gestoßen, ohne zu wissen, dass ihre Beute hier war. Er schüttelte den Kopf. Seit unserer Flucht aus Anasoma haben wir wirklich kein Glück gehabt.

So leise wie möglich machte er einige Schritte in das Gebäude hinein. Schließlich fand er eine trockene Stelle, an der er sein Holz ablegen konnte. Der Regen trommelte auf das Dach und übertönte alle anderen Geräusche. All seine magischen Gegenstände und Materialien befanden sich in der Mühle; er hatte nur seinen beinahe wertlosen Armreif und Meister Simmons Schwert bei sich. Noch immer hatte er keine Ahnung, wie dieses Kleinod funktionierte, und damit war es so gut wie nutzlos. Außer eben als normales Schwert.

Wenigstens weiß ich, wie ich damit umgehen muss. Aber es sind immer noch sieben gegen einen …

Caldan schlich zur Tür und spähte hinaus. Von den Soldaten war nichts mehr zu sehen – und dann drang ein Schrei durch den Regen. Elpidia! Es folge das harsche Lachen eines Mannes. Caldan griff hinter sich und zog das Schwert. Es schimmerte in einem sanften Licht.

Zwei Soldaten – Indryallaner, wie er vermutete – traten aus der Tür des Mühlenhauses. Der eine trug eine Zauberkugel, die ihnen Licht spendete, und ihre Rüstungen und Waffen glänzten im Regen. Bei der eingeschränkten Sicht und dem niederprasselnden Regen, der die meisten anderen Geräusche übertönte, gab es vielleicht keinen besseren Zeitpunkt, ihre Zahl zu dezimieren, als jetzt. Die Frage war nur: Würde er es schaffen, jemanden zu töten?

Ich glaube, mir bleibt keine andere Wahl.

Er beobachtete, wie die beiden Indryallaner auf das erste Gebäude zuliefen, das er vorhin betreten hatte. Sie hielten die Köpfe gesenkt, um dem Regen ein wenig zu entgehen. Kurz vor der Tür blieben sie stehen und stellten sich mit gezogenen Schwertern rechts und links neben sie. Einer warf die Zauberkugel ins Innere, steckte kurz den Kopf hinein und beäugte dann für einen Moment prüfend den Raum hinter der Tür. Caldan sah, wie sich die Schultern des Soldaten entspannten, und er nickte seinem Gefährten zu. Sie gingen hinein.

Jetzt holte Caldan tief Luft und rannte auf die Soldaten zu. Er hielt dort neben der Tür an, wo der eine der Soldaten noch vor wenigen Augenblicken gestanden hatte. Wasser strömte an seinem Gesicht herunter, und seine Hände zitterten. Ihm war heiß, aber es war nicht die Hitze, die mit seinen ungewöhnlichen Fähigkeiten einherging. Nein, seine Gaben hatten hier keinen Platz, er musste sich auf seine normalen Schwertkünste verlassen. Wieder quälte ihn der Gedanke, jemanden töten zu müssen. Aber dann dachte er an Miranda, und das reichte aus, um ihn für diese Aufgabe zu stählen.

Für Miranda.

Caldan trat durch die Tür. Der eine indryallanische Soldat hatte ihm den Rücken zugewandt, während der andere nirgendwo zu sehen war. Er ist im Schlafzimmer, dachte Caldan. Ein flüchtiger Blick bestätigte ihm, dass in diesem Raum ein Licht brannte.

Er machte einen Schritt auf den Soldaten zu und hob sein Schwert. Noch zögerte er, weil er sich schuldig fühlte, jemanden heimtückisch zu töten. Doch leider verursachte das Schimmern des Schwertes eine Veränderung im Spiel der Schatten, und der Soldat bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Unter einem wortlosen Schrei sprang er von Caldan weg.

Caldan stürzte ihm nach, als ein Antwortschrei aus dem Zimmer rechts von ihm drang. Der Mann vor ihm drehte sich um und hob sein Schwert zur Verteidigung. Er war jung, sauber rasiert und wohl kaum zwanzig Jahre alt. Caldan schwang sein eigenes Schwert gegen das des jungen Mannes, stieß es zu Boden und rammte dem Soldaten dann die linke Faust ins Gesicht. Blut tropfte aus der Nase des Mannes, als er rückwärts taumelte und zu Boden stürzte. Das Schwert fiel ihm aus der Hand.

Hinter Caldan ertönte ein Kratzen. Er hatte den anderen Indryallaner nicht vergessen und wirbelte herum – gerade rechtzeitig, um den Schlag zu parieren. Der zweite Soldat war älter – ein grauhaariger Veteran mit einem buschigen Bart. Er stolperte zurück und wich nach rechts. Caldan folgte ihm mit der Spitze seines Schwertes. Schließlich stach er zu, und der Soldat sprang zurück. Caldan rannte einige Schritte auf den am Boden liegenden jungen Soldaten zu, der gerade nach seinem Schwert tastete. Caldan trat es weg und stellte sich über ihn. Er bückte sich, packte den jungen Mann bei den Haaren, riss den Kopf zur Seite und entblößte dadurch das Genick. Sein Schwert lag nun an der zarten Haut des Soldaten.

So viel Leben, geschützt durch so wenig, dachte Caldan.

Der alte Soldat hielt inne. Licht schimmerte durch die Finger seiner Hand, mit der er die Zauberkugel hielt.

»Keinen Schritt weiter«, keuchte Caldan.

»Du hast ihn noch nicht getötet. Vermutlich wirst du es nie tun.«

»Gehst du das Risiko ein?«

Der alte Soldat leckte sich über die Lippen. Er murmelte einen leisen Fluch … dann drehte er sich um und rannte davon.

Verdammt!

Das war nicht die Reaktion, die Caldan erwartet hatte. Die Schritte des Soldaten tappten über den aufgeweichten Boden. Bald würde er die anderen alarmiert haben, und jeder Vorteil, den Caldan gehabt hatte, wäre dann verloren. Das durfte nicht geschehen.

Caldan zog einen Strang aus seiner Quelle und griff damit nach der Zauberkugel. Sie befand sich schon auf halbem Weg zur Mühle. Er tastete nach der Verbindungsrune, fand sie, drückte dann Kraft aus seiner Quelle in die Kugel und kappte den Anker.

Die Kugel zerplatzte mit einem scharfen Knall und erhellte kurz den gesamten Hof. Die Schritte erstarben, und es war ein Platschen zu hören, als der Körper des fliehenden Soldaten zu Boden fiel.

Vernichtung sollte nicht so leicht sein, sagte Caldan zu sich selbst. Aber das war sie, und nichts, was er sagte, würde etwas daran ändern. Für den Augenblick konnte er nur hoffen, dass sein Einsatz von Magie – um die Explosion erst gar nicht zu erwähnen – von ihren Feinden unbemerkt geblieben war.

Der junge Indryallaner sah ihn angstvoll an. Karmesinrotes Blut rann an seiner Oberlippe herunter. Caldan schlug mit dem Griff seines Schwertes so heftig zu, wie er es wagen konnte. Der Soldat ächzte und versuchte sich zu befreien. Caldan schlug erneut zu, härter diesmal. Daraufhin verlor der Mann das Bewusstsein.

Mit ein wenig Glück wird er eine Weile außer Gefecht sein, und wenn er wieder zu sich kommt, ist alles vorbei. Aber wenn wir uns auf mein Glück verlassen müssen …

Und dann wurden seine Gedanken schwarz.

Caldans Hände zitterten, und seine Haut brannte. Das herabtropfende Wasser fühlte sich auf seiner Haut wie Eis an. Ruhe überkam ihn. Er hatte soeben wieder durch Magie getötet. Und er bedauerte nicht das Töten, sondern nur die Methode. Was war bloß aus ihm geworden?

Schnell überquerte Caldan den Hof. Diesmal fiel der Regen nur noch sanft, als ob es ihm widerstrebte, auf dem Boden aufzutreffen. Alles bewegte sich langsam … so langsam …

Er kam an der Leiche des Soldaten vorbei, den er umgebracht hatte. Der Leichnam war nur noch ein verkohltes Stück Fleisch. An manchen Stellen ragten weiße Knochensplitter heraus.

Caldan schluckte. Für Miranda, sagte er sich abermals. Er spürte, dass er trotz der kalten Luft schwitzte. Das Blut brannte in seinen Adern wie geschmolzenes Metall. Es pochte und erinnerte ihn an schlagende Flügel. Sein Kleinod, der Metallring an seinem Finger, schien ihn zu stechen, als ob ihm Dornen gewachsen wären. Er hatte keine Ahnung, wie viele weitere Soldaten hier waren, aber das spielte auch keine Rolle. Jetzt musste er alle töten, oder alles war verloren.

In der Mühle hatten sich Elpidia, Rennen und Amerdan dicht an eine der Wände gedrängt. Neben ihnen standen Miranda und Glöckchen. Glöckchen grinste wie eine Verrückte. Sie wusste, dass sie bald frei sein würde. Sowohl Amerdan als auch Rennen hielten ihre Messer gegen fünf indryallanische Soldaten ausgestreckt. Zwei von ihnen hatten sich zu Caldan umgedreht; sie hatten entweder ihre Gefährten erwartet oder wollten sehen, was die Explosion verursacht hatte.

Caldan hasste es, ihre Gesichter erkennen zu müssen.

Schnell nahm er eine Abwehrstellung ein, hielt das Schwert mit beiden Händen über die rechte Schulter erhoben. Seine Sinne waren geschärft. Er roch die Erde und den Regen, den Schweiß und Dreck der Soldaten – und er konnte ihre Herzen schlagen hören.

Einer der Soldaten grinste ihn höhnisch an und machte einen Schritt nach vorn. »Leg das weg, Junge, damit du dir nicht selbst wehtust. Du wirst es bedauern, wenn wir es dir abnehmen müssen.«

Seine Worte klangen langsam in Caldans Ohren, und der Soldat bewegte sich lethargisch, als ob ihn etwas zurückhalte.

Caldan beachtete ihn nicht. Es gab hier nichts zu sagen. Entweder sie starben, oder er starb. Ein Zittern durchlief ihn. Sein Ring wurde schwer, und es fühlte sich an, als würde er sich ins Fleisch eingraben. »Es tut mir leid«, sagte er.

Sein Schwert blitzte auf, ein Strich aus glühender Magie in der Nacht. Er sprang vor, und die Klinge wurde zu einer verschwommenen Linie leuchtender Gewalt. Ein Schnitt von der Schulter bis zur Hüfte. Ein Schritt. Ein Schnitt nach oben. Eine Drehung. Er griff mit blendender Schnelligkeit an, das Schwert lag federleicht in seinen Händen. Die Soldaten reagierten kaum; es war, als würden sie sich durch Honig bewegen. Sprung. Drehung, Schlag. Ein letzter Hieb.

Caldan stand still und hielt das scharlachrote Schwert in der gleichen Pose über den Kopf, in der er den Kampf begonnen hatte. Um ihn herum lagen fünf Leichen; ihr Blut sickerte in den Lehmboden.

Auf der anderen Seite des Raumes kicherte Amerdan. »Fünf«, sagte er leise.

»Mist«, rief Rennen.

Caldan drehte sich um und bemerkte, dass alle ihn anstarrten. Glöckchen betrachtete ihn nachdenklich, während Elpidia entsetzt auf das Blut schaute. Seine Kraft verließ ihn schlagartig, und das Schwert wurde wieder schwer. Er senkte es und atmete heftig ein und aus. Galle stieg in seiner Kehle hoch, und sein Blickfeld verschwamm auf beunruhigende Weise. Dann sank er auf die Knie und rang nach Luft.

Nach wenigen Augenblicken war die Übelkeit vergangen. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und schaute hoch zu Amerdan.

»Du hattest keine andere Wahl«, sagte der Ladenbesitzer. »Es ist das Beste so.«

Caldan senkte den Blick und schaute auf das Blut, das überall im Raum verspritzt war. Die Soldaten hatten nur verlieren können, als das Fieber ihn überfallen hatte, und davor hatte er raue, zerstörerische Magie zum Töten eingesetzt – wieder einmal war er nichts anderes als ein Mörder. Seine Hände bebten, und er unterdrückte ein Schluchzen. Das Grauen dessen, was er getan hatte, überflutete ihn … und der Ekel und die Schuldgefühle, weil er die Empfindung der Macht genossen hatte.

Vorsichtig legte Amerdan die Hand auf Caldans Kopf. »Es ist in Ordnung. Wir ziehen sie nach draußen und marschieren bei Tagesanbruch los. Morgen früh werden wir bereits weit weg von hier sein.«

Caldan kämpfte sich auf die Beine und schüttelte dabei Amerdans Hand ab. Er wischte sein Schwert am Mantel eines der Soldaten ab und vermied es, die anderen anzusehen. Dann steckte er das Schwert zurück in die Scheide, ging auf die Tür zu und hielt dort inne.

»In einem der anderen Gebäude befindet sich ein weiterer Soldat. Er ist bewusstlos, aber er lebt. Ich bringe ihn hierher. Vielleicht können wir von ihm erfahren, ob uns noch andere folgen.«

Als Caldan zu dem Haus zurückkehrte, in dem er den jungen Soldaten liegen gelassen hatte, war von diesem nichts mehr zu sehen. Offensichtlich war er wieder zu sich gekommen und weggelaufen. Caldan seufzte und entschied sich, ihn nicht zu verfolgen. Für einen Tag waren genug Menschen gestorben. Und all ihr Blut klebte an seinen Händen. Erst einmal hatte er genug vom Töten, auch wenn er diese Haltung vielleicht später bedauern würde.

2

Caldan zerriss einen Brotlaib in kleine Stücke und tunkte sie in einen Topf mit wässeriger Suppe, die über einem kleinen Feuer köchelte, wobei er sorgsam darauf bedacht war, Abstand zu den Flammen zu halten. Feuer verursachte ihm stets verstörende Erinnerungen an den Tod seiner Familie.

Dass das Brot altbacken und die Suppe so gut wie geschmacklos waren, störte ihn nicht, als er über dem Topf hockte und hastig sein spätes Abendessen in sich hinein schaufelte. Er war hundemüde. Das waren sie alle. In den letzten Tagen hatten sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Anasoma gebracht und nur nachts für kurze Ruhepausen angehalten. Caldan konnte nie länger als eine oder zwei Stunden hintereinander schlafen; seine Gedanken kehrten stets zu den Soldaten zurück, die er umgebracht hatte.

Eine launische Windbö blies ihm Rauch in die Augen, und er blinzelte. Er löffelte die dünne Suppe in eine hölzerne Schale und trug sie zu Mirandas zusammengekauerter Gestalt, die gegen einen Baumstamm gelehnt saß. Dann machte er sich daran, sie mit dem Löffel zu füttern, wobei er jedes Mal zuerst über die Suppe blies, damit sich Miranda nicht den Mund verbrannte. Sanft entfernte er jedes Tröpfchen von ihren Mundwinkeln, während sie methodisch kaute und schluckte. Dabei ließ sie das Feuer niemals aus dem Blick. Als ihre Schale halb leer war, kniff sie den Mund zu und weigerte sich, einen weiteren Löffel von ihm zu empfangen. Caldan seufzte, wischte ihr mit einem Tuch über die Lippen, ging hinüber zum Topf und kippte das Ungegessene zurück.

Glöckchen saß auf der anderen Seite des Feuers. Das Ende des Seils, mit dem ihre Hände und Füße gefesselt waren, war um den Stamm des Baumes hinter ihr geschlungen. Caldan schaute kurz in ihre Richtung, bevor er Schale und Löffel auf dem Boden abstellte.

»Bekomme ich nichts?«, fragte Glöckchen mit einer Spur von Belustigung in der Stimme. »Seit heute Morgen habe ich nichts mehr gegessen.«

Caldan biss die Zähne zusammen. »Später wird dir jemand etwas geben.«

Glöckchen kicherte. »Aber du hast es so gut gemacht, so … sanft und zart.«

Caldan schloss die Augen für einige Sekunden und holte tief Luft. Noch immer würde er am liebsten die nötigen Informationen für Mirandas Heilung aus Glöckchen herausprügeln. Aber Informationen, die durch Gewalt erlangt wurden, konnte man nicht trauen.

Dennoch …

Er erkannte, dass er Glöckchen mit einer Intensität hasste, die ihn beunruhigte. Sie war auch für Meister Simmons’ Tod verantwortlich, und für den aller anderen, die er in Anasoma verloren hatte. Es wäre so erschreckend leicht, sie einfach zu erledigen. Mit langsamen, bedächtigen Schritten ging er zu den Habseligkeiten der Flüchtlinge – es waren nur ein paar kleine Päckchen und Säckchen. Caldan nahm das Kleinod-Schwert von dem Haufen … und verließ das Lager. Er suchte nach Elpidia.

»Sie werden weitere Soldaten hinter mir herschicken«, rief Glöckchen in seinem Rücken. »Und beim nächsten Mal wirst du nicht mehr so leicht mit ihnen fertig werden.«

Er beachtete sie nicht.

Die Ärztin saß auf einem kleinen Hügel und beobachtete die Sonne, die langsam zum Horizont niederstieg. Elpidia regte sich nicht, als er sich ihr näherte. Die Wunde an ihrem Hals hatte sich entzündet, und grellrote Linien zeigten sich dort, wo sie sich gekratzt hatte.

Er setzte sich neben sie und legte das Schwert quer über seine Schenkel.

Elpidia verlagerte ihr Gewicht und sagte: »Es geht ihr nicht besser, oder? Ich meine …« Sie schwenkte die Hand durch die Luft. »Ich hatte nach ein paar Tagen eine Verbesserung erwartet, aber …«

Caldan schüttelte den Kopf. »Ich dachte, das Zittern würde nachlassen, aber das tut es nicht. Sie kann noch immer nicht allein essen, und auch ihre Sprachfähigkeit ist nicht zurückgekehrt … Ich vermute, sie braucht mehr Zeit.«

»Die Medizin, die ich ihr gegeben habe, hat nicht gewirkt«, sagte Elpidia. »Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun kann. Wenn wir in Anasoma oder einer der anderen Städte wären, würde ich empfehlen, sie zu jemandem zu bringen, der größere Kenntnisse als ich hat.« Sie sah Caldan an. »Besteht die Möglichkeit, dass wir bald zu einer Stadt kommen, die so groß ist, dass es dort einen Arzt gibt?«

»Vielleicht. Wenn es nötig ist. Ich kenne das Reich westlich von Anasoma nicht, aber sowohl Amerdan als auch Rennen behaupten zu wissen, wo die meisten großen und kleinen Städte liegen. Aber je weiter wir nach Westen ziehen, desto unsicherer werden sie.« Caldan beobachtete, wie sich Elpidia zuerst am Hals und dann an der Schulter kratzte, bevor er weiterredete. »Es ist keine körperliche Krankheit – es ist ihr Geist. Ich glaube, sie … haben etwas darin beschädigt, als sie versucht haben, ihren Geist zu kontrollieren. Kein Arzt kann das heilen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt irgendjemanden gibt, der dazu in der Lage ist. Mir fällt nichts anderes ein als abzuwarten. Vielleicht erholt sie sich ja von selbst.«

Elpidia sah ihn an. »Gib noch nicht auf, Caldan. Einige Ärzte studieren auch die Krankheiten des Geistes, und sie wissen vielleicht, was zu tun ist. Ich bin nicht daran gewöhnt, einfach dazusitzen und abzuwarten, bis es jemandem besser geht. Normalerweise ist es so, dass es dem Patienten umso besser geht, je mehr ich für ihn tun kann. Normalerweise. Aber nicht alles ist heilbar. Wenn ich versuchen sollte, jemandes Geist zu heilen, der durch Zauberei beeinträchtigt wurde, dann würde ich damit beginnen, jemanden zu suchen, der sich in dieser Zauberei auskennt.«

»Nein«, sagte Caldan. »Ich lasse Glöckchen nicht in Mirandas Nähe, damit sie noch einmal ihre Magie bei ihr einsetzt.«

Als Elpidia seinen barschen Tonfall hörte, hob sie beschwichtigend die Hände. »Das hatte ich damit auch nicht gemeint. Aber sie besitzt vielleicht das Wissen, und du selbst bist recht begabt in der Zauberei. Wenn du sie befragst …«

»Nein«, wiederholte Caldan und schüttelte den Kopf. »Wir dürfen ihr nicht vertrauen, und ich wäre nicht in der Lage, eine Falle zu erkennen, wenn sie mir eine stellen sollte. Ich weiß einfach nicht genug, und es wäre zu leicht für sie, uns zu schaden.«

»Könntest du nicht selbst etwas versuchen?«

»Im Augenblick habe ich keine Ahnung, wie zwingende Magie funktioniert, außer dass sie sich stark von der Zauberei unterscheidet, die ich kenne. Demzufolge, was ich gesehen habe, braucht sie keinen körperlichen Gegenstand, damit sie funktioniert. Eigentlich hatte ich das für unmöglich gehalten.«

»Woher weißt du das?«

»Wie bitte?«

»Ich meine, woher weißt du, dass diese Zauberei nicht dasselbe wie ein einfaches magisches Wirken ist? Sowohl Glöckchen als auch ihr Partner hatten viele magische Objekte bei sich, vielleicht hat eines davon sie in die Lage versetzt, zwingende Magie zu wirken?«

»Ich … ich fürchte, daran hatte ich bisher nicht gedacht.«

Sie sah ihn an; Sanftheit lag in ihrem Blick. »Weißt du, du musst nicht alles selbst machen. Und damit meine ich nicht mich oder Amerdan oder Rennen. Du besitzt eine Informationsquelle … wenn du bereit bist, ein Risiko einzugehen.«

»Ich werde darüber nachdenken.«

»Gut.«

»Brauchst du irgendetwas?«, fragte Caldan und sah wieder ihre Wunde an. »Etwas gegen die Entzündung?«

Elpidia wandte das Gesicht von ihm ab. »Du weißt, was ich brauche.«

»Aber was würde das ohne ein Laboratorium nützen?«

Elpidia zögerte, dann sagte sie: »Du weißt nicht so viel über Alchemie wie ich. Aber was ich vor allem brauche, ist Zeit. Es macht mich nervös, mitten im Nirgendwo herumzusitzen. Ich spüre, wie mir die Zeit durch die Finger rinnt.«

Während sie sprach, bewegte Caldan seine Schultern und fuhr mit der Hand an dem Futteral seines Schwertes entlang. Es bestand aus zweckdienlichem, unverziertem Leder und war völlig anders als die Klinge, die es verbarg.

Möglichkeiten und Abwägungen schossen ihm durch den Kopf, wie es in den letzten Tagen immer wieder der Fall gewesen war. Doch wie bisher konnte er sich nicht entscheiden. Einer der Gründe, warum seine Gedanken andauernd im Kreis liefen, war die Frau neben ihm. Er kam einfach nicht zu einem Entschluss, was sie anging. Es war eine Tatsache, dass Elpidia verzweifelt war, und verzweifelte Menschen neigten dazu, verzweifelte Dinge zu tun. Also konnte er nur darauf vertrauen, dass die Ärztin das tun würde, was für sie das Beste war, und das schloss jeden Rat ein, den sie geben mochte.

Doch wichtiger als die Sorge um Elpidias Unpässlichkeit war es, eine Botschaft an die Protektoren außerhalb von Anasoma zu schicken. Wussten sie bereits von der Invasion und dem Gebrauch unerlaubter Zauberei durch die Indryallaner? Wussten sie, dass Simmon tot war und Caldan nun das Schwert des Meisters trug, auch wenn er dessen völlig unwürdig war? Er spürte einen Stich des Kummers und der Trauer und schloss die Augen beim Gedanken an Simmon. Und an Jazintha. Und an Senira. Alle waren tot. Caldan ballte die Fäuste, bis die Knöchel weiß wurden.

Er hatte geglaubt, in der Zauberergilde und vor allem bei den Protektoren ein Zuhause gefunden zu haben. Doch diese Welt war durch mehr als nur die indryallanische Invasion zerstört worden. Nein, dazu hatte auch sein Wissen beigetragen, dass die Protektoren zerstörerische Magie einsetzten, um gegen schurkische und abtrünnige Magier zu kämpfen – dass sie etwas taten, von dem sie vor der Welt behaupteten, es sei unmöglich. Und auch wenn ihn das entsetzt hatte, war doch die daran anschließende Frage noch verstörender für ihn: Benutzten sie ebenfalls zwingende Magie? Und würde er sich in ihren Augen selbst verdammen, wenn er es wagen sollte, diese Grenze zu überschreiten, auch wenn er damit nur jemand anderen retten wollte?

Caldan schüttelte den Kopf. Es gab so vieles, was er nicht wusste. Aber er durfte Miranda nicht aufgeben. Jetzt wollte er – nein, er musste – alles tun, was in seiner Macht stand, um ihre Gesundheit wiederherzustellen. Koste es, was es wolle.

Er sah Elpidia an, die geduldig neben ihm wartete, dann richtete er den Blick wieder auf das magere Lager. Rennen und der Kaufmann Amerdan kehrten gerade von ihrer Suche nach Feuerholz zurück. Rauch stieg auf, als sie einige Zweige auf die Kohlen warfen, danach legten sie den Rest daneben zu einem Stapel zusammen.

Es gab zu viele Schwierigkeiten. Dabei hatte er sich vor kurzer Zeit bloß Sorgen darum machen müssen, dass er genügend magisches Wirken erwarb und Miranda zum Essen in das bestmögliche Lokal ausführte. Er betastete den Ring an seinem Finger, sein Metall-Kleinod, und dann das Knochen-Kleinod, das um seinen Hals hing. Wie sehr sich die Dinge doch innerhalb weniger Monate geändert hatten.

Die Sonne senkte sich hinter den Horizont – ein weiterer Tag des Weglaufens und der Angst war vorbei. Das war alles, was sie seit ihrer Flucht aus Anasoma getan hatten: Laufen, über die Schulter sehen und mit schmerzhafter Schnelligkeit so viel Raum wie irgend möglich zwischen sich und die Stadt bringen. Caldan vermutete, dass Glöckchens Verschwinden und Schlüsselchens Tod sowie die Ermordung der sechs Soldaten weitere Verfolger anziehen würden. Und er erkannte, dass es das war, was absoluten Vorrang für ihn hatte: überleben.

Er rieb sich mit den Fingern über die juckende Kopfhaut, dann massierte er sich den steifen Nacken. Leider hatte er wieder Kopfschmerzen, so wie am Ende eines jeden Tages seit dem Beginn ihrer Flucht.

»Zu angespannt? Lastet zu viel auf dir?«, fragte Elpidia. »Jetzt weißt du, wie ich mich fühle.«

Caldan stieß schwer die Luft aus und rieb sich die Augen. Es war nicht das erste Mal, dass sie versuchte, ihm Schuldgefühle einzureden. Aber die Blutabnahme war wenigstens etwas, das er ihr gewähren konnte, auch wenn er ursprünglich dagegen gewesen war. »Wir sollten es rasch hinter uns bringen.«

»Was?«

»Hol alle Gefäße und Nadeln, die du brauchst.«

»Oh!« Elpidias Augen weiteten sich, und sie stand auf. »Danke! Ich …« Sie rang die Hände und brach beinahe in Tränen aus. »Ich brauche bloß ein wenig Hoffnung.«

»Ich verstehe aber noch immer nicht, wie du es ohne ein Laboratorium schaffen willst.«

»Du wirst schon sehen. Vertraue mir.«

Er nickte ihr zu. »Es ist das wenigste, was ich tun kann, wenn es denn hilft.« Es wäre ein Problem weniger, das ihn bedrückte, wenn er Elpidia davon abhalten konnte, ihn andauernd mit hungrigen Blicken zu bedenken.

Elpidia eilte davon, durchwühlte ihre Habseligkeiten im Lager und kehrte mit zwei kleinen Phiolen, einem Stück Stoff und einer großen hohlen Nadel zurück. Sie hockte sich nieder und bedeutete ihm, den Ärmel aufzurollen. Er enthüllte die rohe rote Haut an seinem linken Unterarm und dem Handgelenk. Sein magisch aufgeladener Armreif befand sich zusammen mit seinen übrigen Sachen im Lager. Das Kleinod war während des Kampfes mit Glöckchen und Schlüsselchen beschädigt worden, und er wusste nicht, ob in seiner Struktur noch genügend Kraft für weitere Einsätze steckte. Jedenfalls durfte er sich nicht auf es verlassen, solange sie auf der Flucht waren und er keine Möglichkeit hatte, den Ring auf die Probe zu stellen. Dies war ein weiterer Umstand, der ihm Sorge bereitete. Und er hatte noch nicht die Zeit gefunden, die magischen Gegenstände zu untersuchen, die er Glöckchen abgenommen hatte.

Elpidia schnalzte mit der Zunge, als sie sein Handgelenk sah. »Es ist noch immer nicht verheilt. Es dauert länger, als ich vermutet hatte, aber es war schließlich eine schlimme Verbrennung. Ich habe schon früher Verletzungen durch Magie geheilt, doch die meisten Zauberer wissen, wann ihre Kunst versagt, und sie treffen entsprechende Vorkehrungen.«

»Ich war nicht in der Lage, viel dagegen zu unternehmen. Ich kann von Glück reden, dass ich überlebt habe.«

»Wie steht es um deine andere Wunde, wo Miranda … wo sie …?« Elpidia verstummte.

Caldan fuhr mit der Hand an seine Seite, wo ein Verband unter dem Hemd um seinen Körper gewickelt war. »Sie verheilt. Aus irgendeinem Grund ist sie nicht so schlimm wie die Verbrennung.«

»Wenn du willst, kann ich den Faden später entfernen. Es sollte bald erfolgen.«

»Vielleicht morgen früh.«

Elpidia säuberte die Nadel mit einer farblosen Flüssigkeit aus der einen Phiole; die andere war leer. »Ich kann dir noch ein wenig mehr Salbe dafür geben, aber ich habe keine großen Vorräte mehr.« Sie hob die Nadel in die Nähe seines Ellbogens und setzte die Spitze an die Haut. »Welche Stadt liegt in unserer Nähe?«, fragte sie.

»Ich weiß nicht. Rennen könnte – autsch! Du hättest mich warnen sollen.«

»Benimm dich nicht wie ein Baby.«

Caldan grunzte und sah zu, wie die Tropfen seines Blutes in die leere Phiole fielen. Bald war sie beinahe voll, und Elpidia zog die Nadel heraus. Mit dem Daumen drückte sie auf die Einstichstelle. Den Rest des Raums in der Phiole füllte sie mit einer klaren Flüssigkeit, setzte den Stopfen ein und hielt sie fest in der Hand.

»Ich nehme an, das ist alles, was du brauchst?« Es lag etwas Beunruhigendes an Elpidias Verlangen, mit seinem Blut zu experimentieren.

»Eigentlich schon, aber ich brauche mehr. Es hängt davon ab, was ich finde. Hier draußen … kann ich nicht viel tun. Wir müssen uns in eine Stadt begeben – je größer, desto besser. Dort kann ich …«

»Zuerst müssen wir uns um Miranda kümmern. Ich werde nicht einfach dasitzen und abwarten, während du deine Experimente durchführst. Es gibt Wichtigeres für mich.«

»Für mich nicht. Vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Hör mir also zu. Hier geht es nicht bloß um mich. Wenn ich ein Heilmittel für mich selbst finden kann, werde ich auch in der Lage sein, es bei anderen Krankheiten einzusetzen – bei Krankheiten, die bisher tödlich verlaufen oder zumindest ernsthafte Schäden hinterlassen. Denk darüber nach. Das ist wichtig. Es könnte das Ende vieler Leiden bedeuten.«

Caldan seufzte. »Ich weiß. Aber nach der Invasion ist es unerlässlich, dass ich die Protektoren warne und Miranda zu heilen versuche. Hoffentlich wissen die Protektoren, was zu tun ist.«

»Warum? Handelt es sich etwa doch nicht um Zauberei, die noch niemand zuvor gesehen hat?«

Innerlich verfluchte sich Caldan für seinen Ausrutscher. »Ja«, log er. »Aber sie müssen irgendeine Vorstellung haben, wie man ihr helfen könnte.«

Elpidia schaute auf die Glasphiole in ihrer Hand, die rot von Caldans Blut war. »Wir sollten morgen in aller Frühe aufbrechen. Heute Nacht aber müssen wir uns erholen. Wir haben uns zu sehr verausgabt.«

»Das werden wir. Du kümmerst dich um deine Angelegenheiten, und ich kümmere mich um den Rest.«

Elpidia zuckte mit den Schultern. »Ich will mich nicht dafür entschuldigen – ich fürchte den Tod. Aber vergiss nicht, dass es nicht nur mich retten wird, wenn es funktioniert, sondern auch viele andere Menschen mit ähnlichen Leiden. Es ist kein hoher Preis für dich.«

»Falls es dir entgangen sein sollte, bemühe ich mich ebenfalls, andere zu retten«, fuhr er sie an. Er schaute hinunter auf Miranda, die ins Nichts starrte.

»Du bist nicht dafür verantwortlich«, sagte sie sanft. »Bring Miranda zu einem Arzt. Etwas anderes kannst du nicht tun.«

»Vielleicht nicht … aber das heißt nicht, dass ich es nicht wenigstens versuchen sollte.« Er stand auf und ging zurück zum Feuer. Elpidia folgte ihm ins Lager.

Dort saß Amerdan im Schneidersitz einige Schritte vom Feuer entfernt und starrte in die Flammen, während Rennen etwas abseits vom Rauch stand und die Hände in die Hosentaschen gesteckt hatte. Nur Rennen schaute auf, als sie sich näherten.

»Dukaten«, sagte er.

Amerdan lächelte knapp, sagte aber nichts und sah Rennen an, als wäre er ein Idiot. Elpidia schüttelte nur den Kopf und beschäftigte sich dann mit ihren Sachen. Zweifellos sorgte sie dafür, dass ihre kostbare Phiole gut gesichert war und blieb.

»Was ist damit?«, fragte Caldan.

»Ich habe ein Geschäft, zu dem ich zurückkehren muss. Vermutlich haben wir unsere Verfolger abgeschüttelt, und niemand weiß, dass ich bei euch war. Jeder, der mich erkennen könnte, ist entweder tot oder …« Rennens Blick wanderte hinüber zu Glöckchen.

»Ich werde dich wiedererkennen«, hallte Glöckchens Stimme um sie herum. »Und ich vergesse nichts und niemanden.«

Rennen schluckte und schaute weg. »Morgen früh gehe ich zurück nach Anasoma und schleiche mich in die Stadt ein. Wegen der Invasion wird es eine Menge Möglichkeiten dazu geben. Hier draußen bin ich zu nichts gut, aber die Stadt kenne ich durch und durch. Ich werde von hier aus zu einer kleinen Siedlung im Süden gehen und mich dann nach Osten wenden. Ohne … äh … das Mädchen, das mich langsam macht«, sagte er und vermied es angestrengt, Miranda anzusehen, »werde ich ziemlich schnell zurück sein.«

Caldan nickte langsam. »Das macht Sinn. Aber wie ich schon gesagt habe, musst du für mich eine Nachricht überbringen. Ich will, dass du einen Freund von mir namens Izak Fourie aufsuchst – und auch dessen Freund, Sir Avigdor.«

Rennen kratzte sich an der Wange. »Ich habe von ihnen gehört, aber es erstaunt mich, dass du je von Avigdor gehört hast.«

»Ihr seid beide im gleichen Geschäftszweig tätig und handelt mit etwas, das ich brauche.«

»Informationen.«

»Genau.«

Rennen zuckte die Achseln. »Ich war bloß neugierig. Falls er sich nicht gerade versteckt, was soll ich ihm sagen? Auch das wird dich ein paar Dukaten kosten.«

Caldan dachte kurz nach. Aus dem, was Avigdor bei ihrem Treffen mitgeteilt hatte, schloss Caldan, dass der Mann mehr über die Protektoren wusste, als er zugab.

»Ich weiß nicht, wie viel ihm über die Invasion bekannt ist, und deshalb könnten die Informationen, die wir besitzen, wertlos für ihn sein, aber … sag ihm, dass alle Protektoren in Anasoma tot sind.« Caldan hoffte, dass der Mann wusste, was das bedeutete. »Und sag ihm, dass wir versuchen werden, die Protektoren in den anderen Städten zu warnen. Die Indryallaner suchen offenbar etwas Bestimmtes in Anasoma. Ich könnte mir keinen anderen Grund vorstellen, warum sie sonst die Stadt versiegelt haben. Offenbar wollen sie nicht, dass jemand oder etwas sie verlässt.«

»Bist du dir dessen so sicher?«, unterbrach Glöckchen ihn. »Dein Kaiser hat den Leuten das Leben ausgesaugt. Vielleicht sind wir nur gekommen, um euch alle zu befreien.«

»Sei still«, fuhr Caldan sie an. Wütend deutete er auf Miranda, dann hielt er inne. Er musste vorsichtig mit dem sein, was er sagte, damit er nicht zu viel preisgab. Doch hatte er das vielleicht bereits getan.

»Ich bin gleich wieder da.«

»Wohin gehst du?«, fragte Rennen. »Oder ist das die Botschaft?«

»Ich sagte, ich bin gleich wieder da«, zischte er und deutete mit einem Kopfnicken auf Glöckchen. »Es gefällt mir nicht, wenn sie bei unseren Besprechungen dabei ist. Also werde ich sie wegbringen.«

»Nein, wie klug«, höhnte Glöckchen.

»Halt den Mund.« Caldan ging zu den dreien hinüber, band Glöckchen von dem Baumstamm los, ließ ihre Hände und Füße aber gefesselt. Während die anderen zusahen, zerrte er sie außer Hörweite und fesselte sie an einen anderen Baum. Dieser Baum war weit vom Feuer entfernt, und in der Nacht war es kalt, aber Caldan musste feststellen, dass ihm das inzwischen gleichgültig war.

»Jetzt, wo wir allein sind, kannst du mich losbinden.« Glöckchen leckte sich die Lippen und drängte sich gegen den Baum, und Caldan erhaschte einen Blick auf ihre nackte Haut, als sich ihr Hemd über der Brust spannte. »Es wird dunkel, und sie können es nicht sehen. Ich werde es unvergesslich für dich machen.«

Caldan runzelte die Stirn und hockte sich neben sie. »Es wird sicherlich unvergesslich für mich sein, wenn du mich krank machst.«

Glöckchen wand sich nicht mehr und schüttelte den Kopf. »Dein Pech. Ich bin wohl nicht so verführerisch wie das züchtige kleine Ding da drüben beim Feuer. Und nicht so fügsam. Ich bin sicher, sie würde alles tun, was du von ihr verlangst.«

Er wollte sie schlagen, und nur ein winziger Teil von ihm, der einen gewissen Anstand behalten hatte, verhinderte dies. Sie lachte.

»Armes kleines Ding. Sie hat den Rückstoß nicht vertragen. Wenn sie stirbt, ist das eine teilweise Rache für Schlüsselchens Tod.« Ihr Blick wurde stumpf. »Dann müssen ihr nur noch vier folgen.«

»Du kannst uns nicht dafür verantwortlich machen. Du hast es selbst heraufbeschworen. Wenn ihr uns nicht gejagt hättet, wäre er nicht gestorben.«

»Wenn ihr nicht entkommen wäret und dem Meister erlaubt hättet, sich eigenhändig zu töten, hätten wir euch nicht gejagt.«

Also hatte Simmon es selbst getan. Caldan schloss die Augen, als plötzliche Trauer in ihm aufbrandete. Er hatte gehofft, Simmon würde versuchen, im Kampf zu sterben. Was immer Glöckchen ihm angetan hatte, es hatte ihn zu einer leeren menschlichen Hülle gemacht. Ein weiterer Grund, der gegen sie sprach.

Er öffnete die Augen. »Warum habt ihr die Zauberer und Protektoren getötet? Die Zauberer hatten für euch keine Bedrohung dargestellt, und die Protektoren hätten nicht so unbarmherzig ausgelöscht werden müssen. Ihr hättet sie mit Magie fangen können.«

»Armer kleiner Caldan. Du spielst mit Dingen herum, von denen du keine Ahnung hast.«

»Kannst du mir nicht endlich einmal eine klare Antwort geben?«

Sie sah ihn mit ihren schwarzen Augen durchdringend an. Lange sprach keiner von beiden, dann schüttelte Glöckchen den Kopf. »Warum sollte ich das tun?«

»Wenn du mir hilfst, kann ich vielleicht auch dir helfen.«

Sie sah ihn argwöhnisch an. Schließlich sagte sie: »Es ist komisch, aber ich glaube, ich kann dir wirklich trauen, wenn du so etwas sagst. Du bist tatsächlich unschuldig.«

»So unschuldig, dass ich noch immer darunter leide, Schlüsselchen getötet zu haben.«

Sie spuckte ihm ins Gesicht.

Er wischte den Speichel weg und sah ihr wieder tief in die Augen. »Ich kann nicht sagen, dass es mir um ihn leidtut, denn ich hatte keine andere Wahl. Aber es tut mir leid um deinen Verlust. Vielleicht finden wir einen Weg, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Aber du musst anfangen. Also frage ich dich noch einmal: Warum habt ihr alle Protektoren getötet?«

Glöckchens Augen wirkten hart, aber er wandte seinen Blick nicht ab. Zwar wurde sie nicht sanfter, aber sie schien mürrisch die Lage anzuerkennen, in der sie sich befand. »Wir hatten unsere Befehle«, sagte sie schließlich.

»Sie alle zu töten? Warum? Von wem kamen diese Befehle?«

»Unser Gott-Kaiser war der Ansicht, dass sie eine Bedrohung darstellten.«

»Und ihr habt seine Befehle blind ausgeführt?«

Glöckchen zuckte die Achseln. »Nein, ich hatte Einwände. Viele von uns waren damit nicht einverstanden. Aber er irrt sich nie, und da er der Gott-Kaiser ist, muss ihm gehorcht werden.«

Caldan erhob sich und ging vor ihr auf und ab. »Ich vermute, du wirst mir nicht verraten, warum ihr in Anasoma eingedrungen seid.«

»Du vermutest richtig. Kluger kleiner Protektor.«

Caldan runzelte die Stirn, obwohl er wusste, dass sie ihn nur ärgern wollte. »Ich bin bloß ein Lehrling.«

»Aber sieh dir nur einmal an, was du schon alles erreicht hast! Sie wissen eindeutig nicht, was wirkliche Zauberei ist, und sie haben keine Ahnung von deinen Gaben.«

»Und jetzt werden sie es auch nie erfahren.«

Glöckchen zuckte die Achseln. »Der Tod kommt zu uns allen. Und zu euch fünf kommt er sehr bald.«

Er beachtete ihre Sticheleien nicht. »Ich dachte, du hast gesagt, ihr hättet die Invasion durchgeführt, um das Volk zu befreien.«

»Das habe ich gesagt.«

»Aber gerade hast du mir mitgeteilt, dass du mir den wahren Grund nicht verraten wirst.«

Glöckchen lachte so leise, dass es kaum zu hören war. »Es ist so leicht, dich zu verwirren. Wir sind zur Befreiung gekommen, aber welche Pläne der Gott-Kaiser hat, kann ich nicht sagen. Seine geistigen Fähigkeiten liegen so weit über den meinen wie deine über denen einer Ratte.«

»So weit?«, fragte Caldan.

Wieder bedachte die Zauberin ihn mit einem durchdringenden Blick. »Der Gott-Kaiser ist … der Gott-Kaiser. Nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit, nichts übertrifft seine Magie. Seit mehr als hundert Jahren weilt er unter uns. Du tätest gut daran, ihn zu fürchten.«

Caldan spottete über ihre Worte. »Hundert Jahre? Willst du mich zum Narren halten? Niemand lebt so lange.«

»Der Gott-Kaiser schon. Wie ich bereits gesagt habe, übertrifft seine Magie jede andere.«

»Hundert Jahre?«, wiederholte Caldan. »Das kannst du nicht ernst meinen.«

Der Blick von Glöckchens Augen bohrte sich in ihn. »Oh doch. Niemand weiß, wie er das macht, und ich glaube, viele haben versucht, es herauszufinden. Sie sind allesamt tot.« Sie zuckte nochmals mit den Achseln. »Er ist, was er ist. Man bringt uns schon in der Kindheit bei, dass er ohnegleichen ist und uns zur Macht geführt hat, indem er sich seit Generationen um uns kümmert.«

»Und das glaubst du?«

»Es gibt unumstößliche Beweise, und er beschützt uns alle. Unter seiner Herrschaft blüht und gedeiht unser Volk.«

»Es muss irgendeine List dabei geben.«

»Warum? Wie vieles hast du in den letzten Tagen gelernt, was du bis dahin nie begriffen hattest? Könnte es bei ihm nicht genauso sein?«

Caldan schüttelte den Kopf. »Vielleicht wird er in regelmäßigen Abständen ersetzt, während andere im Hintergrund die Fäden ziehen?«

»Nein.« Sie seufzte. »Er ist dieselbe Person, die er schon war, als meine Mutter geboren wurde – und als ihre Mutter geboren wurde. Sie alle haben schon von ihm gesprochen.«

Sie wirkte verzweifelt und gereizt, aber er verstand den Grund dafür nicht. War sie etwa so verblendet, dass sie wirklich glaubte, der Gott-Kaiser sei unsterblich? Er begriff, dass er keine vernünftige Aussage von ihr erhalten würde. Angesichts der Trauer, die sie um den Verlust von Schlüsselchen empfand, und ihrem Verlangen nach Rache war es erstaunlich, dass er bereits so viel erfahren hatte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass sie ihm nur das sagte, was zu ihrem Plan passte, aber aus irgendeinem Grund glaubte er das nicht. Doch jetzt hatte er erst einmal genug; er würde morgen früh einen weiteren Versuch unternehmen.

»Elpidia wird bald fertig sein, und dann kannst du es dir … wieder bequem machen. Aber du wirst nicht fliehen können, dafür werden wir wie immer sorgen.«

»Wie nett. Ich bin umgeben von Kerlen, die mir dabei zusehen, wie ich in die Hocke gehe.«

Caldan errötete. »Wir sehen dir bei gar nichts zu, wir hindern dich bloß am Weglaufen.« Er drehte sich um und ging.

Ihre Stimme folgte ihm. »Es ist mir egal, ob ich beobachtet werde oder nicht, denn ich habe das, was ich gesagt habe, auch genauso gemeint. Ich werde euch alle töten.«

Caldan und Elpidia sahen Rennen nach, als dieser auf seinem Weg nach Süden und zu einer kleinen Siedlung langsam verschwand. In der Ferne stieg Rauch von Kochfeuern auf, aber sie waren so weit weg, dass es nicht zu sagen war, um wie viele es sich handelte.

Caldan hatte dem Mann so viele Informationen wie möglich über die Eindringlinge und ihren Gebrauch der Zauberei mitgegeben, aber darüber hinaus war ihm kaum etwas eingefallen. Mit ein wenig Glück würde Rennen Avigdor finden, der die Informationen dann an Lady Felicienne weitergeben würde, und sie wäre hoffentlich in der Lage, sie mit den Erkenntnissen abzugleichen, die sie sicherlich inzwischen gewonnen hatte.

Auch Amerdan hatte mit Rennen gesprochen und ihm ein paar Dukaten ausgehändigt, was Caldan seltsam fand. Vielleicht hat er irgendwo Familie oder jemanden, der ihm nahesteht, und er will, dass Rennen sich um sie kümmert, solange er weg ist.

Er dachte nicht lange darüber nach.

Als Rennens zurückweichende Gestalt so klein geworden war, dass er kaum mehr zu erkennen war, gingen sie zurück zum Lager. Amerdan hockte vor Glöckchen, die noch immer an den Baum gebunden war, und die beiden waren in ein leises Gespräch vertieft. Miranda saß links von ihm und starrte ins Feuer. Sie hatte sich die ganze Nacht nicht bewegt.

Caldan rief den Ladenbesitzer weg von Glöckchen und runzelte die Stirn. Amerdan stand auf und kam auf ihn zu – lächelnd wie immer.

»Sie ist gefährlich. Ich würde es bevorzugen, wenn du nicht mit ihr sprichst. Vermutlich versucht sie, dich zu überzeugen, dass du sie gehen lassen sollst. Und sobald sie frei ist, wird sie versuchen, uns Schaden zuzufügen.«

Amerdan zuckte die Schultern. »Du meinst, dass sie uns töten will?«

»Ja.«

Amerdan deutete auf Miranda. »Sie ist nutzlos. Wir sollten sie hierlassen.«

»Was? Nein, ich lasse sie nicht im Stich!«

»Dann wird man uns erwischen, und wir sterben. Sie hat keine Gabe. Lass sie hier. Sogar Elpidia macht uns langsamer.«

Caldan runzelte die Stirn. Keine Gabe? Was soll das heißen? »Wir lassen niemanden hier. Außerdem wissen unsere Verfolger nicht, welche Richtung wir eingeschlagen haben.«

»Eine armselige Annahme.« Amerdan deutete mit dem Kinn auf Glöckchen. »Die hier hat Biss. Und Leute mit Biss werden nach ihr suchen.« Er hielt inne, als ob er über etwas nachdenken würde.

Biss? Der Ladenbesitzer hatte eine eindeutig seltsame Art, sich auszudrücken.

Aber das, was er vorschlug, war Wahnsinn. »Ich kann sie nicht im Stich lassen. Wenn du gehen willst, dann geh. Vermutlich hast du sowieso bessere Chancen ohne uns, aber ich sähe es gern, wenn du bei uns bleibst.«

»Nein. Natürlich hätte ich das. Würdest du das wirklich?«

Caldan kratzte sich am Kopf und versuchte einen Sinn in Amerdans Antwort zu erkennen. Schließlich begriff er, dass Amerdan auf beide seiner Bemerkungen gleichzeitig geantwortet hatte – was bedeutete, dass er glaubte, ohne die anderen besser dran zu sein. Vielleicht wäre das wirklich so, aber im Augenblick ist er der Einzige hier, der für mich von irgendeinem Wert ist. »Natürlich würde ich das. Wir sollten zusammenbleiben. Elpidia ist Ärztin und daher von großem Wert, und ich vermute, dass Glöckchen Miranda helfen kann. Ich muss die Informationen aus ihr herauslocken. Aber wie dem auch sei, sie ist so ziemlich die einzige Lebensversicherung, die wir im Augenblick haben.«

»Ah. Ich verstehe. Du brauchst sie für etwas. Nun, dann sollten wir jetzt packen und uns auf den Weg machen.« Amerdan rieb sich die Hände und strahlte. Er pfiff unmelodisch und machte sich daran, das Feuer mit einem Topf voller gebrauchtem Waschwasser zu löschen.

Caldan schüttelte das seltsame Gespräch aus seinem Kopf und begab sich zum Haufen ihrer Habseligkeiten. Er gürtete sich das Schwert um und hob seine und Mirandas Ledertaschen auf. Elpidia war bereits fertig; sie hatte die Phiole mit dem Blut in ein Tuch gewickelt, bevor sie sie eingepackt hatte. Amerdan wischte sich den Dreck von den Händen und stellte sich neben die anderen.

Sie alle sahen Glöckchen an, die noch an ihren Baum gefesselt war. Caldan wusste, dass Elpidia sich nicht um die Frau kümmern wollte. Bei den Ahnen, niemand wollte das. Ihr Verhalten und die Tatsache, dass sie eine Zauberin war, bereiteten ihnen allen Unbehagen.

»Ich kümmere mich um sie«, sagte Caldan. Er band das Seil los, ließ aber ihre Hände gefesselt, und befahl der Zauberin, sich vor ihn zu stellen.

»Weiter nach Westen?«, fragte Elpidia.

Caldan und Amerdan nickten gleichzeitig.

»Wenn wir zu Fuß gehen, verlieren wir zu viel Zeit. Wir müssen Pferde finden – oder zumindest einen Wagen für Miranda und Glöckchen«, meinte Amerdan.

»Rennen hat gesagt, dass einige Tage von hier entfernt ein Dorf liegt«, teilte Caldan ihm mit, »westlich der Siedlung. Ich glaube, das ist unsere beste Möglichkeit.« Er stieß Glöckchen in den Rücken, und sie ging los.

Amerdan beschattete seine Augen vor der Sonne und deutete nach Süden. »Ich glaube, wir haben ein Problem.« Am Horizont stieg schwarzer Rauch von der Siedlung auf. »Anscheinend ist Rennen auf Schwierigkeiten gestoßen.«

Glöckchen gab ein Kichern von sich, unter dem Caldans Blut gefror.

Der Tag verging, und als die Sonne sank, fanden sie sich bei einem schlammigen Fluss wieder. Amerdan drängte sich zwischen sie, klopfte Caldan auf die Schulter und meinte fröhlich, dass es ihnen wohl – entgegen seiner früheren Einwände – gelungen war, jeglicher Verfolgung zu entgehen. Währenddessen entzündeten sie ein Feuer und bereiteten ihr Abendessen aus altem Brot und Käse vor. Ein Topf Grütze für Miranda köchelte bald über den Flammen. Halbflüssige Nahrung war alles, was sie zu sich nehmen konnte.

Nachdem Caldan sein Essen heruntergeschlungen hatte, setzte er sich neben Miranda. Der Schmerz, den er so nahe bei ihr empfand, war beinahe körperlich. Wenn sie ihm nicht begegnet wäre, würde sie sich jetzt nicht in diesem Zustand befinden, und auch wenn es grundsätzlich möglich sein sollte, sie mit Magie zu heilen, konnte er hingegen nichts für sie tun.

Doch das bedeutete nicht, dass er es nicht versuchen würde.

Er öffnete seine Quelle und streckte sich aus, damit er ihren Verstand untersuchen konnte. Aber wie in jeder vorangegangenen Nacht fand er gar nichts. Nichts, worauf er seine Aufmerksamkeit richten konnte. Weder fand er einen Hinweis darauf, wie zwingende Magie funktionierte, noch hatte er eine Idee, wie er deren Auswirkungen beseitigen konnte.

Er seufzte vor Enttäuschung, holte seinen Armreif hervor und untersuchte dessen magische Ladung. So wollte er überprüfen, ob er nach den Belastungen, denen er ausgesetzt gewesen war, überhaupt noch funktionierte. Am Feuer war Elpidia eifrig damit beschäftigt, etwas in ein Notizbuch zu schreiben, während Amerdan im Lager auf und ab ging. Wenigstens bleibt er diesmal in der Nähe, dachte Caldan. In manchen Nächten konnte der Mann einfach nicht still dasitzen und verschwand für längere Spaziergänge, während Caldan über das Lager und die Personen in ihm wachen musste.

Wieder schloss er die Augen, denn er war sich Glöckchens durchdringendem Blick nur allzu deutlich bewusst. Es ist fast so, als würde sie über mich wachen.

Er zog eine Linie von seinen Verbindungsrunen bis zu den Puffern, Ankern und Entschleierungen und wusste dabei die ganze Zeit, dass sie allesamt in Ordnung waren und es höchstenfalls mit dem Metall selbst Schwierigkeiten geben könnte. Schließlich streckte er seine Sinne weiter aus, drang in das Metall ein und führte ein Rinnsal aus seiner Quelle in die Verbindungen. Sein Schild umgab sich mit einem blauen Nebel, stetig und stark, zumindest an der Oberfläche.