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Es ist Sommer im Farnholzwald und alle bereiten sich höchst geschäftig auf die Hochzeit von Fräulein Prickel mit Herrn Stachlig vor! Da besucht auf einmal ein neuer Gast das Hotel - eine Mäusedame! Sie ist geschickt mit den Pfoten und in der Küche ebenso begabt wie Monas Mutter. Könnte sie eine längst verlorene Verwandte sein? Inmitten der Hochzeitsvorbereitungen schlägt der Blitz im Farnholzwaldes ein und löst einen Waldbrand aus. Die Angestellten das Waldhotel verlassen im Angesicht der Gefahr den Farnholzwald und gehen zurück zu ihren Familien. Aber wohin soll Mona gehen? Wird es gelingen das Waldhotel vor den Flammen zu schützen?
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Seitenzahl: 113
Die Kleidkatastrophe
Das Waldhotel ist ein einzigartiger Ort im größten Baum des Farnholzwaldes. Dieser wird auf der einen Seite durch die Vorgebirge begrenzt und auf der anderen Seite durch das Dorf. Das berühmte Hotel steht mitten im Wald, um es herum windet sich wie ein langes, gekräuseltes Schnurrhaar ein Bach. Alle lieben das Waldhotel – besonders im Sommer. Es gilt als Ort der Ruhe für reisende Tiere, aber für die Hotelangestellten wie Mona Maus ist es vor allem ein Zuhause.
Ein Zuhause, in dem es momentan ziemlich pikste!
Sonne und Stacheln füllten das Hotel, da sich alle – Gäste ebenso wie die Angestellten – auf eine Stachelschweinhochzeit vorbereiteten. Nicht irgendwelche Stachelschweine, nein, Fräulein Prickel, die Köchin des Waldhotels, reichte Herrn Stachlig die Pfote fürs Leben, einem ehemaligen Gast, an den sie ihr Herz verloren hatte.
Der große Tag war gekommen. Mona und ihre beste Freundin, Tilda, das Eichhörnchen, waren von ihren Zimmermädchenpflichten entbunden und zogen sich gerade in Monas Zimmer an. Tilda konnte ganz schön mürrisch sein, aber sogar sie war bester Laune, als beide ihre Schürzen gegen die neuen Kleider mit Herzmuster eintauschten und nach oben eilten, um der Braut beim Ankleiden zu helfen.
Sie fanden Fräulein Prickel, die in einer Ecke des Salons im zweiten Stock kauerte. Der Raum war Stachel an Stachel gefüllt mit Verwandten und Bekannten der Braut, die sich gerade zurechtmachten. Es war nahezu unmöglich, eine Bewegung zu machen, ohne gepikst zu werden. Glücklicherweise wurde der Salon von einem Opossum organisiert, das sich an seinem Schwanz von der Decke hinunterlassen konnte.
Und genau das tat es gerade auch, geschäftig polierte es kopfüber Stachelschweinstacheln. Mona war ihm noch nie richtig vorgestellt worden. Petersen blieb lieber für sich. Das war auch kein Wunder, so herrisch, wie alle sich gaben.
»Sorg dafür, dass meine grauen Stacheln mit Rußpolitur abgedeckt werden«, befahl ein älteres Stachelschwein dem Opossum.
»Bin ich jetzt endlich mit dem Fellplusterer fertig?«, fragte ein anderes. »Es ist schließlich schon heiß genug hier drin, auch ohne Extrahitze. Außerdem HABE ich doch gar kein Fell.«
Es war wirklich heiß. Schon den ganzen Sommer über. Einige Gäste verloren langsam die Geduld.
»Nicht so feste!«, beschwerte sich das alte Stachelschwein.
WUSCH!
Ein Stachel flog heraus und blieb in der Zimmerdecke stecken, direkt neben dem Opossum, alle wandten sich ihm zu. Petersen sah Mona mit großen Augen an.
Mona zuckte zusammen. Sie hatte es aufgrund ihrer Größe bisher geschafft, nicht gepikst zu werden.
Ganz im Gegensatz zu Tilda, die schon zweimal gestochen worden war. Nein, dreimal …
»Aua!«, rief Tilda gerade. »Mona, mach du das!« Sie hielt Mona das Hochzeitskleid hin.
Während Tilda ihre verletzte Seite betastete, zog Mona das Kleid über Fräulein Prickels Stacheln. Zwei davon stießen durch den Stoff.
»So wird das nichts!«, jammerte Fräulein Prickel.
Mona wollte ihr gerade zustimmen, als sie bemerkte, dass Fräulein Prickel gar nicht ihr Kleid meinte. Sie ging die Gästeliste durch. »Wenn noch ein Gast auftaucht, keine Ahnung, was dann passiert!«, sagte sie wie zu sich selbst.
»Ich dachte, es wären schon alle da«, sagte Mona.
»Das glaubst aber auch nur du«, erwiderte Tilda und verdrehte die Augen.
»Es werden immer mehr!«, antwortete Fräulein Prickel. »Ach, wären Hochzeiten doch bloß nicht so voll von Überraschungen. Ich weiß lieber, woran ich bin, und sehe gern meine Saatküchlein vor mir gestapelt. Ich habe den Überblick verloren, wie viele Onkel, Tanten, Vettern und Cousinen hier sind.« Sie sah sich im Raum um und flüsterte dann schnell: »Man sollte bei so vielen Verwandten doch wirklich annehmen können, dass zumindest einer von ihnen in der Lage wäre zu kochen.« Sie seufzte. »Meine Tante bekommt es kaum hin, ein Gerstenkorn weich zu kochen, und sie ist für die Torte verantwortlich. Wo soll das bloß hinführen?«
Ehrlich gesagt konnte sich Mona nichts Besseres vorstellen, als ein großes Fest mit so vielen Verwandten zu feiern. Das hier war die erste Hochzeit, zu der sie eingeladen war. Aber Tilda, die schon einige Hochzeitsfeste im Hotel miterlebt hatte, fand sie seltsam. »Irgendwer fängt immer an zu weinen.«
Tatsächlich sah es gerade so aus, als wäre Fräulein Prickel kurz davor.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, besänftigte sie Mona. Eigentlich war sonst immer Fräulein Prickel die Ruhe in Person. »Jetzt kümmern wir uns erst mal um Ihr Kleid.«
Mona und Tilda zogen gemeinsam daran.
Ratsch!
Es riss genau in der Mitte durch. In dem Augenblick, als Fräulein Prickel in Tränen ausbrach, steckte Henry seinen Kopf zur Tür herein. »Da bist du ja!«, rief er.
Henry war Tildas kleiner Bruder und der Laufbursche des Hotels. Er eilte zwischen den Stachelschweinen hindurch auf Tilda und Mona zu. Ein paarmal wurde er dabei auch gepikst, aber das schien ihm nichts auszumachen. Mona erkannte an seinem aufgeplusterten Schwanz, dass er aufgeregt war.
»Das erratet ihr nie! Das erratet ihr nie!« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Es ist jemand hier!«
Fräulein Prickels Schluchzen wurde lauter. »Noch ein Gast?«, rief sie.
»Noch ein Stachelschwein?«, stöhnte Tilda.
Henry nickte heftig, dann schüttelte er den Kopf. »Ja. Nein. Ich meine … es ist ein Gast. Aber kein Stachelschwein.« Henry holte tief Luft. »Sie ist nicht hier, um Fräulein Prickel zu sehen.« Er zeigte auf Mona. »Sie ist wegen dir gekommen!«
Mona konnte es kaum glauben. Das war wirklich eine Überraschung.
Der geheimnisvolle Gast
Wer mag das wohl sein?, fragte sich Mona, als sie im Inneren des Baumes die Treppe hinunterhuschte, die von der Sternengucker-Terrasse bis zu den Überwinterungskammern tief in der Erde reichte. In der majestätischen alten Eiche war Platz für Gäste aller Art, egal, ob mit Federn oder Fell.
Mona erwartete keinen Besuch. Sie kannte schließlich niemanden, mal abgesehen von den anderen Hotelangestellten und ein paar Gästen, mit denen sie sich angefreundet hatte. Als sie die Eingangshalle erreichte, hielt sie kurz inne. Auch hier war alles voller Stachelschweine. Die stacheligen Gäste liefen geschäftig auf und ab, die Pfoten voller Päckchen und Hochzeitsdekorationen.
Der Eingangsbereich war bereits für die Hochzeit geschmückt. Stachelige purpurrote Disteln waren um den Empfangstisch gebunden. Blaue hingen über der Eingangstür, und sogar im Kamin blühten Disteln. Herr von Walde hatte angeordnet, auf keinen Fall Feuer zu machen, da das während des heißen, trockenen Sommers gefährlich werden konnte. (Nur in der Küche war ein Feuer gestattet, auch wenn das Hochzeitsmenü hauptsächlich aus Salaten bestand.) Also war der Kamin stattdessen mit einem riesigen Gebinde aus feuerroten Disteln bestückt worden. Und dort, genau davor, stand ein Gast, der ganz sicher kein Stachelschwein war.
Sondern eine Maus!
In all den Monaten, die Mona bereits im Waldhotel arbeitete – drei ganze Jahreszeiten –, war ihr bisher noch keine andere Maus begegnet. Ihre Eltern hatten vor langer Zeit einmal hier gewohnt. Ihr Vater hatte sogar das Herz auf der Eingangstür geschnitzt. Aber bisher war Mona niemandem ihrer Art im Hotel begegnet. Warum war die Maus gekommen? Um sie zu treffen? Vielleicht hatte es ja irgendetwas mit ihren Eltern zu tun?
Die Besucherin trug einen großen Strohhut, den eine schicke rosafarbene Schleife zierte. In einer Pfote hielt sie einen Koffer, der aus einem Kästchen gefertigt war, auf dem STREICHHÖLZER stand. Mona hatte noch nie einen Koffer wie diesen gesehen. Unter ihrem Arm klemmte ein aufgerolltes Tannenzapfen Tageblatt. Sie sah sich das Schild über dem Kaminsims an.
»Das ist unser Wahlspruch«, sagte Mona, die nun hinter ihr stand. »Sie haben nach mir gefragt?«
Die Maus drehte sich um und lächelte, als sie Mona sah. Mona war sich sicher, dass sie die Maus noch nie getroffen hatte, trotzdem kam sie ihr irgendwie bekannt vor. Sie war viel älter als Mona. Ihr Fell wurde langsam grau, glänzte jedoch noch immer, und ihre Augen wirkten freundlich. Sie trug weiße Handschuhe, und um ihren Hals hing ein kleines, in Herzform geschnitztes Samenkorn. Auf ihrer Jacke war HM eingestickt. Mona wusste nicht, wofür das stand, aber es sah wirklich sehr elegant aus. Sie war froh, dass auch sie herausgeputzt war.
»Dem Himmel sei Dank, Sie müssen Mona sein«, sagte die Maus. Sie stellte den Koffer ab und zog einen Handschuh aus. Dann streckte sie ihre Pfote aus und sagte: »Ich habe schon viel von Ihnen gehört!«
»Wirk… wirklich?«, stammelte Mona und schüttelte die Pfote.
»Ja.« Die Maus betrachtete Mona von der Nasen- bis zur Schwanzspitze. »Ich … also …«. Einen Augenblick lang fehlten ihr die Worte, dann fuhr sie fort: »Sie sehen so … so jung aus. Ich hatte erwartet … Aber nein, natürlich sind Sie noch jung«, beeilte sich die Maus zu sagen. »Waren Sie schon immer Zimmermädchen?«
»Nein, eigentlich habe ich erst vor einem Jahr hier im Hotel angefangen«, erwiderte Mona.
»Oh, und vorher haben Sie bei Ihren Eltern gelebt?«
Mona verneinte auch diese Frage und fühlte sich etwas überrumpelt. »Meine Eltern … sind vor langer Zeit gestorben. Ich habe keine Verwandten mehr.«
Die Maus berührte ihre Kette. »Oh, mein Zuckerstück, das tut … mir so leid«, sagte sie.
»Das macht nichts. Sie konnten es ja nicht wissen«, sagte Mona. »Ich habe hier im Waldhotel ein wunderbares neues Zuhause gefunden.«
Die Maus nickte. »Wie man hört, sind Sie ein exzellentes Zimmermädchen.«
Mona errötete. »Aber … wer sind Sie?«
»Ich heiße Emma Erdbeere«, antwortete die Maus. »Und komme vom Hotel Mittendrin.«
»Vom Hotel Mittendrin?«, fragte Mona nach.
»Ja. Haben Sie noch nie von uns gehört?« Emma Erdbeere sah enttäuscht aus.
»Und ob wir das haben!«, war plötzlich eine Stimme zu vernehmen. Die Empfangseidechse Gilles trat hinter zwei Stachelschweinen hervor und rückte sich die grüne Fliege zurecht. »Das Mittendrin ist schließlich das beste Hotel für Mäuse und Kleintiere im Dorf! So eine wunderbare Idee, die Zwischendecken eines bestehenden Hauses zu nutzen und in ein ganz besonderes Hotel zu verwandeln. Allerdings wäre ich doch etwas besorgt, entdeckt zu werden, wenn ich mitten unter den Großen leben würde.«
»Ich sorge dafür, dass unsere Angestellten sehr gut ausgebildet werden und besonders vorsichtig sind«, erwiderte Emma Erdbeere.
»Es ist mir eine Freude, eine der Besitzerinnen kennenzulernen. Stimmt es, dass Sie über ein Dutzend der besten Mäusezimmermädchen bei sich arbeiten lassen? Sehr beeindruckend, wirklich sehr beeindruckend.« Gilles’ Zunge schnellte vor und zurück.
Nun war es an Emma Erdbeere zu erröten. »Ja, wissen Sie, eigentlich dachte ich, wir hätten die besten aller Mäusezimmermädchen bei uns, deshalb war ich so erstaunt, von Mona zu hören.«
»Tss … tss, machen Sie sich da mal bloß keine Hoffnungen«, sagte Gilles und klopfte Mona schützend auf die Schulter. »Sie ist tatsächlich eine unserer gefragtesten Angestellten. Wir werden sie uns sicherlich nicht wegnehmen lassen.«
Monas Wangen fühlten sich schon wieder ganz warm an und sie war froh, dass Gilles es ausgesprochen hatte und, sie nichts sagen musste. Sie wollte nirgendwohin! Sie liebte das Waldhotel.
»Um Himmels willen, natürlich nicht«, sagte Emma Erdbeere. »Ich wollte Mona nur kennenlernen und Ihr wunderschönes Hotel besuchen. Ich habe Urlaub und hatte mir das schon lange einmal vorgenommen, aber ich reise so ungern außerhalb des Dorfes. Der Wald ist mir doch ein wenig zu beängstigend.«
Mona fand ihn gar nicht so fürchterlich, besonders nicht in der warmen und hellen Sommerzeit, aber sie war schließlich auch im Farnholzwald aufgewachsen.
Emma Erdbeere sprach weiter: »Wir vom Mittendrin hätten so gern eine Besprechung im Tannenzapfen Tageblatt, ich hatte mir erhofft, das Waldhotel würde uns ein paar Tipps geben …«
Gilles verzog das Gesicht.
Emma Erdbeere fügte schnell hinzu: »Nur Ideen, versteht sich. Vielleicht könnte Mona mir ja alles zeigen, wenn das Herrn von Walde recht ist?«
Mona wusste, dass Herr von Walde gern anderen Hotels half, kürzlich erst hatte er seinem Freund Benjamin, dem Biber, geholfen, den Biberbau zu eröffnen, ein Hotel für Wassertiere.
»Eigentlich gern–«, begann Mona.
»Aber heute ist die Hochzeit unserer Köchin«, unterbrach Gilles sie. »Die Feier findet hier im Waldhotel statt. Eine Köchin, die einen Gast heiratet – sehr ungewöhnlich –, doch ich sage nur: Wo die Liebe hinfällt! Es wird das größte Hochzeitsfest, das wir jemals ausgerichtet haben, Herr von Walde ist im Garten sehr mit den Vorbereitungen beschäftigt. Auch ich muss mich jetzt entschuldigen, Sie wissen ja, wie das ist. Mona kann Ihnen gern ein Zimmer geben.« Gilles verbeugte sich und lief los, um ein Stachelschweinjungtier davon abzuhalten, sich mit einer Pfote voller Tintenroller im Gästebuch zu verewigen.
»Kommen Sie doch bitte hier entlang«, sagte Mona zu Emma Erdbeere. »Ich hole Ihnen Ihren Schlüssel. Dann müssen Sie mich jedoch auch entschuldigen. Ich muss der Braut mit dem Kleid helfen. Eine Art Notfall.«
Mona machte eine Pause. »Wissen Sie, es ist nämlich so–«
»Es brennt!«, schrie jemand. »ES BREEEENNNNT!«