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Das Mädchen aus dem Song zeigt, wie Bob Dylan in seinem bewegenden Liebes- und Abschiedslied Don’t Think Twice, It’s All Right (1963) seinen Frust über die Trennung von Suze Rotolo verarbeitete, in die er sich unsterblich verliebt hatte. Stings Zeilen 'Every breath you take / Every move you make / I’ll be watching you' (1983) werden gern als Liebesbekenntnis bei Hochzeiten gespielt, doch damit besang er nicht etwa seine Zuneigung gegenüber seiner baldigen Exfrau, sondern seine brennende Eifersucht. In Moses (2003) verkündete der Coldplay-Sänger Chris Martin seine Liebe zur Schauspielerin Gwyneth Paltrow; ihr gemeinsamer Sohn wurde auch auf diesen Namen getauft. Das Mädchen aus dem Song erzählt die bewegenden Entstehungs- und Verbreitungsgeschichten 50 legendärer Songs anhand vieler Anekdoten, Zitate und Fotos. Mini-Biografien der Bands und Performer sowie ausführliche Hintergrundinformationen über die Muse, die den jeweiligen Song inspirierte, runden das Buch ab. Diese faszinierende Reise durch die Popkultur ist gleichzeitig eine große Liebeserklärung an den Popsong.
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Seitenzahl: 209
MICHAEL HEATLEY
VORWORT ZUR DEUTSCHSPRACHIGEN AUSGABE
Was haben Lola, Lucy, Emily, Sharona, Maggie May und Peggy Sue gemeinsam? Sie alle haben große Musiker zu legendären Popsongs inspiriert, jeder Musikfan kennt ihre Namen. Aber wie sie zu dieser Ehre kamen, ist weitestgehend unbekannt. Ob John Lennon und Mick Jagger, Bob Dylan und Bruce Springsteen, Bono und Sting – sie alle haben sich ihre Gefühle über die große Liebe, das Mädchen von nebenan, über die Abrechnung mit einer Verflossenen oder den hartnäckigen Kampf um die Gunst einer Lady von der Seele geschrieben. Es entstanden weltbekannte Songs, deren eigentlicher Ursprung – das Mädchen – oftmals in Vergessenheit geriet.
Dieses Buch widmet sich den faszinierenden Frauen, die sich in fünfzig Klassikern der Rock- und Popgeschichte wiederfinden. Wer war jene Suzanne, die mit Leonard Cohen in ihrem Haus am Fluss Tee getrunken und Orangen gegessen hat? Wer war das Girl From Ipanema aus dem gleichnamigen Song, der Stan Getz und Astrud Gilberto zu internationalen Stars machte? Welche Schönheit inspirierte Serge Gainsbourg zu seinem Skandalsong Je t’aime (moi non plus)? Handelt es sich bei Angie von den Rolling Stones tatsächlich um ein Liebeslied für David Bowies damalige Ehefrau?
Der renommierte Autor und Musikjournalist Michael Heatley wollte aber auch wissen, was aus den Mädchen von einst geworden ist – was machen sie heute, wo leben sie? Wie hat sich ihr Leben verändert, vielleicht sogar durch den frühen Ruhm in einem Song bedingt? Haben sie noch Kontakt zu den Stars, denen sie zu Welthits verholfen haben? Oft sind ihre Geschichten genauso interessant wie die der Songs, die über sie geschrieben wurden.
Egal ob es in den Texten nun um unerwiderte Liebe geht (wie in Paul Ankas Welthit Diana), um das drohende Ende einer Ehe (Bruce Springsteens Brilliant Disguise), die Verarbeitung einer schmerzhaften Trennung (Bob Dylans Don’t Think Twice, It’s All Right), um einen vergessenen Geburtstag (Sweetest Thing von U2) oder einfach nur um eine alberne Fantasie (Lovely Rita von den Beatles) – diese Songs sind wie das wahre Leben: vielschichtig, komplex, schillernd, manchmal schrecklich traurig, aber oftmals auch einfach nur wunderschön. Das Mädchen aus dem Song ist eine faszinierende Reise durch die Popkultur – und gleichzeitig eine große Liebeserklärung an den Popsong.
Um die Inspirationsquelle für die Ballade Angie, die von Mick Jagger und Keith Richards geschrieben und Ende 1972 von den Rolling Stones aufgenommen wurde, halten sich hartnäckige Gerüchte. In dem Songtext, der größtenteils von Mick Jagger verfasst wurde, geht es um das Ende einer Beziehung, für die der Erzähler keine Rettung mehr sieht.
All the dreams we held so close
seemed to all go up in smoke
let me whisper in you ear
Angie, Angie
where will it lead us from here
Einige vermuteten, dass der Song für Keith Richards’ damalige Freundin, das Model Anita Pallenberg, geschrieben wurde, außerdem wurde auch Mick Jaggers ehemalige Geliebte Marianne Faithfull als Inspirationsquelle genannt, von der er sich kurz zuvor getrennt hatte. Manch einer behauptete sogar, dass der Song Jaggers Abschied an die Drogen sei, da »Angie« im Englischen auch als Codename für Kokain benutzt wurde.
Ein Gerücht hielt sich jedoch länger als alle anderen: Der Song soll von David Bowies Exfrau Angela handeln. Zunächst vermutete man, dass Jagger, der seit den Sechzigern als Womanizer schlechthin gilt, eine Affäre mit der damaligen Ehefrau seines Freundes gehabt habe. Angela Bowie selbst schaffte dieses Gerücht aus der Welt und gab der ganzen Geschichte eine völlig neue Wendung, als sie in ihren in den Neunzigern veröffentlichten Memoiren beschrieb, wie sie ihren damaligen Ehemann mit dem Rolling-Stones-Sänger im Bett erwischt hatte: Als sie eines Morgens nach Hause kam, fand sie die beiden Männer nackt im Bett vor – allerdings hatte sie keine sexuellen Handlungen gesehen. »Ich war mir so verdammt sicher, dass sie gevögelt hatten«, schrieb sie. »Ich brauchte nicht nach irgendeiner offenen Tube Gleitcreme zu suchen.« Da nach der Hippie-Bewegung und dem Sommer der Liebe 1967 Partnertausch und gleichgeschlechtliche Liebe gerade in Künstlerkreisen nichts Ungewöhnliches mehr waren, war Angela nach eigenen Angaben, nachdem sie die beiden erwischt hatte, aus dem Schlafzimmer gegangen, um ihnen Frühstück zu machen.
Andere Berichte besagen, dass Angela nach ihrer brisanten Entdeckung schockiert und traurig gewesen sein soll. Jagger soll ihr deshalb den Song Angie als Entschuldigung geschrieben haben, um sie zu trösten. David Bowie selbst ließ damals die Geschichte seiner Exfrau über seinen Rechtsanwalt dementieren und hüllt sich seitdem in Schweigen. 1995 erklärte er: »Ich habe die Schnauze voll davon, ständig Fragen darüber abzuwehren, was ich Anfang der Siebziger mit meinem Penis gemacht habe.«
Mick Jagger bestreitet jedoch vehement, dass er Angie für Bowies damalige Ehefrau geschrieben hat. »Das ist totaler Quatsch«, sagte er. »Ich habe es schon einhundertmillionen Mal gesagt, dass der Song nicht von Angela Bowie handelt. Ich glaube, ich hatte sie damals noch nicht einmal kennengelernt, als ich den Text zuende geschrieben habe. Das war einer von Keith’ Songs, ich habe nur die Lücken gefüllt.« Keith Richards bestätigte dies. »Ich hatte mir die Akkordfolge und den Titel Angie etwa ein Jahr vorher ausgedacht«, sagte er in einem Interview. »Er hätte auch Randy oder Mangy oder irgendwie anders heißen können, aber Mick hat den Titel aufgegriffen und einen Song drum herum geschrieben.« In den Sleevenotes der Stones-CD Jump Back verriet Keith Richards 1993 schließlich die wahre Inspiration für den Songtitel: »Als ich ihn schrieb, wurde meine Tochter Angela geboren, und der Name schwirrte seitdem durchs Haus. ›Angie‹ passte einfach.«
Die ROLLING STONES veröffentlichten den Song Angie auf ihrem dreizehnten Studioalbum Goats Head Soup, einer etwas ruhigeren und eingängigerem LP als deren Vorgänger Exile On Main Street. Angie war die erste Single des Albums und wurde im Herbst 1973 ein weltweiter Hit – obwohl die damalige Plattenfirma der Stones, Atlantic Records, sich ursprünglich gegen die Veröffentlichung des Titels als Single ausgesprochen hatte.
In Großbritannien kletterte der Song bis auf Platz fünf und in den USA sogar bis an die Spitze der Billboard-Charts. Die Single verkaufte sich weltweit mehr als 2,2 Millionen Mal. Angie gehört heute zu den bekanntesten Songs der Rolling Stones.
Die Singer-Songwriterin Dory Previn, die besonders durch ihre schmerzhaft offenen Texte auffiel, konnte Anfang der Siebziger einige Erfolge verbuchen. Sie gehörte zu den Musikerinnen mit sehr persönlichen Songs, die zu jener Zeit in den USA sehr gefragt waren. Dory hatte damals bereits zwei Nervenzusammenbrüche hinter sich – wegen verschiedenen Männern in ihrem Leben.
Den ersten erlitt sie 1965, was eine verspätete Reaktion auf ihre traumatische Kindheit mit ihrem psychisch labilen Vater war. Seit dieser im Ersten Weltkrieg einen Giftgasangriff überlebt hatte, litt er unter heftigen Depressionen und war öfter gewalttätig geworden. Darum hatte Dorothy Langan (wie sie mit bürgerlichem Namen hieß) früh ihre Familie verlassen und als Sängerin und Schauspielerin gejobbt. In den fünfziger Jahren arbeitete sie als Songwriterin für das Filmstudio MGM, wo sie den Komponisten André Previn kennenlernte, mit dem sie fortan zusammenarbeitete. Gemeinsam schrieben sie Musik für Hollywoodfilme und wurden sogar zweimal in der Kategorie »Bester Song« für einen Oscar nominiert (einer der nominierten Songs, The Faraway Part Of Town, war von Judy Garland gesungen worden). Dory und André verliebten sich schließlich ineinander und heirateten 1959.
Zum vorerst letzten Mal arbeiteten die beiden zusammen, als sie fünf Songs zu dem Film Das Tal der Puppen (1967) schrieben. André ging immer häufiger mit Orchestern auf Welttournee, aber da Dory unter Flugangst litt, konnte sie ihren Ehemann nicht begleiten. 1968, als André den Posten als Dirigent des London Symphony Orchestra angenommen hatte, begann er eine Affäre mit Mia Farrow, der Exfrau von Frank Sinatra. Mia war damals 24, also 19 Jahre jünger als Dory und 15 Jahre jünger als André. Als Dory Anfang 1969 herausfand, dass Mia von André ein Kind erwartete, reichte sie die Scheidung ein. Nach ihrem zweiten, noch heftigeren Zusammenbruch wurde sie erneut in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo sie eine Elektrokrampftherapie über sich ergehen lassen musste.
Beware of young girls who come to the door
Wistful and pale, of twenty and four
Delivering daisies with delicate hands
Als Dory sich erholt hatte und wieder arbeiten wollte, merkte sie, dass ihr das Songwriting bei der Genesung half, und so ging sie immer öfter in sich. Eines der ersten Ergebnisse dieser Selbstreflexion war der Song Beware Of Young Girls, den sie 1970 schrieb. Der eindeutige Text und das passende musikalische Arrangement zeigen ganz deutlich, wie bitter für Dory die Erfahrung mit ihrem untreuen Ehemann gewesen sein muss.
André und Mia heirateten kurze Zeit später und sollten insgesamt sechs Kinder großziehen (von denen einige adoptiert waren), und auch nach ihrer Scheidung 1979 blieben sie befreundet. 1980 begann Farrow eine Beziehung mit Filmregisseur Woody Allen, der neun Jahre älter als sie war. Das Ende dieser Beziehung wurde 1992 von den Medien ausgeschlachtet, als Mia Farrow von der Affäre ihres Ehemanns mit der 35 Jahre jüngeren Soon-Yi Previn erfuhr, eines der adoptierten Kinder von Mia und André.
1997 heiratete Woody Allen Soon-Yi Previn. Mia Farrow brach den Kontakt zu ihrer Adoptivtochter ab und veröffentlichte in jenem Jahr ihre Autobiografie, in der sie sich im Nachhinein bei Dory entschuldigte. Dory arbeitete 1997 zum ersten Mal nach dreißig Jahren wieder mit André zusammen – für ein 17-minütiges Musikstück für Orchester und Sopran namens The Magic Number.
Mittlerweile scheint es, als habe Dory Frieden mit sich geschlossen. »Die Welt hat sich eingehend mit meinem Leben beschäftigt«, sagte sie. »Sie kennt all meine Geheimnisse. Deshalb bin ich hier.« Nachdem Dory Mia verziehen hatte, wurde sie in einem Interview gefragt, ob ihre Konkurrentin den Song Beware Of Young Girls wohl kenne. Dory antwortete: »Bei ihrem Ego? Natürlich kennt sie den Song! Sie hat die Platte vermutlich eingerahmt im Badezimmer hängen!«
DORY PREVIN hatte vor ihrer Solokarriere jahrelang Songs für Kinofilme geschrieben. Danach änderte sie ihren Stil und schrieb scharfsinnige und ironische Songs, mit denen sich viele Frauen identifizieren konnten. Beware Of Young Girls wurde 1970 auf Previns zweitem Album On My Way To Where veröffentlicht, ihr erstes Album hatte sie knapp zwölf Jahre zuvor unter dem Namen Dory Langdon herausgebracht. Bis 1976 sollten noch weitere sechs Alben folgen. Wegen der oft kontroversen Themen ihrer Songs schaffte Dory Previn – anders als viele ihrer damaligen Kolleginnen – nie den ganz großen Durchbruch. Allerdings ging es ihr auch nicht um die Anerkennung, sondern eher um die therapeutische Wirkung des Songwritings.
In den achtziger Jahren waren Julianne Phillips und Bruce Springsteen für die Öffentlichkeit das perfekte Promi-Paar. Sie war Model und Schauspielerin – von ihrer Agentur wurde sie als »Frau, die einfach alles hat« beschrieben. Er war elf Jahre älter als sie und schon damals einer der erfolgreichsten Rockstars der Welt, der sich mit seinen mitreißenden Konzerten einen Ruf als großartiger Livekünstler erarbeitet hatte.
Bevor sich die beiden persönlich kennenlernten, hatte Bruce Springsteen Julianne Phillips bereits in Videoclips und Fernsehfilmen gesehen, und auch sie hatte natürlich schon vom »Boss« gehört. Im Oktober 1984 stellte Bruce Springsteens Booking-Agent die beiden einander in Los Angeles vor. Sie hatten einige Gemeinsamkeiten, zum Beispiel trieben sie beide gern Sport und standen auf Rock’n’Roll der Fünfziger, und so freundeten sie sich an, bevor sie ein Paar wurden. Im Mai 1985 heirateten sie schließlich in Julianne Phillips’ Heimat Lake Oswego bei Portland in Oregon.
Bruce Springsteens Leute hatten alles versucht, um die Hochzeit geheimzuhalten, aber die Medien erfuhren dennoch davon – über Juliannes Eltern. Das führte dazu, dass die Hochzeitszeremonie vorgezogen wurde und bereits am 13. Mai kurz nach Mitternacht stattfand. Trotzdem wurde die Kleinstadt von Reportern und Paparazzi überrannt, als zwei Tage später die Feier stattfand, und zahlreiche Hubschrauber kreisten über der Hochzeitsgesellschaft. Bruce Springsteen kommentierte diese Zustände damals mit den Worten: »Ich verstehe die Welt, in der wir leben, einfach nicht und kann auch nicht glauben, dass so etwas möglich ist.«
Bei einem Konzert kurz nach der Hochzeit sang Bruce Springsteen Elvis Presleys Can’t Help Falling In Love, während er seiner Angebeteten, die seitlich neben der Bühne stand und zusah, verliebte Blicke zuwarf. Als der Sänger zwei Jahre später das Album Tunnel Of Love veröffentlichte, kursierten bereits Gerüchte, dass es in der Ehe kriselte, und durch die neuen Songtexte wurden diese weiter angeheizt. Besonders deutlich wurden Beziehungsprobleme in dem Song Brilliant Disguise angesprochen, in dem es um Masken, Rollenspiele, Misstrauen und Untreue geht.
So tell me what I see when I look in your eyes
Is that you baby or just a brilliant disguise
…
I want to know if it’s you I don’t trust
Cause I damn sure don’t trust myself
Bruce Springsteen hat sich nie konkret dazu geäußert, was in der Ehe schiefgegangen war, aber er hat eigene Fehler eingeräumt: »Ich wusste einfach nicht, wie ich mich als Ehemann zu verhalten hatte. Sie war eine tolle Frau, aber ich hatte keine Ahnung, wie man eine Ehe führt.« Später sagte er: »Ich habe festgestellt, dass ich sehr gut in meinem Job war, und deshalb bin ich wohl davon ausgegangen, dass ich auch viele andere Dinge gut hinbekommen würde, wie etwa Beziehungen.«
Im August 1988, während Bruce Springsteens Tunnel Of LoveExpress-Tour, reichte das Paar die Scheidung ein, die im März des folgenden Jahres rechtskräftig wurde. Zu jenem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass Bruce Springsteen eine Beziehung mit seiner Background-Sängerin Patti Scialfa eingegangen war, die er zwei Jahre später dann auch heiratete.
Im Zuge der Scheidung willigte Julianne Phillips ein, Stillschweigen über ihre Ehe mit Bruce Springsteen zu bewahren. Sie arbeitete weiterhin als Schauspielerin und war in der Komödie Fletch – Der Tausendsassa und in der Serie Ein Strauß Töchter zu sehen. 1997 zog sie sich größtenteils aus der Öffentlichkeit zurück und lebt seitdem ein ruhiges Leben in Los Angeles.
BRUCE SPRINGSTEEN war bereits ein internationaler Superstar, als die Single Brilliant Disguise im Herbst 1987 veröffentlicht wurde. Zwölf Jahre zuvor hatte er mit dem Album Born To Run den Durchbruch geschafft und zählt seitdem zu den Größen des amerikanischen Musikbusiness. Mit dem Album Born In The USA gelang ihm 1984 ein weiterer Meilenstein der Popgeschichte, der sich weltweit millionenfach verkaufte.
Nach diesem Bombast-Album schlug Bruce mit Brilliant Disguise und dem Album Tunnel Of Love wieder sanftere Töne an, aber trotzdem konnte die Single sich in den Top 5 der US-Billboard-Charts platzieren, während das Album es bis auf Platz eins schaffte. Privat machte Bruce Springsteen damals eine eher schwierige Zeit durch, aber als Künstler war es eine seiner erfolgreichsten Phasen. Tunnel Of Love wurde sein sechstes Top-5-Album in den USA.
Dieser Lauf sollte sich bis ins 21. Jahrhundert fortsetzen, mit nur einer einzigen Ausnahme – das 1995 veröffentlichte, kommerziell enttäuschende Album The Ghost Of Tom Joad. Bruce Springsteen ist zwar mittlerweile über sechzig, aber mit sieben Nummer-eins-Alben in den USA und den energiegeladenen Konzerten zeigt er der Welt immer noch, warum er »Boss« genannt wird.
Marianne Faithfull ist die Tochter einer österreichisch-ungarischen Baroness, und ihr Großonkel, der Schriftsteller Baron Leopold von Sacher-Masoch, diente als Namensgeber für den Masochismus. Marianne Faithfull war erst 17 und gerade fertig mit der Schule, als sie zu einer Party in der Wimpole Street im Londoner West End eingeladen war. Mariannes damaliger Freund John Dunbar, Maler und wichtiges Mitglied der Londoner Avantgarde-Szene, begleitete sie zu dem Event, bei dem auch die Rolling-Stones-Mitglieder Mick Jagger und Keith Richards und ihr Manager Andrew Loog Oldham anwesend waren. Oldham war sehr beeindruckt von Marianne: »Sie hatte einen sexy Körper und ein jungfräuliches Lächeln ... Und was für ein Name – Marianne Faithfull! Einen besseren Künstlernamen hätte man sich nicht ausdenken können!« Der Stones-Manager nahm die junge Sängerin unter Vertrag und überredete Jagger und Richards, einen Song für sie zu schreiben – As Tears Go By. Nachdem dieser im Sommer 1964 zu Mariannes erstem großen Hit wurde, schickte man sie auf eine für die Sechziger typische Promotour zusammen mit einigen anderen erfolgreichen Acts. Dazu gehörten auch die Hollies aus Manchester.
Mit dem Sänger und Gitarristen der Hollies, Graham Nash, verband Marianne Faithfull schon bald eine enge Freundschaft, und mit dem Leadsänger Allan Clarke begann sie sogar eine kurze Affäre. Er war zu jener Zeit verheiratet, was die junge Künstlerin aber nicht abschreckte. »Wenn man ein gutes Gefühl hatte, machte man es einfach«, sagte sie. »Es wäre die reinste Heuchelei gewesen, nicht mit jemanden zu schlafen, nur weil er oder sie mit jemand anderem zusammen war!«
2007 sprach Marianne Faithfull darüber, mit welch halsbrecherischer Geschwindigkeit ihre Karriere begonnen hatte: »Ich wurde unter Vertrag genommen, und bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte ich eine Platte in den Charts und war mit den Hollies auf Tour … Mit 18 bekam ich ein Baby, mit 19 brannte ich mit Mick durch, und als ich 24 war, brach alles auseinander. Ich musste feststellen, dass ich damit nicht umgehen konnte.«
Im Mai 1967 veröffentlichten die Hollies den Song Carrie Anne, einer ihrer bekanntesten Hits, der von Allan Clarke, Graham Nash und Leadgitarrist Tony Hicks geschrieben worden war. Erst 1995 verriet Graham Nash, wer sich hinter dem Namen Carrie Anne verbarg. In einem Interview für die amerikanische Doku-Serie The History Of Rock’n’Roll bekannte er, dass er den Song für Marianne Faithfull geschrieben habe – aber zu schüchtern gewesen sei, ihren wahren Namen zu benutzen.
Marianne Faithfull verließ kurz danach John Dunbar für Mick Jagger und war zwischenzeitlich auch mit Jaggers Bandkollegen Brian Jones und Keith Richards im Bett gewesen. Drogen wurden für die junge Sängerin, die ihr damaliges Leben als »vom Kurs abgekommen« bezeichnete, zu etwas Alltäglichem. Im Februar 1967 war sie unter denen, die bei der berühmten Drogenrazzia in Keith Richards’ Haus verhaftet wurden. Nur in einen Bärenfellteppich gewickelt, war sie von der Polizei aus dem Haus geführt worden. Dieser Vorfall brachte Marianne Faithfull in Verruf: »Das hat mich ruiniert. Als Mann exzessiv Drogen zu nehmen und sich dementsprechend zu verhalten, war immer etwas Besonderes und wurde verherrlicht. Aber eine Frau in dieser Situation wurde gleich als Schlampe und schlechte Mutter abgestempelt.«
1970 waren Marianne und Mick Jagger bereits wieder getrennt. Weil sie damals heroinabhängig war, verlor sie das Sorgerecht für ihren Sohn, was sie einen Selbstmordversuch unternehmen ließ. Die Siebziger waren für sie die Hölle, sie litt unter ihrer Drogenabhängigkeit und war zeitweise sogar obdachlos. 1979 schließlich schaffte sie mit dem gefeierten Album Broken English ein fulminantes Comeback und kurbelte ihre Schauspielkarriere wieder an, die sie 1967 auf Londoner Theaterbühnen begonnen hatte. 2006 kämpfte Marianne Faithfull erfolgreich gegen eine Brustkrebserkrankung, 2008 veröffentlichte sie das Album Easy Come, Easy Go. Obwohl sie in Großbritannien mittlerweile so etwas wie ein nationales Kulturgut ist, weiß sie genau, wie die Leute sie sehen: »Die meisten Kids sagen: ›Die Fehler dieser Frau möchte ich nicht machen!‹ Ich bin so was wie ein abschreckendes Beispiel.«
In den Sechzigern waren die HOLLIES die erfolgreichste Beat-Gruppe aus Manchester. Ihr Sound war von der atemberaubenden Stimme des Leadsängers Allan Clarke sowie den Gitarristen Tony Hicks und Graham Nash geprägt.
Nash schrieb zwischen 1963 und 1968 unter dem Pseudonym »L. Ransford« viele ihrer großen Hits. Den Durchbruch in den USA erlebten die Hollies 1966 mit dem Song Look Through Any Window, der allerdings nicht von einem Bandmitglied geschrieben worden war. Nachdem Graham Nash die Band verlassen hatte, um Crosby, Stills and Nash zu gründen, griffen die Hollies immer öfter auf fremde Hilfe beim Songwriting zurück und konnten mit The Air That I Breathe (1974) und Stop! In The Name Of Love (1983) weitere Hits landen. 1988 schaffte es der Hollies-Song He Ain’t Heavy (He’s My Brother), der ursprünglich aus dem Jahr 1969 stammt, durch einen Werbespot auf den ersten Platz der UK-Charts. Clarke zog sich aus dem Showgeschäft zurück, dennoch sind die Hollies – mit den einzig verbliebenen Originalmitgliedern Tony Hicks und Schlagzeuger Bobby Elliott – heute noch aktiv.
Das legendäre Chelsea Hotel war bereits die bekannteste Künstlerabsteige der Musikgeschichte, als Leonard Cohen es in seinem Song verewigte. Bis 1902 war es das höchste Gebäude in New York City gewesen, und bis heute beherbergt es zu drei Vierteln Dauerbewohner. Der Schriftsteller Dylan Thomas lebte bis zu seinem Tod 1953 in dem Hotel, und ein weiterer Poet namens Dylan – Bob Dylan – schrieb im Inneren dieses Gebäudes Sad-Eyed Lady Of The Lowlands.
Der kanadische Singer-Songwriter Leonard Cohen liebte diese Absteige. »Es gehört zu den Hotels, die all das haben, was ich so sehr liebe … Ich mag Hotels, in die man um vier Uhr morgens mit einem Zwerg, einem Bären und vier Ladys im Schlepptau einchecken kann, ohne dass es jemanden stört.«
Cohen hatte damals zugegeben, dass der Song Chelsea Hotel No. 2 von seiner kurzen Affäre mit der temperamentvollen Sängerin Janis Joplin handelt, jedoch bereute er es im Nachhinein, ihren Namen mit dem Song in Verbindung gebracht zu haben. In einem Radiointerview mit der BBC 1994 bezeichnete der Sänger seine Enthüllung als »die einzige Unbesonnenheit in meinem Leben als Künstler«.
Janis Joplin, die legendäre Sängerin mit der Reibeisenstimme, wurde 1943 in Texas geboren und feierte 1966 erste Erfolge als Frontfrau von Big Brother And The Holding Company. Ein mitreißender Auftritt beim Monterey Pop Festival 1967 neben Jimi Hendrix machte sie über Nacht zum Star. Die Zeitschrift Time bezeichnete Janis Joplin als die »wahrscheinlich kraftvollste Sängerin aus der White-Rock-Bewegung«. Aber ihr jahrelanger Drogen- und Alkoholmissbrauch sowie eine gehörige Portion Selbsthass (zu Schulzeiten war sie wegen ihres Aussehens von Mitschülern gehänselt worden) sollten Janis Joplin ins Verderben stürzen. Als sie 1969 beim Woodstock-Festival mit ihrer neuen Backing-Gruppe Kozmic Blues Band auftrat, stand sie derart neben sich, dass ihre Performance in dem legendären Kinofilm Woodstock – 3 Tage im Zeichen von Liebe & Musik gar nicht gezeigt wurde.
Leonard Cohen und Janis Joplin, beide sehr eigenwillige Rockstars, waren auch als Paar wie Feuer und Wasser. Angeblich waren die beiden sich zum ersten Mal in einem Fahrstuhl begegnet – Janis Joplin soll beim Betreten ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass es nicht Kris Kristofferson war, der vor ihr stand.
Die beiden Künstler hatten eine kurze Affäre miteinander, zwar nicht unmittelbar nach dem ersten Kennenlernen, aber tatsächlich soll es eine heiße Liebesnacht auf dem »unmade bed«, dem ungemachten Bett, in Zimmer 104 gegeben haben.
You told me again you preferred handsome men
But for me you would make an exception
1971 belegte Janis Joplin mit ihrem Album Pearl sowie mit dem Song Me And Bobby McGee (ironischerweise von ihrem Idol Kris Kristofferson geschrieben) Platz eins der Billboard-Charts. Diesen Triumph erlebte sie allerdings nicht mehr, da sie bereits im Jahr zuvor an einer Überdosis Heroin gestorben war – in einem anderen Hotel, dem Landmark in Hollywood. Als Leonard Cohen 1971 Chelsea Hotel No. 2 zum Gedenken an sie schrieb, stellte er die Beziehung als kurz und relativ bedeutungslos dar. Seit Cohens Song hat Sid Vicious, Bassist der Sex Pistols, der Geschichte des Hotels ein trauriges Kapitel hinzugefügt. Im Badezimmer des nahe gelegenen Zimmers 100 soll er im Oktober 1978 seine Freundin Nancy Spungen erstochen haben.
LEONARD COHEN schrieb Chelsea Hotel No. 2 im Jahr 1971 zusammen mit dem Gitarristen Ron Cornelius, der für vier Alben Cohens Bandleader war. Cohen begann mit der Arbeit an dem Song in einem polynesischen Restaurant in Miami und stellte ihn im äthiopischen Asmara fertig.
Er feierte seine Livepremiere 1972 in London, wurde aber erst 1974 für das Album New Skin For The Old Ceremony aufgenommen. Endgültig zum Klassiker wurde Chelsea Hotel No. 2, als es nur 15 Monate später auf Cohens Album Greatest Hits neben Evergreens wie Suzanne und So Long Marianne auftauchte.
Eine alternative Version von Chelsea Hotel mit etwas freundlicherem Text tauchte in Tony Palmers Dokumentarfilm Bird On A Wire auf, allerdings ist unklar, ob es sich hierbei um Chelsea Hotel No. 1 oder nur um einen ersten Entwurf handelt.
Prudence Farrow war überglücklich, als sie an einem zweimonatigen Kurs für Transzendentale Meditation teilnehmen durfte, den der berühmte Maharishi Mahesh Yogi im indischen Rishikesh gab. »Seit 1966 habe ich regelmäßig meditiert und 1967 hatte ich versucht, in diesen Kurs zu kommen«, erinnert sie sich. »Daher ging für mich ein Traum in Erfüllung.« Als sie im Februar 1968 mit ihrer älteren Schwester, der Schauspielerin Mia Farrow, in Rishikesh ankam, erfuhr sie, dass unter den anderen Kursteilnehmern auch die Beatles waren, deren spirituelle Suche sie ebenfalls nach Indien geführt hatte.