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Washington Irvings Werk 'Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten' ist ein faszinierender historischer Roman, der das Leben und die Taten des Propheten Mohammed auf packende Weise darstellt. Irving schafft es, historische Fakten mit fiktiven Elementen zu verweben, um eine lebendige und mitreißende Erzählung zu schaffen. Der literarische Stil des Autors ist detailreich und einfühlsam, was dem Leser einen tiefen Einblick in die Welt des Propheten und das antike Arabien ermöglicht. Der Roman ist in seinem historischen Kontext äußerst wichtig, da er nicht nur die Lebensgeschichte Mohammeds erzählt, sondern auch die kulturellen und religiösen Hintergründe beleuchtet, die zur Entstehung des Islam führten. Irving zeigt eine bemerkenswerte Sensibilität im Umgang mit dem Thema und schafft es, eine komplexe und sensible Geschichte zu erzählen. Washington Irving, als angesehener amerikanischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, war bekannt für seine präzise Recherche und sein Gespür für historische Genauigkeit. Seine Bewunderung für die arabische Kultur und seine Faszination für Prophetenfiguren mögen ihn dazu inspiriert haben, dieses Buch zu schreiben. Mit 'Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten' bietet Irving den Lesern eine einzigartige Gelegenheit, sich mit einem wichtigen Kapitel der Weltgeschichte zu befassen, das häufig missverstanden oder vernachlässigt wird. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die an der Geschichte des Islam und der Figur Mohammeds interessiert sind und bietet eine bereichernde Leseerfahrung, die sowohl informative als auch unterhaltsame Elemente vereint.
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Books
1866
Einleitende Nachricht über Arabien und die Araber.
Während einer langen Reihe von Zeitaltern, vom Anfange der aufgezeichneten Geschichte bis zum siebenten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung, blieb die große Halbinsel, welche von dem rothen Meere, dem Euphrat, dem persischen Meerbusen und dem indischen Oceane gebildet wird, und unter dem Namen Arabien bekannt ist, unverändert und von den Ereignissen, welche das übrige Asien bewegten und Europa und Asien bis zu ihrem Mittelpunkte erschütterten, beinahe unberührt. Während Königreiche und Kaiserthümer entstanden und verfielen, während alte Herrscherfamilien verschwanden, während die Gränzen und Namen von Ländern sich veränderten und ihre Bewohner vertrieben oder in Gefangenschaft geführt wurden: so bewahrte Arabien, obgleich seine Gränzprovinzen einige Veränderungen erfuhren, in den Tiefen seiner Wüsten die ursprüngliche Beschaffenheit und Unabhängigkeit, und niemals hatten seine Nomadenstämme die stolzen Nacken unter das Joch der Knechtschaft gebeugt.
Die Araber führen die Ueberlieferungen von ihrem Lande bis in das höchste Alterthum zurück. Es wurde, sagen sie, durch die Nachkommen Sems, eines Sohnes Noahs, bald nach der Sündfluth bevölkert; diese bildeten allmälig mehrere Stämme, von denen die Aditen und Thamuditen die bekanntesten sind. Alle diese ursprünglichen Stämme sollen entweder zur Strafe für ihre Bosheit von der Erde verbannt worden sein, oder bei den nachfolgenden Umwandlungen der Geschlechter sich verloren haben, so daß außer dunkeln Sagen und einigen Stellen im Koran über dieselben Weniges vorhanden ist. Sie werden in der morgenländischen Geschichte als »die alten ursprünglichen Araber«, als »die verlornen Stämme« gelegentlich erwähnt.
Die fortdauernde Bevölkerung der Halbinsel wird von Kahtan oder Joctan, einem Abkömmlinge Sems in der vierten Generation (1. Mos. 10, 25 und 26) nach denselben Erzählungen abgeleitet. Seine Nachkommenschaft breitete sich über den südlichen Theil der Halbinsel und längs des rothen Meeres aus. Yaarab (Ja-arab), einer seiner Söhne, gründete das Königreich Yemen, in welchem die Landschaft Araba nach ihm genannt wurde, wovon die Araber ihren eigenen Namen und den ihres Landes ableiten. Jurham (Dschurham) ein anderer Sohn, gründete das Königreich Hedjaz (Heddschaß), über welches seine Nachkommen viele Zeitalter hindurch die Oberherrschaft ausübten. Unter diesen Leuten fand Hagar und ihr Sohn Ismael freundliche Aufnahme, als sie vom Erzvater Abraham aus der Heimath verwiesen wurden. Im Laufe der Zeit nahm Ismael die Tochter Modad’s, eines regierenden Fürsten aus Jurhams Familie, zum Weibe, und so wurde ein Fremder und Hebräer dem arabischen Urstamme einverleibt. Er erwies sich als ein fruchtbares Reis. Ismaels Weib gebar zwölf Söhne, welche die Herrschaft über das Land erwarben, und deren fruchtbares, in zwölf Stämme getheiltes Geschlecht den Urstamm Joctans vertrieb oder unterjochte und in Vergessenheit brachte. Das ist die Auskunft, welche die Araber der Halbinsel über ihren Ursprung geben.
Außer den Arabern der Halbinsel, welche sämmtlich Sems Geschlechte angehörten, gab es noch andere, die Chusiten hießen, weil sie von Chus, dem Sohne Hams abstammten. Sie bewohnten die Ufer des Euphrats und des persischen Meerbusens. Der Name Chus wird in der Schrift häufig sowol den Arabern überhaupt, als auch ihrem Lande gegeben. Wahrscheinlich sind es solche Araber, welche gegenwärtig die wüsten Landstriche des alten Assyriens durchziehen und in der neueren Zeit zur Ausgrabung der lang verschütteten Ruinen von Ninive verwendet worden sind. Bisweilen werden sie syrische Araber genannt. Die gegenwärtige Darstellung bezieht sich jedoch nur auf die Araber der Halbinsel oder auf das eigentliche Arabien.
Jene Vermehrung und Herrschaft der Nachkommen Ismaels betrachten christliche Schriftsteller als Erfüllung der Verheißung, welche Abraham von Gott gegeben wurde und die in der heiligen Schrift (1. Mos. 17, 18 und 20) so lautet: »Und Abraham sprach zu Gott: Ach, daß Ismael leben sollte vor dir! Dazu um Ismael habe ich dich auch erhöret. Siehe, ich habe ihn gesegnet und will ihn fruchtbar machen und mehren fast sehr. Zwölf Fürsten wird er zeugen, und will ihn zum großen Volk machen.«
Diese zwölf Fürsten nebst ihren Stämmen werden nachher in der Bibel (1. Mos. 25, 18) genannt als Insassen des Landes »von Hevila bis gen Sur gegen Aegypten, wenn man gen Assyrien gehet«, also eines Landstriches, welcher von den biblischen Geographen für einen Theil Arabiens gehalten wird. Die Beschreibung derselben stimmt mit der der jetzigen Araber überein. Einige werden als Besitzer von Städten und Schlössern, andere als Bewohner von Zelten, noch andere als Inhaber von Dörfern bezeichnet. Nebaioth und Kedar, die zwei Erstgebornen Ismaels, sind wegen ihres Reichthums an Schaf-und Rinderheerden und wegen der feinen Wolle ihrer Schafe unter den Fürsten am berühmtesten. Von Nebaioth stammen die Nabathäer ab, welche das steinichte Arabien bewohnten, während der Name Kedar in der heiligen Schrift gelegentlich gebraucht wird, um die ganze arabische Nation zu bezeichnen. »Wehe mir«, sagt der Psalmist (120, 5), »daß ich ein Fremdling bin unter Mesech; ich muß wohnen unter den Hütten Kedars.« Beide scheinen die Stammväter der wandernden oder nomadischen Araber, der freien Herumzügler in der Wüste, gewesen zu sein. Auf sie ist die Stelle des Propheten Jeremias (49, 31) zu beziehen. »Wohlauf, ziehet herauf wider ein Volk, das genug hat und sicher wohnet, spricht der Herr: sie haben weder Thür noch Riegel und wohnen allein.
Zwischen den Arabern, welche »Städte und Burgen inne hatten,« und denen, »welche in Zelten wohnten,« entstand in den frühesten Zeiten ein bedeutender Unterschied. Einige der Ersteren besaßen die fruchtbaren Thäler, welche sich hier und da zwischen den Gebirgen ausbreiteten; daselbst waren die Städte und Burgen von Weinbergen und Obstgärten, von Palmenwäldchen, Getreidefeldern und gut bewachsenen Weideplätzen umgeben. Sie waren in ihren Verhältnissen geordnet, widmeten sich der Bebauung des Bodens und der Viehzucht. Andere derselben Classe befaßten sich mit dem Handel; sie hatten Häfen und Städte am rothen Meere, auf den südlichen Gestaden der Halbinsel und am persischen Meerbusen, und trieben vermittels Schiffen und Karavanen auswärtigen Handel. Das waren besonders die Völkerschaften von Yemen oder dem glücklichen Arabien, von dem Lande der Gewürze, der Parfümerien und des Weihrauchs. Sie gehörten zu den thätigsten Handels-Seefahrern der östlichen Meere. Ihre Schiffe brachten die Myrrhe und den Balsam von der entgegengesetzten Küste der Berbern nebst dem Golde, den Gewürzen und andern theuern Kostbarkeiten aus Indien und dem tropischen Afrika nach ihren Gestaden. Diese Produkte wurden mit denen ihres Landes von Karavanen durch die Wüsten nach den halbarabischen Staaten Ammon, Moab und Edom oder Idumäa, nach den phönicischen Häfen des Mittelmeeres geführt und von da der westlichen Welt mitgetheilt.
Das Kameel ist das Schiff der Wüste genannt worden, die Karavane kann die Flotte derselben heißen. Die Karavanen von Yemen wurden gemeiniglich von den nomadischen Arabern, von den Bewohnern der Zelte, ausgerüstet, bemannt, geführt und beschützt; in dieser Beziehung kann man sie die Schiffer der Wüste nennen. Sie lieferten die unzählbaren Kameele, welche erforderlich waren, und trugen auch durch die feinen Felle ihrer unberechenbaren Schafheerden zur Befrachtung bei. Die Schriften der Propheten zeigen die Wichtigkeit, welche diese inländische Handelskette im biblischen Zeitalter hatte, da durch sie die reichen Länder des Südens, Indien, Aethiopien und das glückliche Arabien, mit dem alten Syrien verbunden wurden.
In den Klagen über Tyrus ruft Ezechiel (27, 21 – 24) aus: »Arabien, und alle Fürsten von Kedar haben mit dir gehandelt mit Schafen, Widdern und Böcken. Die Kaufleute aus Saba und Raema haben mit dir gehandelt und allerlei köstliche Specerei und Edelsteine und Gold auf deine Märkte gebracht. Haran und Kanne und Eden (Aden) sammt den Kaufleuten aus Seba, Assur und Kilmad sind auch deine Kaufleute gewesen. Die haben alle mit dir gehandelt mit köstlichem Gewand, mit seidenen und gestickten Tüchern, welche sie in köstlichen Kasten, von Cedern gemacht und wohl verwahrt, auf deine Märkte geführt haben.« Und Jesaias spricht (60, 6 u. 7) zu Jerusalem und sagt: »Die Menge der Kameele wird dich bedecken, die Läufer aus Midian und Epha. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen. Alle Heerden aus Kedar sollen zu dir versammelt werden und die Böcke Nebajoths sollen dir dienen.«
Jedoch die Ackerbau und Handel treibenden Araber, die Bewohner der kleinen und großen Städte, sind niemals als das wahre Urbild dieses Volksstammes betrachtet worden. Sie wurden durch geordnete und friedliche Beschäftigungen milder und verloren durch den Verkehr mit den Fremden viel von dem ursprünglichen Gepräge. Jemen wurde auch wiederholt feindlich angefallen und unterjocht, da es zugänglicher war als die übrigen Theile Arabiens und den Räubern größere Versuchung bot.
Bei der andern Classe der Araber, bei den Wanderern der Wüste, bei den »Bewohnern der Zelte«, welche die bei weitem zahlreichste Classe bildeten, wurde der volksthümliche Charakter in der ganzen ursprünglichen Stärke und Frische bewahrt. Nomadisch in ihren Sitten, hirtenmäßig in ihren Beschäftigungen und durch Erfahrung und Ueberlieferung mit allen verborgenen Hülfsmitteln der Wüste bekannt, zogen sie von einem Platze zum andern, um jene Wasserbehälter und Quellen aufzusuchen, welche seit den Tagen der Patriarchen der Sammelpunkt ihrer Väter gewesen waren, schlugen das Lager überall auf, wo sie Dattelbäume zum Schatten, Unterhalt und Weide für ihre Schafe und Kameele finden konnten und änderten den Wohnplatz, wenn der zeitweilige Vorrath erschöpft war.
Die nomadischen Araber waren durch Abtheilungen und Unterabtheilungen in unzählige kleine Stämme geschieden; jeder hatte seinen Sheikh (Scheik) oder Emir als Stellvertreter des ehemaligen Patriarchen, dessen neben dem Zelte aufgepflanzte Lanze das Zeichen der Herrschaft war. Sein Amt war jedoch, obgleich es viele Zeitalter hindurch in derselben Familie blieb, nicht ausdrücklich erblich, sondern hing von der Gunst des Stammes ab. Er konnte abgesetzt und ein Anderer aus einer von dieser verschiedenen Linie an seine Stelle gewählt werden. Dazu war seine Gewalt beschränkt und wurde von seinem persönlichen Verdienste und dem auf ihn gesetzten Vertrauen abhängig gemacht. Sein Vorrecht bestand in der Leitung der Verhandlungen über Krieg und Frieden, in der Führung des Stammes gegen den Feind, in der Wahl des Lagerplatzes und in dem Empfange und der Unterhaltung angesehener Fremden. In Ausübung dieser und ähnlicher Vorrechte sogar wurde er durch die Meinungen und Neigungen seiner Leute beschränkt.
Wie zahlreich und klein die Abtheilungen eines Stammes immer sein mochten, so wurden doch die verwandtschaftlichen Beziehungen unter einander sorgfältig im Gedächtnisse bewahrt. Alle Sheikhs desselben Stammes erkannten ein gemeinsames Oberhaupt an, welches der Sheikh aller Sheikhs genannt wurde. Dieser hatte das Recht, bei irgend einem das gemeinsame Wohl betreffenden Ereignisse alle zerstreuten Zweige unter seiner Standarte zu versammeln, gleichviel ob er in einem Felsenschlosse verschanzt war, oder mitten unter seinen Schaf-und Rinderheerden in der Wüste lagerte.
Die Menge dieser wandernden Stämme, von denen jeder einen kleinen Fürsten und ein kleines Gebiet hatte, die aber ohne ein Nationaloberhaupt waren, erzeugte häufige Streitigkeiten. Rache zumal war fast ein religiöser Grundsatz unter ihnen. Einen getödteten Verwandten zu rächen, war die Pflicht seiner Familie, und oft erforderte es die Ehre seines Stammes; oft blieben diese Blutschulden Zeitalter hindurch ungesühnt und erzeugten tödtliche Fehden.
Die Nothwendigkeit, zur Vertheidigung der Schafe und Rinder stets in Bereitschaft zu stehen, machte den Araber der Wüste mit der Handhabung der Waffen von Kindheit an vertraut. Keiner übertraf ihn im Gebrauche des Bogens, der Lanze, des krummen Säbels und in der geschickten und anmuthigen Lenkung des Rosses. Er war auch ein raubsüchtiger Krieger. Denn obwohl er zu Zeiten in den Dienst des Kaufmanns trat, indem er ihn mit Kameelen und Führern und Treibern zum Transporte der Waaren versah: so war er noch geneigter, der Karavane Tribut (Abgaben) aufzulegen oder sie bei dem beschwerlichen Zuge durch die Wüste gänzlich auszuplündern. Dieses Alles betrachtete er als einen rechtmäßigen Gebrauch der Waffen, indem er auf die gewinnreichen Söhne des Handels als wie auf ein geringeres Geschlecht blickte, welches sich durch verwerfliche Sitten und Bestrebungen erniedrigt hätte.
Das war der Araber der Wüste, der Bewohner der Zelte, an welchem die prophetische Bestimmung seines Urahnen Ismael erfüllt wurde. »Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn (1. Mos. 16, 12). Die Natur hatte ihn für diese Bestimmung ausgerüstet. Sein Körper war dünn und mager, aber sehnig und behend und fähig, große Strapazen und Mühseligkeiten zu ertragen. Er war mäßig und sogar enthaltsam, indem er nur wenig Nahrung und die von der einfachsten Art verlangte. Sein Geist wie sein Körper war gewandt und beweglich. Er befaß im höchsten Grade die Verstandeseigenschaften des semitischen Stammes, einen durchdringenden Scharfsinn, einen feinen Witz, eine schnelle Fassungs-und eine feurige Einbildungskraft. Seine Empfindungen waren lebendig und heftig, obschon nicht ausdauernd; ein stolzer und herausfordernder Muth war seinem blassen Gesichte aufgeprägt und blitzte aus seinem dunkeln und feurigen Auge. Er wurde leicht durch die Erzeugnisse der Beredsamkeit aufgeregt und durch die Anmuth der Dichtkunst entzückt. Da er eine zum Uebermaße reiche Sprache redete, deren Worte mit den Edelsteinen und Blumen verglichen worden sind: so war er von Natur ein Redner; aber er ergötzte sich mehr an Sprüchwörtern und Denksprüchen als an dem hohen Fluge feierlicher Rede, und war geneigt, seine Gedanken nach morgenländischer Weise in lehrreichen Fabeln und Gleichnisreden mitzutheilen.
Obschon ein rastloser und raubsüchtiger Krieger, war er doch edelmüthig und gastfreundlich. Er fand an der Austheilung von Geschenken Vergnügen; seine Thüre war dem Wanderer stets geöffnet und er war bereit, mit demselben seinen letzten Bissen zu theilen; auch sein Todfeind konnte, hatte er einmal mit ihm Brod gebrochen, unter der unverletzlichen Heiligkeit seines Zeltes sicher ruhen.
In Rücksicht der Religion betheiligten sich die Araber an den Glaubenslehren der Sabier und der Magier, von denen die der Letzteren zu jener Zeit in der östlichen Welt am weitesten verbreitet waren. Der sabäische Glaube war jedoch derjenige, welchem die Araber zumeist anhingen. Sie wollten ihn von Sabi, einem Sohne Seths, herleiten, welcher nebst seinem Vater und Bruder Enoch nach ihrer Annahme in den Pyramiden begraben wurde. Andere leiten den Namen von dem hebräischen Worte Saba, d. i. Stern, her und schreiben den Ursprung dieses Glaubens den assyrischen Hirten zu, welche, wenn sie des Nachts auf den flachen Ebenen und unter wolkenlosem Himmel die Heerden bewachten, das Aussehen und die Bewegung der Himmelskörper aufzeichneten und über den guten und bösen Einfluß derselben auf die menschlichen Angelegenheiten Lehren aufstellten, die freilich sehr schwankend waren und die von den chaldäischen Weltweisen und Priestern zu einem Ganzen bereinigt worden sind, welches angeblich das religiöse Lehrgebäude der Aegyptier an Alter noch übertrifft. Von Anderen werden die sabäischen Religionslehren aus einer noch weiter rückwärts liegenden Quelle abgeleitet und für den Glauben der vorsündfluthlichen Welt gehalten. Derselbe überdauerte, wie man sagt, die Sündfluth und bestand unter den Erzvätern fort. Er wurde von Abraham verkündigt, von seinen Nachkommen, den Israeliten, beibehalten und in den Gesetzestafeln, welche Moses übergeben wurden, auf dem Berge Sinai unter Donner und Blitz bestätigt.
In dem ursprünglichen Zustande war die sabäische Religion rein und geistig, da sie den Glauben an die Einheit Gottes, die Lehre von dem künftigen Zustande der Belohnung und Bestrafung und die Nothwendigkeit eines tugendhaften und heiligen Lebens zur Erlangung einer seligen Unsterblichkeit einschärfte. So tief war die Ehrfurcht der Sabäer vor dem höchsten Wesen, daß sie dessen Namen niemals aussprachen und meinten, daß sie sich demselben nur durch vermittelnde Geister oder Engel nahen dürften. Sie glaubten, daß diese die Himmelskörper in derselben Weise bewohnten und belebten, wie der menschliche Körper von einer Seele bewohnt und belebt wird, daß sie dorthin versetzt wären, um das Weltall zur Unterstützung des höchsten Wesens zu überwachen und zu regieren. Wenn sich daher die Sabäer an die Sterne und andere himmlische Lichtkörper wendeten, so verehrten sie dieselben nicht als Gottheiten, sondern suchten nur die sie bewohnenden Engel als Vermittler bei dem höchsten Wesen günstig zu stimmen, indem sie nur durch diese höheren Creaturen zu Gott dem großen Schöpfer aufschauten.
Allmälig verlor diese Religion ihre ursprüngliche Einfachheit und Reinheit und wurde durch Geheimnißlehren verdunkelt und durch Abgötterei entstellt. Die Sabäer verehrten die Himmelskörper als Gottheiten, anstatt sie, wie ihre Altvordern thaten, als Wohnungen von Vermittlern zu betrachten, stellten ihnen zu Ehren in heiligen Hainen und in der Dunkelheit der Wälder gehauene Bildnisse auf, umschlossen diese Götzenbilder mit Tempeln und verehrten sie, als wenn sie göttlicher Natur wären. Der sabäische Glaube erfuhr überhaupt in den verschiedenen Ländern, über welche er verbreitet war, Veränderungen und Beschränkungen. Aegypten ist lange angeklagt worden, ihn auf die letzte Stufe der Entartung erniedrigt zu haben, da man die Bildsäulen, die Bilderschrift und die gemalten Grabstätten dieses geheimnißvollen Landes als Urkunden der Anbetung nicht blos von himmlischen Wesen, sondern auch von Geschöpfen der niedrigsten Gattung und sogar von unbelebten Gegenständen betrachtete. Neuere Untersuchungen befreien jedoch allmälig diese verständigste Nation des Alterthums von dieser Verleumdung. Da man nämlich den Schleier des Geheimnisses, welcher über Aegyptens Grabmäler gedeckt liegt, nach und nach lüftet: so findet man, daß alle diese Gegenstände scheinbarer Anbetung nur Sinnbilder der verschiedenen Eigenschaften des Einen höchsten Wesens waren, dessen Name eine zu große Heiligkeit hatte, um von Sterblichen ausgesprochen zu werden. Unter den Arabern wurde der sabäische Glaube mit gränzenlosem Aberglauben vermischt und durch groben Götzendienst herabgewürdigt. Jeder Stamm verehrte seinen besonderen Abgott oder Planeten, oder stellte sein besonderes Götzenbild auf. Kindermord mischte seine Schrecken mit ihren religiösen Gebräuchen. Bei den Nomadenstämmen wurde die Geburt einer Tochter als ein Mißgeschick betrachtet, da ihr Geschlecht sie zu geringem Dienste bei einem wandernden und räuberischen Leben befähigte, während sie durch üble Aufführung oder Gefangenschaft Schimpf und Unglück über die Familie bringen konnte. Beweggründe einer unnatürlichen Staatskunst mögen sich daher mit den religiösen Gefühlen gemischt haben, wenn sie weibliche Kinder den Götzen opferten oder sie lebendig begruben.
Die mit der sabäischen Secte um den Vorrang, streitenden Magier oder Guebern (Feueranbeter), welche, wie wir gesagt haben, die Religionsherrschaft über den Osten theilte, hatten ihren Ursprung in Persien, wo die erst mündlich fortgepflanzten Lehren nach einiger Zeit durch ihren großen Propheten und Lehrer Zoroaster in seinem Buche Zendavesta schriftlich niedergelegt wurden. Die Glaubenslehre der Magier war, wie die der Sabäer, ursprünglich einfach und geistig, indem sie den Glauben an Einen höchsten und ewigen Gott, in welchem und durch welchen das Weltall besteht, forderte. Nach derselben brachte der Eine Gott zwei wirkende Urwesen, nämlich Ormuzd, das Urwesen oder den Engel des Lichts oder des Guten, und Ahriman, das Urwesen oder den Engel der Finsterniß oder des Bösen, durch sein schöpferisches Wort hervor. Diese bildeten, wird weiter gelehrt, aus einer Mischung ihrer entgegengesetzten Urstoffe die Welt und geriethen bei der Regulirung der Weltangelegenheiten in einen Kampf, welcher seitdem zu keinem Ende gekommen ist. Daher kommen, heißt es, die Abwechselungen von Heil und Uebel, je nachdem der Engel des Lichts oder der Engel der Finsterniß die Oberhand hat. Dieser Streit wird bis ans Ende der Welt fortdauern, wo eine allgemeine Auferstehung und ein Tag des Gerichts stattfinden wird; der Engel der Finsterniß wird mit seiner Genossenschaft an einen Ort wehvoller Finsterniß verbannt werden, ihre Gegner aber werden in das wonnevolle Reich ewig währenden Lichtes eingehen.
Die ursprünglichen Gebräuche dieser Religion waren höchst einfach. Die Magier hatten weder Tempel noch Altäre, noch religiöse Sinnbilder irgend einer Art, sondern sie richteten ihre Gebete und Preisgesänge geradezu an die Gottheit, wobei sie sich die Sonne als ihren Wohnort dachten. Sie ehrten diesen Lichtkörper als die Wohnung derselben und als die Quelle des Lichtes und der Wärme, woraus nach ihrer Meinung alle Himmelskörper zusammengesetzt sind, und zündeten auf Berggipfeln Feuer an, um während der Abwesenheit der Sonne Licht zu verbreiten. Zoroaster führte zuerst die Tempel ein, in denen ein heiliges Feuer, das angeblich vom Himmel gekommen war, durch die Priester, welche Tag und Nacht über dasselbe wachten, beständig lebendig erhalten wurde.
Im Laufe der Zeit verlor diese Secte wie die der Sabäer den Gedanken von dem göttlichen Urwesen in dem Sinnbilde, betete das Feuer oder Licht als den wirklichen Gott an und verabscheute die Finsterniß als den Satan oder Teufel. In ihrem fanatischen Eifer pflegten die Magier die Ungläubigen aufzugreifen und sie in den Flammen zu opfern, um ihre feurige Gottheit zu verehren.
Auf die Lehren dieser zwei Secten wird in folgender Stelle der Weisheit Salomonis Bezug genommen: »Es sind zwar alle Menschen natürlich eitel, so von Gott Nichts wissen und an den sichtbarlichen Gütern den, der es ist, nicht kennen, und sehen an den Werken nicht, wer der Meister ist; sondern halten entweder das Feuer oder Wind oder schnelle Luft oder die Sterne oder mächtiges Wasser oder die Lichter am Himmel, die die Welt regieren, für Götter« (Weish. Sal. 13, 1 u. 2).
Von diesen zwei Religionsformen war die sabäische, wie wir oben bemerkt haben, die bei weitem vorherrschendste unter den Arabern, aber in einer höchst entarteten Gestalt, mit allen Arten von Mißbräuchen vermengt und unter den verschiedenen Stämmen verschieden. Der Magierglaube herrschte unter denjenigen Stämmen, welche zufolge ihrer Gränzlage mit Persien häufigen Umgang hatten, während andere Stämme an dem Wahnglauben und der Abgötterei der Nationen, an welche sie gränzten, theilnahmen.
Der Judaismus hatte in einer frühen Zeit, aber in sehr unbestimmter und unvollständiger Weise, den Weg nach Arabien gemacht. Jedoch viele gottesdienstliche Formen und Gebräuche und sonderbare Ueberlieferungen wurden in das Land verpflanzt. In späterer Zeit aber, als Palästina von den Römern verwüstet, die Stadt Jerusalem erobert und zerstört wurde, suchten viele Juden unter den Arabern einen Zufluchtsort, wurden den eingebornen Stämmen einverleibt, bildeten sich zu Gemeindewesen aus, erwarben den Besitz fruchtbarer Landstriche, bauten Burgen und Festungen und erhoben sich zu beträchtlicher Gewalt und großem Einflusse.
Die christliche Religion hatte ebenfalls Anhänger unter den Arabern. St. Paulus selbst erklärt in seinem Briefe an die Galater (1, 17.), daß er bald »hinzog nach Arabien«, nachdem er zur Predigt des Christenthums unter den Heiden berufen worden war. Auch die Streitigkeiten, welche in der morgenländischen Kirche in dem ersten Theile des dritten Jahrhunderts entstanden und sie in Parteien zerspalteten, von denen jede, wenn sie zur Ueberlegenheit gelangte, die andern verfolgte, zwangen Viele zur Auswanderung nach den entfernten Ländern des Ostens, füllten die Wüsten Arabiens mit Einsiedlern und verpflanzten den christlichen Glauben unter einige der vorzüglichen Stämme.
Die vorhergehenden Verhältnisse können von den Ursachen, welche die Araber Zeitalter hindurch in einem unveränderten Zustande erhielten, einen Begriff geben. Während ihre abgesonderte Lage und ihre ungeheuern Wüsten sie vor Unterjochung schützten, hielten sie ihre inneren Kämpfe und der Mangel eines gemeinsamen politischen oder religiösen Bandes ab, als Eroberer furchtbar zu sein. Sie waren eine ungeheure Masse unterschiedlicher Parteien, voll persönlicher Kraft; aber sie ermangelten der vereinigten Macht. Obschon ihr nomadisches Leben sie kühn und unternehmend machte; obschon die meisten unter ihnen von Kindheit an Krieger waren: so führten sie die Waffen doch nur wider einander, einige Gränzstämme ausgenommen, welche gelegentlich bei auswärtigen Kriegen als Söldner in Dienste traten. Während daher die andern Nomadenvölker Mittelasiens, welche keine größere Tüchtigkeit als jene zur Kriegführung besaßen, einige Zeitalter hindurch die civilisirte Welt mit Erfolg überfluthet und erobert hatten, war dieser kriegerische Stamm, seiner Macht sich unbewußt, in den Tiefen der heimathlichen Wüsten getrennt und unschädlich geblieben.
Endlich kam die Zeit herbei, wo diese entzweiten Stämme in Einem Glauben vereinigt und durch Eine gemeinsame Sache belebt werden sollten, wo ein mächtiger Geist aufstehen sollte, der sich berufen fühlte, diese zerstreuten Glieder zusammen zu bringen, sie mit seinem schwärmerischen und kühnen Geiste zu beseelen und sie vorwärts zu führen, um als ein Riese der Wüste die Reiche der Erde zu erschüttern und umzustürzen.
Mohammeds Geburt und Herkunft. Seine Kindheit.
Mohammed, der große Gründer des islamitischen Glaubens, wurde im April des Jahres 569, oder nach der gewöhnlichen Annahme am 21. April i. J. 571 der christlichen Zeitrechnung zu Mekka geboren. Er gehörte dem tapfern und erlauchten Stamme Koreisch an; derselbe schied sich in zwei Linien, welche von zwei Brüdern, Haschem und Abd Schems abstammten. Haschem, der Urahn Mohammeds, war ein großer Wohlthäter Mekkas. Diese Stadt ist in einer unfruchtbaren und steinigen Gegend gelegen und war in früheren Zeiten dem Mangel an Nahrungsmitteln oft ausgesetzt. Zu Anfang des sechsten Jahrhunderts richtete Haschem alljährlich zwei Karavanen ein, die eine im Winter für das südliche Arabien oder Jemen, die andere im Sommer für Syrien. Dadurch wurden ebenso wohl reichliche Vorräthe, als eine große Mannichfaltigkeit des Geschäftsverkehrs nach Mekka gebracht. Diese Stadt wurde ein Handelsplatz, und der Stamm Koreisch, welcher sich an jenen Expeditionen umfänglich betheiligte, wurde wohlhabend und mächtig. Haschem war zu dieser Zeit der Hüter der Kaaba, dieses großen Heiligthums arabischer Wallfahrt und Anbetung. Die Aufsicht über dieselbe wurde nur den angesehensten Stämmen und Familien in derselben Weise übergeben, wie in alten Zeiten der Tempel Jerusalems nur der Sorge der Leviten anvertraut wurde. In der That war dieses Hüteramt mit bürgerlichen Würden und Vorrechten verbunden und verlieh dem Inhaber desselben die Aufsicht über die heilige Stadt.
Bei Haschems Tode folgte sein Sohn Abd Motalleb in den Ehrenämtern und erbte seine Vaterlandsliebe. Er befreite die heilige Stadt von einer feindlich einfallenden Armee von Kriegern und Elephanten, die von christlichen Fürsten Abyssiniens, welche in jener Zeit Jemen in Unterwürfigkeit hielten, entsendet worden war. Diese ausgezeichneten, von Vater und Sohn geleisteten Dienste befestigten das Hüteramt an der Kaaba in Haschems Familie, zur großen Unzufriedenheit und zum Verdrusse der Familie Abd Schems.
Abd al Motalleb hatte einige Söhne und Töchter. Diejenigen von seinen Söhnen, welche in dieser Geschichte auftreten, waren Abu Taleb, Abu Lahab, Abbas, Hamza und Abdallah. Der zuletzt genannte war der jüngste und am meisten geliebte. Er ehelichte Amina, eine Jungfrau von einem entfernten Zweige desselben berühmten Stammes Koreisch. So merkwürdig war Abdallah wegen persönlicher Schönheit und anderer Eigenschaften, welche die Zuneigung den Frauen gewinnen, daß, wenn man moslemischen Sagen glauben darf, in der Nacht seiner Verehelichung mit Amina zweihundert Jungfrauen des Stammes Koreisch an gebrochenen Herzen starben.
Mohammed war die erste und einzige Frucht dieser so traurig gefeierten ehelichen Verbindung. Seine Geburt wurde, nach ähnlichen Sagen, wie die oben genannte, von Zeichen und Wundern begleitet, welche ein Wunderkind ankündigten. Seine Mutter erduldete keine Geburtsschmerzen. Im Augenblicke, seiner Ankunft in die Welt erhellte ein himmlisches Licht die umliegende Gegend, und das neugeborne Kind rief seine Augen zum Himmel erhebend aus: »Gott ist groß! Es ist kein Gott außer Gott, und ich bin sein Prophet.«
Himmel und Erde, wird uns versichert, geriethen bei seiner Ankunft in Bewegung. Der See Sawa sank in seine geheimen Quellen zurück und ließ sein Bette trocken, während der Tigris die Ufer durchbrach und die benachbarten Länder überfluthete. Der Palast Khosru’s, des Königs von Persien, erbebte in seinen Grundfesten und einige seiner Thürme wurden zu Boden gestürzt. In dieser unruhvollen Nacht sahe der Kadi oder Richter Persiens im Traum ein wildes Kameel, welches von einem arabischen Renner gebändigt wurde. Am Morgen erzählte er den Traum dem persischen Monarchen und erklärte, daß er eine Gefahr von Arabien her bedeute.
In derselben ereignißreichen Nacht war das heilige Feuer Zoroasters, welches, von den Magiern bewacht, länger als tausend Jahre ohne Unterbrechung gebrannt hatte, plötzlich erloschen, und alle Götzenbilder in der Welt waren umgefallen. Die Dämonen oder bösen Geister, welche in den Sternen und in den Zeichen des Thierkreises horchen und einen verderblichen Einfluß auf die Kinder der Menschen ausüben, wurden von den reinen Engeln verjagt und nebst ihrem Oberanführer Eblis oder Lucifer in die Abgründe des Meeres geschleudert.
Die Verwandten des neugebornen Kindes, berichten die nämlichen Sagen, wurden mit Ehrfurcht und Bewunderung erfüllt. Seiner Mutter Bruder, ein Sterndeuter, verkündigte nach dem Stande der Gestirne, daß sich derselbe zu einer ungeheuern Macht erheben, ein Reich gründen und einen neuen Glauben unter den Menschen aufrichten werde. Sein Großvater Abd al Motalleb gab am siebenten Tage nach dessen Geburt den vornehmsten Koreischiten ein Festmahl, bei welchem er dieses Kind als die aufgehende Glorie ihres Stammes darstellte und ihm den Namen Mohammed oder Muhammed, d.i. der Hochgepriesene, als Zeichen seines künftigen Ruhmes gab.
Das sind die wunderbaren durch moslemische Schriftsteller überlieferten Erzählungen von Mohammeds zartester Kindheit, und wir haben wenig andere als ähnliche Fabeln von seinen ersten Jahren. Er war kaum zwei Monate alt, als sein Vater starb, ihm keine andere Erbschaft als fünf Kameele, einige Schafe und eine äthiopische Sclavin, Namens Barakat, hinterlassend. Seine Mutter Amina zog ihn bis dahin selbst auf, aber Sorge und Kummer vertrocknete die Quellen ihrer Brust, und da die Luft Mekkas für Kinder ungesund war, so suchte sie für ihn unter den Frauen der benachbarten Beduinenstämme eine Amme. Diese hatten die Gewohnheit, des Jahres zweimal, nämlich im Frühling und Herbste, nach Mekka zu kommen, um die Kinder der dortigen Bewohner zur Auferziehung zu übernehmen; aber sie richteten ihr Augenmerk auf die Sprößlinge der Reichen, wo sie einer reichen Belohnung sicher waren, und wendeten sich mit Geringschätzung von diesem Erben der Armuth. Endlich wurde Halema, das Eheweib eines saaditischen Schafhirten, zum Mitleid bewogen und nahm das hülflose Kind in ihr Haus, welches in einem der Hirtenthäler im Gebirge lag.
Zahlreich waren die Wunder, welche Halema von ihrem Pflegekinde erzählte. Auf der Reise von Mekka wurde das Maulthier, welches es trug, wunderbarer Weise mit Sprache begabt und rief laut, daß es den größten unter den Propheten, den vorzüglichsten unter den Gesandten, den Liebling des Allmächtigen auf seinem Rücken trüge. Die Schafe neigten sich vor ihm, als er vorbei zog; wenn er in seiner Wiege lag und den Mond anstarrte, beugte sich derselbe vor ihm in Ehrfurcht.
Der Segen des Himmels, sagen die arabischen Schriftsteller, belohnte Halema’s Liebe. Während das Kind unter ihrem Dache war, gedieh Alles um sie her. Die Wasserbehälter und Quellen trockneten niemals aus; die Weideplätze waren immer grün; ihre Schafe und Rinder vermehrten sich zehnfach, ein wundersamer Ueberfluß verbreitete sich über ihre Felder und Friede herrschte in ihrer Wohnung.
Die arabischen Legenden fahren fort und rühmen die fast übernatürlichen leiblichen wie geistigen Kräfte, welche bei diesem wundervollen Kinde in sehr frühem Alter sich kund gaben. Es konnte allein stehen, als es drei Monate alt war; sprang draußen herum, als es sieben war; und mit zehn Monaten konnte es sich an andere Kinder bei den Spielen mit Bogen und Pfeilen anschließen. Mit acht Monaten konnte es so sprechen, daß es verstanden wurde, und im Laufe eines andern Monats vermochte es sich mit Geläufigkeit zu unterhalten, wobei es eine Weisheit entfaltete, die Alle, welche es hörten, in Erstaunen setzte.
Während er eines Tages im Alter von drei Jahren mit seinem Milchbruder Masroud auf den Feldern spielte, erschienen vor denselben zwei Engel in leuchtendem Gewande. Sie legten Mohammed sanft auf den Boden, und Gabriel, einer der Engel, öffnete ihm die Brust, aber ohne ihm Schmerz zuzufügen. Hierauf nahm er das Herz heraus, säuberte es von jeglicher Unreinigkeit, wand aus ihm jene schwarzen und bittern Tropfen der Erbsünde heraus, welche sich von unserm Altvater Adam fortgeerbt hat und in den Herzen seiner besten Nachkommen versteckt liegt, um sie zu Verbrechen zu reizen. Nachdem er es durchgängig gereinigt hatte, füllte er es mit Glauben und Erkenntniß und prophetischem Lichte und setzte es wieder in den Busen des Kindes. Nun begann, wie uns durch dieselben Berichterstatter versichert wird, aus seinem Gesichte jenes geheimnisvolle Licht zu strömen, welches sich von Adam durch die geheiligte Reihe der Propheten bis zu der Zeit Isaaks und Ismaels fortgepflanzt hatte, aber in den Nachkommen des Letzteren verborgen gelegen war, bis es auf diese Art aus dem Antlitze Mohammeds mit erneutem Glanze hervorstrahlte.
Bei diesem überirdischen Besuche, fügt man hinzu, wurde zwischen die Schultern des Kindes das Siegel der Weissagung eingedrückt, welches durch das ganze Leben das Zeichen und die Beglaubigungsurkunde seiner göttlichen Sendung blieb, obschon die Ungläubigen darin Nichts als ein großes Muttermaal in Form eines Taubeneies sahen.
Als der wundervolle Besuch des Engels Halema und deren Ehemanne erzählt wurde, so befürchteten sie, daß irgendein Unglück dem Kinde bevorstünde, oder daß seine überirdischen Besucher zu der Gattung der bösen Geister oder Genien gehören könnten, welche nach dem dortigen Aberglauben oft in die einsamen Orte der Wüste kommen, um den Kindern der Menschen Schaden zuzufügen. Die saaditische Amme trug ihn daher nach Mekka zurück und übergab ihn seiner Mutter Amina.
Er blieb bei derselben bis zu seinem sechsten Jahre, wo sie ihn mit sich nach Medina zu einem Besuch bei ihren Verwandten von dem Stamme Adij (Adidsch) nahm; aber auf der Heimreise starb sie und wurde zu Abwa, einem Dorfe zwischen Medina und Mekka, begraben. Ihr Grab war, wie gefunden werden wird, für ihren Sohn in der letzten Zeit seines Lebens ein Ort frommer Sammlung und zärtlicher Erinnerung.
Die treue abossinische Sclavin Barakat handelte jetzt wie eine Mutter an dem verwaisten Knaben und führte ihn zu seinem Großvater Abd al Motalleb, in dessen Haushaltung er zwei Jahre blieb und mit Sorgfalt und Zärtlichkeit behandelt wurde. Abd al Motalleb war bereits in Jahren weit vorgeschritten, indem er die gewöhnliche Frist menschlichen Daseins überlebt hatte. Da er die Annäherung seines Endes fühlte, rief er den ältesten Sohn Abu Taleb zu sich und übergab Mohammed dem besondern Schutze desselben. Der wackere Abu Taleb zog den Neffen an sein Herz und fortan war er stets gegen ihn wie ein Vater. Als Ersterer beim Tode des Vaters in dem Hüteramte an der Kaaba folgte, stand Mohammed mehrere Jahre in einer Art priesterlichen Haushaltes, wo die gottesdienstlichen Formen und Gebräuche des heiligen Hauses streng beobachtet wurden. Und hier glauben wir, über den behaupteten Ursprung der Kaaba, über die Gebräuche und Sagen, sowie über die damit verbundenen abergläubischen Meinungen eine genauere Nachricht geben zu müssen, weil sie mit dem islamitischen Glauben und der Geschichte seines Gründers eng verwoben sind.
Sagenhafte Nachrichten über Mekka und die Kaaba.
Als Adam und Eva aus dem Paradiese geworfen wurden, so fielen sie, sagen die arabischen Traditionen, auf verschiedenen Theilen der Erde nieder, nämlich Adam auf einem Berge der Insel Serendib oder Ceylon, und Eva auf dem Ufer des rothen Meeres, wo jetzt der Hafen Joddah (Dschoddah) liegt. An zwei hundert Jahre wanderten sie getrennt und einsam über die Erde, bis ihnen, in Betracht ihrer Buße und ihres Elends, gestattet wurde, auf dem Berge Ararat, unfern der Stadt Mekka, sich wieder zu vereinigen. In der Tiefe des Kummers und der Reue hob Adam, wie erzählt wird, die Hände und Augen zum Himmel und flehte die Gnade Gottes an, daß ihm möchte ein heiliges Haus gegeben werden, ähnlich demjenigen, in welchem er im Paradiese angebetet und um das die Engel zur Anbetung Gottes gewöhnlich Umzüge gehalten hätten.
Das Flehen Adams hatte Erfolg. Ein aus strahlenden Wolken gebildetes Zelt oder Tempel wurde durch die Hände von Engeln niedergelassen und gerade unter sein Urbild im himmlischen Paradiese gestellt. Gegen dieses himmlische Haus wendete sich fortan Adam beim Gebete und hielt um dasselbe täglich sieben Umgänge, um die anbetenden Engel nachzuahmen.
Bei Adams Tode, berichten dieselben Sagen, verschwand dieses Wolkenzelt oder wurde wieder in den Himmel hinaufgezogen; aber ein anderes von derselben Form wurde von Adams Sohne Seth an derselben Stelle aus Stein und Thon aufgeführt. Dies wurde durch die Sündfluth hinweggespült. Als viele Zeitalter nachher zur Zeit der Patriarchen Hagar und ihr Sohn Ismael nahe daran waren, vor Durst in der Wüste umzukommen: so zeigte ihnen ein Engel einen Brunnen oder eine Wasserquelle nahe bei dem ehemaligen Orte des Zeltes. Das war die Quelle Zem Zem, welche von Ismaels Nachkommenschaft bis auf den gegenwärtigen Tag heilig gehalten wird. Kurz darauf entdeckten zwei Männer aus dem Riesengeschlechte der Amalekiter bei der Aufsuchung eines Kameeles, das sich aus ihrem Lager verlaufen hatte, diese Quelle und brachten, nachdem sie den Durst gelöscht hatten, ihre Begleiter an diesen Ort. Hier gründeten sie die Stadt Mekka und nahmen Ismael und dessen Mutter Hagar in ihren Schutz. Sie wurden bald von den eigentlichen Bewohnern des Landes vertrieben, unter denen Ismael jedoch zurückblieb. Als er zum Manne herangewachsen war, führte er die Tochter des regierenden Fürsten als Gattin heim und erhielt von derselben zahlreiche Nachkommen, die Ahnen des arabischen Volkes. Im Laufe der Zeit unternahm er es auf Gottes Befehl, die Kaaba gerade an der Stelle des ursprünglichen Wolkenzeltes wieder zu erbauen. Bei diesem frommen Werke wurde er von seinem Vater Abraham unterstützt. Dem Letzteren diente dabei als Gerüste ein wunderbarer Stein, welcher sich mit ihm senkte und erhob, als er die Mauern des heiligen Gebäudes aufführte. Noch ist er dort eine unschätzbare Reliquie (Ueberbleibsel) und der Abdruck von des Erzvaters Fuße ist an ihm deutlich genug, daß er von allen wahrhaft Gläubigen wahrgenommen werden kann.
Während Abraham und Ismael auf diese Weise beschäftigt waren, brachte ihnen der Engel Gabriel einen Stein, über welchen die auf Sagen gegründeten Erzählungen etwas auseinander gehen. Nach Einigen soll es einer von den Edelsteinen aus dem Paradiese gewesen sein, der mit Adam auf die Erde fiel und hernach in dem Schlamme der Sündfluth sich verlor, bis er vom Engel Gabriel wiedergefunden wurde. Die häufiger geglaubte Ueberlieferung besagt, daß dieser Stein ursprünglich der Aufsicht führende Engel war, welcher über Adam im Paradiese wachen sollte, aber in einen Stein verwandelt und aus demselben mit jenem bei dessen Falle hinausgeworfen wurde zur Strafe dafür, daß er nicht wachsamer gewesen war. Diesen Stein empfingen Abraham und Ismael mit geziemender Ehrfurcht, und sie fügten ihn in eine Ecke der äußeren Mauer der Kaaba, wo er bis auf den heutigen Tag geblieben ist und von den Andächtigen jedes Mal ehrfurchtsvoll geküßt wird, wenn sie den Rundgang um den Tempel machen. Als er zuerst eingesetzt wurde, war es, wie uns erzählt wird, ein reiner Hyacinth von blendender Weiße, aber durch die Küsse sündlicher Sterblichen wurde er allmälig geschwärzt. Bei der Auferstehung wird er die Engelsgestalt wieder erhalten und vor Gott fortan als Zeuge zu Gunsten derjenigen stehen, welche die Gebräuche der Wallfahrt getreulich verrichtet haben.
Das sind die arabischen Sagen, welche seit dem grauesten Alterthum die Kaaba und die Quelle Zem Zem unter den Völkern des Morgenlandes und besonders unter den Nachkommen Ismaels zu Gegenständen außerordentlicher Verehrung machten. Mekka, welches diese heiligen Gegenstände in seinen Mauern enthielt, war viele Menschenalter vor der Gründung des Mohammedanismus eine heilige Stadt und der Sammelplatz der Pilger aus allen Theilen Arabiens. So allgemein und tief war das dieses religiöse Herkommen achtende Gefühl der Frömmigkeit, daß vier Monate des Jahres den Gebräuchen der Wallfahrt gewidmet und in Ansehung jeglicher Gewaltthat und Kriegführung als heilig angesehen wurden. Feindliche Stämme legten alsdann ihre Waffen bei Seite, nahmen die Spieße von ihren Speeren, durchzogen die kurz zuvor gefahrreichen Wüsten in Sicherheit, drängten sich in Pilgertracht gehüllt in den Thoren Mekkas, hielten ihre sieben Rundgänge um die Kaaba zur Nachahmung der Engelschaaren, berührten und küßten den geheimnißvollen schwarzen Stein, tranken und wuschen sich aus der Quelle Zem Zem zum Andenken an ihren Ahnherr Ismael; und wenn sie alle uralten Gebräuche der Wallfahrt verrichtet hatten, so kehrten sie heim in Sicherheit und griffen wieder zu den Waffen und zum Kriege.
Unter den religiösen Gebräuchen der Araber in diesen ihren »Tagen der Unwissenheit«, d.h. vor der Bekanntmachung der moslemischen Lehren, nahm Fasten und Beten die oberste Stelle ein. Sie hatten während eines Jahres drei Hauptfasten, eins von sieben, eins von neun und eins von dreißig Tagen. Sie beteten jeden Tag dreimal, um Sonnenaufgang, zu Mittage und um Sonnenuntergang, wobei sie das Gesicht nach der Gegend der Kaaba richteten, was ihr Kebla oder Punct der Anbetung war. Sie hatten viele religiöse Ueberlieferungen; einige derselben erhielten sie in früheren Zeiten von den Juden, und ihre frommen Gefühle sollen sie mit dem Psalmenbuche und mit einem andern, welches Seth zugeschrieben wird und Betrachtungen über die Sittlichkeit enthält, genährt haben.
Da Mohammed in dem Hause des Aufsehers über die Kaaba erzogen wurde: so mögen die Ceremonien und Andachtsübungen, welche mit diesem heiligen Gebäude in Verbindung standen, auf sein Gemüth frühzeitig einen starken Einfluß ausgeübt und dasselbe zu jenen Grübeleien über religiöse Gegenstände hingelenkt haben. Wiewohl seine moslemischen Biographen (Lebensbeschreiber) uns gern einreden möchten, daß seine hohe Bestimmung in der Kindheit durch Zeichen und Wunder deutlich vorhergesagt worden wäre: so scheint dennoch seine Erziehung ebenso sehr vernachlässigt worden zu sein, wie die der gewöhnlichen arabischen Kinder; denn wir finden, daß er weder im Lesen noch Schreiben unterrichtet war. Er war jedoch ein gedankenvolles Kind, gewandt im Beobachten, geneigt, über Alles, was er beobachtete, nachzudenken und beherrscht von einer fruchtbaren, kühnen und umfassenden Einbildungskraft. Der jährliche Zusammenfluß von Pilgern aus entfernten Gegenden machte Mekka zu einem Stapelplatze für alle Arten gangbaren Wissens, was er mit Begierde aufgenommen und in einem treuen Gedächtnisse aufbewahrt zu haben scheint. Und als er an Jahren wuchs, wurde ihm ein ausgedehnterer Beobachtungskreis geöffnet.
Erste Reise Mohammeds mit der Karavane nach Syrien.
Mohammed war jetzt zwölf Jahre alt, aber er hatte, wie wir gezeigt haben, eine weit über seine Jahre hinausgehende Verstandesreife. Der Trieb zur Nachforschung war in ihm rege und wurde durch den Umgang mit Pilgern aus allen Theilen Arabiens genährt. Dazu war sein Oheim Abu Taleb, außer seinem priesterlichen Stande als Aufseher über die Kaaba, einer der unternehmendsten Kaufleute des Stammes Koreisch, und hatte viel mit den Karavanen zu thun, die sein Ahnherr Haschem, der nach Syrien und Yemen Handel trieb, in Gang gebracht hatte. Die Ankunft und Abreise dieser Karavanen, welche sich an Mekkas Thoren drängten und seine Straßen mit fröhlichem Lärmen füllten, waren für einen Jüngling wie Mohammed anregende Ereignisse und trugen seine Einbildungskraft nach fremden Ländern. Er konnte die brennende Wißbegierde, welche auf diese Art erregt worden war, nicht länger unterdrücken, sondern hing sich eines Tags an seinen Oheim, als dieser sein Kameel besteigen und mit der Karavane nach Syrien abreisen wollte und bat denselben inständig um die Erlaubniß, ihn begleiten zu dürfen. »Denn wer wird, o mein Oheim,« sagte er, »für mich Sorge tragen, wenn du fort bist?«
Die Bitte war bei dem gutherzigen Abu Taleb nicht vergeblich. Dieser erwog außerdem bei sich, daß der Jüngling in einem Alter wäre, wo er die bewegte Bühne des arabischen Lebens betreten, und eine Fassungskraft hätte, durch welche er bei der Erfüllung der Pflichten gegen die Karavane wesentlichen Nutzen stiften könnte. Daher gewährte er ihm bereitwillig die Bitte und nahm ihn mit sich auf die Reise nach Syrien.
Die Straße führte durch Gegenden, welche an Fabeln und Sagen fruchtbar sind; es ist das Vergnügen der Araber, diese an den abendlichen Haltepuncten der Karavane zu erzählen. Die Ungeheuern Einöden der Wüste, in welchem dieses wandernde Volk einen so großen Theil des Lebens zubringt, sind zur Erzeugung abergläubischer Gebilde geeignet. Dem zufolge haben sie dieselben mit guten und bösen Geistern bevölkert und in Zaubermährchen mit wundervollen Ereignissen gehüllt, welche in alten Tagen sich ereignet haben sollen. An diesen abendlichen Halteplätzen der Karavane sog Mohammeds jugendliches Gemüth ohne Zweifel viele jener abergläubischen Meinungen der Wüste ein, welche nachher stets in seinem Gedächtnisse blieben und einen mächtigen Einfluß auf seine Einbildungskraft hatten. Wir können besonders zwei Sagen bemerken, welche er zu dieser Zeit gehört haben muß, und die wir in nachfolgenden Jahren durch ihn im Koran aufbewahrt finden. Eine bezieht sich auf den gebirgigen District Hedjar (Heddschar). Hier wurden, als die Karavane auf dem Wege durch schweigsame und verlassene Thäler sich fortwand, Höhlen in den Seiten der Berge gezeigt, welche einst die Beni Thamud, d. i. Kinder Thamuds, einer der »verlornen Stämme« Arabiens, bewohnten. Die Sage über sie ist folgende:
Sie waren ein hochmütiges Riesengeschlecht, das vor der Zeit des Patriarchen Abraham lebte. Da sie in blinde Abgötterei gefallen waren, so sandte Gott einen Propheten Namens Saleh, um sie auf den rechten Weg zurückzuführen. Sie weigerten sich jedoch ihm zu gehorchen, wenn er die Göttlichkeit seiner Sendung nicht dadurch bewiese, daß er ein trächtiges Kameel aus dem Innern eines Berges herauskommen ließe. Saleh betete demgemäß und siehe ein Fels öffnete sich und ein weibliches Kameel kam hervor, welches bald ein Fohlen warf. Einige der Thamuditen wurden durch dieses Wunder überzeugt und durch den Propheten von ihrer Abgötterei bekehrt; der größere Theil jedoch verharrte im Unglauben. Saleh ließ das Kameel zu einem Zeichen bei ihnen, sie bedeutend, daß ein Gericht vom Himmel auf sie fallen würde, würden sie ihm ein Leid zufügen. Eine Zeit lang ließen sie das Kameel auf ihren Weideplätzen sich ruhig nähren; es ging am Morgen hinaus und kehrte am Abend zurück. Es ist wahr, daß es den Kopf, wenn es ihn zum Trinken aus einem Bache oder einer Quelle niederbeugte, nie eher erhob, als bis es den letzten Tropfen Wasser eingesogen hatte; aber alsdann gab es bei seiner Rückkehr Milch genug, um den ganzen Stamm zu versorgen. Als es jedoch die andern Kameele von der Weide verscheuchte, so wurde es bei den Thamuditen ein Gegenstand des Aergernisses; sie fingen und tödteten es. Hierauf geschah ein fürchterliches Geschrei vom Himmel und ein ungeheurer Donnerschlag, und am Morgen wurden alle Uebelthäter todt, auf den Gesichtern liegend, gefunden. So wurde der ganze Stamm von der Erde vertilgt und sein Land wurde nachher für immer mit dem Fluche des Himmels belegt.
Diese Geschichte machte einen mächtigen Eindruck auf Mohammeds Gemüth, so daß er in der Folgezeit seine Leute in der Nachbarschaft kein Lager aufschlagen ließ, sondern ihnen gebot, von dort als aus einer verfluchten Gegend wegzueilen.
Eine andere Sage, welche er auf dieser Reise kennen lernte, bezog sich auf die am rothen Meere gelegene Stadt Eyla. Dieser Platz, erzählte man ihm, wurde in alten Zeiten von einem Judenstamme bewohnt; dieser fiel in Abgötterei und entweihte den Sabbath, indem er am heiligen Tage fischte, weshalb die alten Leute in Schweine und die jungen in Affen verwandelt wurden.
Wir haben diese zwei Sagen besonders erwähnt, weil beide von Mohammed als Zeugnisse des göttlichen Gerichts über das Verbrechen der Abgötterei angeführt werden und beweisen, daß sein jugendliches Gemüth schon diesen wichtigen Grundbegriff auffaßte.
Die moslemischen Schriftsteller erzählen uns, wie gewöhnlich, von wundervollen Vorkommnissen, welche dem Jünglinge während dieser Reise angeblich begegneten und den Beweis von der beständigen Obhut des Himmels lieferten. Zu einer Zeit schwebte über ihm, als er den glühenden Sand der Wüste durchschritt, ungesehen ein Engel, welcher ihn mit seinen Flügeln beschirmte; das ist jedoch ein Wunder, welches offenbar nicht auf der Aussage eines Augenzeugen beruht; ein anderes Mal wurde er von einer Wolke bedeckt, welche während der Mittagshitze über seinem Haupte hing, und als er bei noch einer andern Gelegenheit den spärlichen Schatten eines verwelkten Baumes suchte, so trieb dieser plötzlich Blätter und Blüthen.
Die Karavane kam endlich in Bosra oder Bostra an, einer Stadt auf der Gränze Assyriens in dem Gebiete des Stammes Manasse jenseits des Jordans. In der biblischen Zeit war es eine Stadt der Leviten gewesen, aber jetzt wurde sie von nestorianischen Christen bewohnt. Es war ein großer Handelsplatz, welcher von den Karavanen alljährlich besucht wurde. Hier gelangten unsere Reisenden zu einem Haltepunkte und schlugen neben einem Kloster nestorianischer Mönche das Lager auf. Von dieser Brüderschaft wurden Abu Taleb und sein Neffe mit großer Gastfreundschaft bewirthet. Einer der Mönche, von Einigen Sergius, von Andern Bahira genannt, erstaunte bei der Unterhaltung mit Mohammed über dessen frühe Verstandesreife und wurde durch sein heftiges Verlangen nach Belehrung, welche sich hauptsächlich auf Religionsgegenstände bezogen zu haben scheint, angezogen. Sie hatten über solche Dinge häufige Unterredungen mit einander, in deren Verlauf die Bemühungen des Mönches vorzüglich gegen die Abgötterei in welcher der junge Mohammed bisher erzogen worden war, gerichtet gewesen sein müssen. Denn die nestorianischen Christen berurtheilten streng nicht allein die Anbetung, sondern sogar die zufällige Aufstellung der Bilder; ja sie trieben die Bedenklichkeiten in diesem Punkte so weit, daß sogar das Kreuz, dieses allgemeine Sinnbild der Christenheit, in dieses Verbot eingeschlossen war.
Viele haben die Kenntniß der Grundlehren und Geschichte des christlichen Glaubens, welche Mohammed im nachherigen Leben bewies, jenen früheren Unterredungen mit diesem Mönche zugeschrieben; es ist jedoch wahrscheinlich, daß er, im Laufe nachfolgender Reisen, welche er nach Syrien machte, weiteren Verkehr mit dem Letzteren hatte. Moslemische Schriftsteller behaupten, daß der Antheil, welchen der Mönch an dem jungen Fremdlinge nahm, daraus entstanden wäre, daß er zwischen dessen Schultern das Siegel des Prophetenthums zufällig bemerkt hätte. Er ermahnte Abu Taleb, sagen sie, daß er, wenn er im Begriffe wäre, sich auf den Rückweg nach Mekka zu machen, Sorge trüge, daß sein Neffe nicht in die Hände der Juden fiele; denn er sah die Anfeindung und den Widerstand, welche er in Ansehung dieses Volkes bekämpfen mußte, mit prophetischem Auge vorher.
Es erforderte jedoch kein Wunderzeichen, daß ein sectirerischer Mönch, welcher ängstlich um Anhänger seiner Partei bemüht war, sich für einen helldenkenden und wißbegierigen Jüngling interessirte, der den Aufseher über die Kaaba zum Oheim hatte und den in sein zartes Gemüth gestreuten Saamen des Christenthums mit sich nach Mekka zurücktragen konnte; es war ferner natürlich, daß der Mönch begierig sein mußte, seinen zu erwartenden Bekehrten, bei dem jetzigen ungeordneten Zustande seiner religiösen Meinungen, an dem Uebertritte zum jüdischen Glauben zu verhindern.
Mohammed kehrte nach Mekka zurück. Seine Einbildungskraft war mit den Mährchen und Erzählungen, welche er in der Wüste vernommen hatte, geschwängert; seinem Geiste waren die Lehren, welche ihm im nestorianischen Kloster mitgetheilt worden wären, tief eingeprägt. Er scheint eine geheimnißvolle Ehrfurcht vor Syrien später stets genährt zu haben, wahrscheinlich wegen der dort empfangenen religiösen Eindrücke. Es war das Land, wohin sich Abraham aus Chaldäa begeben hatte, mit sich nehmend die ursprüngliche Anbetung des Einen wahren Gottes. »Wahrlich«, pflegte er in späteren Jahren zu sagen, »Gott hat stets die Hüter seines Wortes in Syrien erhalten; vierzig an der Zahl; wann Einer stirbt, wird ein anderer an seine Stelle gesendet; durch sie wird das Land gesegnet.« Und wiederum: »Heil den Völkern von Syrien, denn die Engel des freundlichen Gottes breiten die Flügel über sie aus.«