4,99 €
Analogkäse, Bananenschoner, Delfintherapie, Extrembügeln, Humanes Brot, Hutradios, Konferenzfahrrad, Lebenserwartungsuhr, Planking, Rattenbabykuchen, Schwimmreifen mit Kurbelantrieb, Schneesturmschutz, USB-Hamsterrad, Weltmaschine, Zungenspaltung - dem menschlichen Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Wissenschaftsautor Felix R. Paturi versammelt in diesem Buch nicht nur das Erstaunlichste, Verrückteste und Blödeste, was die Menschheit je erfunden hat. Sondern erklärt auch, wie die Erfindungen funktionieren - oder eben nicht.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 258
Lübbe Digital
Vollständige E-Book Ausgabe
des in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG erschienenen Werkes
Lübbe Digital in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
Originalausgabe
Copyright © 2013 by Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
Lektorat: Dr. Ines Lauffer, Frankfurt
Umschlaggestaltung: Christiane Hahn
Umschlagmotiv: Collage: Christiane Hahn, Frankfurt
Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-8387-2539-0
Sie finden uns im Internet unter
www.luebbe.de
Bitte beachten Sie auch www.lesejury.de
Was sind Erfindungen und was heißt dämlich?
Den Floh, ein Lexikon der dämlichsten Erfindungen zu schreiben, setzte mir mein alter Freund Dirk ins Ohr. Er (der Floh, nicht Dirk) nistete sich dort aber keineswegs auf Anhieb ein. Es war gleichsam eine Liebe auf den zweiten Biss. Zuerst hielt ich das Sujet für reichlich albern und platt. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto stärker faszinierte es mich.
Nein, dämliche Erfindungen sind keineswegs nur Dinge wie am Fußgelenk befestigte Regenschirmchen für die teuren Pumps oder batteriebetriebene Minischeibenwischer für die Brille. Zum einen verstecken sich schon hinter dem Wort Erfindung weit mehr als nur technische Innovationen. Auch ein Märchen kann man erfinden oder etwa eine neue Strategie, um arglosen Anlegern Geld aus der Tasche zu ziehen. Erfinden lassen sich exotische Sportarten ebenso wie Methoden, alternden Diven das Nervengift Botulinumtoxin ins Gesicht zu injizieren, um ihnen jegliche Mimik zu nehmen. Das Spielfeld ist also sehr weit gesteckt.
Auch hinter dem Wörtchen dämlich verbirgt sich ein ganzes Universum. Hatte doch schon Albert Einstein gesagt: »Zwei Dinge sind grenzenlos– das Universum und die menschliche Dummheit. Bei dem ersteren bin ich mir allerdings nicht so ganz sicher.« Dämlich leitet sich nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, von der Dame (frz. dame) ab, sondern vom mittel- und niederdeutschen Verb dämelen, das so viel bedeutet wie »nicht recht bei Sinnen sein«. Und das ist noch weit mehr als nur dumm. Nicht ganz bei Sinnen sein kann auch ein an sich hochintelligenter Mensch, etwa dann, wenn er die Atombombe erfindet, mit der man Mitmenschen im Ausland zu Hunderttausenden umbringen kann und dabei gleichzeitig ihren Lebensraum so nachhaltig radioaktiv verseucht, dass er sich auch vom kriegerischen Eroberer nicht mehr sinnvoll nutzen lässt.
Demgegenüber ist die Erfindung des Guerilla-Strickens, jener Modeerscheinung, bei der strickwütige Menschen bunte Wollkleider für Verkehrsschilder, Laternenmasten oder ganze Bäume fertigen, in einem ganz anderen Sinne dämlich. Man kann nicht gerade behaupten, dass Menschen, die so etwas tun, nicht ganz bei Sinnen sind, denn sie handeln mit Vorsatz, schaden niemandem und tun nur, was ihnen Freude bereitet oder auch gesellschaftlichen Protest ausdrückt, wovon sie also einen Gewinn haben. Dennoch sind solche Aktionen zumindest auf den ersten Blick recht dämlich, schließlich könnte ein Baum doch auch ohne sein Strickwams überwintern.
Dann ist da aber noch etwas, was nicht unbedingt darauf schließen lässt, dass wir in einer dämlichen Welt leben, in mancher Hinsicht aber in einer wahnsinnigen. 2012 war– zumindest für die USA– ein besonderes Jahr: Erstmals in der Geschichte der Menschheit kamen mehr Soldaten dieser Militärmacht durch Selbstmord ums Leben als bei irgendwelchen Kampfhandlungen. Aber auch weniger lebensbedrohliche Entwicklungen lassen einen am Verstand der Menschheit zweifeln: Weltweit bricht sich seit Jahren lawinenartig eine Art neue Volksseuche Bahn, die der renommierte Neurologe und Psychiater Manfred Spitzer völlig zu Recht digitale Demenz nennt und für die er erschreckende Zukunftsprognosen stellt.
Solche Beobachtungen rufen natürlich Reaktionen hervor, vom scheinbar hilflosen Abwehrmechanismus bis zum gezielten– zum Teil künstlerischen– Aktionismus, der das Skurrile durch Übersteigerung entlarven oder ihm etwa durch naiven esoterischen Unfug entfliehen will. Auch solche Aktionen wirken auf den ersten Blick oft ausgesprochen dämlich, lassen uns dann aber bei genauerem Hinsehen nachdenklich werden oder gar erkennend schaudern, wie etwa der Möbel-Bondage-Expressionismus von Melanie Bonajo. Ganz bewusst habe ich auch solche im Alltagsumfeld erst einmal dämlich wirkenden, auf den zweiten Blick aber eher philosophisch anmutenden Erfindungen in diesem Buch aufgenommen.
Der Bogen spannt sich von harmlosen Albernheiten, die zum Lächeln und Lachen verleiten, bis zu Aktionen, die man nicht anders als psychologische Überkompensation einer übersättigten Gesellschaft beschreiben kann– wie Extrembügeln unter Wasser oder auf einsamen schroffen Bergzinnen–, von moralisch unsauberen, betrügerischen Finanzmanövern bis zu unsinnigen Verzweiflungstaten, etwa der Entwicklung von Roboterbabys, mit denen sich unsichere Eltern auf den Umgang mit dem eigenen Säugling vorbereiten wollen. Kurzum, DasLexikon der dämlichsten Erfindungen spiegelt das ganze Spektrum typisch menschlicher Freud’scher Fehlleistungen wider, im Spaß wie im Ernst, in Freud wie in Leid. Dämliches kann Freude bereiten, es kann traurig machen, es kann töten, kann zur Verzweiflung führen, zum positiven oder auch negativen Lebensinhalt werden, kann heilen und kann einfach eins sein: dämlich! Diese Erkenntnis faszinierte mich, und der Floh hatte sich in meinem Ohr eingenistet. Die Arbeit an diesem Buch vermittelte mir denn auch ein Wechselbad der Gefühle– von kindlicher Freude am sinnfrei Albernen über stille Nachdenklichkeit bis hin zu einer gewissen Traurigkeit über den dämlichen menschlichen Selbstzerstörungstrieb. Wenn der Leser mir auf diesen Pfaden folgen möchte, Pfaden, die tief in die menschliche Seele führen können, erfüllt das Buch seinen Zweck.
A
Amerikanismen
Fremdwörter gab es seit eh und je in der deutschen Sprache. Sie entstammen dem Griechischen, dem Lateinischen, dem Arabischen und Französischen und einem Dutzend anderer Sprachen– und natürlich auch dem Englischen. Das ist ein gesundes Zeichen dafür, dass die deutsche Sprache lebt, sich weiterentwickelt und kulturell mit anderen Kulturkreisen interagiert. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn »Sprachdesigner« kreativ, also erfinderisch am Werke sind und die natürlich gewachsene Sprache gezielt beeinflussen, wobei sie oft selbst nicht wissen, was sie da eigentlich tun. Meist sind es Werbetexter, die potenziellen Kunden so etwas wie Fortschrittlichkeit, Internationalität und innovative Produkte suggerieren wollen. Zu den Sprachdesignern gehören aber auch die großen Verschleierer unserer ökonomisch dominierten Gesellschaft, Industriemanager und Politiker, die sich immer neue Amerikanismen einfallen lassen, um Arbeitnehmern, Steuerzahlern und Wählern Sand in die Augen zu streuen, und etwa einen schlichten Telefonisten einzig auf verbaler Ebene aufwerten: zum Call Center Agent oder zum Engagement Manager (Vertreter). Ein Testbesucher auf Messeständen wird zum Mystery Fair Visitor und ein Lagerist zum Warehouse Distribution Manager.
In den USA, dem Land der unbegrenzten (Un-)Möglichkeiten, mag man sich an solche sprachlichen Überhöhungen gewöhnt haben, aber im Herzen Europas haben sie keine Existenzberechtigung, zumal die meisten Deutsch-Muttersprachler sie ohnehin nicht verstehen. Was ist daran »hip«, wenn der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Nikolaus Schneider, seine Schäfchen mit Luther Activities, Wellness für die Männerseele oder Marriage Weeks zum Glauben führen will? Ist das »Faith for Entertainment« in einer Konsumgesellschaft, die auch vor einer Landeskirche nicht Halt macht?
Von äußerst dämlichem Erfindergeist künden die Amerikanismen in der Werbung. Das betrifft Produktwerbung (sorry: Product Placement) ebenso wie Imagewerbung. Doch was hier Weltläufigkeit vortäuschen soll, geht nicht selten satt in die Hose. Der Werbefachmann Bernd Samland ist sich der Überfrachtung seiner Branche mit Amerikanismen schmerzlich bewusst und führte vor einigen Jahren eine Recherche durch, um festzustellen, wie diese meist albernen US-orientierten Floskeln bei den umworbenen Kunden eigentlich ankommen. Gegenüber dem Spiegel erklärte er selbstironisch das Ziel der Untersuchung so: »In einem Brainstorming-Meeting kamen wir zur Conclusion, die Reception mancher Claims mal zu researchen. Der Approach des Survey war, den Consumer View einem Feedback-Check zu unterziehen, was den Marketing Value mancher Expressions angeht.«
Der Douglas-Slogan suggerierte vielen Kunden, die Parfümeriefachmärkte seien Labyrinthe.
Das Ergebnis der Studie war, dass die meisten Anglizismen von der Mehrheit der über tausend Befragten entweder gar nicht oder völlig falsch verstanden wurden. Hier einige wenige Beispiele aus der Studie:
Come in and find out schrieb die Drogeriemarktkette Douglas einst über ihre Türen. »Kommen Sie herein und finden Sie wieder hinaus«, so verstand das die Mehrzahl der Kunden und amüsierte sich herzlich über diesen idiotischen Werbespruch. Der Werbetexter hätte dieses Desaster voraussehen müssen. Aber die Douglas-Americanizer gaben nicht auf, dämliche Amerikanismen zu erfinden. Zwar haben sie Come in and find out inzwischen gecancelt, dafür umwerben sie heute junge Kundinnen ziemlich dämlich mit Hi Girls, Du bist hip und absolut hot. Immer unterwegs in der City, beim Clubbing oder Flirten.
Noch schlimmer traf es den privaten Fernsehsender SAT.1, der zwischen seinen Filmbeiträgen immer wieder die Eigenwerbung Powered by Emotions einspielte. Was das denn bedeute, wollte das Team um Bernd Samland wissen. Nicht wenige der Befragten übersetzten den Slogan frei mit »Kraft durch Freude!«. Das Dritte Reich lässt grüßen.
Drive alive empfahl Mitsubishi potenziellen Autokäufern. Wörtlich übersetzt versteht das die Mehrzahl der Deutschen als »Fahre lebend«. Eine blöde Empfehlung– wie will man denn als Toter fahren? Oder versprach der Autohersteller gar durch die Blume einen aufregenden Nervenkitzel? »Schauen Sie mal, ob Sie es schaffen, eine Fahrt mit unserem Wagen lebendig zu überstehen!« Auch das wäre ein werbepsychologisches Eigentor.
Und schließlich empfiehlt die Firma Loewe ihren Kunden: Stimulate your Senses!– Ist das eine geheime Aufforderung zur Selbstbefriedigung oder etwa Werbung für psychedelische Drogen?
Sprachpanscherei nennt derart dämliche linguistische Erfindungen Professor Walter Krämer, selbst ernannter Wächter der deutschen Sprache und Gründer des Vereins Deutsche Sprache (VDS). Seit Jahren vergibt dieser Club, dem heute Muttersprachenenthusiasten wie Jürgen von der Lippe, Hape Kerkeling, Reinhard Mey, Nina Ruge, Bastian Sick und Dieter Wedel angehören, den Preis Sprachpanscher des Jahres. Hier sind einige der so Geehrten:
2004– Markus Schächter, Intendant des
ZDF
, der versuchte, durch Einführung öffentlich-rechtlicher Sendeformate wie
Kiddie Contests, Webcam Nights
oder
Nightscreen
einem vermeintlichen Zeitgeist hinterherzulaufen.
2005– Herbert Beck, Direktor des renommierten Frankfurter Städel-Kunstmuseums, der nicht nur den
Goethe-Jump
erfand, sondern auch seine deutschen Gäste zu Events wie
Unfinished Print, Art after Work
mit anschließendem
Get-together
inklusive
Member’s Night
in der
Holbein’s Lounge
einlud und am
Family Day
einen
Art Talk for Families
anbot.
2008– Klaus Wowereit, regierender Bürgermeister von Berlin, der zum Tag der Deutschen Einheit über dem Brandenburger Tor Fahnen mit Texten wie
Power for Peace
– Power for Unity
– Power for Understanding
flattern ließ und im Gegensatz zum ehemaligen
US
-Präsidenten John F. Kennedy, der auf Deutsch ausrief »Ich bin ein Berliner«, die Bürger seiner Stadt aufforderte:
»Be Berlin!«
Alles in allem: Amerikanismen haben sicher dann in der modernen deutschen Sprache ihre Berechtigung, wenn es sich um neue Begriffe handelt, die ganz einfach im englischsprachigen Ausland erfundene oder entwickelte Dinge bezeichnen, wie Transistor oder Laser. Geht es aber darum, Menschen mit (meist frei erfundenen) Neoanglizismen zu überfluten und letztlich zu verdummen, dann ist das reichlich dämlich. Feel the difference!
Sonja Popovic, freie Journalistin mit dem Spezialgebiet Ernährung, stellte für die Website Zehn.de die zehn fiesesten Lebensmittellügen zusammen. Die ersten vier davon sind Käseimitate (sogenannter Analogkäse), Mogelschinken, Formfleisch und Kunstkrebsfleisch. Was versteckt sich dahinter?
Lebensmittelwissenschaftler der Universität Hamburg geben eine klare Definition dafür, was Käse ist: »Käse wird aus Frischmilch (Süßmilch) oder einem Sauermilchprodukt, zum Beispiel Buttermilch, hergestellt und ist ein wichtiges tierisches Lebensmittel.– Führt man der Milch Lab, Mikroorganismen und Säure zu, erhält man das fetthaltige Milcheiweiß. Dieses Milcheiweiß, auch Bruch genannt, kann frisch als Frischkäse wie Mozzarella und Rahmfrischkäse gegessen werden. Legt man den Bruch in Salzlauge und lässt ihn längere Zeit reifen, so erhält man Schnitt- und Hartkäse. Zur Herstellung von Edelpilzkäse, Brie und Camembert werden der Käsemasse zusätzlich Schimmelkulturen zugesetzt.« Wer nun aber in einem Supermarkt Käse kauft, vor allem aber wer in einem Restaurant Käsepizzas, Käsestangen, Toasts, Käsebaguettes, ein mit Käse überbackenes Soufflé oder Ähnliches verzehrt, wird nicht selten sagen müssen »so’n Käse!«, denn was ihm da als Käse aufgetischt wird, ist in Wirklichkeit gar kein solcher, sondern ein künstliches Gemenge aus in Wasser emulgierten gesättigten Pflanzenfetten, pflanzlichem Eiweiß und künstlichen Aromastoffen.
Analogkäse nennt der Fachmann solche klebrigen Massen pseudowissenschaftlich. Unter einem análogon verstanden die alten Griechen ursprünglich etwas Proportionales, etwas, das im gleichen Verhältnis mit etwas anderem steht. Heute bezeichnen wir auch einen ähnlichen Gegenstand mit diesem Wort. Aber der Analogkäse ähnelt einem wirklichen Käse allenfalls grob im Aussehen und im Schmelzverhalten beim Überbacken. Geschmacklich kommt er kaum an einen faden Billigmozzarella heran. Um das tatsächliche Verhältnis beider Produkte zu beschreiben, sollte man deshalb analog besser als »Anna log« übersetzen.
Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kommentiert deshalb völlig zu Recht: »Der Aufschrei über solche Zustände kann gar nicht laut genug sein! Da werden Verbraucher hinters Licht geführt und die Milchbauern ausgebootet, sodass deren Erlöse weiter sinken.«
Untersuchen wir den Analogkäse und seine Vermarktung etwas genauer. Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter (CVUA) in Baden-Württemberg, die regelmäßig Proben aus Gastronomie und Handel auf Fälschungen hin untersuchen, hielten für das Jahr 2006 fest, dass 23 Prozent aller Käsegerichte mit Mogelkäse zubereitet waren; vor allem Liebhaber des griechischen Salats dürften statt echtem Feta in 18 Prozent der Fälle ein Imitat gegessen haben, dessen Zusammensetzung von einem Schaf ungefähr so weit entfernt ist wie ein echtes Huhn von seinem Latexbruder auf der Bühne. An diesen Kunstprodukten wurde weder jemals ein Schaf vorbeigetrieben, noch handelt es sich dabei überhaupt um Käse. Immerhin 23 Prozent aller in Gaststätten und Imbissstuben verkauften »Käsegerichte« waren im Berichtszeitraum mit solchem Mogel»käse« zubereitet. Und daran hat sich trotz vielfältiger Kritik bis heute nicht viel geändert.
Feta, Schafs- und andere Weichkäse bezeichnet der Fachmann als weiße Käsesorten. Neben ihnen gibt es die gelben wie Gouda oder Pizzamix. Bei ihnen sieht es etwas günstiger aus. Der Kunde wird nur in 11 Prozent aller Fälle übers Ohr gehauen. Doch auch das ist Betrug. Schließlich gibt es aber auch hier so etwas wie Halbwahrheiten, Produkte, die neben dem Kunstkäse auch einen mehr oder weniger großen Anteil an richtigem Käse enthalten. Bezieht man diese Mogelprodukte mit in die Statistik ein, dann ergibt die traurige Bilanz, dass sie in Gaststätten und Imbissstuben rund 45 Prozent aller sogenannten Käsespeisen ausmachen.
Nicht alles, was wie Käse aussieht, ist auch solcher.
Ob der Kunde hier nur zum Narren gehalten wird oder ob ihm auch gesundheitlicher Nachteil erwächst, darum streiten sich die Geister. Die Lebensmittelindustrie jedenfalls meint, alles sei im grünen Bereich. Der Infodienst Landwirtschaft in Schwäbisch Gmünd sieht das differenzierter:
Dass Mogelschinken und Formfleisch auf den Plätzen zwei und drei der fiesesten Lebensmittellügen gelandet sind, haben sie eigentlich nicht verdient. Auch ihnen würde der erste Platz gebühren. Was da in Supermarktregalen als Kochschinken, Schnitzel, feiner Putenschinken oder etwa auch Chicken Nuggets firmiert, ist es oft gar nicht. Stattdessen handelt es sich um Schlachthausabfälle, die fein gewalkt, zerstückelt und getumbelt (also in einer Maschine durcheinandergewirbelt) werden, bis der Eiweißsaft austritt. Der wird dann mit Pökelsalz, Fermenten wie Transglutaminase und oft auch Stärkegel versetzt und anschließend als Kleber verwendet, mit dem die breiige Fleischabfallmasse wieder zusammengeleimt wird. Zugegeben: Das Produkt wirkt täuschend echt, besonders, wenn es danach in die berühmten hauchfeinen Schinkenscheiben zerschnitten wird. Dass diese dann auch noch relativ stabil sind, also wie gewachsenes Fleisch wirken, verdanken sie der Tatsache, dass während der Herstellung durch Pressen und Gefrieren die Eiweiß-Salz-Fermentpampe zum Gerinnen gebracht wird. Sollte das Klebefleisch am Ende nicht ganz der gewünschten Geschmacksrichtung entsprechen, keine Sorge, dann versetzt es der Hersteller noch meist mit künstlichen Gewürz- und Aromastoffen. Guten Appetit!
Übertroffen wird das alles nur noch durch Surimi. Das klingt japanisch und suggeriert Gesundheit, denn jedes Kind weiß hierzulande, dass viele Japaner uralt werden, weil sie so viel Fisch und andere Meerestiere essen, zum Beispiel Sushimi, was ja ganz ähnlich klingt. Surimi, so macht uns der Handel weis, sei Krebsfleisch. Ist es aber nicht. Fabriziert wird es so: Man nehme beliebige Fischreste, wie sie bei der Produktion von Fischstäbchen oder Filets anfallen, zermahle sie und wasche aus dem Brei anschließend die Eiweißbestandteile heraus. Die werden dann entwässert und mit Bindemittel, Gewürzen und künstlichen Aromen vermengt und anschließend in Stangen oder auch fantasievolle Formen wie die kleiner Körper toter Garnelen, Krabben oder Hummer gepresst, in denen sie– man denkt unwillkürlich an Kunststoffe– aushärten. Ach so: Zuvor wurde die blasse, fast rein weiße Masse noch schön rosa eingefärbt, damit die Illusion kleiner Meereskrebse noch etwas perfekter ist. Über den Gesundheitswert mancher synthetischer Lebensmittelfarbstoffe lässt sich hitzig diskutieren. Und neuerdings kommen recycelte Fischabfälle, industriell kunstvoll umgeformt, sogar als panierte Tintenfischringe auf den Markt!
Die Wurzeln einer skurrilen britischen Erfindung aus dem Jahr 1938 reichen bis 1914 zurück. Damals kamen französische Militärs auf die glorreiche Idee, deutsche Soldaten mit dem Tränengas Xylylbromid zu vertreiben, das die Pariser Polizei entwickelt hatte. Giftig war es nicht, aber es bewährte sich als aggressives Reizgas. Wir wollen euch ja nicht gleich umbringen, nur ein wenig reizen, war eine Devise, auf die sich alle Parteien des Ersten Weltkriegs in Den Haag geeinigt hatten. Damit war Frankreich gegenüber Deutschland zunächst im Vorteil. Denn die Truppen des Deutschen Reichs konnten nicht »zurückreizen«, sie verfügten nicht über die geeigneten Rohstoffe zur Reizgaserzeugung. Aber Not macht erfinderisch. Schon ein Jahr später, bei der Schlacht von Ypern in Flandern, gasten auch die deutschen Soldaten– und zwar mit dem tödlichen Chlorgas, das in großen Mengen als Abfallprodukt der Industrie anfiel. Nach der Haager Landkriegsordnung war Giftgas zwar verboten, aber das Reichskriegsministerium deklarierte Chlorgas kurzerhand zum Reizgas um. Bis zum Waffenstillstand von 1918 kam es in Tausenden Tonnen zum Einsatz. Das war die Geburt der chemischen Kriegsführung.
Mutterliebe im Krieg: Der grabesschwarze und gasdichte Kinderwagen macht’s möglich.
Als sich nun Ende der 1930er-Jahre ein neuer Krieg über Europa zusammenbraute, fürchtete man sich in vielen Ländern natürlich vor einer Neuauflage der Kampfgasangriffe. Die Gasmasken, die in aller Eile schon im Ersten Weltkrieg entwickelt wurden, waren inzwischen sichtlich verbessert und in manchen Ländern auch an die Zivilbevölkerung ausgegeben worden. So weit, so gut. Aber konnte man so eine Maske auch einem Baby über das Gesichtchen stülpen?– Wohl kaum. Das brachte einen findigen Briten auf die Idee, einen kampfgasdichten Kinderwagen zu konstruieren. Eine wahrhaft dämliche Erfindung. Stellen Sie sich einmal vor, Mami möchte mit ihrem Kleinen einen Ausflug an die frische Luft machen oder es vielleicht zum Einkaufen mitnehmen. Warum sonst sollte man ein Baby in einer schwarzen Kiste auf Rädern durch die Straßen schieben? Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt gerade keinen Gasangriff oder der Feind bläst Chlorgas oder Schlimmeres durch die Straßen. Im ersten Fall ist es reichlich sinnlos, das Baby in einer kindersargartigen geschlossenen Kiste zu transportieren, im zweiten fragt es sich, warum man mit ihm überhaupt einen Ausflug unternimmt. Aber wenn man es schon tut, dann sollte man sich wohl besser nicht in die Lage des Kleinen hineinversetzen.
Alarmsirenen heulen ohrenbetäubend und warnen vor dem Angriff. Da nimmt Mami ihr verstörtes Baby aus dem Bettchen und verfrachtet es in eine schwarze Holzbox. Das Kind wehrt sich, strampelt mit Armen und Beinen und schreit. Aber das hilft ihm nichts. Klatsch klappt Mami den Deckel zu. Das ohnehin gestresste Kleine entwickelt Panik, leidet unter Klaustrophobie. Es will nur eines: raus. Das geht aber nicht, denn Mami hat das leichenwagenartige Gefährt bereits auf die Straße geschoben, mitten hinein in die Kampfgaswolke. Irgendeine Kommunikation mit dem Baby ist nicht mehr möglich. Es jammert, strampelt und schreit sich die Seele aus dem Leib, und es fühlt sich lebendig begraben. Es macht sich vor Angst in die Hose, und in der engen Kiste beginnt es erbärmlich zu stinken. Eine Lüftung hat sie schließlich nicht, nur eine Art kleinen Kamin am Fußende, in dem ein Gasfilter eingebaut ist. Durch das winzige Glasfensterchen sieht das Kind direkt nach oben und erspäht allenfalls gelegentlich einen Kampfflieger am Himmel. Beugt sich tatsächlich Mami einmal über die Scheibe, bekommt das Baby den nächsten Schrecken. Ein Monster mit einer Gasmaske starrt es an. Welch grandiose Erfindung, dieser Kampfgas-Kinderwagen, der den Ausflug an der »frischen Luft« mit einem kleinen Horrorspaziergang verbindet!
1944, wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde der deutsche Chemiker Otto Hahn mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet, den er dann nach Kriegsende im Jahre 1946 in Empfang nehmen durfte. Die hohe Auszeichnung galt der Entdeckung der Kernspaltung. Diese hatte reichlich unspektakulär am 17. Dezember 1938 Fritz Straßmann, ein Assistent Hahns, im Labor ausgelöst, aber weder Hahn als Chemiker noch der Ingenieur Straßmann konnten wirklich verstehen, was sie da beobachteten. Hahn berichtete seiner langjährigen Mitarbeiterin, der Physikerin Lise Meitner, über das Experiment und schrieb ihr, da sei wohl ein Urankern in mittelschwere Atomkerne »zerplatzt«. Lise Meitner arbeitete zu dieser Zeit nicht mehr mit Hahn zusammen. Unter dem Druck der Judenverfolgung im Dritten Reich hatte sie, selbst Jüdin, die deutsche Staatsbürgerschaft verloren und war bereits im Juli illegal nach Schweden geflohen. Als Otto Hahns Schreiben bei ihr einging, hatte sie gerade Besuch von ihrem Neffen Otto Frisch, der in Dänemark mit Niels Bohr zusammenarbeitete. Meitner und Frisch begriffen sofort, was Hahn und Straßmann da Bedeutendes entdeckt hatten, und waren sich als Nuklearphysiker auch der gigantischen Energiemengen bewusst, die man durch Kernspaltung freisetzen konnte.
Hören Politiker und vor allem Militärs von potenziellen gigantischen Energiequellen, denken sie oft reflexartig an Kaputtmachen, an Krieg, an Bomben. Einer der Ersten, die in diese Richtung dachten, war der Führer des Deutschen Reichs, dem eine neue »Superwaffe« zu dieser Zeit gut ins Konzept gepasst hätte. Doch es kam anders. Albert Einstein, bereits 1933 nach Hitlers Machtergreifung in die USA emigriert, roch den Braten und bekniete schon im August 1939 zusammen mit seinem Physikerkollegen Leó Szilárd den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt in einem Brief, so schnell wie möglich und unbedingt vor Deutschland eine Atombombe zu entwickeln.
Atombombentest in der Wüste von Nevada: So lasst uns denn unsere eigenen Soldaten verstrahlen!
Als Hahn von den Bombenbastelplänen diesseits und jenseits des großen Teichs erfuhr, packte ihn ebenso nacktes Entsetzen wie damals Alfred Nobel, als dieser erkannte, was Militärs mit dem von ihm erfundenen Dynamit alles in die Luft jagten. Er hatte daraufhin den Nobelpreis für friedliche Nutzung der Wissenschaften ins Leben gerufen, denn er wollte das Geld, das er mit seinem Dynamit in Mengen verdiente, pazifistisch verwenden. Es erscheint wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass dann justament zwei Nobelpreisträger, Hahn und Einstein– beide erklärte Pazifisten!–, an der Wiege der Atombombe stehen sollten.
Roosevelt nahm Einsteins Petition ernst und ließ die fatale Bombe bauen. Wie töricht das war, sollte sich indes erst viel später zeigen. Zunächst glaubten selbst Physiker reichlich naiv, Kernexplosionen seien in ihrer Wirkung kaum etwas anderes als TNT-Explosionen (wie sie gerne von Selbstmordattentätern verwendet werden), nur in der Dimension verheerender. Dass sie nicht nur auf Knopfdruck Hunderttausende Menschen töten, sondern darüber hinaus das bombardierte Areal auch noch radioaktiv total verseuchen, blieb zunächst unerkannt– ebenso wie die Tatsache, dass noch Jahre und Jahrzehnte später die betroffenen Menschen wegen der Strahlenbelastung an Krebs dahinsiechen oder Kinder mit Missbildungen und Genschäden auf die Welt bringen. Und so ging die Welt, allen voran die USA, mit dieser satanischen Erfindung um.
Wie viele Atombomben aber tatächlich bereits gezündet wurden, ist den wenigsten Menschen bewusst. Fragen Sie mal irgendjemanden auf der Straße, meist bekommen Sie als Antwort: »Soweit ich weiß zwei; die Amerikaner haben sie über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Und dann gab es da wohl noch eine Reihe unterirdischer Kernwaffenversuche in Wüsten der USA.« Aber so »harmlos« war es keineswegs: Seit 1945 explodierten weltweit mehr als 2000 Atombomben, die meisten davon überirdisch. Mehr als 1000 davon gehen auf das Konto der USA.
Eine US-Mega-Atombombe verseucht das Eniwetok-Atoll im Pazifischen Ozean.
Schon immer war die eigene Regierung der größte Feind des US-amerikanischen Volkes, vor allem das Pentagon und die Geheimdienste. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben US-Präsidenten über 100 Kriege in vielen Ländern der Welt angezettelt. Immer starben dabei Hunderte bis Zehntausende »Ausländer«. Aber in all diesen Kriegen kamen auch GIs ums Leben. Eigentor, würden Fußballfans sagen. Das größte Eigentor des US-Militärs waren indes die Atombombenabwürfe im eigenen Land. Über Japan hatte die US-Regierung zwei vergleichsweise kleine Atombomben zünden lassen. Dabei kamen in Hiroshima 140 000 Menschen ums Leben, in Nagasaki 76 000. Diese beiden Bomben waren mit Sprengkräften, die 13 bzw. 20 Kilotonnen TNT-Sprengstoff entsprechen, noch relativ klein. Zwischen 1945 und 1963 explodierten allein in den Wüstenregionen des US-Bundesstaats Nevada mehr als 1000 Atombomben. Auch in anderen US-Regionen wie auf den Marshallinseln südwestlich von Hawaii und an weiteren Orten im Pazifik ließ die US-Regierung nukleare Bomben zünden, mit Sprengkräften bis zu 500 000 Kilotonnen TNT. Zu den reinen Kernspaltungsbomben kamen ab 1952 Kernfusionsbomben (Wasserstoffbomben) mit noch weitaus höherer Explosivkraft. Die reichlich unbedarften Väter all dieser Nukleartests und ihre Soldaten standen nicht selten recht nah und in Sichtweite vom Ort des Geschehens ohne jeglichen Strahlenschutz und bewunderten ihre explodierenden nuklearen »Kinder«– nicht ahnend, welche gesundheitlichen Spätschäden sie damit vorprogrammierten.
Als man schließlich merkte, was man da im eigenen Land angestellt hatte, versuchte man sich in Schadensbegrenzung. Wohin mit den Unmengen stark radioaktiven Mülls, der da offen in Nevada herumliegt? Die US-Regierung sah die Lösung in einem etwa 10 km langen Bergrücken, dem Yucca Mountain. In rund zwei Jahrzehnte langer Arbeit schafften es Bergbauspezialisten, ihn auszuhöhlen, um Platz für über 70 000 Tonnen radioaktiver Abfälle (unter anderem auch für solche aus Kernkraftwerken) zu schaffen. Dann, 2009, kam das Aus: Geologen fanden heraus, dass das Bergmassiv genau über einem Erdbebenherd liegt. Bis heute ist das Nuklearmüllproblem ungelöst. Massive Atomkriegsschäden im eigenen Land!
Was da in den USA geschah, hatte Vorbildcharakter; denn was der große Bruder macht, kann nicht schlecht sein, zumal wenn es sich um Kriegsvorbereitungen im Maßstab eines globalen Overkills handelt. So zündete die Sowjetunion oberirdisch 718 Nuklearbomben, darunter die größte aller Zeiten auf der Halbinsel Nowaja Semlja (sie entsprach 50–58 Megatonnen TNT), Frankreich 198 und Großbritannien und China je 45. Frankreich zündete unter anderem eine Atombombe, die mit 70 Kilotonnen TNT Sprengkraft viermal so stark war wie jene von Hiroshima, rund 50 km südlich der Oasenstadt Reggane und nur 20 km vom Ort Hamoudia entfernt im Herzen Algeriens.
Seit 1963 sind atmosphärische Kernwaffenversuche zwar international verboten, aber der nukleare Rüstungswahn geht unbeirrt weiter. Allein die USA und Russland verfügen heute über ein Atomwaffenarsenal, das ausreichen würde, um rund 100Milliarden Menschen umzubringen. Overkill nennt man diesen Wahnsinn ganz schlicht bei einer Weltbevölkerung von derzeit sieben Milliarden Menschen.
B
Bad Banks
Hugo Meier ist eigentlich ein naives Würstchen. Eigeninitiative ist ihm fremd, und so hat er es auch von sich aus noch nie zu etwas gebracht. Aber er hat eine anspruchsvolle Ehefrau. Die will ein eigenes Haus mit Garten und drängt Hugo, zwecks Finanzierung einen Bankkundenberater zu konsultieren. Der meint, 500000 Euro seien locker drin, wenn Herr Meier rund 30 Prozent davon als Eigenkapital nachweisen könne. Kann er aber nicht. »Macht nichts«, meint der Banker, »Sie haben doch einen alten Geräteschuppen gepachtet, in dem Sie eine kleine, aber aufstrebende Schreinerei betreiben.« »Aufstrebend würde ich das nicht nennen«, entgegnet Hugo, »mir fehlen Aufträge.« »Macht auch nichts«, kontert der Finanzberater, »dann werden wir Ihr Unternehmen erst mal sanieren. Ich denke da auch schon an einen potenten Investor. Geld muss ja zunächst noch keines fließen, aber jemand winkt damit. Und wenn das so ist, dann bewerten wir Ihre Firma neu. Der Firmenwert reicht dann als Sicherheit für den Eigenkapitalanteil Ihrer Villa.« Gesagt, getan. Frau Meier ist zufrieden. Herr Meier hat schlaflose Nächte. Aber er wohnt jetzt in einem schönen eigenen Edelbungalow. Das verleiht ein gewisses Selbstwertgefühl. »Weißt du«, hat seine Frau eine Idee, »das hat so gut geklappt. Wir bauen jetzt noch ein Mehrfamilienhaus dazu. Den Kredit bekommen wir schon irgendwie, wir können ja nachweisen, dass wir in Finanzgeschäften erfolgreich sind. Irgendein Spekulant gibt uns gegen ein kleines Zinsversprechen sicher eine Bürgschaft. Das Mehrfamilienhaus vermieten wir dann gewinnbringend.«
Good Banks und Bad Banks: Dr. Jekyll and Mister Hyde.
Lassen Sie mich das weitere Geschehen in kurzen Worten zusammenfassen: Nach einigen Jahren nannten die Meiers eine Baugesellschaft ihr Eigen, die errichtete ganze Siedlungsanlagen, erstellte Hotelneubauten auf Mittelmeerinseln und stampfte Bürohäuser aus dem Erdboden. Der kleine Bankkundenberater, der an der Wiege ihres Imperiums gestanden hatte, war in der Hierarchie seines Kreditinstituts aufgestiegen und saß jetzt als Ressort-Direktor in der Zentrale. Schließlich hatte er seiner Firma zu erheblichen Zinsgewinnen verholfen und selbst dafür hohe Boni eingestrichen. Ihm gefiel dieses Geschäftsmodell und er wiederholte es mit anderen Kunden, die freilich nicht alle von sich aus zu ihm kamen. Er warb gezielt um sie: »Brauchen Sie Geld?– Wir geben es Ihnen.«
Das Modell machte andere Bankhäuser neidisch und sie kopierten es. Schließlich fasste man alle Finanzmanipulationen dieser Art zu einem neuen Finanzprodukt zusammen und nannte es James Bonds– James, weil der Bankkundenberater Jakob hieß, und Bonds, weil es sich um gut verzinste Anleihen handelte. Die James Bonds gingen an die Börse und wurden zum Umsatzrenner.
Eines Tages aber kam das große Erwachen. Die ersten Kreditlaufzeiten gingen dem Ende zu und die Banken forderten das ausgeliehene Kapital zurück. Das konnten aber weder das Ehepaar Meier noch andere Bankkunden leisten. Sie hatten kein Geld, zumal der Großteil ihrer Mieteinnahmen als Kapitalzinsen an die Banken geflossen waren. Die Häuslebauer waren samt und sonders bankrott. Zwar hatten die Banken jahrelang Zinsen eingestrichen, doch die hatten sie großzügig unter ihre Führungskräfte verteilt. In ihren Büchern klafften jetzt milliardengroße Löcher, zumal die dubiosen Immobilienkredite beileibe nicht ihre einzigen gigantischen Fehlspekulationen waren. Den Finanzlöchern standen nur noch wertlose Schuldverschreibungen gegenüber, Lotterie-Nieten sozusagen. Die Banken sahen sich vor dem buchhalterischen Ruin. Eigentlich waren sie nicht einmal bankrott, ihnen fehlten nur die Gelder, weitere Kredite auszugeben und Spekulationen einzugehen, und darin sahen sie schließlich ihr Geschäft. Also waren sie eher handlungsunfähig als mittellos. Und deshalb brauchten sie Geld. Sehr viel Geld.
Wie Kinder, die ihr Taschengeld verschleudert haben, ihre Eltern anbetteln, so antichambrierten die Bankdirektoren jetzt bei Väterchen Staat. In Amerika wurde dann auch ein besonders dämlicher– für die angeschlagenen Banken allerdings hilfreicher– Vorschlag gemacht: Der Staat kauft eure Schuldscheine, denn sie schaden euch ja, sie vergiften euch regelrecht. Deshalb nennen wir sie Toxic Papers. Nun kann der Staat als solcher aber keinen Finanzschrott erwerben, das wäre schließlich Betrug an den Steuerzahlern, deren Gelder er für wertlose Papiere verschwendet. Also gründet der Staat Bad Banks, die den eigentlichen schlechten Banken dazu verhelfen sollen, wieder gute Banken zu werden. Einzige Aufgabe der Bad Banks ist es, wertlose Papiere zu horrenden Preisen aufzukaufen, und dabei geht es um Unsummen. Allein zehn betroffene Banken in Deutschland könnten zusammen Schuldpapiere in Höhe von über einer Billion Euro in einer Bad Bank abladen.
Auf diese Weise aber ist der Coup auf einmal juristisch einwandfrei. Denn die verschwendeten Steuermilliarden erzielen