11,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 19,99 €
SPIEGEL-Bestseller #1: Der inspirierende Folgeband des Weltbestsellers »Becoming« von der ehemaligen First Lady Michelle Obama
Es gibt womöglich keine einfachen Lösungen für die großen Herausforderungen, vor die wir im Laufe des Lebens gestellt werden. Michelle Obama ist jedoch überzeugt, dass wir mit einigen praktischen Hilfsmitteln auch durch die größten Veränderungen im Leben sicher navigieren können. In »Das Licht in uns« geht sie mit ihren Leserinnen und Lesern ins Gespräch und adressiert jene Fragen, mit denen die meisten von uns regelmäßig zu kämpfen haben: Wie gelingen stabile und aufrichtige Beziehungen? Wie können wir auch in Konflikten Kraft und Gemeinsamkeiten finden? Welche Werkzeuge stehen uns zur Verfügung, um Selbstzweifel und Hilflosigkeit auszudrücken? Was können wir tun, wenn auf einmal alles zu viel wird?
Mutmachende Geschichten und inspirierende Gedanken zeigen uns, wie Michelle Obama über Veränderung und Herausforderungen denkt und über das, was in unserer Macht liegt. Es ist ihr fester Glaube, dass wir den Reichtum und das Potential unserer Welt zum Leuchten bringen, wenn wir von innen heraus strahlen und anderen Menschen unser Licht schenken. So können wir tiefer liegende Wahrheit erkennen und neue Wege für uns entdecken. In ihrer Rolle als Mutter, Tochter, Ehefrau, Freundin und First Lady teilt sie mit uns die Grund- und Glaubenssätze, die ihr geholfen haben, selbst die schwierigsten Hindernisse im Leben zu überwinden und immer weiter zu wachsen. Sie erläutert wertvolle Praktiken wie Höflichkeit, Mut zur Größe und das Versammeln von Freunden und Mentoren um den eigenen Küchentisch. Mit ihrem unverwechselbaren Humor, ihrer Aufrichtigkeit und ihrem Mitgefühl erkundet sie Themen wie Herkunft, Geschlecht und Sichtbarkeit und ermutigt ihre Leser*innen, Angst zu bezwingen, Stärke in der Gemeinschaft zu finden und ein mutiges Leben zu führen.
»Wenn wir unser inneres Licht entdecken, finden wir auch die Kraft, es zu nutzen«, schreibt Michelle Obama. Eine bereichernde Lektüre mit beeindruckenden Geschichten sowie klugem Rat und Wissen, die wertvolle Gespräche anstoßen wird. »Das Licht in uns« soll alle Leser*innen inspirieren, über ihr Leben zu reflektieren, den Quell ihrer inneren Freude zu finden und sich in diesen stürmischen Zeiten miteinander zu verbinden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Buch
Wie können wir in Zeiten von Pandemien und globalen wie persönlichen Krisen stark bleiben? Einfache Lösungen oder schnelle Antworten auf die großen Herausforderungen des Lebens mag es zwar keine geben, doch Michelle Obama ist davon überzeugt, dass wir alle eine Reihe von Fähigkeiten in uns finden können, um große Probleme besser zu bewältigen. Mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen gibt uns die ehemalige First Lady der USA Einblicke, wie sie es schafft, ausgeglichen und stark zu bleiben – für sich, ihre Familie und Freunde.
Spätestens seit ihrem sensationellen Welterfolg »BECOMING. Meine Geschichte« gehört Michelle Obama zu den bekanntesten und gefragtesten Persönlichkeiten unserer Zeit.
In ihrer mitreißenden Art erzählt sie in ihrem neuen Buch von den neuen Herausforderungen, die in den vergangenen Jahren in unser Leben getreten sind: von der Covid-19-Pandemie, den Folgen der Klimakrise und weltweiten politischen Unruhen. Ein besonderes Anliegen sind ihr dabei die zahlreichen Fragen, die ihr von Menschen aus der ganzen Welt in den letzten Jahren gestellt wurden:
Wie kann ich meinen Kindern einen optimistischen Blick auf die Zukunft vermitteln?
Was kann ich tun, um einen Beitrag zu leisten?
Wie kann man als Familie zusammenhalten?
Dabei gewährt die ehemalige First Lady der USA einen persönlichen Einblick in ihr Leben und zeigt, mit welchen kraftvollen Strategien sie inmitten unserer heutigen höchst unsicheren Welt immer wieder Sicherheit und Halt finden konnte.
Autorin
Michelle Obama war von 2009 bis 2017 First Lady der Vereinigten Staaten. Die Absolventin der Princeton University und der Harvard Law School begann ihre Karriere als Anwältin in der Chicagoer Anwaltskanzlei Sidley & Austin, wo sie ihren späteren Ehemann Barack Obama kennenlernte. Danach arbeitete sie im Büro des Bürgermeisters von Chicago, an der Universität von Chicago und am University of Chicago Medical Center. Michelle Obama gründete auch den Chicagoer Ortsverband von Public Allies, einer Organisation, die junge Menschen auf eine Laufbahn im öffentlichen Dienst vorbereitet. Sie ist die Autorin des weltweiten Bestsellers »Becoming«. Die Obamas leben derzeit in Washington D.C. und haben zwei Töchter, Malia und Sasha.
michelleobamabooks.com
Michelle Obama
Halt finden in unsicheren Zeiten
Aus dem amerikanischen Englisch von Astrid Gravert, Norbert Juraschitz, Frank Lachmann, Sabine Reinhardus
Die Originalausgabe erscheint zeitgleich unter dem Titel »The Light We Carry« im Verlag Crown Publishing, New York.
Die Namen einiger Personen in diesem Buch sind geändert, um ihre Persönlichkeitsrechte zu schützen.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten,
so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung,
da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf
deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2022 by Michelle Obama.
Copyright © 2022 der Originalausgabe by Crown Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC, New York
Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Der Goldmann Verlag bedankt sich beim Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg, für die freundliche Genehmigung der Nutzung der Übersetzung von Kübra Gümüşay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Strätling des Gedichts »The Hill We Climb – Den Hügel hinauf« von Amanda Gorman (S. 285)
Covergestaltung: UNO Werbeagentur, München, nach einem Design von Christopher Brand und unter Verwendung eines Fotos von Miller Mobley
Lektorat: Jacob Thomas ∙ Redaktion: Antje Steinhäuser
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
JT ∙ Herstellung: han
ISBN 978-3-641-30451-5V002
www.goldmann-verlag.de
Für all jene, die ihr Licht einsetzen,
damit andere sich gesehen fühlen.
Dieses Buch ist meiner Mutter und meinem Vater gewidmet, Marian und Fraser. Sie haben mir jene Werte vermittelt, mit deren Hilfe ich durch die Welt und durch mein Leben navigiere. Ihr gesunder Menschenverstand machte unser Zuhause zu einem Ort, an dem ich mich gesehen und gehört fühlte und zu dem Menschen wurde, der ich werden wollte. Sie waren immer für mich da, und ihre bedingungslose Liebe hat mir gezeigt, dass meine Stimme schon von klein auf zählte. Ich bin ihnen so dankbar, dass sie mein Licht entzündet haben.
Einer in deiner Ahnenreihe war ein Störenfried,
Aber Hunderte waren es nicht:
Die Bösen siegen nicht – nicht endgültig
Ganz gleich, wie viel Lärm sie machen.
Wir wären einfach nicht hier,
wenn es so wäre.
Im Grunde bestehst du aus dem Guten.
Wenn du das weißt, verlierst du nie den Glauben an dich.
Du bist die Eilmeldung des Jahrhunderts.
Du bist das Gute, das sich zeigt.
Trotz aller Widrigkeiten, selbst wenn viele Tage
Sich nicht so anfühlen.
If someone in your family tree was trouble,
A hundred were not:
The bad do not win – not finally
No matter how loud they are
We simply would not be here
If that were so
You are made, fundamentally, from the good
With this knowledge, you never march alone.
You are the breaking news of the century.
You are the good who has come forward.
Through it all, even if so many days
Feel otherwise.
Alberto Ríos,
Aus: A House Called Tomorrow[1]
Einführung
Teil 1
1Die Kraft des Kleinen
2Angst entschlüsseln
3Zugewandt von Anfang an
4Werde ich gesehen?
Teil 2
5Mein Küchentisch
6Gute Partnerschaft
7Darf ich vorstellen, meine Mutter
Teil 3
8Wir alle zusammen
9Der Schutzpanzer, den wir tragen
10Sich von seiner besten Seite zeigen
Danksagung
Hilfreiche Anlaufstellen
Anmerkungen
Mein Dad hilft mir, mich an einem heißen Sommertag in der South Side von Chicago abzukühlen.
Mit freundlicher Genehmigung des Obama-Robinson Family Archive
Eines Tages, ich war noch klein, begann mein Vater, beim Gehen einen Stock zu benutzen. Ich weiß nicht mehr genau, wann dieses Hilfsmittel zum ersten Mal bei uns zu Hause, in der South Side von Chicago, auftauchte – ich muss so etwa fünf Jahre alt gewesen sein –, aber es war plötzlich da, schlank, stabil und aus glattem, dunklem Holz. Der Stock war ein erstes Zugeständnis an die Krankheit, Multiple Sklerose, die bei meinem Vater ein ausgeprägtes Hinken auf dem linken Bein verursachte. Langsam und still und wahrscheinlich lange bevor die Krankheit diagnostiziert wurde, untergrub die Nervenerkrankung seine körperliche Unversehrtheit, fraß sich durch sein zentrales Nervensystem und schwächte seine Beine, während er den täglichen Aufgaben nachging: Er arbeitete in der Wasseraufbereitungsanlage der Stadt Chicago, führte den Haushalt zusammen mit meiner Mutter und versuchte, gute Kinder zu erziehen.
Mit dem Stock war es für meinen Vater einfacher, die Treppen zu unserem Apartment zu bewältigen oder spazieren zu gehen. Abends stellte er den Stock an der Lehne seines Sessels ab und vergaß ihn vollkommen, während er das Sportprogramm im Fernsehen verfolgte, sich Jazzmusik auf der Stereoanlage anhörte oder mich auf seinen Schoß zog und wissen wollte, wie mein Tag in der Schule gewesen sei. Der geschwungene Griff des Stocks, die Gummispitze an seinem Ende, das hohle Klackern, wenn er umfiel, all das faszinierte mich. Manchmal nahm ich den Stock und versuchte, die Bewegungen meines Vaters nachzuahmen, während ich im Wohnzimmer herumhumpelte und hoffte, irgendwie nachzuempfinden, wie das für ihn sein musste. Aber ich war noch zu klein und der Stock zu groß, daher baute ich ihn schnell als Requisite in meine Fantasiespiele ein.
Niemand in unserer Familie maß diesem Stock eine symbolische Bedeutung bei. Er war einfach ein Mittel zum Zweck, eine Art Werkzeug, wie die Gummispachtel meiner Mutter in der Küche oder der Hammer meines Großvaters, den er mitbrachte, wenn er zu uns herüberkam und ein kaputtes Regal oder die ausgerissene Befestigung der Vorhangstange reparierte. Der Stock war etwas Nützliches, etwas Schützendes, auf das man sich bei Bedarf stützen konnte.
Was wir allerdings allesamt nicht sehen wollten, war die Tatsache, dass sich der Zustand meines Vaters nach und nach verschlechterte und sein Körper sich stillschweigend gegen sich selbst richtete. Vater wusste es. Mutter wusste es. Mein älterer Bruder Craig und ich waren damals noch Kinder, aber Kinder sind keine Dummköpfe, und obgleich mein Vater mit uns noch Fangen im Hinterhof spielte und jedes Mal dabei war, wenn wir auf dem Klavier vorspielten oder Craig an einem Basketballspiel in der Liga der Acht- bis Zwölfjährigen teilnahm, wussten wir es ebenfalls. Wir begriffen auch allmählich, dass Dads Krankheit uns als Familie verwundbarer und weniger geschützt machte. Sollte ein Notfall eintreten, würde er nicht mehr imstande sein, in die Bresche zu springen und uns vor einem Feuer oder einem Eindringling zu retten. Wir lernten, dass wir das Leben nicht kontrollieren konnten.
Hin und wieder ließ der Stock meinen Vater im Stich. Er schätzte eine Stufe falsch ein, sein Fuß verfing sich im Teppich, und dann kam es vor, dass er stolperte und fiel. Diese schreckensstarren Augenblicke, wenn sein Körper in der Luft zu schweben schien, warfen ein Schlaglicht auf das, wovor wir lieber die Augen verschlossen – seine Verletzlichkeit, unsere Hilflosigkeit, die Ungewissheit und schweren Zeiten, die uns bevorstanden.
Wenn ein erwachsener Mann auf dem Boden aufschlägt, klingt das wie ein Donnerschlag – ein Geräusch, das man sein Leben lang nicht vergisst. Unsere kleine Wohnung schien in allen Fugen zu beben, und wir stürzten helfend herbei.
»Fraser, pass doch auf!«, rief meine Mum dann, als könne sie den Sturz damit ungeschehen machen. Es bedurfte Craigs und meiner gesamten Kräfte, Dad aufzuhelfen, und wir sprangen eilig hin und her, um seinen Stock und die Brille einzusammeln, als könnten wir durch die Schnelligkeit, mit der wir ihn wieder in den Normalzustand zurückversetzten, auch das Bild seines Sturzes auslöschen. Als hätte einer von uns etwas ausrichten können. Diese Augenblicke besorgten und beängstigten mich, wenn mir klar wurde, was wir zu verlieren hatten und wie schnell es gehen konnte.
Im Allgemeinen tat mein Vater solche Vorfälle mit einem Lachen ab, spielte die Sache herunter und gab uns zu verstehen, dass es völlig in Ordnung sei, wenn wir lächelten oder einen Witz rissen. Zwischen uns herrschte ein stummer Pakt: Wir durften uns von solchen Augenblicken nicht nachhaltig beeindrucken lassen. Das Lachen gehörte daher ebenfalls zu den probaten Werkzeugen in unserer Familie.
Inzwischen, als Erwachsene, weiß ich mehr über die Multiple Sklerose: Diese Krankheit bedroht Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Sie stellt das Immunsystem auf den Kopf und greift den Körper von innen heraus an, verwechselt Freund und Feind, das Selbst und den anderen. Das gesamte Nervensystem degeneriert, die Isolierschicht der neuronalen Fasern, der sogenannten Axone, wird zerstört und die darunterliegenden zarten Stränge bloßgelegt.
Falls mein Vater aufgrund der Krankheit Schmerzen litt, sprach er nicht darüber. Wenn ihn die Demütigungen seines körperlichen Verfalls belasteten, zeigte er das selten. Ich weiß nicht, ob er jemals gestürzt ist, wenn wir nicht in der Nähe waren – während der Arbeit oder beim Betreten oder Verlassen des Friseursalons –, obwohl das aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest gelegentlich der Fall gewesen sein muss. Dennoch verstrichen die Jahre, und mein Vater ging zur Arbeit, kam nach Hause und lächelte. Vielleicht war das eine Form der Verleugnung. Vielleicht war es der Kodex, nach dem er leben wollte: Du stürzt, stehst auf, machst weiter.
Inzwischen ist mir klar, dass die Beeinträchtigung meines Vaters mir eine frühe und wichtige Lektion darüber erteilt hat, was es bedeutet, sich aufgrund von etwas, das sich der eigenen Kontrolle entzieht, anders durch die Welt zu bewegen. Selbst wenn wir uns nicht lange mit Dads Krankheit aufhielten, war sein Anderssein doch immer gegenwärtig. Meine Familie trug es in sich. Wir sorgten uns um Dinge, die andere Familien offenbar nicht kümmerten. Wir waren auf eine Art und Weise wachsam, die in anderen Familien nicht nötig war. Wenn wir ausgingen, schätzten wir zuvor stillschweigend die Schwierigkeiten ein, überlegten, wie viel Energie mein Vater benötigen würde, um einen Parkplatz zu überqueren oder sich bei Craigs Basketballspielen seinen Weg auf der Tribüne zu bahnen. Wir maßen Entfernungen und Höhen nach anderen Maßstäben. Treppenstufen, vereiste Bürgersteige und hohe Bordsteinkanten hatten für uns eine andere Bedeutung. Parkanlagen und Museen beurteilten wir nach der Anzahl der zur Verfügung stehenden Bänke, auf denen ein müder Körper sich ausruhen konnte. Wo wir auch hingingen, stets wägten wir die Risiken ab und suchten nach kleinen Erleichterungen für meinen Vater. Wir zählten jeden Schritt.
Wenn eines der Hilfsmittel für ihn nicht mehr funktionierte, weil seine fortschreitende Erkrankung es unbrauchbar gemacht hatte, gingen wir los und fanden ein neues – der Stock wurde durch ein Paar Unterarmkrücken ersetzt, diese schließlich durch ein Elektromobil und später durch einen besonders ausgerüsteten Wagen, der mittels Hebel und Hydraulik die körperlichen Defizite meines Vaters größtenteils ausgleichen konnte.
Hat mein Vater diese Hilfsmittel geschätzt, oder war er der Meinung, sie würden seine Probleme lösen? Nicht im Mindesten. Aber hat er sie gebraucht? Ein klares Ja. Dafür sind Hilfsmittel da. Sie helfen uns, aufrecht und im Gleichgewicht zu bleiben und besser mit Ungewissheiten zurechtzukommen. Sie helfen uns, mit Veränderungen umzugehen, wenn wir das Gefühl haben, unser Leben sei außer Kontrolle geraten. Und sie helfen uns voranzuschreiten, selbst wenn wir uns unbehaglich fühlen, selbst wenn wir mit bloßgelegten Nervensträngen leben.
Ich habe viel über diese Fragen nachgedacht – darüber, was wir in uns tragen, was uns auch in der Ungewissheit aufrechterhält, wie wir unsere Hilfsmittel und Werkzeuge erkennen und uns auf sie verlassen, insbesondere in chaotischen Zeiten. Ich habe auch darüber nachgedacht, was es bedeutet, anders zu sein. Und ich bin erstaunt, wie viele damit ringen, dass sie anders empfinden, und welche bedeutsame Rolle unsere Wahrnehmung von Anderssein nach wie vor hat, wenn wir Gespräche darüber führen, in welcher Welt wir leben wollen, oder wem wir vertrauen, wen wir fördern wollen und wen wir zurücklassen.
Das sind natürlich komplexe Fragen mit nicht minder komplexen Antworten. »Anders zu sein« lässt sich auf vielerlei Weisen definieren. Dennoch lohnt es sich wegen all jenen, die so empfinden, einmal festzuhalten: Es ist absolut nicht einfach, sich in einer Welt zurechtzufinden, in der so viele Hindernisse sind, die andere nicht sehen können oder nicht sehen wollen. Wer sich anders fühlt, hat schnell den Eindruck, er oder sie müsse sich auf einer anderen Landkarte zurechtfinden, stehe vor einer Reihe anderer Herausforderungen als die Menschen rings um sie oder ihn her. Und gelegentlich haben die Betroffenen sogar den Eindruck, gänzlich ohne Landkarte herumzuirren. Das eigene Anderssein geht einem voraus: Noch bevor jemand einen Raum betritt, nehmen die Leute zuerst das Anderssein einer Person und dann erst die Person selbst wahr. Die Aufgabe, dies zu überwinden, bleibt Angelegenheit der Betroffenen. Und Überwindung ist von Haus aus immer anstrengend.
Infolgedessen – und das ist tatsächlich eine Überlebensstrategie – lernt man, wachsam zu sein. Man findet heraus, wie man seine Energie gezielt einsetzt, man zählt jeden Schritt. Im Kern des Problems steckt ein verwirrendes Paradoxon: Anders zu sein führt einerseits zu gesteigerter Vorsicht und erfordert andererseits besonderen Mut.
Genau in dieser geistigen Haltung, vorsichtig und mutig zugleich, nehme ich die Arbeit an diesem Buch auf. Als ich im Jahr 2018 mein erstes Buch Becoming veröffentlicht hatte, war ich überrascht – regelrecht überwältigt, ehrlich gesagt – von der Reaktion. Ich hatte mich voller Energie in die Aufgabe gestürzt und wollte darin nicht nur meine Zeit als First Lady der Vereinigten Staaten festhalten, sondern mein Leben insgesamt. Ich habe nicht nur die freudigen oder glamourösen Momente beschrieben, sondern auch die schwierigen Zeiten – den Tod meines Vaters, als ich siebenundzwanzig Jahre alt war, die Trauer über den Tod meiner besten Freundin aus der Zeit im College oder die Schwierigkeiten, mit denen Barack und ich zu kämpfen hatten, als wir Kinder bekommen wollten. Ich habe im Rückblick auch über einige Erlebnisse als junge Person of Color berichtet, die damals mein Selbstbewusstsein untergruben. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht, wie schwer es mir fiel, Abschied vom Weißen Haus zu nehmen – es wurde für uns zu einem wahren Zuhause – oder das Vermächtnis meines Mannes in die Hände eines rücksichtslosen und gefühllosen Nachfolgers zu geben.
Indem ich das alles aufschrieb, ging ich zwar ein gewisses Risiko ein, empfand aber auch eine große Erleichterung. In den acht Jahren als First Lady war ich stets wachsam und vorsichtig gewesen, mir nur allzu gut der Tatsache bewusst, dass die gesamte Nation Barack, mich und unsere beiden Töchter genau beobachtete und wir uns als die ersten Schwarzen im seit jeher Weißen Haus keinen einzigen Fehler erlauben durften. Ich musste meine Rolle nutzen, um etwas zu bewirken und dafür sorgen, dass die Themen, an denen ich arbeitete, gut umgesetzt wurden und die Agenda des Präsidenten ergänzten. Ich musste unsere Kinder beschützen und ihnen bis zu einem gewissen Grad ein normales Leben ermöglichen; und ich musste Barack unterstützen, der mitunter das Gewicht der Welt auf seinen Schultern zu tragen schien. Ich traf meine Entscheidungen mit äußerster Sorgfalt, nach gründlichem Abwägen der Risiken, und ließ nichts unversucht, damit meine Familienmitglieder auch als Menschen wachsen konnten und nicht nur zu Symbolfiguren für das wurden, was andere an unserem Land liebten oder hassten. Diese Anspannung war spürbar und erdrückend, aber sie war mir nicht neu. Wieder einmal zählte ich die Schritte.
Becoming zu schreiben glich einem langen, tiefen Durchatmen. Das Buch markierte den Startschuss für meine nächste Lebensphase, obwohl ich anfangs noch nicht recht wusste, wie es weitergehen würde. Es war mein erstes großes Einzelprojekt. Es hatte nichts mit Barack oder seiner Aufgabe oder unseren Kindern oder meiner vorherigen Karriere zu tun. Diese Unabhängigkeit gefiel mir, doch ich hatte mich ziemlich weit auf unbekanntes Terrain hinausgewagt. In der Nacht vor der Veröffentlichung lag ich in unserem neuen Haus in Washington wach im Bett und stellte mir vor, wie diese wahrhaftigste Version meiner Lebensgeschichte in den Regalen in Buchhandlungen und Büchereien stand, in viele Sprachen übersetzt und von Kritikern auf der ganzen Welt begutachtet. Am nächsten Morgen sollte ich nach Chicago fliegen, zum Auftakt einer weltweiten Tournee, die mich ein Jahr lang durch einunddreißig Länder führen würde, wo ich mich einem Publikum von mitunter zwanzigtausend Menschen präsentierte. Ich starrte zur Decke und spürte, wie Befürchtungen, Ängste und Selbstzweifel Endlosschleifen in meinen Kopf drehten. Habe ich zu viel preisgegeben? Kann ich noch zurückrudern? Werde ich alles vermasseln? Und was dann?
Dahinter verbarg sich etwas Tieferes, Ursprünglicheres, Unumstößliches und absolut Erschreckendes – die Grundsatzfrage, auf der alle anderen Zweifel beruhen –, vier Wörter, die jedem, selbst den erfolgreichsten und mächtigsten Menschen, die ich kenne, unweigerlich zusetzen und die mich seit meiner Teenagerzeit in der South Side von Chicago verfolgen: Bin ich gut genug?
In diesem Augenblick hatte ich darauf nur eine Antwort: Ich weiß es nicht.
Barack war schließlich meine Rettung. Schlaflos und vor mich hin grübelnd ging ich die Treppe hoch zu seinem Büro, wo er noch arbeitete. Geduldig hörte er zu, als ich ihm meine sämtlichen Zweifel schilderte und detailliert ausführte, was alles auf welche Weise schiefgehen könne. Genau wie ich verarbeitete auch Barack noch jene Reise, die unsere Familie ins Weiße Haus geführt hatte. Auch er hegte insgeheim Zweifel und Sorgen und hatte – sei es auch nur gelegentlich und irrational – das Gefühl, möglicherweise nicht gut genug zu sein. Niemand verstand mich so gut wie er.
Nachdem ich ihm von meinen Ängsten erzählt hatte, versicherte er mir, dass mein Buch großartig sei, ebenso wie ich selbst. Er erinnerte mich daran, dass Befürchtungen eine normale Begleiterscheinung seien, wenn man etwas Neues, Großes in Angriff nimmt. Er nahm mich in den Arm und legte seine Stirn an meine. Mehr war nicht nötig.
Am nächsten Morgen stand ich auf und ging mit Becoming auf die Reise. Es wurde eine der glücklichsten Perioden meines bisherigen Lebens und bestätigte mich als Person. Das Buch erhielt exzellente Kritiken und erzielte zu meiner Überraschung weltweit Bestauflagen. Während der Tournee nahm ich mir immer wieder Zeit, um in Gemeindezentren, Büchereien und Kirchen kleinere Lesegruppen zu treffen. Von den vielen gemeinsamen Berührungspunkten zwischen ihren Geschichten und meinen zu erfahren war besonders erfüllend. Am Abend strömten die Menschen zu den großen Veranstaltungsorten – manchmal waren es Zehntausende an einem Abend. Eine elektrisierende Energie pulsierte: Laute Musik, die Leute tanzten zwischen den Reihen, machten Selfies und umarmten sich, während sie auf meinen Auftritt warteten.
Jedes Mal, wenn ich neben der moderierenden Person Platz nahm, erzählte ich in unserem neunzigminütigen Gespräch meine Wahrheit. Ich war offen, ganz im Reinen mit mir und der Geschichte, die ich dem Publikum mitteilte, ich fühlte mich aufgrund meiner Erfahrungen, die mich zu derjenigen gemacht hatten, die ich war, vollkommen akzeptiert und hoffte, dadurch auch anderen dabei zu helfen, sich selbst zu akzeptieren.
Es machte Spaß. Es bereitete mir Freude. Aber zugleich war es mehr als nur das.
Die Becoming-Tournee gehört zu den besonders bedeutsamen Erfahrungen meines Lebens.
Fotos von Isaac Palmisano
Wenn ich einen Blick ins Publikum warf, nahm ich dort etwas wahr, was bestimmte Wahrheiten über unser Land und die Welt im Allgemeinen bestätigte. Diese bunt durcheinandergewürfelte Menge verschiedenster Menschen zeichnete sich gerade durch ihre Unterschiedlichkeit aus. Es war einer jener Räume, in denen Diversität anerkannt und als Stärke gefeiert wurde. Die Gesamtheit der verschiedenen races, Gender, Ethnien, Identitäten, Outfits oder was es auch sein mochte – Menschen, die lachten, in die Hände klatschten, weinten, ihre Empfindungen miteinander teilten. Ich glaube aufrichtig, dass viele Menschen aus Gründen hier erschienen waren, die weit über mein Buch hinausgingen. Ich hatte den Eindruck, sie waren zumindest teilweise gekommen, um sich einen Augenblick lang nicht mehr so einsam in dieser Welt zu fühlen, um ein verloren gegangenes Gefühl der Zugehörigkeit zu empfinden. Die Gegenwart dieser Menschen – ihre Energie, Herzlichkeit und Diversität – trug dazu bei, eine bestimmte Geschichte zu erzählen. Die Leute waren da, davon bin ich überzeugt, weil es sich gut anfühlte – es war einfach toll –, unser Anderssein und unsere Gemeinschaftlichkeit miteinander zu verschmelzen.
Ich bezweifle, dass jemand zu diesem Zeitpunkt die Größe dessen, was sich da anbahnte, geahnt hat. Wer hätte damals vorhergesagt, dass gerade jenes Gefühl der Gemeinschaftlichkeit, in dem wir auf diesen Veranstaltungen alle schwelgten, binnen Kurzem von der vollständigen Auslöschung bedroht sein würde? Wer hätte ahnen können, dass eine globale Pandemie uns dazu zwingen würde, von einem Tag auf den anderen auf Umarmungen, offenes Lächeln und unbefangene Kommunikation mit Unbekannten zu verzichten, und dass sie, weit schlimmer noch, eine lange Periode der Schmerzen, Verluste und Ungewissheiten mit sich bringen und keinen Fleck auf der Welt unberührt lassen würde? Und hätten wir uns, wenn wir denn im Besitz dieses Wissens gewesen wären, in irgendeiner Weise anders verhalten? Ich weiß es nicht.
Was ich hingegen weiß, ist, dass uns diese Zeiten das Gefühl beschert haben, wir stünden auf schwankendem Boden und alles sei unsicher. Viele von uns verhalten sich seither weitaus vorsichtiger, wachsamer und fühlen sich weniger miteinander verbunden. Zum ersten Mal empfinden viele Menschen etwas, das Millionen anderer Menschen Tag für Tag in ihrem Leben empfinden, nämlich wie es sich anfühlt, nicht im Einklang mit sich selbst zu sein, das eigene Leben nicht zu kontrollieren und der Zukunft mit einer tiefen Angst entgegenzusehen. In den vergangenen Jahren haben wir eine Vereinzelung in bisher ungekanntem Ausmaß erlebt, unvorstellbaren Kummer und ein generelles Gefühl der Ungewissheit, mit dem es sich nur schwer leben lässt.
Die Pandemie mag zwar den Rhythmus unseres täglichen Lebens auf den Kopf gestellt haben, aber ältere und fester verwurzelte Probleme und Missstände unserer Gesellschaft sind davon unberührt geblieben. Nach wie vor müssen wir mit ansehen, wie unbewaffnete Schwarze von der Polizei getötet werden – während sie einen Supermarkt verlassen, zum Friseur gehen oder bei routinemäßigen Verkehrskontrollen. Wir haben erlebt, wie abscheuliche Verbrechen aus Hass gegen asiatische Amerikaner oder Mitglieder der LGBTQ+-Community verübt wurden. Intoleranz und Fanatismus werden zunehmend widerspruchsloser hingenommen, statt Proteste auszulösen, und machthungrige Alleinherrscher haben mehr und mehr Nationen auf der Welt fest in ihrem Griff. In den Vereinigten Staaten mussten wir mit ansehen, wie der amtierende Präsident tatenlos zusah, als Polizeibeamte mit Tränengas gegen Tausende von Menschen vorgingen, die nichts weiter taten, als vor dem Weißen Haus friedlich für weniger Hass und mehr Gerechtigkeit zu protestieren. Und nachdem Amerikaner in Scharen zu den Wahlurnen strömten und ebendiesen Präsidenten fair und entschieden abwählten, wurden wir Zeugen eines wütenden randalierenden Mobs, der durch die heiligsten Hallen unserer Regierung zog, weil die Beteiligten der Ansicht waren, sie würden unser Land auf irgendeine Weise besonders großartig machen, indem sie Türen eintraten und auf Nancy Pelosis Teppich pinkelten.
Hat mich das wütend gemacht? Oh ja.
Habe ich mich gelegentlich mutlos gefühlt? Ja, auch das.
Bin ich jedes Mal erschüttert, wenn ich mitansehen muss, wie Wut und Fanatismus unter dem Deckmäntelchen eines populistischen, politischen Slogans der Großartigkeit daherkommen? Und ob.
Empfinde nur ich so? Zum Glück nicht. Ich höre fast täglich von Leuten aus nah und fern, die sich bemühen, diese Hindernisse zu überwinden, die ihre Energie gezielt einsetzen, ihren Lieben beistehen und alles tun, um standhaft zu bleiben. Viele meiner Gesprächspartner haben mit diesem Gefühl des Andersseins zu kämpfen und fühlen sich nicht wertgeschätzt oder unsichtbar. Sie sind erschöpft, weil sie wieder und wieder dagegen angekämpft haben; sie haben den Eindruck, ihr Licht sei verdunkelt worden. Ich habe junge Menschen aus der ganzen Welt getroffen, die versuchen, ihre eigene Stimme zu finden und in ihren privaten und beruflichen Beziehungen Räume für ihr authentisches Selbst zu schaffen. Sie haben viele Fragen: Wie gelingt es mir, bedeutsame Verbindungen zu anderen aufzubauen? Wann und wie spreche ich ein Problem offen an? Wie kann man Anfeindungen mit Anstand und Stil begegnen – to go high, sich von seiner besten Seite zeigen –, wenn es einem gerade denkbar schlecht geht?
In diesen Gesprächen wurde deutlich, wie viele ihre Wirkmächtigkeit in Institutionen, Traditionen und Strukturen zu entfalten versuchen, die gar nicht für sie geschaffen wurden, und dass sie ständig nach Gefahren und Grenzen Ausschau halten, die weder klar definiert noch leicht zu erkennen sind. Die Strafen, die drohen, wenn diese Hindernisse nicht erkannt werden, können verheerend sein. Und das wiederum kann höchst verwirrend und gefährlich sein.
Ich werde häufig um Antworten oder Lösungen gebeten. Seit mein erstes Buch veröffentlicht wurde, habe ich eine Menge Geschichten gehört und eine Menge Fragen gestellt. Ich habe mich mit vielen Menschen darüber unterhalten, wie und warum wir mit Ungerechtigkeit und Ungewissheit umgehen. Ich bin auch gefragt worden, ob ich nicht in irgendeiner Tasche eine Art Zauberformel hätte, die den Umgang mit diesen Situationen erleichtere, etwas, das die verwirrende Gemengelage übersichtlicher mache und dazu beitragen könne, solche Probleme einfacher zu lösen. Glauben Sie mir, es leuchtet mir völlig ein, wie nützlich so eine Formel wäre. Ich würde für mein Leben gern eine unmissverständliche Schritt-für-Schritt-Anleitung erstellen, mit deren Hilfe alle Betroffenen Ungewissheiten beiseiteräumen und ihren Aufstieg zu den jeweils angestrebten Höhen rasch umsetzen könnten. Ich wünschte, es wäre so einfach. Wenn ich eine solche Formel hätte, würde ich sie auf der Stelle weitergeben. Aber vergessen Sie nicht, dass auch ich manchmal nachts im Bett liege und mich frage, ob ich gut genug bin. Oder dass ich, genau wie jeder andere Mensch, Hindernisse überwinden muss. Und was diese Ziele betrifft, nach denen so viele von uns streben? Nun, bisher habe ich eine ganz ordentliche Anzahl davon erreicht und kann Ihnen nebenbei verraten, dass man auch dort vor Unsicherheit, Ungewissheit und Ungerechtigkeit nicht gefeit ist – genauer gesagt gedeiht beides gerade dort besonders gut.
Eine Formel gibt es nicht. Punkt. Hinter dem Vorhang steht kein Zauberer. Für die großen Probleme des Lebens sind weder einfache Lösungen noch rundum zufriedenstellende Antworten zu haben. Es liegt in der Natur des Menschen, immer wieder aufs Neue die Erfahrung zu machen, dass es keine einfache Formel gibt. Denn unsere Herzen sind kompliziert und unsere Geschichten verworren.
Statt einer Zauberformel kann ich Ihnen jedoch einen Blick in meinen persönlichen Werkzeugkasten anbieten. Mit diesem Buch will ich Ihnen zeigen, was ich dort verwahre und wieso; auf welche Hilfsmittel ich im Beruf oder im Privatleben zurückgreife, um ausgewogen und zuversichtlich zu bleiben, welche Werkzeuge mir auch in Zeiten, die besonders von Befürchtungen und Stress geprägt sind, weiterhelfen. Bei manchen Werkzeugen handelt es sich um Gewohnheiten und Praktiken; einige davon sind handfeste Gegenstände; andere sind Haltungen und Überzeugungen, die auf meiner persönlichen Geschichte beruhen, und eine Reihe von Erfahrungen, die ich im nie zu Ende gehenden Prozess meines eigenen Werdens gemacht habe. Ich habe keineswegs die Absicht, hier ein Handbuch, so etwas wie eine Anleitung vorzulegen. Sie werden auf den Seiten vielmehr eine Reihe aufrichtiger Überlegungen über das finden, was mich mein Leben bisher gelehrt hat, über die Hebel- und Hydraulikmechanismen, die mir geholfen haben. Ich werde Ihnen einige der Personen vorstellen, die mich aufrecht halten, und mit Ihnen teilen, was mich eine Reihe erstaunlicher Frauen in Bezug auf Ungerechtigkeit und Unsicherheit gelehrt haben. Sie werden erfahren, was mich gelegentlich immer noch niederstreckt, und von den Hilfsmitteln und Werkzeugen hören, mit deren Hilfe ich mich wieder aufrappele. Es wird auch von bestimmten Haltungen die Rede sein, von denen ich mich im Lauf der Zeit verabschiedet habe, als mir klar wurde, dass Werkzeuge viel nützlicher sind als Abwehrstrategien.
Es sollte sich von selbst verstehen, dass nicht jedes Werkzeug in jeder Situation hilft oder für jede Person taugt. Was für Sie persönlich ein verlässliches und wirksames Hilfsmittel ist, kann für Ihren Arbeitgeber oder Ihre Mutter oder Ihren Partner etwas gänzlich anderes bewirken. Mit einem Pfannenwender lässt sich kein Reifen wechseln und mit einem Reifenheber kein Ei braten. (Lassen Sie sich nicht davon abhalten, mir das Gegenteil zu beweisen.) Was in einer Lebensphase richtig ist, muss nicht automatisch in einer anderen Phase gut sein. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, die Gewohnheiten zu erkennen, die uns zentrieren und erden, im Gegensatz zu Gewohnheiten, die Befürchtungen und Ängste auslösen oder Unsicherheiten fördern. Ich hoffe, Sie werden einige Anregungen finden, aus denen Sie schöpfen können – wählen Sie aus, was nützlich für Sie ist und was nicht –, während Sie Ihre ureigenen, wichtigen Instrumente erkennen, sammeln und verfeinern.
Schließlich möchte ich auch noch mit einigen Vorstellungen in Bezug auf Macht und Erfolg aufräumen und sie neu formulieren, damit Sie besser erkennen, was alles in Ihrer Reichweite liegt, und damit Sie sich ermutigt fühlen, Ihre eigene Stärke wachsen zu lassen. Ich glaube, jede und jeder von uns trägt ein Licht in sich, etwas Einzigartiges und Individuelles, eine kostbare Flamme, die es unbedingt zu schützen gilt. Denn wer in der Lage ist, sein eigenes Licht wahrzunehmen, ermächtigt sich selbst dazu, es einzusetzen. Wenn wir lernen, das Einzigartige in den Menschen um uns zu erkennen und es zu fördern, befähigt uns das, mitfühlende Gemeinschaften aufzubauen und sinnvolle Veränderungen herbeizuführen. Im ersten Teil des Buchs beschäftige ich mich mit dem Prozess, Stärke und Licht in sich selbst zu finden. Im zweiten Teil befasse ich mich mit unseren Beziehungen zu anderen und den vielen verschiedenen Vorstellungen, die der Begriff Zuhause auslöst. Der dritte Teil soll eine Diskussion darüber eröffnen, auf welche Weise wir das Licht in uns besser besitzen, schützen und stärken können, insbesondere in herausfordernden Zeiten.
Auf diesen Seiten wird es darum gehen, wie wir persönlich und gemeinschaftlich stark werden und jene Kraft finden, die uns dabei hilft, Zweifel und Hilflosigkeit zu überwinden. Womit ich nicht sagen will, dass irgendetwas davon einfach ist und es keine Hindernisse zu überwinden gibt. Behalten Sie dabei jedoch stets im Hinterkopf, dass ich alles, was ich weiß, und die Werkzeuge, auf die ich mich stütze, nur durch Versuch und Irrtum und jahrelange Erfahrung und Überprüfung erlangt habe. Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, rasch zu reagieren, Fehler zu machen und Anpassungen und Kurskorrekturen vorzunehmen. Ich habe mich nur langsam dorthin entwickelt, wo ich heute stehe.
Sollten Sie zu den jüngeren Leserinnen oder Lesern gehören, seien Sie bitte nachsichtig und geduldig mit sich selbst. Sie stehen erst am Beginn einer langen und aufregenden Reise, die nicht immer angenehm sein wird. Sie werden Jahre damit verbringen, Daten über sich selbst zu sammeln, darüber, wer Sie sind und wie Sie ticken, und es wird Ihnen erst allmählich gelingen, den Weg zu einem sicheren und starken Selbst zu finden. Sie werden erst nach und nach Ihr Licht entdecken und nutzen.
Wie ich inzwischen weiß, kann man getrost zugeben, dass Selbstwert mit Verletzlichkeit einhergeht und uns, die Bewohner dieser Erde, vor allem das Streben nach dem Besseren miteinander verbindet, und zwar immer und egal, worum es geht. Im Hellen wächst unsere Zuversicht. Wer sein eigenes Licht kennt, kennt das eigene Selbst, die eigene, aufrichtig erzählte Geschichte. Meiner Erfahrung nach führt diese Art der Selbsterkenntnis zu Selbstvertrauen und dieses wiederum zu Ruhe und der Fähigkeit, den Überblick zu bewahren und die Dinge zu erfassen, und Letzteres bewirkt, dass wir bedeutungsvolle Verbindungen mit anderen eingehen – aus meiner Sicht das Fundament aller Dinge. Ein Licht bringt ein anderes zum Strahlen. Eine starke Familie verleiht einer anderen Kraft. Eine engagierte Community kann ihr Umfeld inspirieren und beflügeln. Darin liegt die Kraft des Lichts in uns.
Ich hatte dieses Buch ursprünglich so konzipiert, dass ich darin allen, deren Leben sich im stetigen Wandel befindet, eine Art Begleitung anbieten wollte – nützlich und stabilisierend, so hoffte ich, für all jene, die vor einer neuen Lebensphase stehen, sei es aufgrund eines Abschlusses oder einer Scheidung, eines neuen Karriereschritts oder einer medizinischen Diagnose, der Geburt eines Kindes oder weil jemand gestorben ist, der ihnen nahestand. Meine Idee war es, von außen auf solche Veränderungsprozesse zu blicken und die aus Angst und Ungewissheit resultierenden Schwierigkeiten aus der Sicht einer Überlebenden – die es mit bald sechzig Jahren geschafft hat, solche Prozesse heil zu überstehen – unter die Lupe zu nehmen.
Aber natürlich hätte ich es besser wissen sollen.
Die letzten Jahre haben uns alle in einen tiefgreifenden Wandel katapultiert und wenig Gutes beschert. Für viele von uns ist das eine neue Situation, denn die meisten Menschen meines Alters oder jünger haben weder eine globale Pandemie erlebt noch Bomben in Europa fallen sehen oder Zeiten gekannt, in denen Frauen nicht das grundlegende Recht besaßen, fundierte Entscheidungen in Bezug auf ihre eigenen Körper zu treffen. Bisher führten wir ein recht behütetes Dasein. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Ungewissheit dringt in nahezu jeden Bereich unseres Lebens ein und hat weitreichende Auswirkungen, die von allgemeinen, wie der Drohung eines Atomkrieges, bis hin zu ganz persönlichen, wie dem beginnenden Husten des eigenen Kindes, reichen. Unsere Einrichtungen sind von Krisen geschüttelt, unsere Systeme geraten ins Wanken. Menschen, die in der Gesundheitsvorsorge oder der Bildung tätig sind, sind unmäßigem Stress ausgesetzt. Junge Erwachsene berichten in beispiellosem Ausmaß von Einsamkeit, Befürchtungen, Ängsten und Depressionen.[2]
Viele treibt die Frage um, wem und worauf sie noch vertrauen können, an was sie glauben sollen. Das Leid wird uns sicherlich erhalten bleiben. Forscher schätzen, dass weltweit inzwischen mehr als 8 Millionen Kinder – die meisten aus Communitys of Color – aufgrund von COVID-19 vom Tod einer primären oder sekundären Bezugsperson betroffen waren.[3] Man kann sich kaum vorstellen, welche Auswirkungen das haben wird – diese Säulen der Unterstützung sind nun verschwunden.
Es kann noch eine Weile dauern, bevor wir wieder auf die Beine kommen. Diese Verluste werden noch jahrelang nachwirken. Sie werden uns wieder und wieder erschüttern. Die Welt wird schön und zugleich beschädigt bleiben. Die Ungewissheiten sind Teil der Zukunft.
Wenn jedoch kein Gleichgewicht möglich ist, sind wir aufgefordert, uns zu entwickeln. In meinem ersten Buch habe ich beschrieben, wie meine eigene Reise mich gelehrt hat, dass es im Leben nur wenige Fixpunkte gibt – dass jene traditionellen Markierungen, die wir als Anfang oder Ende wahrnehmen, im Grunde nicht mehr sind als eben das, Markierungspunkte auf einem langen Weg. Wir befinden uns unentwegt im Wandel. Wir lernen ständig, selbst wenn wir genug davon haben, und wir wandeln uns, selbst wenn uns der Wandel ermüdet. Vorhersehbare Ergebnisse sind die Ausnahme. Tag für Tag werden wir zu einer neuen Version von uns selbst.
Während wir noch den Herausforderungen der Pandemie begegnen, uns mit Problemen der Ungerechtigkeit und Instabilität herumschlagen und uns um eine ungewisse Zukunft sorgen, frage ich mich, ob es nicht allmählich an der Zeit ist, die Frage »Wann ist das endlich zu Ende?« beiseitezuschieben und stattdessen eine andere, eher pragmatische Reihe von Fragen zu stellen, die sich damit auseinandersetzen, wie wir den Herausforderungen und Veränderungen standhalten: Wie können wir uns anpassen? Wie können wir uns trotz dieser Ungewissheit wohler und weniger paralysiert fühlen? Welche Werkzeuge helfen uns dabei? Wo finden wir zusätzliche Unterstützung? Wie können wir für andere Sicherheit und Stabilität schaffen? Und wenn wir alle am selben Strang ziehen, was könnten wir dann gemeinsam bewältigen?
Wie ich bereits sagte, habe ich auf diese Fragen nicht die Antworten parat, aber ich möchte gern in ein Gespräch darüber eintreten. Es lohnt sich, wenn wir uns gemeinsam darüber Gedanken machen. Ich möchte Raum für einen umfassenden und breiten Dialog schaffen. Ich glaube, nur so wird es uns gelingen, wieder Fuß zu fassen.
Nichts kann das Licht trüben, das aus unserem Inneren scheint.
Maya Angelou[1]
Das Stricken hat mir gezeigt, wie sich Ängste beruhigen lassen.
Foto von Merone Hailemeskel
Wie hilfreich ein Werkzeug sein kann, entdeckt man manchmal erst, wenn man es schon eine Weile lang benutzt hat. Und manchmal stellt sich dabei heraus, wie gerade kleine Werkzeuge uns dabei helfen, besonders tiefe Gefühle zu bewältigen. Das habe ich vor einigen Jahren gelernt, als ich mir einen Satz Stricknadeln per Post bestellte, ohne recht zu wissen, wofür ich sie eigentlich nutzen wollte.
Wir durchlebten damals die ersten schwierigen Wochen der Pandemie, und ich hielt mich in unserem Haus in Washington D.C. auf. Ich kaufte in dieser Phase kreuz und quer im Internet ein, bestellte Brettspiele und alles Mögliche zum Basteln neben Lebensmitteln und Toilettenpapier; niemand ahnte damals, wie sich die Situation entwickeln würde, und ich war mir – leicht schuldbewusst – darüber im Klaren, dass Impulskäufe die klassische amerikanische Antwort auf ungewisse Lebenssituationen sind. Es wollte noch nicht in meinen Kopf, dass wir innerhalb eines gefühlten Augenblicks vom »normalen Leben« in den Modus einer globalen Notlage übergegangen waren. Abermillionen von Menschen waren plötzlich und ernsthaft in Gefahr. Und das Einzige, was wir anderen tun konnten, das Sicherste und Hilfreichste, war, ruhig zu Hause zu sitzen.
Ich sah mir täglich die Nachrichten an und war bestürzt über die Ungerechtigkeit in der Welt. Sie verbarg sich in den Schlagzeilen, den Arbeitsplatzverlusten, den Todesfällen und den Vierteln, in denen die Sirenen der Ambulanzen am lautesten heulten. Artikel berichteten über die Mitarbeiter in den Krankenhäusern und deren Angst, ihre Familien zu Hause anzustecken. Ich sah Bilder von Lastwagenkonvois, beladen mit Särgen, und Videoclips von Konzerthallen, die in Feldlazarette umgewandelt wurden.
Wir wussten so wenig und hatten große Angst. Alles, was sich da abspielte, wirkte bedeutsam und folgenreich.
Alles war bedeutsam. Alles war folgenreich.
Es war nahezu unmöglich, sich von den Ereignissen nicht überwältigt zu fühlen.
In den ersten Tagen hatte ich vor allem Freunde angerufen und dafür gesorgt, dass meine über achtzig Jahre alte Mutter, die allein in Chicago wohnte, mit Lebensmitteln versorgt wurde. Unsere Töchter, die beide studierten, kehrten nach Hause zurück, völlig erschüttert von den Ereignissen und etwas widerwillig, weil sie ihre Freund*innen verlassen mussten. Ich umarmte sie und versicherte ihnen, das sei alles nur von kurzer Dauer, sie könnten bald wieder ins College zurück und Partys feiern, sich wegen bevorstehender Soziologie-Prüfungen verrückt machen und in ihren Zimmern im Studentenheim Ramen-Nudelsuppe essen. Das sagte ich nicht zuletzt meinetwegen, denn ich wollte selbst daran glauben. Und ich sagte es, weil das zu meiner Aufgabe als Elternteil gehört – ihnen ein kleines bisschen Sicherheit zu geben, auch wenn man selbst weiche Knie und insgeheim weit größere Sorgen hat, als seine Kinder baldmöglichst zu ihren Freund*innen zurückzuschicken. Trotz aller Sorgen spricht man dann doch lieber von seinen Hoffnungen.
Mit der Zeit stellte sich ein ruhiger Tagesablauf in unserem Familienleben ein; das Abendessen, für das wir uns viel mehr Zeit nahmen als normalerweise, bildete den Mittelpunkt. Wir besprachen die Nachrichten, verglichen, was jeder von uns gehört oder gelesen hatte – die düsteren Statistiken des Tages, die unberechenbaren Nachrichten aus dem Weißen Haus, unserem früheren Zuhause. Wir spielten die Brettspiele, die ich gekauft hatte, legten Puzzles und sahen uns Filme an. Wenn wir einen Grund zum Lachen fanden, lachten wir. Sonst wäre alles viel zu beängstigend gewesen.
Sasha und Malia studierten online weiter. Barack war damit beschäftigt, die Memoiren seiner Amtszeit zu schreiben, und konzentrierte sich zunehmend darauf, dass die amerikanischen Wahlberechtigten bald entscheiden würden, ob Donald Trump bleiben sollte oder nicht. Ich widmete mich mit voller Energie einer Initiative, die ich im Jahr 2018 mit ins Leben gerufen hatte: When We All Vote (Wenn jeder wählen geht), mit der wir Wähler bestärken und die Wahlbeteiligung erhöhen wollten. Ich beteiligte mich außerdem, auf Anfrage unserer Bürgermeisterin, an einer Kampagne namens Stay Home D.C., die alle Einwohner der Stadt dazu aufforderte, zu Hause zu bleiben und sich testen zu lassen, wenn sie sich krank fühlten. Ich zeichnete auch ermutigende Sprachbotschaften für die erschöpften Mitarbeiter*innen der Notaufnahme auf. Um den vielen Eltern ein wenig zu helfen, die in dieser Zeit besonders belastet waren, startete ich eine wöchentliche Videoserie, in der ich Kindern Märchen vorlas.
Es fühlte sich unzureichend an.
Es war unzureichend....Ende der Leseprobe