16,99 €
Wie wir die Aufgaben des Lebens meistern, die wir nicht haben wollen Miriam Höller hat stets am Limit gelebt – bis das Leben ihr harte Grenzen zeigte. Bekannt als eine der wenigen Stuntfrauen Deutschlands, Moderatorin des Motormagazins Grip und Teilnehmerin von Germany's Next Topmodel, war sie schon als Kind eher Wildfang als Prinzessin. Bereits bei ihrer Lebensplanung überlässt sie nichts dem Zufall: Als Teenagerin für ihren Berufswunsch als Stuntfrau belächelt, hat sie mit 18 ihr erstes Profi-Engagement und gründet mit Mitte 20 ihr eigenes Stuntteam. Ihr Markenzeichen wird die einzigartige Kombination von Ästhetik und Action. Doch auch der größte Erfolg schützt nicht vor Ungerechtigkeit. Plötzlich treffen sie zwei Schicksalsschläge nacheinander: Als sie sich bei einem Helikopter-Stunt in High Heels beide Füße bricht, findet ihre Karriere ein jähes Ende. Wenig später stirbt ihr Lebenspartner bei einem Hubschrauberabsturz. Eindringlich und lebensbejahend schildert Miriam Höller, wie sie wieder auf die Beine gekommen ist – und wie wir noch an der schwersten Krise wachsen können. »Miriam und aufgeben? Das passt nicht zusammen! Sie kämpfte sich aus dem Rollstuhl zurück ins Leben und erneut auf die öffentliche Bühne.« BILD »Dass sie nicht verzweifelte, grenzt an ein Wunder.« Frau im Spiegel
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das Leben ist ungerecht
MIRIAM HÖLLER ist Ex-Stuntfrau und vielfach ausgezeichnete Keynote-Speakerin für Resilienz, Mut und Veränderungsbereitschaft. Sie war Stuntfrau und Actionmodel in bekannten Produktionen und Kampagnengesicht großer Marken. Jahrelang moderierte sie das Automagazin GRIP, nahm an Germany‘s Next Topmodel teil und hatte Engagements bei Ninja Warrior, Alarm für Cobra 11 sowie vielen anderen Erfolgsformaten. Heute tritt sie mit ihrer bewegenden Lebensgeschichte als Rednerin auf den größten Bühnen Europas auf und ermutigt Menschen, die Herausforderungen des Lebens als Chancen zu nutzen.
Miriam Höller hat stets am Limit gelebt – bis das Leben ihr harte Grenzen zeigte. Bekannt als eine der wenigen Stuntfrauen Deutschlands, Moderatorin des Motormagazins GRIP und Teilnehmerin von Germany’s Next Topmodel, war sie schon als Kind eher Wildfang als Prinzessin. Mit 18 hatte sie bereits ihr erstes Profi-Engagement als Stuntfrau und gründet mit Mitte 20 ihr eigenes Stuntteam. Die einzigartige Kombination der beiden Extreme Ästhetik und Action, wird zu ihrem Alleinstellungsmerkmal, und ihre beeindruckenden Feuerflügel werden zu ihrem Markenzeichen.Als Actionmodel reist sie für namhafte Film-, Fernseh- und Werbeproduktionen um die Welt. Doch plötzlich treffen sie zwei harte Schläge nacheinander: Als sie sich bei einem Helikopterstunt beide Füße bricht, findet ihre Karriere ein jähes Ende. Wenig später stirbt ihr Lebenspartner bei einem Hubschrauberabsturz. Miriam Höller schildert, wie sie wieder auf die Beine gekommen ist. Sie verrät, was uns aufrichtet, wenn beruflich und privat scheinbar alles zusammenbricht – und sie zeigt, wie wir auch an der schwersten Krise noch wachsen können.
Miriam Höller
Und das ist gut so
Ullstein
Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de
Econ ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH
1. Auflage Januar 2025
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2025Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Lektorat: Dr. Annalisa Viviani, MünchenUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenCoverfoto: © Christian HolzknechtE-Book powered by pepyrus
ISBN 978-3-8437-3538-4
Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.
Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.
Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
Titelei
Das Buch
Titelseite
Impressum
Prolog –Der Tod zeigt auf das Leben
1. PassionUnd Action!
Von der Tänzerin zur Actionheldin
Der Weg zur Stuntfrau
Actionheldin oder Model – warum »oder«?
Die Erfindung meiner Feuerflügel
Folge der Freude, und du findest dich
2.GrenzenDas Leben bremst für niemanden
Überflieger
Action Couple
Nimm dir kein Beispiel an mir
Keine halben Sachen
Kenne deine Grenzen, denn das Leben testet sie
3. UmfeldWer glaubt an dich?
Die harte Wahrheit
Alles andere als Alltag
Enttäuschte Hoffnungen
Wenn du glaubst, es geht nicht mehr
Dein Umfeld als Kraftquelle
4. IdentitätWas von dir bleibt
Ich kann doch nichts anderes
Nach der OP ist vor dem neuen Leben
Lebensmut ist eine Haltung, kein Zustand
Wer bist du, wenn nichts mehr bleibt?
5. KontrolleDas Ende der Illusionen
Leben auf Rädern
Die Nacht, die alles verändert
Nichts ist so unwirklich wie die Realität
Die Illusion der Kontrolle
6. ZeitWas wir haben
Der leere Platz am Tisch
Unerträgliche Fragen
Die schwerste Frage – die leichteste Antwort
Eine Unsterbliche für die Sterbliche
Das letzte Date
Zeit ist das, was du daraus machst
7. EinstellungGedanken können tödlich sein – oder dir das Leben retten
Rückkehr nach Hause
Stille
Überlebenswut
Todeslust
»Mach ihn stolz!«
Die Kraft der Gedanken
8. LebensmutDas Herz einer Kämpferin
Herzstillstand
Jeder Schritt ein Erfolg
Ein Schritt vor und zwei zurück
Alix, der komische Vogel
Wer kämpfen will, muss Hilfe annehmen
Comeback der Kämpferin
Der Kampf zurück ins Leben
9. LebenJetzt erst recht
Minus 42 Grad Wärme
Das erste Lachen
Die Magie des Lebens
Keine Lizenz zum Glücklichsein
10. VerzeihenDer Anfang vom Neuanfang
Alles wie immer, nichts wie sonst
Paddle-out für Hannes
Verzeihen ist eine Reifeprüfung
11. LoslassenDer Schritt in die Zukunft
Rückkehr auf Zeit
Wie räumt man ein Leben auf?
Abschied von zu Hause
Zurück auf Anfang
Loslassen müssen wir alle
12. WofürGib weiter, was dir gegeben wurde
Adlerküken
Auch Träume haben eine Fallhöhe
Redebedarf
Neue Ziele, neues Leben
Was hast du zu geben?
13. FreiheitHappy Endless
Kein Happy End, keine Story?
Was bleibt
Lebenslinien
Vertraue dem Prozess
Dein Happy End bist du
Danksagung
Bildteil
Anhang
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Prolog –Der Tod zeigt auf das Leben
Bist du bereit für die Herausforderungen des Lebens? Ich möchte dich ermutigen, dir diese Frage gemeinsam mit mir zu stellen – denn das Leben stellt sie dir nicht.
Ich dachte immer, wenn ich ein guter Mensch bin, kann mir wenig passieren. Wenn ich Zeit und Liebe in meine Beziehungen, meinen Job und in die Verwirklichung meiner Träume investiere, wird das Leben mich belohnen. Auch dachte ich, dass Identitätskrisen durch schwere Krankheit oder Tod etwas für ältere Menschen seien. Doch das stellte sich als eine von vielen Illusionen heraus, in deren trügerischer Sicherheit ich mich wiegte.
Das Leben wirft dir immer wieder Herausforderungen und ungewünschte Veränderungen vor die Füße. Die Frage ist: Wie gehst du damit um? Machst du dich mutig auf deinen Weg, um aus ihnen zu lernen und an ihnen zu wachsen, oder bleibst du widerwillig sitzen und zerbrichst?
Meine ganz persönliche Krise führte mich an einen Tiefpunkt. Die existenziellen Fragen, mit denen ich plötzlich konfrontiert war, überforderten mich. Das waren Fragen, die du vielleicht auch kennst: Warum ist das Leben so gemein zu mir? Womit habe ich diese Tiefschläge verdient? Und wie kann ich mit dem, was mir widerfahren ist, Frieden schließen?
Heute weiß ich: Egal, was dir im Leben zustößt, und egal, was dir weggenommen wird – du kannst wieder ein glücklicher Mensch werden. Ich habe es geschafft, und das kannst du auch. Doch um die Schönheit in der Zerstörung zu finden, müssen wir oft mitten durch den Schmerz gehen.
Der Tod eines engen Freundes namens Mike war ein solcher Moment in meinem Leben – und doch nur eine winzige Vorahnung dessen, was in den Monaten und Jahren danach noch auf mich zukommen sollte. Manchmal braucht man den Spiegel des Todes, um die Wahrheit über das eigene Leben zu erkennen. Nicht zufällig sind es oft Todesfälle in unserer nächsten Umgebung, die uns zum Nachdenken bringen und zu Veränderungen motivieren.
Die großen Nachrichten erreichen uns oft aus heiterem Himmel – so auch in diesem Fall. Es ist ein ganz normaler Drehtag bei GRIP – Das Motormagazin, das ich damals moderierte. Ich bin voll konzentriert und mitten im Flow, denn an diesem Tag teste ich ein besonders faszinierendes Auto, das jedem Motorfan das Herz höherschlagen lassen würde. Ein solcher Drehtag ist viel Arbeit und fordert einem volle Aufmerksamkeit ab: Wir haben Kameras an den Autos befestigt, fahren die Testwagen mit hoher Geschwindigkeit über die Strecke, und ich muss in jeder Kurve und in jedem gesprochenen Satz meine Sinne beisammenhaben. Mein Handy ist deshalb – wie immer bei Dreharbeiten – auf lautlos gestellt, denn nichts darf stören.
Doch als die Kameras für die nächste Aufnahme umgebaut werden, nehme ich mein Handy in die Hand. Es zeigt mehrere verpasste Anrufe von Allison an. Sie ist die Frau eines kanadischen Air-Race-Piloten – einer internationalen Gruppe der besten Kunstflugpiloten der Welt. Sie und ihr Mann sind enge Freunde von meinem Lebenspartner Hannes, der ebenfalls Air-Race-Pilot ist, und mir. Für die Rennen reisen wir gemeinsam um die ganze Welt.
Ein komisches Gefühl steigt in mir auf. So viele Anrufe von Allison? Das ist nicht normal. Was ist wohl passiert? Ohne lange nachzudenken, rufe ich zurück.
»Hey, Allison, ich habe deine Anrufe gesehen, was ist los?« Meine Stimme ist noch ruhig, doch ich habe schon eine Vorahnung.
»Miriam, ich wollte dir Bescheid geben … Mike ist gestorben.«
So einfach, so direkt. Ich halte inne. Mike? Unser Mike? Der Freund, der so oft mit uns unterwegs war, bei den Rennen, beim Feiern, beim Lachen? Tot? Weg? Einfach so?
»Was hast du gesagt, Allison?« Mehr bringe ich nicht heraus. Ich habe gehört; verstanden habe ich nicht.
»Es war ein Unfall, gleich nach dem Start ist er abgestürzt. Alles ging wohl sehr schnell. Er war sofort tot.«
Ich bin sprachlos. Wenn der Tod so unerwartet kommt, trifft er dich wie ein heftiger Schlag in die Magengrube. Ich kann kaum atmen. Mike war nicht nur irgendein Bekannter – er war Teil unseres Freundeskreises, Teil unseres Lebens.
Sofort ist mir klar, dass ich Hannes schnellstmöglich Bescheid geben muss. Aber wie? Er ist zu dieser Zeit gerade in Nepal, um ein soziales Projekt zu unterstützen. Lange ist sein Traum gewesen, eine Schule für Kinder zu bauen, und dieser Traum wird gerade Wirklichkeit. Er ist im Hochgebirge unterwegs, ohne Empfang. Nur ein Satellitentelefon steht ihm für Notfälle zur Verfügung.
Soll ich es ihm sofort sagen? Werde ich ihn mit dieser Nachricht belasten, während er so weit weg ist? Ich entscheide mich zu warten, bis der Drehtag vorbei ist. Ich weiß, wie nahe Mike und Hannes sich gestanden haben. Sie waren durch ihre Leidenschaft für das Fliegen verbunden und haben viele Abenteuer zusammen erlebt. Wie wird Hannes wohl auf diese Nachricht reagieren?
Am Ende des Tages rufe ich ihn auf dem Satellitentelefon an, bevor ich nach Hause fahre. Ich stehe auf dem Parkplatz vor dem Drehort. Die Verbindung ist schlecht.
»Hi, Schnucki!«, redet Hannes sofort begeistert los, »Es ist so schön hier. Ich will dir unbedingt Nepal zeigen. Nächstes Mal fliegen wir zusammen. Ist alles in Ordnung bei dir?« Seine Stimme ist durch das knisternde Satellitensignal verzerrt, doch ich kann den besorgten Unterton heraushören. Schließlich weiß Hannes: Wenn ich mich auf diesem Telefon melde, muss es ernst sein.
»Hannes«, beginne ich und halte kurz inne, weil ich selbst mit den Tränen kämpfe. »Mike ist tot.«
Zunächst ist es still am anderen Ende der Leitung. Dann höre ich ein leises »Au weh«. Diesen Ausdruck benutzt Hannes immer, wenn er tief betroffen ist. In diesem Moment spüre ich förmlich, wie die Realität ihn trifft, obwohl er Tausende von Kilometern entfernt ist. Dann redet er weiter: »Aber weißt du, Mike hat sein Leben gelebt.«
»Es gab direkt nach dem Start technische Probleme, er hatte keine Chance«, erkläre ich die Umstände. »Die Beerdigung ist schon übernächste Woche. Willst du deine Reise abbrechen? Wollen wir uns in Amerika treffen und hingehen?«
»Nein, das brauchen wir nicht«, sagt Hannes. »Ich werde mich hier in Nepal von ihm verabschieden.« Er klingt ruhig und gefasst dabei. So ist Hannes: der Fels in der Brandung. Rational, auch wenn sein Herz schmerzt. Er bleibt noch eine Weile in Nepal und nimmt bei einem persönlichen Ritual Abschied von seinem engen Freund.
Als er zurückkommt, ist er nachdenklicher und anhänglicher als sonst. In dieser Zeit kommt es zu einem dieser Gespräche, die man nicht vergisst, die dein Verständnis von Liebe, Leben und Verlust für immer prägen. Wir liegen spätabends im Bett, die Decke bis zum Kinn gezogen, verschlungen in der tröstlichen Wärme des anderen. Der Verlust von Mike hat uns beide schwer getroffen, aber Hannes scheint überraschend gefasst – als ob das Ereignis etwas bei ihm ausgelöst und geklärt hat.
Auch ich habe viel nachgedacht, seit ich Allisons Anruf bekommen habe. »Ich habe mich gefragt, was wohl wäre, wenn du sterben würdest«, gestehe ich. »Was würde ich tun? Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen.«
Hannes’ Reaktion stellt alles infrage, woran ich glaube. »Weißt du, Schnucki«, sagt er mit leiser Stimme, »wenn du morgen sterben würdest, würde ich weitermachen.«
Ich bin perplex. Was meint er damit? Wie kann er so etwas nur sagen? Ich richte mich auf und stütze mich auf meinen Ellbogen. »Wie bitte? Was ist das denn für eine Aussage?«, frage ich mit einem leichten Hauch von Ärger in meiner Stimme.
Hannes’ Blick ruhig und fest. »Es ist doch dein Lebensplan, der dann zu Ende wäre, nicht meiner. Es wäre schwer, ja. Aber ich würde weiterleben, vielleicht sogar jemand anderen kennenlernen, vielleicht eine Familie gründen.«
»Du würdest einfach weitermachen?«, wiederhole ich und spüre, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet. »Nach allem, was wir zusammen erlebt haben?«
»Ja«, gibt er zurück, ohne zu zögern. »Weil das Leben so ist. Menschen gehen nur eine Zeit lang miteinander, dann trennen sich ihre Wege. Entweder durch das Leben oder durch den Tod.«
Ich bin schockiert und verletzt. Es fühlt sich an, als hätte er die besondere Verbindung zwischen uns einfach heruntergespielt, als wäre ich austauschbar. »Also, ein liebevolles ›Wir bleiben für immer zusammen‹, wäre zum Einschlafen schöner gewesen …«
Hannes sagt nie etwas, nur um die Stimmung zu retten. Er sieht mich lange an, bevor er im selben ruhigen Ton weiterspricht. »I liab di, aber ich glaube nicht an diese Hollywood-Märchen. Unser Leben ist real.«
Ich lege mich wieder hin und drehe ihm den Rücken zu, verletzt von seiner scheinbaren Kälte. Wie kann er so rational und gefasst sein, während ich gerade mit der Vorstellung kämpfe, ihn möglicherweise irgendwann verlieren zu müssen? Ich könnte nicht einfach »weitermachen«, wie er es beschrieb. Für mich war das unvorstellbar. Doch gleichzeitig wusste ich, dass er auf eine gewisse Art recht hatte. Menschen gehen weiter, das Leben geht weiter. Auch wenn es wehtut, auch wenn es sich in diesem Moment wie das Ende der Welt anfühlt.
Rational weiß ich das, doch emotional halte ich an der romantischen Vorstellung fest, dass unsere Liebe unzerbrechlich ist und dass wir für immer zusammenbleiben werden – gegen alle Spielregeln des Lebens.
»Du verstehst das nicht«, sage ich leise. »Ich habe so viel für uns aufgegeben, bin zu dir nach Salzburg gezogen, habe mit dir hier gemeinsam unser Zuhause aufgebaut. Ich wünsche mir, dass das hier für immer ist.«
Hannes lächelt und nimmt meine Hand. »Dass wir jetzt glücklich sind, bedeutet nicht, dass das Leben stillsteht, wenn einer von uns geht. Ich habe schon viele Freunde verloren. Ich weiß, wie das Leben funktioniert. Es wird nicht aufhören. Wir werden alle irgendwann gehen.«
Diese Worte treffen mich tief. Sie enthalten eine Wahrheit, die ich nicht hören will. Wir leben in einer Realität, in der das Leben unberechenbar ist, und der Tod ein ständiger Begleiter. Als Air-Race-Pilot lebt er ständig am Limit. Das tue ich als Stuntfrau auch – und doch habe ich zu diesem Zeitpunkt noch eine andere Einstellung dazu, wie das Leben zu funktionieren hat. Risiko – das ist für mich etwas, das man kontrollieren kann. Warum sollte ich deshalb aufhören, an die unvergängliche Liebe und ein langes, gemeinsames Leben zu glauben? Ich bin nicht bereit, dieses Märchen loszulassen. Die Härte, mit der Hannes darüber denkt, kann ich nur schwer akzeptieren.
Und doch setzen sich seine Worte in mir fest. Sie werden mich noch lange beschäftigen – besonders nachdem sich mein Leben nur kurze Zeit später von einem fröhlichen Hollywoodfilm in ein episches Drama verwandelt. Bald schon werde ich spüren, was Hannes’ Worte bedeuten: Das Leben geht tatsächlich weiter. Schonungslos. Ob du willst oder nicht. Und es fragt dich vorher eben nicht, ob du bereit bist.
Ich selbst soll erst Jahre später wirklich verstehen, worauf all das hinausläuft, was in diesem Moment in mir zu arbeiten beginnt: Leben bedeutet Risiko. Und das größte Risiko von allen ist, das Leben nicht gelebt zu haben.
Wenn wir die Spielregeln verstehen – dass es immer einen Anfang und ein Ende gibt und die Zeit dazwischen von Herausforderungen und Veränderungen geprägt ist –, dann sollten wir gut darin werden, mit ihnen umzugehen. Wir sind alle anders, und das Leben ist komplex. Kein Mensch und kein Leben gleichen dem anderen. Doch eine entscheidende Gemeinsamkeit gibt es: Wir werden alle irgendwann mit großen Herausforderungen konfrontiert, die uns am Prozess des Lebens zweifeln lassen. Das betrifft nie nur uns, sondern immer auch unser Umfeld. Dieses Buch ist für dich und alle Menschen, die gerade in einer Krise stecken oder die schon vorher Widerstandsfähigkeit für die Herausforderungen entwickeln wollen, die ihnen noch bevorstehen.
Ich bin sehr dankbar, dass du dieses Buch nun in deinen Händen hältst und dir die Zeit nimmst, es zu lesen. Denn du bist der Grund, warum ich es geschrieben habe. Du bist meine größte Motivation. In meiner schwersten Zeit suchte ich nach einem Buch, das mir anhand einer echten Lebensgeschichte Halt, Orientierung und vor allem Mut gibt. Dies ist nicht die Art von Buch, die das Geheimnis des menschlichen Daseins wissenschaftlich entschlüsselt, kein Ratgeber und genauso wenig eine Autobiografie. Dieses Buch erzählt von der Reise, auf der ich meine Antworten gefunden habe. Vieles an dieser Reise, davon bin ich überzeugt, wird dich an deine eigene erinnern. Auf der einen Seite ist sie farbenfroh und reich an besonderen Erlebnissen und Begegnungen. Auf der anderen Seite ist sie auch düster und von Tiefschlägen und Enttäuschungen geprägt.
Ich habe das Leben nicht theoretisch gelernt. Ich lerne, indem ich erlebe.
Als das Leben mich vor meine härtesten Prüfungen stellte, war ich nicht bereit – denn auch mich hat das Leben nicht gefragt. Ich habe mich dem Abenteuer einfach gestellt, um Antworten zu finden. Auch ich brauchte Mut, um den ersten Schritt zu gehen, denn mit dem beginnt jede Reise.
Die Entdeckungsreise meines Lebens beginnt schon früh: Bereits als junges Mädchen träume ich davon, etwas Großes zu erreichen. Immer wieder erzähle ich meinen Eltern, dass ich irgendwann eine Actionheldin sein werde, die fliegen kann, außergewöhnliche Kräfte hat und die Menschheit vor dem Bösen schützt.
Ich wachse in einer kleinen Stadt am Niederrhein auf, direkt am Waldrand. Meine Kindheit ist wie ein einziger, großer Abenteuerspielplatz. Im Grunde gibt es für meinen älteren Bruder Nico und mich nur eine einfache Regel, die es zu beachten gilt: »Seid zu Hause, wenn die Sonne untergeht.«
In dieser Freiheit spielen wir jeden Tag und bei jeder Witterung stundenlang draußen, entdecken Höhlen, sausen mit Fahrrädern über die Waldwege, erkunden das Ufer des nahe gelegenen Flusses, bauen Verstecke. Besonders genieße ich die Wintertage, an denen unser Papa uns mit dem Schlitten hinter seinem Jeep durch den Wald zieht. Ich will immer auf dem hintersten Schlitten fahren, mit möglichst langer Leine – denn er schleudert am weitesten in den Kurven.
Mein Bruder ist eher ruhig, während ich der Wildfang bin. Meine Mama wird später oft erzählen, dass ich nie ins Bett will, weil ich immer Angst habe, etwas zu verpassen. Ich will alles erleben, was der Tag zu bieten hat – immer in Bewegung, immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer.
In meiner Familie mütterlicherseits spielt das Tanzen eine große Rolle. Im Alter von drei Jahren nimmt meine Mama mich in eine renommierte Ballettschule in Mülheim an der Ruhr mit. Schon mein erster Auftritt als Schneeflocke in der Mülheimer Stadthalle vor 1100 Menschen weckt in mir eine Leidenschaft für die Bühne. Das Publikum spornt mich an, und das Tanzen im Rampenlicht liegt mir. Schnell ist klar: Ich will in die Fußstapfen meiner Familie treten und Tänzerin werden. Doch die Pubertät stellt alles auf den Kopf. Mit 14 Jahren bin ich bereits über 1,80 Meter groß. Nach mehreren Untersuchungen sagen die Ärzte voraus, dass ich wahrscheinlich zwei Meter Körperhöhe erreichen werde – für eine angehende Tänzerin ein echtes Problem. Meine Tanzlehrerin ist ehrlich mit mir: »Mit dieser Größe wirst du es in der Tanzwelt schwer haben.« Ich stehe vor einer grundsätzlichen Entscheidung, die nicht nur meine Karriere als Tänzerin, sondern meine gesamte Zukunft stark beeinflussen wird: Soll ich eine Hormontherapie beginnen, um das Wachstum zu stoppen, oder mich damit abfinden, eine extrem große Frau zu werden?
Als wir beim Abendessen über die Entscheidung diskutieren, steht mein Bruder vom Tisch auf und geht zum Türrahmen. Er zeigt auf meinen letzten der vielen Marker, die wir seit unserer Kindheit dort sammelten. »Schau mal, so groß bist du jetzt. Wenn du die Therapie nicht machst, passt du vielleicht nicht mehr durch die Tür«, neckt er mich. Ich muss lachen, Mama und Papa gleich mit.
Gemeinsam mit meinen Eltern beschließe ich, die Therapie zu machen. Innerhalb von sechs Monaten durchlebe ich durch die Therapie all die hormonellen Veränderungen der Pubertät, die normalerweise Jahre dauern. Es ist eine chaotische Zeit. Schließlich nimmt mein Körper seine finale erwachsene Größe von 1,84 Metern ein.
Am Ende muss ich trotz all der Bemühungen erkennen, dass mein Traum, Tänzerin zu werden, leider vorbei ist. Meine Tanzlehrerin bestätigt, dass ich zu groß bin, um in der Welt des professionellen Balletts Fuß zu fassen. Ich hänge meine Spitzenschuhe an den Nagel – und stürze in meine erste, kleine Krise.
Wie schlecht ich den Verlust meines ersten, großen Traums in so jungen Jahren verkrafte, zeigte sich eines Abends, als ich beschließe, mich auf den Weg in die Traumfabrik zu machen. Ich habe mein Hab und Gut in einen Rucksack gepackt und steige entschlossen die Treppe hoch ins Wohnzimmer, wo meine Eltern gerade fernsehen. Mit rebellischer Eindringlichkeit verkünde ich: »Dann gehe ich eben nach Hollywood! Da suchen sie Leute, die besonders sind!«
Mein Papa, der gerade genüsslich Nüsse knackt, lacht nur leise und sagt: »Mucki, setz dich erst mal.«
Es ist nicht das erste Mal, dass ich solche dramatischen Ankündigungen mache. Doch an diesem Abend ist uns wohl allen klar, dass meine Energie sich nicht auf Dauer an die Leine wird legen lassen. Mein Papa zieht mich zu sich auf die Couch, und gemeinsam schauen wir den Actionfilm Drei Engel für Charlie. Eine Szene prägt sich tief in mein Gedächtnis ein: Die drei Frauen, die die Hauptrollen spielen, hängen bei ihrem Kampf gegen die Bösewichte dieser Welt an den Kufen eines Hubschraubers.
In diesem Moment macht es »klick« bei mir – das ist es! Ich will die Actionheldin sein, die Gefahr und Abenteuer erlebt und dabei stets stark und furchtlos ist. Zum ersten Mal spüre ich das elektrisierende Gefühl, wenn man seine Passion gefunden hat.
Ich springe auf und rufe: »Seht ihr, genau das will ich machen!«
Meine Mama lacht und erwidert: »Dann musst du Stuntfrau werden.«
Stuntfrau? Ich weiß nicht einmal, was das ist. Mein Papa sieht meinen irritierten Gesichtsausdruck und erklärt es mir: »Stuntleute sind die wahren Actionhelden. Sie können das Risiko kalkulieren, um gefährliche Situationen zu kontrollieren.«
In diesem Moment habe ich meine Berufung gefunden. Wenn es mir gelingt, Stuntfrau zu werden, dann werde ich eine Actionheldin im echten Leben sein.
Kurz darauf fahre ich mit meinem Mofa zum Movie Park Germany in Bottrop. Es ist einer dieser Tage, an denen die Sonne scheint und die Luft voller Energie ist. Das Highlight des Besuchs ist die Stuntshow. Und dort, inmitten von Explosionen, zwischen Autos, die mit quietschenden Reifen driften und Menschen, die waghalsige Sprünge machen, sehe ich sie – die Verkörperung meines Traums, das Inbild meiner neu entdeckten Passion: die Stuntfrau, die Heldin der Show.
Als ich sie bei ihrer Arbeit beobachte, werden auch die letzten Zweifel ausgeräumt, dass das mein Weg ist: Das will ich werden. Mit absoluter Klarheit kann ich mir vorstellen, wie ich von Kopf bis Fuß brenne, auf rasenden Autos liege und das Publikum mit meinen waghalsigen Stunts begeistere.
Nach der Show lasse ich die Zuschauer auf dem Weg zum Ausgang vorbeiziehen und warte, bis der Stuntchef allein auf dem Set steht. Mein Herz pocht – doch ich weiß, ich muss ihn ansprechen. »Hallo, ich bin Miriam. Ich bin 15 Jahre alt, und ich möchte hier die Hauptrolle spielen«, sage ich mit all dem Mut, den ich aufbringen kann.
Er schaut mich an, schüttelt den Kopf und lacht. »Süß, Schätzchen. Werd’ erst mal erwachsen.«
Ich weiß nicht, ob es die Art ist, wie er mich ansieht, oder seine herablassenden Worte. Doch in mir steigt eine Motivation auf, wie ich sie selten zuvor gespürt habe. Sofort bin ich fest entschlossen, ihm zu beweisen, dass ich das Zeug dazu habe.
Dieser Moment verändert mein Leben. Es soll nicht das letzte Mal sein, dass mir jemand erklären will, was in meinem Leben möglich ist und was nicht. Doch schon in diesem Moment weiß ich: Ich werde mich nicht aufhalten lassen. Ich werde zurückkommen, und ich werde es ihm zeigen.
Damit ist mein Weg vorgegeben: Jetzt habe ich ein unverrückbares Ziel vor Augen, dem ich folgen kann. Ich muss einfach tun, was nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen. Die nächsten drei Jahre verbringe ich damit, mich auf den Moment vorzubereiten, wenn ich ihn erneut wiedersehen werde.
Damit ich etwas Vernünftiges lerne – denn darauf bestehen meine Eltern –, mache ich eine Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau. Doch parallel dazu besuche ich an vielen Wochenenden Stunt-Workshops. Mein Geld investiere ich in das Training. Ich lerne, wie man aus großer Höhe springt, wie man sich abrollen muss, um Verletzungen zu vermeiden, und wie man sicher mit Autos driftet. Meine Eltern fahren mich. Schließlich bin ich noch minderjährig, und sie müssen jedes Mal für mich den Haftungsausschluss unterschreiben. Doch sie tun mehr als das: Sie unterstützen mich auf diesem außergewöhnlichen Weg, weil sie verstehen, dass ich Feuer und Flamme für mein großes Ziel bin.
Als ich 18 werde, ist es endlich so weit. Ich gehe zurück in den Movie Park, und dieses Mal bin ich vorbereitet. Ich habe ein Portfolio mit Fotos von meinen bisherigen Stunts dabei – Beweise für all die Fähigkeiten, die ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe. Noch einmal stehe ich vor dem Stuntchef, und tatsächlich erkennt er mich wieder. Der Wildfang mit dem eisernen Willen scheint sich ihm eingeprägt zu haben. »Du schon wieder«, sagt er mit einem Lächeln.
»Ich bin bereit«, sage ich mit fester Stimme, und überreiche ihm die Unterlagen.
Er studiert die Mappe, sieht mich lange an – und nickt schließlich. »Okay, komm zum Probetraining. Zeig mir, was du kannst. Aber sei dir bewusst, hier wird nicht gezickt oder geheult. Das ist ein harter Job, und wenn du nicht mit den Jungs mithalten kannst, fliegst du sofort raus.«
Ich weiß: Das ist meine Chance. Auf keinen Fall darf ich versagen.
Am Tag des Probetrainings bin ich voll fokussiert. Zuerst stellt der Stuntchef mich auf ein fünf Meter hohes Gerüst und sagt: »Spring.« Ich springe.
Dann sagt er: »Geh auf sieben Meter.« Auch das schaffe ich.
Schließlich wird mein Arm angezündet. Es ist mein erster Feuerstunt. Ich habe die Theorie gelernt und weiß, was es zu beachten gilt: ruhig bleiben, besonnen handeln, nicht dem Fluchtreflex nachgeben. Es fällt mir nicht schwer, denn es fesselt mich wie noch nichts zuvor. Das Gefühl, in Flammen zu stehen, ist unbeschreiblich. Wie in Zeitlupe beobachte ich, wie das Feuer an meinem Arm brennt. Doch ich fürchte mich nicht, sondern bleibe ruhig. Ich weiß, was ich zu tun habe, und spüre: Ich habe die Situation unter Kontrolle. Das Sicherheitsteam steht bereit, und ich vertraue darauf, dass alles gut gehen wird.
Es geht gut. Sie löschen das Feuer, und der Stuntchef nickt anerkennend.
Schließlich spricht er die magischen Worte: »Du bist im Team.«
Das ist der Beginn meiner Karriere als Stuntfrau. Meine erste Rolle als Mitglied des Teams im Movie Park ist die Polizistin, die die Gangster fängt und verprügelt. Doch schnell bekomme ich die Hauptrolle in der Stuntshow. Und ich liebe meinen Job. Ich liebe die faszinierten Gesichter im Publikum. Ich liebe die großen Augen der Kinder, die mir sagen: »Ich werde auch mal Stuntfrau!« Ich liebe es, in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen. Ich liebe die herausfordernde, vertrauensvolle Arbeit in unserem Team. In der Hauptsaison spielen wir vier Shows pro Tag; viermal täglich in Flammen stehen, angefahren werden, die Treppe herunterfallen, uns prügeln, mit Autos schleudern oder von Dächern springen. Mein Traumberuf ist unfassbar anstrengend, körperlich und mental. Ich kann ihn nur leisten, weil ich meine Passion lebe – das ist mir schon damals bewusst. Ich bin dabei glücklich und erfolgreich, und das treibt mich vorwärts – jeden Tag.
Nach der Show, wenn ich Fotos mit Kindern und Erwachsenen in Heldinnenpose mache, tritt eines Tages eine Frau auf mich zu. Sie stellt sich als Mitarbeiterin von ProSieben vor und erklärt, dass sie für Germany’s Next Topmodel außergewöhnliche Mädchen suchen. Ob ich mir vorstellen könne, an der Sendung teilzunehmen?
Meine erste Reaktion: »Model sein? Das ist nicht so mein Ding. Ich bin Stuntfrau und überglücklich in meinem Job!« Doch die Frau lässt nicht locker. Sie spricht von den vielen Möglichkeiten der Modelbranche, dem guten Geld, von Aufmerksamkeit und von der Chance, Heidi Klum persönlich kennenzulernen. Obwohl ich fest davon überzeugt bin, dass das Modelleben nicht wirklich etwas für mich ist, komme ich ins Grübeln.
Ich bin zu diesem Zeitpunkt bereits in der dritten Saison im Movie Park, und obwohl ich meinen Job liebe, frage ich mich, ob ich das wirklich die nächsten fünf oder zehn Jahre weitermachen will. Ständig vom selben Auto angefahren werden und von der gleichen Explosion wegspringen? Reicht mir das noch, oder ist dies vielleicht der Moment, in dem das Leben mich herausfordert, etwas Neues zu wagen?
Nach einiger Bedenkzeit beschließe ich, die Chance wahrzunehmen. Ich weiß, das klingt vielleicht merkwürdig: von der Stuntfrau zum Model. Aber für mich ist es einfach ein weiterer Schritt auf meiner Reise, mein Alleinstellungsmerkmal zu entdecken.
Bei Germany’s Next Topmodel geht es nicht um waghalsige Stunts oder körperliche Höchstleistungen und Teamarbeit. Hier geht es darum, vor der Kamera zu glänzen und sich gegen über 30 000 andere Frauen zu behaupten, die alle denselben Traum haben. Von Anfang an weiß ich, dass es hart werden wird, mir in diesem Kontext treu zu bleiben. Doch genau das reizt mich. Ich bin nicht bereit, mich zu verstellen, nur um den Erwartungen des Formats gerecht zu werden. Ich will zeigen, dass es okay ist, anders zu sein.
»Warum denn nicht?«, denke ich mir. »Es kann doch auch coole Models geben, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, sondern mit ihrer individuellen Schönheit erfolgreich über den Laufsteg gehen.«
In dieser Überzeugung fahre ich zum Casting nach Essen – wo ich zum ersten Mal mit der knallharten Realität der Modelwelt konfrontiert werde. Der Saal ist voller junger Mädchen, die alle »Germany’s Next Topmodel« werden wollen. Die Stimmung ist angespannt, und die Bewerberinnen werden mit strengen Blicken und knappen Worten abgefertigt. Nach dem Vorcasting bin ich eine Runde weiter, doch es ist klar: Hier geht es um strenge Selektion.
Als ich schließlich vor Heidi Klum stehe und sie mich befragt, erkläre ich selbstbewusst, dass ich eigentlich Stuntfrau bin und gern zeigen möchte, dass es auch Models jenseits der geläufigen Idealbilder geben kann.
Es ist ein gewagter Ansatz, doch er bringt mich eine Runde weiter.
Während der Staffel erlebe ich viele Höhepunkte. Wir reisen nach Kapstadt, New York und Los Angeles und shooten mit den besten Fotografen weltweit. Ich schaffe es schließlich bis in die Top 11. Doch je weiter ich komme, desto weniger fühle ich mich noch wie ich selbst. Denn damals geht es noch in hohem Maße darum, gängigen Schönheitsidealen zu entsprechen und in jeder Hinsicht makellos zu wirken. Ich bekomme Extensions, meine Haare werden gefärbt, und man legt mir sogar Socken in den BH, um meinem Körper an den gewünschten Stellen mehr Fülle zu verleihen. Der Perfektionsdruck ist allgegenwärtig.
In der Modelwelt werde ich plötzlich für Dinge beurteilt, die mir vorher nie wichtig gewesen sind: meine BH-Größe, die Dichte meiner Haare, ja sogar meine Ohren werden als »zu anliegend« kritisiert. Meine Muskeln, auf die ich stolz bin, werden hier bemängelt. Meine Narben, die ich als Zeichen meiner Stärke und Passion betrachte, gelten ebenfalls als Makel. Immer wieder beobachte ich mit Sorge, wie auch andere Mädchen unter dem Druck leiden.
Je mehr Kritikpunkte zusammenkommen, die dem perfekten Modelimage widersprechen, desto öfter denke ich bei mir: »Das ist nicht der Sandkasten, in dem ich spielen möchte. Mir gefallen die Schippen und Förmchen hier nicht.«
Der Tiefpunkt kommt, als Heidi Klum mir schließlich kurz vor den Top T10 vor einem Millionenpublikum sagt: »Ich habe leider kein Foto für dich.«
Trotz meiner wachsenden Zweifel, ob ich in diese Welt passe, bin ich traurig. Schließlich habe ich alles gegeben – bin allen Forderungen gefolgt und doch einzigartig geblieben. Was soll daran falsch sein?
Gar nichts ist falsch. Manchmal ist man im Leben einfach am falschen Ort. Und so bin ich bei aller Enttäuschung letztlich auch ein bisschen froh, dass es vorbei ist.
Trotz allem bin ich Germany’s Next Topmodel und dem Sender dankbar für diese Chance. Denn zum ersten Mal habe ich ein Gesicht und einen Namen in der Öffentlichkeit. Das ist etwas, das bei der Arbeit als Stuntfrau eher vermieden wird. Bei den Stunts – jedenfalls bei TV- und Filmproduktionen – doubeln wir die Schauspielerinnen und Schauspieler und bleiben somit im Hintergrund. Am besten machen wir unsere Arbeit, wenn man uns gar nicht bemerkt.
Die Sendung macht mich bekannt, und ich werde fortan nicht nur als Stuntfrau, sondern auch als Model gebucht. Schon bald laufe ich auf der Berlin Fashion Week und werde auf rote Teppiche und Events eingeladen.
Das Fazit meiner Teilnahme an Germany’s Next Topmodel ist eindeutig: Die Modelwelt ist nicht mein Zuhause. Meine Passion liegt woanders.
Durch meine Erlebnisse in der Fashionbranche ist mir klar geworden, was mir meine Kraft raubt – aber auch, was mich wirklich beflügelt. Ich will eine Karriere, die zu mir passt – meine Karriere.
Ich kontaktiere eine meiner liebsten Freundinnen, Sabine. Zusammengeführt hat uns vor langer Zeit die Liebe zum Tanz. Als älteres Ballettmädchen hat sie mich schon für meine Auftritte geschminkt. Später hat sie das Erschaffen von Markenidentitäten zu ihrer beruflichen Passion gemacht. »Was ist dein Plan?«, fragt sie mich.
»Ich möchte meine eigene Marke sein. Und du bist genau die Richtige, um sie mit mir gemeinsam zu gestalten«, antworte ich.
Gemeinsam steigen wir in den Prozess ein: Wir analysieren meine Stärken, nehmen die Kritik, die ich erhalten habe, und nutzen diese zu meinem größten Vorteil. Anstatt meiner Maße kommunizieren wir meine Attribute. Statt klassische Modelbilder zeigen wir mich kraftvoll und spektakulär. Sabine gestaltet mein erstes Logo, und in einer Kurzbeschreibung verdeutlichen wir mein Alleinstellungsmerkmal: die Verbindung von Ästhetik und Action, von Weiblichkeit und Stärke.
Dieses Zusammenspiel entpuppt sich als das, was mich wirklich ausmacht. Model bin ich nicht, aber auch nicht mehr nur Actionheldin. Wir gehen mit der Domain Actionmodel online – denn genau das bin ich ab jetzt.
Einer der prägendsten Momente meiner Karriere ist die Erfindung meiner »Feuerflügel«. Sie werden zu meinem Markenzeichen.
Der Prozess ihrer Entwicklung ist alles andere als einfach. Den Ansporn, meine Idee in die Tat umzusetzen, gibt eine Anfrage für eine Feuershow bei der Benefizgala Life Ball in Wien. Ich will für diesen besonderen Abend etwas kreieren, das noch niemand zuvor gesehen hat. Dabei will ich Elemente aus dem Modelbusiness und meiner Stuntarbeit kombinieren. Ich denke dabei an die beeindruckenden Shows einer berühmten Unterwäschenmarke, in denen die Models traditionell wunderschöne, überdimensionierte Engelsflügel tragen. Plötzlich frage ich mich: Was wäre, wenn ich Flügel aus Feuer hätte? Wenn ich die ästhetische Schönheit von Flügeln mit dem Risiko und der Spannung des Feuers vereinen könnte? Das kann kein Model außer mir.
Die Idee ist in einem inspirierten Moment geboren, doch die Umsetzung soll sich als weitaus komplizierter herausstellen. Die ersten Zeichnungen mache ich mit meinem Papa. Gemeinsam skizzieren wir grob, wie diese Feuerflügel aussehen könnten. Dann nehme ich die Entwürfe mit zu meinem Patenonkel, der Schlosser ist. »Holz geht nicht«, sage ich ihm. »Es würde mit all dem Brandbeschleuniger getränkt einfach abbrennen. Ich brauche Stahl.« Er nickt und lädt mich ein, in seiner Schlosserei gemeinsam an den Flügeln zu arbeiten. So beginnen wir, die ersten Prototypen aus Stahl zu fertigen.
Zuerst denken wir daran, große Stahlplatten zu verwenden. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Flügel viel zu schwer werden würden. Außerdem braucht das Feuer Luft zum Atmen. Stattdessen entscheiden wir uns, große Stahlrohre zu verwenden. Sie sind stabil genug, lassen aber Luft durch, damit das Feuer möglichst eindrucksvoll brennen kann. Doch als wir alles zusammenrechnen, stellen wir fest, dass auch diese Konstruktion über 50 Kilo wiegen würde. Das ist viel zu schwer, um sie über den Laufsteg zu schleppen.
Also experimentieren wir weiter. Ich sage zu meinem Onkel: »Ich brauche eine Möglichkeit, die Flügel abzuwerfen, falls ich mich verbrenne.« Also entwickeln wir ein System mit zwei Haken, die die Flügel wie einen Rucksack auf meinen Schultern halten, damit ich sie im Notfall schnell loswerden kann.
Die Flügel sollen eine Spannweite von drei Metern haben – so groß wie möglich, aber gleichzeitig nur so schwer, wie unbedingt nötig. Außerdem will ich, dass sie sich beim Laufen bewegen können wie echte Flügel. Deshalb fügen wir anfangs Scharniere hinzu, müssen den Plan aber wieder verwerfen. Durch das immer noch hohe Gewicht klappen die Flügel nach hinten zusammen und reißen mich zu Boden. Wir müssen die Scharniere festsetzen, um das zu verhindern.
Doch auch damit ist die Herausforderung noch nicht gelöst. Jetzt stehen wir vor der Frage: »Wie bekommt man Stahl zum Brennen?« Die Lösung ist, ein spezielles Material um die Stahlrohre zu wickeln, das dann mit einer Brandflüssigkeit getränkt wird.
Das nächste Problem ist die Hitze. Stahl kann sehr sehr heiß werden. Ich brauche also eine Isolierung, um mich vor den Flammen und dem heißen Metall zu schützen. Wir besorgen ein hitzeabweisendes Material, aus dem gewöhnlich die Anzüge gemacht werden, die Arbeiter in Hochöfen tragen. Ein Designer, den ich aus der Modebranche kenne, fertigt mir daraus einen Frack an, der nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch ist. Darunter trage ich nur einen Bikini, doch der Frack selbst ist hitzebeständig. Meine Haut schütze ich mit einem speziellen »Watergel« zusätzlich vor den schlagenden Flammen; eine Methode, die ich von vielen früheren Feuerstunts kenne.
Der ganze Prozess fühlt sich an, als würden wir ein Raumschiff bauen – einen Schritt nach dem anderen. Wenn etwas nicht funktioniert, suchen wir nach einer neuen Lösung. Es ist ein langer, intensiver Weg, doch es macht auch einen riesigen Spaß.
Als die Flügel endlich fertig sind, wiegen sie knapp 20 Kilo und haben eine Spannweite von drei Metern. Wir haben es geschafft – die viele Arbeit hat sich gelohnt.
Der Moment der Wahrheit kommt beim Life Ball 2012 in Wien. 12 000 Zuschauer warten auf dem Wiener Rathausplatz, eine halbe Million Menschen sitzt vor dem Fernseher, und mehr als 100 000 sehen im Livestream zu. Die schillernde Benefizveranstaltung der LGBTQIA+ Community in Österreich ist vor allem für die glamourösen Kostüme und atemberaubenden Acts bekannt. Internationale Prominente wie der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, Sängerin Katy Perry und Schauspielerin Whoopi Goldberg waren in den letzten Jahren Teil der Show. Und dieses Jahr bin auch ich mittendrin.
Alles ist vorbereitet. Mein Auftritt ist in wenigen Minuten. Meine Eltern stehen staunend backstage neben mir. Ich bin ruhig, konzentriert und beobachte meinen Stuntkollegen, der gerade meine Flügel mit der speziellen Brennflüssigkeit tränkt. Meine Feuerwehrmänner stehen an sechs Positionen in der pompösen Bühnendekoration bereit. Ich habe sie im Blick und nicke jedem Einzelnen noch einmal zu. Erneut checke ich meine High Heels, die mit Gaffertape an meine Füße geklebt sind, ziehe meine Handschuhe an und checke ein letztes Mal den Laufsteg.
Vor mir läuft Naomi Campbell. Ehrfürchtig beobachte ich ihren Auftritt: Sie ist ganz in ihrem Element, strahlt als Model und zieht alle Blicke auf sich. In größere Fußstapfen kann man kaum treten.
Dann geht alles ganz schnell. Vom Regisseur bekomme ich das Zeichen: eine Minute! Die Flügel liegen schwer auf meinen Schultern und schwingen leicht in meinem Laufschritt, während ich langsam zur Mitte der riesigen Bühne vorlaufe. Zunächst sieht es für das Publikum aus wie ein Auftritt in einem ungewöhnlichen Outfit. Doch dann werden meine Flügel angezündet. Die Flammen entfachen sich durch den Brandbeschleuniger schnell, und einen Moment lang ist es totenstill. Das Publikum ist überrascht, und ich laufe genau auf die Menge zu. Die Menschen können nicht glauben, dass es sich um echtes Feuer handelt.
Der Wind ist stärker als gedacht. Immer wieder drückt er die Flügel aus der Achse und schlägt Flammen auf meine Haut. Ich halte dagegen. Ein Zuschauer beginnt zu jubeln, und alle anderen stimmen in die Begeisterung ein. Der Wiener Rathausplatz wird zum Hexenkessel. Ich könnte ausflippen vor Freude. Nach wochenlangen Vorbereitungen laufe ich endlich mit meiner eigenen Idee über diese große Bühne. Ich bin ganz in meinem Element. Genau hierhin gehöre ich.
In diesem Moment wird mir klar, dass ich durch die Kombination der beiden Extreme – Ästhetik und Action – mein Alleinstellungsmerkmal und zugleich auch mein Markenzeichen gefunden habe: meine Feuerflügel.
Der erste Auftritt mit den Feuerflügeln ist geradezu magisch – ein Meilenstein in meinem Leben. Fortan sind sie mein Symbol für Stärke, Leidenschaft und Freiheit.
Vielleicht hätte ich auch Zirkusartistin oder Astronautin werden können, aber niemals IT-Managerin oder Versicherungsangestellte. So unterschiedlich wir Menschen auch sind, so unterschiedlich sind auch unsere Passionen. Wenn wir mit dem Herzen bei der Sache sind, strahlen wir mit einer ganz besonderen Magie, weil wir unseren ehrlichsten Ausdruck – unsere Authentizität – leben. Unsere Passion lässt uns Flügel wachsen.
Was hat meine Leidenschaft für die Stuntarbeit mit deinem Leben zu tun? Ganz einfach: Es geht darum, für etwas Feuer und Flamme zu sein. Passion bedeutet eine starke, tief verwurzelte Begeisterung für etwas – eine tief empfundene Freude. Der Ausdruck beschreibt die intensive Hingabe, die jemand für eine bestimmte Aktivität, ein Ziel oder ein Thema empfindet. Menschen, die eine Passion haben, fühlen sich motiviert und lebendig.
Genießt du ein solches Leben bereits – oder bist du noch in einem anderen gefangen?
Ich werde oft gefragt, ob ich vor gar nichts Angst hätte, ein Adrenalin-Junkie sei, oder den Tod herausfordern möchte. Diese Fragen verstehe ich, denn wir Stuntleute werden oft mit Draufgängern oder leichtsinnigen Amateuren verwechselt, die sich für Klicks verrückten Mutproben stellen, mit nacktem Hintern in Kakteen springen, sich ungesichert auf das Dach eines fahrenden Zuges legen oder illegale Straßenrennen fahren. Ich halte diese Art von Stunts für hochgefährliche Dummheiten, die ohne Demut und Respekt unnötig das eigene und oft auch das Leben anderer aufs Spiel setzen. Der Spaß ist vorbei, sobald die Handykamera aus und der Krankenwagen unterwegs ist.
Mir ist es bei meiner professionellen Stuntarbeit immer um etwas anderes gegangen: mich lebendig zu fühlen, weil ich tue, was ich wirklich liebe und am besten kann. Währenddessen erlebe ich häufig einen besonderen Zustand. Einen selbstvergessenen Tätigkeitsrausch, in dem ich völlig vertieft und konzentriert bin. Dieser stellt sich ein, während wir etwas tun, das scheinbar wie von selbst funktioniert. Wir sind dabei weder über- noch unterfordert, sondern surfen hellwach auf dem Kamm einer Welle, weil unsere Fähigkeiten zu den Herausforderungen passen. Es ist der perfekte Zustand, um Außergewöhnliches zu vollbringen und uns dessen bewusst zu sein: Wir rufen unsere bestmögliche Leistung ab und empfinden dabei auch noch pures Glück.
Wie schön wäre es, wenn mehr Menschen diesen Zustand öfter erleben könnten! Ich treffe immer wieder Menschen, die ihn gar nicht kennen und sich wundern, warum sie unglücklich und erfolglos sind.
Der Grund dafür ist, dass sie nicht die entscheidenden Fragen stellen: Was will ich wirklich? Was kann ich mit meinen Voraussetzungen erreichen?
Viele haben Angst vor diesen grundlegenden Fragen, denn die Konsequenzen aus den Antworten sind oft unbequem. Es ist leichter, einfach weiterzumachen wie bisher oder zu tun, was einem vorgegeben wird. Ihren Träumen zu folgen erscheint vielen Menschen mindestens genauso riskant, wie brennend von einem Dach zu springen. Lieber bleiben sie in einer toxischen Beziehung und verpassen die erfüllende Liebe. Sie übernehmen den elterlichen Betrieb, obwohl sie im Herzen Künstler sind. Sie bleiben im kleinen Verwaltungsbüro, und die große Karriere machen andere.