Das kleine Buch der großen Fragen - Gisela Schmalz - E-Book

Das kleine Buch der großen Fragen E-Book

Gisela Schmalz

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Beschreibung

Wir leben in einer Welt, die immer schneller und komplexer wird. Pausenlos werden Antworten über uns ausgeschüttet, nach denen wir oft gar nicht gefragt haben. Die Kunst des Fragens und Zuhörens scheint an Bedeutung zu verlieren – dabei sind es gerade die Fragen, die Brücken zwischen Menschen schlagen. Fragen lassen eine Offenheit und Vertrautheit zu, die eine Antwort nie erlauben würde. Was ist dein dunkelstes Geheimnis? Was ist dein hellstes Geheimnis? Wann bist du zu dir selbst ehrlich und wann nicht? Mit wem würdest du gerne eine Nacht verbringen, dann aber goodbye sagen? Gisela Schmalz hat 2.000 inspirierende Fragen gesammelt: über uns selbst, über unsere Beziehungen zu anderen und über uns in der Welt. Wie geht es dir heute wirklich? Für weniger Smalltalk und mehr aufrichtige Gespräche in unserem Leben!

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2.000 Fragen an Dich, Deine Welt, Deine Feinde, Freunde und geliebte Menschen.

OriginalausgabeDer Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

1. Auflage

Originalausgabe November 2018

Copyright © 2018 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Lektorat: Doreen Fröhlich

DF • Herstellung: KW

Satz: Bettina Stickel, ki36

978-3-641-23112-5

www.goldmann-verlag.de

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Inhalt

Prolog: Wer bist du?

WOZU FRAGEN?

DIE KUNST DES FRAGENS

FRAGEN BEFREIEN

WER FRAGT, GEWINNT

FRAGEN UND SPIELEN

FRAGEBOGEN

I – DU SEIN

1. DU DU DU

2. EWIGE JUGEND

3. FARBE BEKENNEN

4. (DEINE) SCHÖNHEIT

5. WOHNEN UND BETTEN

6. HEIMAT

7. LEBEN GESTALTEN

8. BERUFUNG, BERUF

9. RUHM, GELD UND GLORIE

10. GENIESSEN

11. PSYCHO

II – DU UND DIE WELT

1. BÜHNEN UND (ROLLEN-)SPIELE

2. KLEINE REISE, GROSSE REISE

3. INSPIRATION, KREATION

4. LACHEN

5. ANGST ODER RISIKO

6. GEWISSEN UND GLAUBEN

7. PHILOSOPHIE

8. GESELLSCHAFT UND POLITIK

9. MACHT UND OHNMACHT

10. KRIEG

11. TOD UND TEUFEL

12. VISIONEN

III – DU UND DIE ANDEREN

1. KONTAKT

2. SCHENKEN UND EINSCHENKEN

3. STREITKULTUR

4. MENSCH UND TIER

5. FREUND UND FEIND

6. FAMILIE

7. ZWEISAMKEIT

8. LIEBE

9. SEX

10. KÖRPER

Epilog: Fragen über Fragen

WOZU FRAGEN?

„Wer bist Du?“ Diese Frage mit nur drei Wörtern sieht wie eine Minifrage aus – ist es aber nicht. „Wer bist Du?“ zielt auf einen Menschen, eine Persönlichkeit, ein Labyrinth, ein eigenes Universum ab. Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Dafür ist sie viel zu groß. Sie ist so gigantisch, dass man sich ihr nur in vielen einzelnen Schritten nähern kann. Die Frage „wer bist Du?“ wird für dieses Buch in 2000 Einzelfragen aufgesplittert. Gefragt wird nach dem Charakter, den Ansichten, den Gedanken, den Gefühlen, dem Leben, den Lieben und den Vorlieben einer Person. Jede Frage erforscht eine andere Facette der Persönlichkeit.

Mein Freund Philip zum Beispiel liebt es, Persönlichkeitsfragebögen auszufüllen und sich dabei auf spielerische Weise selbst zu erforschen. Also schrieb ich für ihn ein Buch voller Fragen, in die er sich hineinwerfen und in denen er sich aalen kann. Jede Frage, die er beantwortet, offenbart ihm mehr über sein Ich. Die Fragen animieren ihn zur hemmungslosen Selbstumkreisung, zum Pläneschmieden, zum Fantasieren, zum Kommunizieren und zum Flirten. Sie erweitern seinen Horizont. Sie überraschen ihn: „Siehst Du in der Gewohnheit einen Käfig oder ein Sprungbrett?“ Sie laden ihn zum Experiment ein und dazu, öfter mal die Sichtweise zu wechseln – auch in Bezug auf sich selbst. Philip will verstehen, warum er auf andere Menschen oft so verschlossen wirkt, obwohl er eigentlich den Kontakt sucht – gerade zu dieser Frau, in die er sich sehr verliebt hat. Auch hofft er, durch eine Selbstbefragung zu begreifen, warum seine Vorgesetzten höflichen Abstand zu ihm halten, statt ihm eine Position mit mehr Personalverantwortung (bei höherem Gehalt) anzuvertrauen. Er will wissen, wer er ist, um leichter durch sein Leben navigieren zu können. Genau das wollte Philip immer, alles über sich erfahren, ohne dass andere davon erfahren. Das Schöne dabei: Die Antworten kann er, aber muss er nicht laut geben und auch nicht aufschreiben. Wirken werden sie trotzdem.

Dieses Buch beschreitet einen neuen Weg zur Selbstkenntnis – mit Fragen, die mal unverblümt und direkt sind („Wen belügst Du am meisten?“), aber auch poetisch („Was wärst Du als Duft?“), verspielt („Als was verkleidest Du Dich, damit Dich garantiert niemand wiedererkennt?“), praktisch („Welches Gericht kochst Du am liebsten?“), lebenspraktisch („Wie lautet Dein nächster aufregender Plan?“), hart („Entweder Du, oder hundert andere Menschen müssten sterben – wie entscheidest Du Dich?“), politisch („Wofür demonstrierst Du auf der Straße?“), philosophisch („Gelangt man mit Liebe zur Wahrheit?“), sexy („Was war Deine bisher schönste Verführungstaktik?“) oder eher banal („Was wärst Du als Haarschnitt?“).

Das Buch stellt Fragen zu allen möglichen und unmöglichen Situationen und Lebensbereichen. Wer sich darauf einlässt, wird mit seinen hellen, aber auch mit seinen dunklen Seiten konfrontiert. Fragende können tief, bis zum Grund ihres Seins, abtauchen und wieder aufsteigen, in die höchsten Höhen ihrer Luftschlösser und Fantasiewelten. Dabei können fröhliche und traurige, vertraute und verunsichernde, besänftigende und aufrührerische Stimmungen hochkommen – aber auf keinen Fall kommt Langeweile auf. Keine Frage kratzt an der Oberfläche. Die Fragen erlauben, ein Auf und Ab der Gefühle zu erleben. Sie werden nie gedachte Gedanken auslösen. Die Fragen werden auch Dich führen, verführen, verwirren, verstören, verblüffen, anregen, aufregen und vielleicht sogar erregen. Die Fragen lösen einen Sog aus. Sie können Dich süchtig machen, so dass Du gar nicht mehr damit aufhören willst, in Dich selbst hineinzuhorchen. Frage für Frage wird Dich stärker aufwühlen und mitreißen. Du begibst Dich auf eine Achterbahnfahrt Deiner Gedanken und Gefühle, gehst also ein Wagnis ein. Sei auf ein Abenteuer mit Dir selbst gefasst, das wohl größte Abenteuer, das Du erleben kannst.

Mit Deiner Expedition durch dieses Fragebuch gönnst Du Dir ein einzigartiges Erlebnis, das Dich bannen und lange nicht loslassen wird. Du kannst alleine losziehen, aber auch Deinen Freund, Deine Liebespartnerin, Deinen Ehemann oder Deine Lieblingskollegin mitnehmen. Auch zu mehreren, im Freundes- oder im Familienkreis, lässt sich der Ausflug in die Welt des Ich antreten. Dabei entsteht ein neuartiges, spannendes Gesellschaftsspiel. Mit wem auch immer Du die Fragereise antrittst, sie wird turbulent. Und wie nebenbei kann es gelingen, der einen großen Frage „wer bist Du?“ auf die Spur zu kommen.

DIE KUNST DES FRAGENS

Von allen Fragen steht die Frage nach dem Ich am Anfang. Sich selbst zu kennen bildet die Voraussetzung zum Verständnis der Welt. So sahen das jedenfalls die Philosophen der Antike. Die Inschrift am Eingang des Apollontempels in Delphi, „gnóthi sautón“ („erkenne Dich selbst“), aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. lasen sie als Aufforderung dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ihnen galt die Selbsterkenntnis als höchste Offenbarung, als Beginn der Weisheit. Nur wer sich selbst kenne, könne sinnvoll über sich und die Welt nachdenken. Der griechische Dichter Pindar verband die Selbsterkenntnis mit einer praktischen Empfehlung. In seiner „Zweiten Pythischen Ode“ (um 490 v. Chr.) dichtete er „genoi‘ hoios essi mathóˉn“ („werde, der du bist, nachdem du gelernt hast [„wer du bist“]). Pindars Idee lautet also: Selbsterkenntnis führt zur Selbstwerdung. Um zu werden, wer man tief im Inneren ist, sollte man zunächst einmal wissen, wer man ist. „Wer bist Du?“ ist daher die große Anfangsfrage, aus der sich alles Weitere ergibt.

Um sich kennenzulernen, kann der Mensch sich selbst befragen. Wer sich einmal selbst erforscht hat, kann dann – selbstbewusst(er) – auf den Rest der Welt zugehen und auch diese befragen. Die Selbstbefragung dient als Sprungbrett in die Welt. Wer sich und der Welt Fragen stellt, schafft es mit jeder Frage besser, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Wer die Phase der Selbsterforschung jedoch überspringt, erlangt keine Einsicht in sein Ich und seine Wünsche. Wer keine eigenen Vorstellungen von seinem Leben und für sein Leben hat, droht fremdbestimmt zu werden. Wer keinen Plan hat, für den machen andere die Pläne. Selbstkenner/innen sind aber sehr wohl fähig, ihr eigenes, originelles Leben zu führen und sich dabei fortwährend weiterzuentwickeln. Im Kontakt mit der Außenwelt wird das Ich immer mehr zum Ich. Die Reibung mit der Welt stärkt das Selbstbewusstsein.

Der griechische Philosoph Sokrates (469–399 v. Chr.) kannte die Inschrift des Apollontempels. In Gesprächen mit seinen Schülern bezog er sich auf das „Erkenne dich selbst“. Im ständigen Ringen um Selbsterkenntnis sah Sokrates die wesentliche Voraussetzung für ein gelingendes Dasein. Dieses Ringen bedeutete für ihn aber zugleich, zu akzeptieren, dass es keine letzte Erkenntnis gibt. So etwas wie „Wahrheit“ existierte für Sokrates nicht. Sogar oder gerade als Philosoph gestand er sich ein: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Das Credo des Nichtwissens prägte sein philosophisches Vorgehen. Es bildete der Ausgangspunkt für seine philosophische Methode des Fragens, die „Mäeutik“. Zu dem Namen hatte ihn seine Mutter, eine Hebamme, inspiriert. „Maieutiké (téchnē)“ bedeutet „Hebammenkunst“. Bei der philosophischen Technik des Sokrates geht es darum, andere durch Fragen zu eigenen Einsichten zu führen. Als Lehrer übernahm Sokrates die Rolle der Hebamme, und seine Schüler spielten die Gebärenden. Jedes philosophisches Gespräch eröffnete Sokrates mit einer Frage, und er hielt es dann mit Fragen in Gang. Nie gab er sich mit einer Antwort zufrieden. Sokrates fragte weiter und weiter und brachte so sein Gegenüber dazu, immer wieder neu um Antwort zu ringen. Ein Antwortversuch ergab die nächste Frage, und die nächste Frage ergab den nächsten Antwortversuch. So hörte das Gespräch nie auf. Es kam nicht zum Ziel, fand zu keiner letzten Antwort.

Mit seiner Fragetechnik bewies Sokrates seine demütige Haltung vor allem, was ist, auch vor seinen Schülern. Der Philosoph tat nie so, als sei er wissender als seine Schüler. Im Dialog mit ihnen, gemeinsam statt einsam, arbeitete er die Unbeantwortbarkeit aller Fragen heraus. Sokrates, der große Fragende, demonstrierte, dass man alles und nach allem fragen kann. Damit provozierte er die Regierenden von Athen. Sie warfen Sokrates vor, mit seiner Wortverdreherei die demokratische Ordnung zu gefährden. Deshalb forderten sie seinen Tod. Von der Verteidigungsrede des Sokrates wissen wir von seinem wichtigsten Schüler Platon. In seinem dialogisch verfassten Werk „Phaidon“ (387–367 v. Chr.) beschrieb Platon, wie Sokrates vor seinen Richtern auftrat. Sokrates stellte ihnen Fragen. Er sezierte ihre Antwortangebote und umkreiste sie wiederum mit Fragen. Vor Gericht sprach Sokrates so, wie er als freier Philosoph immer gesprochen hatte. Doch das Festhalten an seiner Fragetechnik bezahlte er mit dem Leben. Im Jahr 399 v. Chr. musste Sokrates vor den Augen seiner Freunde aus einem Schierlingsbecher mit einem hochgiftigen Doldengewächs trinken. Er starb. Aber seine Grundideen und seine Fragemethode blieben.

Platon, Xenophon und andere Schüler nahmen sich Sokrates‘ Bescheidenheit im Denken zum Vorbild. Heute nutzt man die sokratische Methode als didaktisches Mittel – vor allem in der Psychologie, in der Pädagogik und in der Lehre an US-amerikanischen Law Schools. In den übrigen Forschungsdisziplinen liegt der Schwerpunkt jedoch weniger auf der Formulierung von Fragen als auf dem Antworten über Beweislegung. Selbst in Sokrates‘ eigener Disziplin, der Philosophie, spielen das Fragen und der Dialog kaum noch eine Rolle. Abgesehen von den postmodern geprägten Philosophen begreifen zeitgenössische Philosophen ihr Fach eher wie eine Naturwissenschaft. Deren Methoden des empirischen und logischen Herleitens von Antworten prägen die Philosophie. Die Kunst des Fragens wurde aus der Philosophie verdrängt. Und nicht nur aus der Philosophie – das Fragen und das Infragestellen drohen derzeit aus der Gesellschaft zu verschwinden.

FRAGEN BEFREIEN

Zu fragen ist gerade nicht besonders populär. Wir leben in einer Zeit der Antworten. Für alles gibt es Belege und Beweise. Zahlen, Daten und Fakten werden als Wahrheiten deklariert, und diese übernehmen wir in der Regel. Klare Antworten spenden ein Gefühl von Sicherheit. Außerdem sind sie stets verfügbar. Antworten, wohin man blickt und klickt. Personen, die Kompetenz ausstrahlen, Ausbilder, Lehrerinnen, Wissenschaftlerinnen, Politiker, Talkshowgäste oder Marketingfachleute präsentieren uns Antworten, statt uns in das sokratische Spiel der Fragen einzuführen. Ob wir gefragt haben oder nicht – überall poppen Antworten auf. Vor allem digital erreichen sie uns, per Textnachricht, App, Website, Suchmaschine und über Smart Home immer öfter auch über Haushaltsgeräte wie zu heiße Lüfter oder zu leere Kühlschränke. Die vernetzten Maschinen wissen immer Bescheid.

Das Internet ist keine Frage-, sondern eine Antwortmaschine. Die Cookies und Logdateien der Datenanalysefirmen heften sich an unsere Spuren im Netz, speichern und analysieren sie. Deshalb kennen diese Firmen uns so genau – mit unseren Vorlieben, Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Auf der Basis ihrer (= unserer) Daten schicken Digitalunternehmen uns genau die Wettervorhersagen, Verkehrswarnungen, Restauranttipps, Kauf- oder Freundesempfehlungen, die wir hier und jetzt brauchen. Wir müssen gar nicht danach fragen. Die Antworten sind stets schneller, weil die Maschinen unsere Fragen zunehmend besser antizipieren können. In einer hochdynamischen, komplexen Welt nehmen wir die hilfreichen digitalen Antworten dankbar an. Dadurch verlernen wir es kleine, aber auch große Fragen zu stellen. Wir nehmen uns weniger Zeit dafür, sinnvolle Fragen und Fragen nach dem Sinn zu formulieren. Wir hören auf, Aussagen und Vorgänge kritisch zu hinterfragen. Dabei ist Fragen menschlich.

Unsere Fähigkeit, Fragen zu stellen, unterscheidet uns von den antwortgebenden Maschinen. Fragen stehen jedem zur Verfügung und sind einfach zu bedienende Instrumente. Allerdings erfordert der Umgang damit ein wenig Übung und manchmal auch Mut. Das Fragen zu trainieren, hieße, das Denken, das immer auch ein Andersdenken ist, zu kultivieren. Es hieße, eine individuelle Perspektive auf die Welt einzuüben und zugleich verschiedene Perspektiven zuzulassen. Wer fragt, sollte bereit sein, sich überraschen zu lassen und sich für vielfältige Antworten öffnen. Fragende äußern ihre Lust am Unbekannten. Wer fragt, ist neugierig. Fragen signalisieren den Wunsch, sich mit etwas oder jemand Neuem oder sich neu mit etwas oder jemandem auseinanderzusetzen. Wer fragt, rüttelt an Bestehendem. Wer etablierte Gepflogenheiten und Ordnungen nicht einfach hinnimmt, sondern infrage stellt, begehrt gegen sie auf. Wer fragt, provoziert. Fragende sind immer auch Rebellen.

Fragende sind wie Kinder, und Fragen heißt, von Kindern zu lernen. Sie kennen keinen Respekt vor Autoritäten und deren Wahrheiten. Fragend bewegen sie sich durch ihre Welt und hören nicht auf, sie mit Fragen zu löchern. In jedem Kind steckt ein kleiner Sokrates. Sowohl das kindliche Fragen als auch das sokratische Frage-Antwort-Spiel spiegeln in ihrer beharrlichen Dynamik etwas ganz Vertrautes wieder – das Leben. Das Leben kennt weder Gewissheit noch Sicherheiten. Es fordert den Menschen stets aufs Neue heraus. Er muss innehalten und nachfragen, Antworten durchdenken und Lösungen ausprobieren, so lange, bis sie greifen. Doch schon bei der nächsten Herausforderung muss er erneut nachfragen. Stillzuhalten und zu schweigen bringt nicht weiter. Alles Festgeschriebene und Festgefahrene motiviert dazu, weiter zu ermitteln. Doch gerade in Krisenzeiten meiden Menschen die Herausforderungen. Statt zu fragen, halten sie sich lieber an bewährte Antworten. Sie scheuen sich davor, die bewährten Pfade zu verlassen. Vertraute Maximen und eingeübte Gepflogenheiten anzuzweifeln, würde sie nur noch mehr verunsichern. Doch gerade wenn es ungemütlich oder arg kompliziert wird, wäre es angebracht, nach den Ursachen für diesen Zustand zu forschen. Ein beunruhigender Status quo muss nicht nickend hingenommen werden. Im Gegenteil – in verfahrenen Situationen gilt es, zementierte Wahrheiten aufzubrechen. Eine Fragerebellion lohnt sich. Sie bereitet mögliche Auswege und beherztes Handeln vor. Nur wer fragt, kann Neues anstoßen. Fragen ebnen den Weg ins Freie. Sie befreien. Freiheit heißt, in Kenntnis seiner selbst die Welt zu erobern und sich darin eigenständig und verantwortungsvoll zu bewegen.

WER FRAGT, GEWINNT

Fragende kennen die Wahrheit nicht. Dennoch wissen sie viel mehr als jemand, der an einer Wahrheit festhält. Fragende wissen, dass sie nichts wissen. Für sie ist die Welt eine Einladung, sie zu erforschen, ein Geheimnis, das aufzuspüren, wenn schon nicht zu lüften ist. Fragende kreisen ein, was ihnen begegnet, ohne es jemals wirklich erfassen zu können. Sie ertasten etwas, aber ahnen, dass sie womöglich nie zu sicherem Wissen gelangen können. In ihrer Unwissenheit leben sie, und sie zelebrieren sie. Jede Frage ist für sie ein Fest. Allem und jedem geben Fragensteller/innen eine Chance. Für sie ist alles fragwürdig. Es gibt nichts, das ihrer Frage nicht würdig wäre. Fragen eröffnen ihnen einen Freiraum, in dem sie atmen können und in dem viel passieren kann, da sie hier Dingen, Themen und Menschen nahekommen können. Ernst oder Spiel, Anfang oder Ende, gute oder böse Überraschungen – alles Mögliche können Fragen auslösen. Wer fragt, nutzt die Chance, hinter die Antworten zu gelangen, dahin, wo sich Möglichkeitsräume auftun, wo Dialog, Spiel oder Tanz beginnen kann – Begegnung. Wer Fragen stellt, ist bereit, sich von etwas oder jemandem berühren zu lassen.

Der Duden definiert „Frage“ als „Problem, zu erörterndes Thema, zu klärende Sache“ und als „fordernde Äußerung, mit der sich jemand an jemanden wendet“. Fragen erlauben eine Annäherung an die Welt und ihre Bewohner. Wie geht es Dir? Wie heiß ist die Sonne? Wann geht die Welt unter? Liebst Du mich? Liebst Du Dich? Fragen lösen etwas aus. Sie erlauben Tuchfühlung, aber kaum mehr. Statt sich plump anzueignen, was sie vorfinden, umkreisen sie es respektvoll. Fragende behaupten nichts. Sie kennen weder Richtig noch Falsch noch eindeutige Antworten. Von Gewissheit wissen Fragende nichts. Sie nehmen diese zumindest nicht besonders ernst. Jede Antwort löst bei ihnen Verwunderung aus und mindestens eine neue Frage. Fragenstellende nehmen Antworten und Wahrheiten aller Art zum Anlass, nachzuhaken. Ihr Lebensmodell ist ein ewiger Fragebogen. Fragen öffnen Welten und Menschen. Sie helfen gegen Beschränktheit. Sie befreien von pädagogischen, ideologischen, politischen oder technologischen Unmündigkeitsprogrammen. Sie ebnen den Weg aus der Verblendung. Fragen erlösen von Fremdbestimmung. Sie führen raus aus dem engen Antwortkosmos und aus der Monotonie der Monologe. Eine Frage schlägt eine Brücke zu anderem und zu anderen. Wer fragt, will die Einsamkeit durchbrechen und andocken. Wer fragt, interessiert sich, will erfahren, hervorlocken, sich austauschen und auseinandersetzen. Wer fragt, gewinnt nichts und doch alles.

FRAGEN UND SPIELEN

Fragen können explosive Kraft entwickeln. Sie schaffen eine Nähe, nach der wir uns immer gesehnt haben, aber vor der wir uns auch fürchten. Deshalb wühlt die Frage „wer bist Du?“ einiges auf. Wenn Du nicht möchtest, dass andere zu viel über Dich erfahren, reise mit diesem Buch am besten allein, und befrage Dich im Stillen, vielleicht machst Du Dir bei der Lektüre Notizen. Du kannst die Fragen des Buches aber auch dazu verwenden, um einen Dir nahestehenden Menschen besser zu verstehen. Durch die Fragen entdeckst Du an Deiner besten Freundin, Deinem Geliebten oder Deiner Lebenspartnerin ungeahnte Seiten. Du könntest die Fragen auch dazu nutzen, eine fast unbekannte oder nur flüchtig bekannte Person näher kennenzulernen, den Kollegen, die Nachbarin, den Fremden oder die Fremde von der Haltestelle oder aus der Bar. Du kannst die Fragen durchaus zum Flirten einsetzen. Dein frischer Schwarm oder Deine neue Freundin lassen sich genauso in ein intimes Fragespiel verwickeln wie Deine Ehefrau oder Dein Langzeitpartner. Das spielerische Fragen gelingt auch in der Gruppe, mit Freunden oder in der Familie.

Wer das Fragespiel mit vielen anderen spielt, knüpft an eine Tradition des ausgehenden 19. Jahrhunderts an. Ab etwa 1860 kursierten zunächst in den Großstädten New York, London und Paris Alben mit Fragebögen. In den Salons der Vornehmen und Gebildeten verliehen meist Frauen ihre Alben an Freunde und Verwandte mit der Bitte um schriftliche Antworten. Jenny Marx, die Tochter von Karl Marx, besaß so ein Fragealbum in englischer Sprache. Im Jahr 1865 animierte sie ihre Eltern und später auch Friedrich Engels dazu, Fragen nach ihrer Lieblingstugend, ihrem Lieblingsdichter, ihrer Auffassung von Glück oder ihrem Motto zu beantworten. Berühmt wurde der Fragebogen durch den französischen Schriftsteller Marcel Proust. Dieser erfand ihn nicht, beantwortete ihn aber gleich dreimal. Zwei Fragebögen beantwortete er 1887, einmal im Juni im zarten Alter von 15 und nochmals im September, als er dann 16 war. Im ersten, ihm gereichten, rot eingebundenen Buch „Confessions. An Album to Record Opinions, Thoughts, Feelings, Ideas, Peculiarities, Impressions, Characteristics of Friends“ beantwortete Proust die 24 englischsprachigen Fragen in seiner Muttersprache. Als „Lieblingsbeschäftigungen“ gab er an: „Lektüre, Träumereien, Gedichte, Geschichte und Theater“ und als „Vorstellung vom größten Unglück“: „Von Mama getrennt zu sein“. Der „Fehler, den er am ehesten tolerieren könnte“, war für den 15-Jährigen: „Das Privatleben der Genies“. Zur Frage, wer er gern sein wolle, notierte er: „Plinius der Jüngere“. Dieser Anwalt und Senator in der römischen Kaiserzeit wurde der Nachwelt durch sein schriftstellerisches Werk bekannt, vor allem durch die Plinius-Briefe. Prousts Antworten, besonders die Plinius-Antwort, verraten den Ehrgeiz des jungen Franzosen. Und tatsächlich wurde er rund dreißig Jahre mit seinem Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zum weltberühmten Schriftsteller. Viele Antworten des zweiten Proust‘schen Fragebogens von 1887 drehen sich um die Liebe. Es könnte sein, dass der sprachverliebte 16-Jährige auch in die Besitzerin des Fragealbums verliebt gewesen war. Seinen dritten Fragebogen füllte er 1891, während seiner Militärzeit im 76. Infanterieregiment in Orléans, aus. Proust, der Jungautor aus gutem Hause, nutzte die Gelegenheit, um mit den Eigentümerinnen der Fragebücher zu flirten und um sich mit ausgefeilten Antworten in der feinen Gesellschaft profilieren.

Bei dem Fragealbenspiel ging es weniger darum, die Psyche anderer Gesellschaftslöwen und -löwinnen auszuloten, als vielmehr darum, sich ihnen spielerisch vorzustellen und das Gespräch anzuregen. Deshalb bemühten sich die Salonteilnehmer/innen, auf die Standardfragen humorvoll und geistreich zu antworten. Die Gesellschaft sollte Spaß an den Fragen und den Antworten haben. Der Fragebogen bot ihnen einen Zeitvertreib auf höchstem Niveau. Auch dieses Fragebuch eignet sich als Gruppenspiel. Fragen können nach dem Zufallsprinzip gestellt werden. Im Kreis herum könnte ein/e Spieler/in nach der/m anderen irgendwo eine Seite aufschlagen, mit dem Finger blind auf eine Frage tippen und sie laut vorlesen. Jeder und jede in der Runde wird dann aufgefordert, sie zu beantworten. Werden alle mit derselben Frage konfrontiert, bleibt das Spiel ausgeglichen und fair. So kann jede/r das eigene Erleben mit den anderen teilen.

Eine neue Art von Miteinander entsteht. Auf einmal bekommen Gruppengespräche eine ungeahnte Tiefe. Wichtig ist es, bei einer Antwort nie bloß auf die Wörter zu achten. Der Klang der Stimme sowie Mimik und Gestik deuten auf das, was jenseits von Sprache passiert. Was löst diese Frage wirklich im befragten Gegenüber aus? In welche Stimmung versetzt sie die Person? Was fühlt sie tatsächlich? Ist sie sich selbst und den anderen gegenüber aufrichtig? Ist sie es nicht? Und wenn nicht, was genau hält sie davon ab? Irritiert sie der Inhalt der Frage oder eine bestimmte Person aus der Gruppe? Wer vor anderen um eine Antwort ringt, macht sich verletzlich. Es ist daher selbstverständlich, das Fragespiel rücksichtsvoll und mit Feingespür zu spielen. Wer sich gegenseitig befragt, nutzt eine außergewöhnliche Gelegenheit, anderen sehr nahe zu kommen. Ob allein, zu zweit oder in der Gruppe gespielt – wer sich für das vorliegende Fragespiel öffnet und zulässt, was immer dabei hochkommt, erfährt viel über sich und seine Mitmenschen.

In aller Welt, zu allen Zeiten und von allen Menschen können die hier präsentierten Fragen gelesen werden. Sie sind auch in drei, in zehn oder in hundert Jahren noch aktuell. Dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus – und die Fragen lassen sich neu beantworten. Dieses Fragebuch ist das ideale Geschenk für einen geliebten Menschen. Vor allem ist es das schönste Geschenk, das Du Dir selbst machen kannst: Du widmest Dich Dir und Deiner Frage „wer bin ich?“

Drei Kapitel strukturieren den Fragebogen:

I DU-SEIN

umfasst Fragen, die nur das Ich betreffen.

II DU UND DIE WELT

liefert Fragen zum Ich im gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kosmischen Zusammenhang.

III DU UND DIE ANDEREN

widmet sich dem Ich im Umgang mit anderen, mit Fremden, Freunden, Familienmitgliedern, Liebespartnern oder Liebespartnerinnen.

Der Fragebogen kann von vorne bis hinten durchgespielt werden. Je nach Interesse kann er gezielt bei einem bestimmten Thema oder einfach irgendwo aufgeblättert werden. Vergiss jetzt alle Dir bekannten Antworten. Vergiss, wer Du bist und wer Du sein willst. Schlage eine Seite des Fragebuchs auf – und tauche ein in die Welt der 2000 Fragen.

ENDE DER LESEPROBE