Die Legende von Sleepy Hollow E-Book

Washington Irving

• Herausgeber: Mantikore-Verlag
• Kategorie: Abenteuer, Thriller, Horror
• Sprache: Deutsch
• Veröffentlichungsjahr: 2017

Seitenzahl: 60

Beschreibung

Den Gelehrten Ichabod Crane verschlägt es in das verwunschene Nest Sleepy Hollow. Eines Herbstabends lernt er nicht nur die hübsche Katrina näher kennen, er hört auch Schauergeschichten, die sich im Ort zugetragen haben sollen. Ein Reiter ohne Kopf soll nachts sein Unwesen treiben … "The Legend of Sleepy Hollow" von Washington Irving stammt aus dem Jahr 1820 und ist eine der bekanntesten Kurzgeschichten der amerikanischen Literatur. +++DER MANTIKORE-VERLAG STIFTET JEGLICHE GEWINNE AUS DIESEM EBOOK IN DER ZEIT VOM 01.11.2017-31.12.2017 DER ORGANISATION "BROT FÜR DIE WELT"+++

Leseprobe

Washington Irving

Die Legende von Sleepy Hollow

1. AuflageVeröffentlicht durch denMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYKFrankfurt am Main 2017www.mantikore-verlag.de

Copyright © der deutschsprachigen AusgabeMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK

DIE LEGENDE VON SLEEPY HOLLOWerschienen in den Aufzeichnungen des Geoffrey Crayon – eineKurzgeschichte von Washington Irving (1820)

Deutschsprachige Übersetzung: Andrea BlendlLektorat & Korrektorat: Michael JaegersSatz: Karl-Heinz ZapfCovergestaltung: Konstantin Lagos und Matthias Lück

eISBN: 978-3-961880-47-8

Washington Irving

Die Legende von Sleepy Hollow

Inhalt

Die Aufzeichnungen des Geoffrey Crayon, von Washington Irving

POSTSCRIPTUM

Die Aufzeichnungen des Geoffrey Crayon, von Washington Irving

DIE LEGENDEVON SLEEPY HOLLOW

(GEFUNDEN IN DEN PAPIEREN DES VERSTORBENENDIEDRICH KNICKERBOCKER.)

Es war ein gefälliges Land voll Benommenheit,

voller Träume, die vor dem halb geschlossenen Auge fließen,

und voller lustiger Luftschlösser,

die ewig am Sommerhimmel schweben.

Festung der Trägheit

Am Busen einer dieser großen Buchten, die das östliche Ufer des Hudson prägen, an diesem breiten Strom, den die holländischen Seefahrer in alten Zeiten die Tappan Zee nannten, und wo sie immer klug die Segel rafften und den Heiligen Nikolaus um Schutz anbeteten, wenn sie ihn querten, dort liegt ein kleiner Marktflecken oder ländlicher Hafen. Dieser Ort wird von einigen Greensburg genannt, ist aber weitaus bekannter unter seinem richtigen Namen Tarry Town (Stadt des Herumlungerns). Dieser Name wurde, wie man uns sagt, in den alten Zeiten von den guten Hausfrauen im angrenzenden Land wegen des chronischen Hangs ihrer Ehemänner, an Markttagen in der Dorfschänke herumzulungern, verliehen. Wie dem auch sei, ich beschwöre diese Tatsache nicht, sondern berichte sie nur, um präzise und authentisch zu bleiben. Nicht weit von diesem Dorf, vielleicht ungefähr zwei Meilen entfernt, liegt ein kleines Tal, oder eher ein Landstrich zwischen hohen Hügel, das einer der ruhigsten Orte auf der ganzen Welt ist. Ein kleiner Bach sprudelt durch es hindurch, mit gerade genug Plätschern, um einen in den Schlaf zu singen, und das gelegentliche Pfeifen einer Wachtel oder das Klopfen eines Spechts ist beinahe das einzige Geräusch, das jemals die einförmige Stille durchbricht.

Ich erinnere mich, dass, als ich ein junger Bursche war, mein erster Versuch in der Eichhörnchenjagd in einem Hain aus hohen Walnussbäumen stattfand, der eine Seite des Tals beschattet. Ich war zu Mittag dort hineingewandert, wenn all die Natur seltsam still ist, und wurde vom Donner meines eigenen Gewehrs erschreckt, als es die Ruhe des Sabbats um mich herum durchbrach und von den wütenden Echos verlängert wurde und zurück schallte. Sollte ich mir je einen Rückzugsort wünschen, wohin ich mich von der Welt und ihren Ablenkungen fortstehlen könnte und wo ich in Ruhe die Erinnerungen an ein Leben voller Unruhe wegträumen könnte, dann wüsste ich keinen vielversprechenderen Ort als dieses kleine Tal.

Wegen der apathischen Ruhe des Ortes und des seltsamen Charakters seiner Bewohner, die Nachkommen der ersten holländischen Siedler sind, ist dieses abgeschiedene Tal seit langem unter dem Namen SLEEPY HOLLOW (Schläfrige Senke) bekannt, und seine ländlichen Jugendlichen werden im gesamten anliegenden Landstrich Sleepy Hollow Boys genannt. Ein benommener, verträumter Einfluss scheint über dem Land zu hängen und sogar die Atmosphäre zu durchdringen. Manche sagen, dass der Ort während der ersten Jahre der Besiedlung von einem norddeutschen Doktor verhext wurde, andere, dass ein alter Indianerhäuptling, der Prophet oder Hexer seines Stammes, dort seine Powwows abhielt, ehe das Land von Master Hendrick Hudson entdeckt wurde. Gesichert ist, dass der Ort immer noch der Auswirkung irgendeiner Zauberkraft unterliegt, die einen Bann über den Verstand guter Menschen legt und sie in einer ständigen Verträumtheit wandeln lässt. Sie neigen zu allen Arten von wundersamem Aberglauben, unterliegen Trancen und Visionen und sehen häufig seltsame Dinge und hören Musik und Stimmen in der Luft. Die ganze Nachbarschaft strotzt von örtlichen Legenden, Spukgeschichten und Aberglauben im Zwielicht. Sternschnuppen und Meteoriten leuchten öfter über diesem Tal als in jedem anderen Teil des Landes, und der Albtraum, mit seinem ganzen neunfachen Fluch, scheint es zum liebsten Schauplatz seiner Tollerei zu machen.

Der dominante Geist allerdings, der in dieser verhexten Region spukt, und der der oberste Befehlshaber all der Geister in der Luft zu sein scheint, ist die Erscheinung einer kopflosen Gestalt auf einem Pferd. Manche behaupten, es ist der Geist eines hessischen Soldaten, dessen Kopf in irgendeiner namenlosen Schlacht während des Unabhängigkeitskrieges von einer Kanonenkugel fortgerissen wurde, und den die Landbewohner eh und je im Dunkel der Nacht dahinrasen sehen, als flöge er auf den Schwingen des Windes. Sein Spuk ist nicht auf das Tal beschränkt, sondern erstreckt sich zeitweise auch auf die benachbarten Straßen und besonders auf die Nachbarschaft einer Kirche in nicht allzu großer Entfernung. Tatsächlich nehmen einige unter den ernsthaftesten Historikern dieser Gegend, die sorgfältig die bekannten Fakten, die diesen Spuk betreffen, gesammelt und aufgelistet haben, an, dass, nachdem die Leiche dieses Soldaten im Friedhof beerdigt wurde, der Geist auf der nächtlichen Suche nach seinem Kopf zum Schlachtfeld reitet, und dass die rasende Geschwindigkeit, mit der er manchmal wie ein mitternächtlicher Sturm durch das Tal fegt, daran liegt, dass er verspätet ist und sich beeilen muss, um vor Tagesanbruch zurück zum Friedhof zu gelangen.

So ist der übliche Inhalt dieses legendären Aberglaubens, der in dieser Region voller Schatten das Material für viele wilde Geschichten geliefert hat. Und der Geist ist an all den Feuern im Land unter dem Namen der Kopflose Reiter von Sleepy Hollow bekannt.

Es ist bemerkenswert, dass sich der Hang zu Visionen, den ich erwähnte, nicht auf die eingeborenen Bewohner des Tals beschränkt, sondern unbewusst von jedem aufgenommen wird, der dort für eine Weile residiert. Egal, wie hellwach sie auch gewesen sein mochten, ehe sie diese verträumte Region betraten, sie werden mit Sicherheit binnen kurzer Zeit den verhexten Einfluss der Luft einatmen und anfangen, fantasievoll zu werden – Träume zu träumen und Erscheinungen zu sehen.

Ich erwähne diesen friedlichen Ort mit jedem denkbaren Lob, denn es ist in solchen kleinen, abgelegenen holländischen Tälern, die man hier und da im großen Staat New York verteilt findet, so, dass die Bevölkerung und die Sitten und Gebräuche erhalten bleiben, während der große Strom aus Zuwanderung und Verbesserungen, der in anderen Teilen dieses ruhelosen Landes solche gewaltigen Veränderungen hervorruft, unbemerkt an ihnen vorbei rauscht. Sie sind wie diese kleinen Flecken aus stillem Wasser, die an einen schnell fließenden Strom angrenzen, wo wir das Stroh und die Blasen ruhig vor Anker treiben oder sich langsam in ihrem imitierten Hafen drehen sehen können, ungestört vom Rauschen der vorbeitreibenden Strömung. Obwohl viele Jahre verstrichen sind, seit ich in den verträumten Schatten von Sleepy Hollow wandelte, frage ich mich doch, ob ich nicht immer noch dieselben Bäume und dieselben Familien in seinem geschützten Busen leben sehen würde.