Das Prinzip Mord - David Sarno - E-Book

Das Prinzip Mord E-Book

David Sarno

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Beschreibung

Allein in Deutschland werden jedes Jahr Hunderte Menschen ermordet. Um die Täter zu überführen, müssen die Ermittler in menschliche Abgründe blicken, die für Außenstehende oft nur schwer zu ertragen sind. David Sarno und Sascha Lapp arbeiten als Autoren und Produzenten für verschiedene True-Crime-Formate des ZDF und ZDFinfo und konnten über die Jahre ausgezeichnete Kontakte zu den Ermittlungsbehörden aufbauen. Für ihr Buch »Das Prinzip Mord - Wahren Verbrechen auf der Spur« ist es ihnen gelungen, exklusive Einsicht in die Fallakten zu erlangen und ausführliche Gespräche mit Ermittlern zu führen, die mit spektakulären Mordfällen zwischen den Jahren 1971 bis 2015 betraut waren. Die Dokumentation der Verbrechen fördert Erschreckendes zutage und liefert zugleich seltene und realistische Einblicke in die Polizeiarbeit.

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Seitenzahl: 248

Veröffentlichungsjahr: 2022

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David Sarno arbeitet als freischaffender Autor und Filmemacher und ist zudem für verschiedene Film-, Fernseh- und Hörspielproduktionen als Regisseur tätig. Außerdem produziert er Dokumentationen für mehrere True-Crime-Formate des ZDF. Seine Film- und Performanceprojekte wurden mit mehreren Preisen (u. a. dem Hessischen Film- und Kinopreis) ausgezeichnet.

Sascha Lapp ist Journalist und Buchautor. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet er für den Hörfunk des Hessischen Rundfunks und für die ARD als Reporter, Moderator und Redakteur. Seine eigene Radiorubrik, der »Polizeireport«, ist überregional erfolgreich und in Buchform erschienen. Seit vielen Jahren produziert er Dokumentationen für verschiedene True-Crime-Formate des ZDF.

www.das-prinzip-mord.de

Die in diesem Buch beschriebenen Fälle haben sich tatsächlich ereignet. Einige Namen von Opfern und Tätern sowie deren Angehörigen wurden aufgrund geltender Persönlichkeitsrechte geändert und sind im Text mit einem * versehen. Eventuelle Namensgleichheiten mit Unbeteiligten sind gänzlich absichtslos und reiner Zufall.

© 2022 Emons Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: LKA Brandenburg

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer

Abbildungen: Porträt Wolfgang Metzger: Martina Lammel. Alle anderen Abbildungen stammen aus den jeweiligen Fallakten der ermittelnden Behörden. Die Erlaubnis zum Abdruck der Bilder liegt vor.

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-96041-942-6

emons: truecrime

Originalausgabe

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INHALT

Vorwort

Tödliche Begegnung

Königsbrand

Vor dem inneren Auge

Milchgesicht

Paranoia

Tod am Titicacasee

Der Bankraub von Meyenburg

Mordfall: Trixi Scheible

Das goldene Armband

Brief eines Mörders

Liebesschwüre

Bild für Bild

Der Friedhofsgärtner

Die Tote im Schrank

Der Wachmann

Interview mit Mordermittler Wolfgang Metzger

Danksagung

VORWORT

von David Sarno und Sascha Lapp

Seit dem Jahr 2016 produzieren wir als Autoren und Filmemacher True-Crime-Dokumentationen für das ZDF und ZDFinfo. Dabei verfolgen wir die Arbeit der Ermittler quer durch die Bundesrepublik – immer auf der Suche nach den aufregendsten Kriminalfällen. In der Regel handelt es sich um sogenannte Cold Cases. Fälle also, die nach Jahren oder sogar Jahrzehnten von der Polizei routinemäßig wiederaufgerollt werden – und dank sich stetig weiterentwickelnder technischer Methoden, vor allem im Bereich der DNA-Analyse, oft im Nachhinein aufgeklärt werden können.

Zu Beginn stellte sich uns die Frage, ob die Arbeit an diesen Themen unseren Vorstellungen eines seriösen und verantwortungsvollen Journalismus entspräche. Wir wollten das Leid anderer Menschen nicht in die Öffentlichkeit ziehen. Menschen, die durch den Verlust eines geliebten Angehörigen schon alles verloren haben, was ihnen wichtig ist. Auf der anderen Seite lag es uns ebenso fern, die Täter vorzuführen, zu analysieren und zu »Monstern« zu machen. Zu »blutrünstigen Bestien«, deren kriminelle Karriere schon von Kindesbeinen an vorbestimmt zu sein scheint.

Wir sind keine Psychologen und versuchen auch keine Charakterstudien zu zeichnen oder uns ein Urteil über das Leben und Schicksal von Opfern und Tätern zu erlauben. Aus den genannten Gründen stand es außer Frage, uns von Anfang an ausschließlich auf die Kommissare und deren hochspannende Ermittlungsarbeit zu konzentrieren. Dabei ist es manchmal nicht zu glauben, wie viel Raffinesse, Erfahrung und Akribie vonseiten der Ermittler notwendig sind, um die Täter zu überführen und hinter Gitter zu bringen. Oft auch allen Widerständen zum Trotz.

Am meisten aber überrascht uns stets die Offenheit der Kommissare, die uns entgegengebracht wird. Ehrlich und nüchtern berichten sie von ihrer nicht immer leichten Arbeit. Ohne Heimlichtuerei, ohne Versteckspiel.

In den oft stundenlangen Gesprächen, die wir mit den Ermittlern führen, lassen sich die einzelnen Schritte ihrer intensiven kriminalistischen Arbeit bis ins Detail nachvollziehen. Jeder Erfolg, jede Sackgasse, nichts bleibt verborgen. Wir erfahren von Kommissaren, die über Wochen hinweg und allen Widrigkeiten zum Trotz ein fünftausend Quadratmeter großes Waldstück umgraben lassen – wegen eines Bauchgefühls. Wir treffen auf Ermittler, die ein großes Schauspiel inszenieren, um den Täter noch einmal in die Nacht des Mordes zurückzuversetzen, oder hören die Geschichte des Kommissars, der an den Jahrestagen des Verbrechens immer wieder zum Tatort zurückkehrt, in der Hoffnung, hier irgendwann den gesuchten Mörder anzutreffen.

In den vielen Gesprächen offenbart sich eine Welt, die so ganz anders erscheint als das, was wir zu kennen glauben. Und doch ist alles seltsam vertraut. Denn in den Geschichten, die uns begegnen, geht es neben all der kleinteiligen Ermittlungsarbeit und den modernen technischen Methoden immer auch um die menschliche Seite jedes Falls. Um die Angehörigen der Opfer, die während der intensiven Ermittlungen einen engen Kontakt zu den Kommissaren pflegen. Immer wieder berichten uns die Ermittler von der unendlichen Dankbarkeit, die ihnen vonseiten der Angehörigen entgegengebracht wird, wenn – zum Teil nach Jahrzehnten quälender Ungewissheit – die erlösende Nachricht folgt, dass der Täter endlich gefasst wurde. Häufig entwickeln sich hier Beziehungen, die noch weit über die Verurteilung hinaus bestehen.

Aber auch das fragile Verhältnis zwischen Ermittlern und Tätern spielt eine entscheidende Rolle. Während der meist tagelang andauernden Vernehmungen schildern die Beschuldigten oft schreckliche Verbrechen in all ihren Einzelheiten. Diese Situation erfordert eine hohe Professionalität seitens der Ermittler. Verachtung oder ähnliche negative Gefühle müssen zugunsten eines Gesprächs »auf Augenhöhe« hintangestellt werden.

Und natürlich geht es um Menschen, die bereit sind, ihr privates Leben außerhalb der Dienststelle jederzeit zu opfern, um Gewaltverbrecher zur Strecke zu bringen. Kommissare, die durch ihre Ermittlungsarbeit sowohl das Leid der Opferfamilien als auch das der Angehörigen der Täter so gut es geht zu lindern versuchen.

Am Ende stehen Geschichten, die Menschen in ihren Bann ziehen, weil sie wahr sind, weil das Leben selbst sie schreibt. In diesem Buch nutzen wir die Möglichkeit, die Geschichten all dieser Menschen im Detail zu erzählen, deren unterschiedliche Schicksale auf so unheilvolle Weise zusammengeführt worden sind. Wir berichten von wahren Verbrechen, die in ihrer Kaltblütigkeit auch uns als Autoren mitunter den Atem stocken ließen.

Für unsere Recherchen wurde uns von den ermittelnden Dienststellen sowie den Staatsanwaltschaften ein Großteil der Ermittlungsakten in Form von unzähligen Schriftsätzen und Abbildungen zur Einsicht überlassen. Zudem dürfen wir im vorliegenden Band das entsprechende Archiv- und Fotomaterial zu den jeweiligen Fällen veröffentlichen. All dies ist keine Selbstverständlichkeit.

Aus Rücksichtnahme gegenüber den Opfern, ihren Angehörigen und den Persönlichkeitsrechten der Täter haben wir uns, mit Ausnahme dreier historischer Fälle, die Einzug in die Rechtsgeschichte gehalten haben, dazu entschlossen, die Namen aller Beteiligten zu ändern. Nur die Klarnamen der Ermittler sind erhalten geblieben.

Für die Einwilligung zu diesem Buch und das uns entgegengebrachte Vertrauen möchten wir uns herzlich bedanken.

Welche Strafe mir auch auferlegt wird, wird sie doch minder grausam sein als die Erinnerung an mein Verbrechen.Jean-Jacques Rousseau

TÖDLICHE BEGEGNUNG

Heike W., Plauen, Sachsen

Der Voigtsgrüner Wald bei Plauen in Sachsen. Es ist der Nachmittag des 10. April 1987, als sich ein Soldat der Nationalen Volksarmee der DDR auf einer Patrouillenfahrt durch das Waldgebiet befindet. Die Sonne scheint. Gleißendes Sonnenlicht bahnt sich seinen Weg durch die Wipfel der Bäume und wirft helle Flecken auf den mit Blättern übersäten Waldboden. Nur hin und wieder wird die Idylle durch das Motorengeräusch vorbeifahrender Fahrzeuge durchbrochen, die auf der nahe gelegenen Landstraße B 173 das Waldstück passieren.

Gegen 15.00 Uhr stellt der Soldat seinen Wagen auf einem Waldparkplatz ab, der zum Lagern von geschlagenem Holz genutzt wird. Er muss austreten und sucht nach einer geeigneten Stelle. Dabei durchstreift er das dichte Unterholz des Waldes. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er im hellen Sonnenlicht plötzlich etwas aufblitzen. Neugierig tritt er ein Stück näher heran und stößt nur wenige Meter von ihm entfernt auf ein Motorrad, das zur Seite gekippt auf dem Waldboden liegt.

Ein paar Meter weiter entdeckt der Soldat schließlich die Leiche einer jungen Frau. Sie liegt auf dem Rücken. Die Kleidung wurde ihr vom Leib gerissen, eine Jacke bedeckt ihr Gesicht. Ihre Beine sind weit gespreizt. Um ihren Hals ist ein verknotetes Kleidungsstück gelegt, mit dem sie offensichtlich stranguliert wurde.

Der Soldat fährt sofort ins nur wenige Kilometer entfernte Plauen, um die Polizei zu alarmieren. Seine Suche nach einer Telefonzelle führt ihn in ein nahe gelegenes Neubaugebiet. Hier begegnet ihm zufällig eine Streife der Volkspolizei. Hektisch berichtet er von dem grauenhaften Fund, den er in dem Waldstück in der Nähe der Landstraße B 173 gemacht hat. Der Soldat führt die Beamten in den Wald und zeigt ihnen die Stelle, an der er die Leiche aufgefunden hat. Wenig später trifft auch die Mordkommission vor Ort ein. Das Gebiet wird abgesperrt, Spuren werden gesichert. Bald schon gehen die Ermittler davon aus, dass die junge Frau vergewaltigt, misshandelt und anschließend mit ihrem eigenen BH erwürgt wurde.

In den Taschen des Opfers finden die Beamten zahlreiche Hinweise auf die Identität der ermordeten Frau: eine Mitgliedskarte der Konsum-Genossenschaft, Terminkarten für Arztbesuche, die Teilnahmebestätigung eines Erste-Hilfe-Kurses sowie diverse Kontoauszüge. Auf all diesen Dokumenten und Schriftstücken ist deutlich zu lesen, um wen es sich bei der Toten handelt. Es ist die 18-jährige Heike W. aus Altensalz, einem Ortsteil der Gemeinde Neuensalz im Vogtlandkreis.

Routinemäßig nehmen die Beamten sogenannte Geruchsproben. Eine in der ehemaligen DDR vielversprechende Methode, um mögliche Straftäter zu überführen. Sämtliche Gegenstände am Tatort, mit denen der Mörder in Kontakt gekommen sein könnte, werden mit Mulllappen abgerieben und anschließend in sterile Einweckgläser luftdicht verpackt. Neben den gesicherten Spuren am Tatort finden sich jedoch keine eindeutigen Hinweise darauf, wer Heike W. umgebracht haben könnte.

Und so ermittelt die Kriminalpolizei zunächst im Umfeld des Opfers. Von ihren Familienangehörigen und Freunden wird Heike W. als aufgeweckt und lebensfroh beschrieben. Die 18-Jährige besuchte gern Diskotheken, hatte sich gerade frisch verliebt. Für die Beamten gilt es herauszufinden, mit wem Heike vor ihrem Tod in Kontakt stand und wer möglicherweise ein Motiv gehabt haben könnte, sie zu ermorden. Doch die Befragungen führen zu keinem Ergebnis. Niemand kann sich erklären, aus welchem Grund Heike sterben musste.

Anhand von Zeugenaussagen beginnen die Ermittler nun damit, die letzten Stunden im Leben von Heike W. zu rekonstruieren: Am Vorabend des Mordes hält die junge Frau sich im benachbarten Plauen auf. Hier besucht sie zunächst ihre Mutter, die aufgrund einer akuten Blinddarmentzündung im Krankenhaus liegt. Anschließend nimmt Heike an einem Abendkurs in der örtlichen Volkshochschule teil. Die junge Stickerin, die im Volkseigenen Betrieb Plauener Gardine arbeitet, plant ein Studium, lernt mehrmals wöchentlich für die Hochschulreife. Gegen 20.00 Uhr an diesem Abend endet der Kurs. Heike, die mit ihrem Motorrad unterwegs ist, möchte jedoch noch nicht nach Hause fahren und beschließt, eine Freundin zu besuchen.

Als sie sich eine Stunde später dann aber doch dafür entscheidet, den Heimweg anzutreten, zieht gerade ein starker Schauer über Plauen hinweg. Heike nutzt eine Regenpause und verlässt schließlich gegen 21.45 Uhr die Wohnung ihrer Freundin.

Diese wird später zu Protokoll geben, dass das Motorrad von Heike W. offenbar Startschwierigkeiten gehabt habe. Nach mehreren Versuchen sei es Heike dann irgendwann doch gelungen, den Motor zu starten und davonzufahren. An einer Kreuzung wird Heike wenig später von einem Straßenbahnfahrer, der an diesem Abend Dienst hat, das letzte Mal gesehen. Danach verliert sich ihre Spur.

Das weitere Schicksal der 18-Jährigen kann von den Ermittlern im Detail nicht mehr rekonstruiert werden. Die Beamten gehen jedoch davon aus, dass Heike auf ihrem Weg nach Hause mit dem Motorrad eine Panne hat. Dafür spricht ein weiterer Regenschauer, der sich gegen 22.00 Uhr über der Stadt entlädt. Das Modell von Heikes Motorrad gilt als anfällig gegenüber Feuchtigkeit und Nässe. In der Regel kann es erst nach der Trocknung wieder gestartet werden. Zudem lässt die spätere Untersuchung des Motorrads am Tatort ebenfalls auf eine Panne schließen. Die Ermittler stellen fest, dass der Benzinhahn geschlossen ist. Außerdem ist der Zündschalter auf »Aus« gestellt. Heike muss das Motorrad in dieser Nacht geschoben haben. In ihr nur wenige Kilometer entferntes Zuhause wird sie nie zurückkehren.

Die Polizei nimmt vorbestrafte Kriminelle in den Fokus, die in der Umgebung des Tatorts und in angrenzenden Ortschaften leben.

Insgesamt werden rund achthundert Personen, darunter Räuber, Einbrecher und Sexualstraftäter, auf ihre Alibis hin überprüft, und es werden Geruchsproben genommen. Diese werden mit jenen Proben abgeglichen, die an verschiedenen Gegenständen am Tatort gesichert wurden. Speziell ausgebildete Hunde, sogenannte Geruchsdifferenzierungshunde, werden herangezogen. Die Proben werden ihnen buchstäblich unter die Nase gehalten, damit sie erschnüffeln, ob sich der Geruch eines mutmaßlichen Tatverdächtigen auch am Tatort befunden hat. Doch Heike W.s Mörder lässt sich unter den überprüften Personen nicht ausmachen.

Es bleibt ein bestimmter Kreis an Personen übrig, der durch die Ermittler noch überprüft werden müsste – doch hier enden in der ehemaligen DDR die Befugnisse der Polizei. Es handelt sich hierbei um Personen, die unter den sogenannten Paragrafen 213 fallen, also Menschen, die wegen des Verdachts der Republikflucht erfasst werden. In diesen Fällen obliegt es ausschließlich dem Ministerium für Staatssicherheit zu ermitteln. Die Polizei wird herausgehalten. Zwar stellen die Beamten eine offizielle Anfrage, eine Rückmeldung vonseiten der Staatssicherheit zum Fall der getöteten Heike W. gibt es jedoch nicht. Auch sonst ergeben sich für die Polizei keine weiteren Ermittlungsansätze. Der Fall wird zunächst beiseitegelegt und verschwindet in den Archiven der Ermittler.

Es vergehen mehr als dreizehn Jahre. Der Fall der ermordeten Heike W. ist zwar nie vergessen, wird von den Behörden zwischenzeitlich jedoch als sogenannter Cold Case geführt. Ein Altfall also, der auch nach Jahren intensiver Ermittlungsarbeit nicht geklärt werden kann. Doch Mord verjährt nicht. Und so landen die Akten im Jahr 2000 auf dem Schreibtisch von Enrico Petzold. Routinemäßig rollt der erfahrene Kommissar der Mordkommission Zwickau den Mordfall wieder auf.

Petzold setzt sich mit den damaligen Zeugen in Verbindung, durchforstet die Liste der Tatverdächtigen und sucht nach neuen Ermittlungsansätzen. Große Hoffnung setzt Petzold in die fortschreitende Entwicklung der DNA-Analytik: Vielleicht findet sich eine Spur an den eingelagerten Kleidungsstücken des Opfers, beispielsweise dem BH, mit dem Heike W. erwürgt wurde. Doch Petzold wird enttäuscht. Der starke Regen in der Mordnacht hat offenbar alle Spuren verwischt.Dennoch wird die Kleidung von Heike W. weiterhin archiviert. Die Spezialisten setzen auf die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten und hoffen, den Fall möglicherweise in der Zukunft doch noch klären zu können.

In den folgenden Jahren macht die DNA-Analytik tatsächlich entscheidende Fortschritte. Den Wissenschaftlern gelingt es, zunehmend kleinere Spuren sichtbar zu machen. In Absprache mit den Biologen des Landeskriminalamts entschließt sich Kommissar Petzold im Sommer 2015, nochmals alle zuvor eingelagerten Asservate mit Hilfe der sogenannten Mikrospurenanalyse untersuchen zu lassen. In der Hoffnung, Spuren des Täters zu finden, legen die Wissenschaftler im Labor dabei ein besonderes Augenmerk auf den Knoten des BHs und unterziehen diesen einer Hautschuppenuntersuchung. Wieder vergehen mehrere Monate, in denen Petzold mit Spannung das Ergebnis der Analyse erwartet.

Auf dem Waldboden liegt das umgestürzte Motorrad von Heike W.

In der Gerichtsmedizin wird die Kleidung des Opfers auf Spuren untersucht

Im Laub entdecken die Beamten das Portemonnaie der 18-Jährigen

Durch den Inhalt des Portemonnaies kann die Identität des Opfers festgestellt werden

An dieser Stelle entdeckt ein Soldat die Leiche der jungen Frau

Der Helm von Heike W. wird unweit der Leiche gefunden

Die Spurensicherung untersucht noch am Tatort das Motorrad

Die 18-Jährige wurde mit ihrem eigenen BH erwürgt

Anfang März des Jahres 2016 melden sich schließlich die Spezialisten des Landeskriminalamts bei Petzold. Sie teilen ihm mit, dass die Untersuchungen abgeschlossen seien und er sich das Gutachten einmal genauer anschauen solle. Petzold erhält eine E-Mail mit Anhang. Doch er hat an diesem Tag viel zu tun, und so druckt er das Gutachten aus und nimmt es nach Dienstschluss mit nach Hause. Erst am Abend widmet er sich dem Schreiben des Landeskriminalamts. Und was er hier zu lesen bekommt, verschlägt dem Kommissar buchstäblich den Atem. Seine Gedanken kreisen. Zeile für Zeile prasseln die Worte des Gutachtens wie Hammerschläge auf ihn ein: Fast dreißig Jahre nach dem Mord an Heike W. entdecken die Experten an der Spur 29.2 – dem BH des Opfers – tatsächlich eine Hautschuppe. Die DNA kann im Labor entschlüsselt werden. Sie gehört zu einer unbekannten männlichen Person.

Noch am selben Tag gibt der Kommissar die DNA in die Datenbank des Bundeskriminalamts ein. Hier sind die genetischen Daten vieler Tausender Straftäter gespeichert. Nur Sekunden später gibt es einen Treffer. Die am BH entdeckte Hautschuppe gehört zu Hartmut B.*, einem vielfach verurteilten Sexualstraftäter, der zum Zeitpunkt der Tat in der Nähe des Tatorts wohnte.

Doch auf der Liste der rund achthundert vorbestraften Personen, die nach dem Mord an Heike W. von der Polizei überprüft wurden, taucht Hartmut B. nicht auf. Die Ermittler um Kommissar Petzold suchen nach einer Begründung und finden heraus, dass Hartmut B. gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit immer wieder den Wunsch geäußert hatte, aus der DDR ausreisen zu wollen. Daher wurde er in den Akten als Republikflüchtling geführt und fiel unter Paragraf 213. Die Staatssicherheit, der allein es vorbehalten war, Maßnahmen gegenüber Angehörigen dieser Gruppe zu ergreifen, blockierte jedoch die damaligen Ermittlungen der Polizei. Und so blieb Hartmut B. über Jahrzehnte hinweg auf freiem Fuß.

Kommissar Petzold ist überzeugt davon, den Mörder von Heike W. gefunden zu haben. Gemeinsam mit seinem Team trägt er zunächst weitere Informationen über Hartmut B. zusammen.

Im Staatsarchiv Chemnitz werden die Ermittler schließlich fündig. Hier existieren tatsächlich noch Unterlagen, die die kriminelle Karriere des heute 61-Jährigen in der ehemaligen DDR eindrücklich belegen. Körperverletzungen, gestohlene Autos – die Liste seiner Delikte ist lang. Außerdem wurde er Frauen gegenüber schon mehrfach gewalttätig.

Die Unterlagen offenbaren viele weitere Details aus dem Leben von Hartmut B. Eines seiner Verbrechen aus dem Jahr 1989 weist deutliche Parallelen zum Mord an Heike W. auf und erregt daher auf besondere Weise die Aufmerksamkeit der Ermittler: Zwei Jahre nach dem Tod der 18-Jährigen versucht Hartmut B. die Arbeitskollegin seiner Lebensgefährtin zu vergewaltigen. Einem glücklichen Umstand ist es geschuldet, dass ein Passant den nächtlichen Überfall stört. Der jungen Frau gelingt es zu fliehen. Der Zufall rettet ihr womöglich das Leben. Damals jedoch sieht niemand eine Verbindung zu dem Fall der ermordeten Heike W.

Jahrzehnte nach der Mordtat plant Petzold nun die Festnahme von Hartmut B. Anhand der Unterlagen können die Beamten den Wohnort des Mannes ausfindig machen. Der Kommissar geht aufgrund der kriminellen Vergangenheit des inzwischen 61-Jährigen nicht davon aus, dass dieser sich kooperativ zeigen wird. Und so setzt der Mordermittler auf den Überraschungseffekt.

Am frühen Morgen des 21. März 2016 sammelt sich ein Spezialeinsatzkommando der Polizei vor der Wohnung des mutmaßlichen Mörders von Heike W. Letzte Details zum bevorstehenden Zugriff werden geklärt. Zivilbeamte, die das Wohnhaus zuvor ausgekundschaftet haben, bestätigen die Anwesenheit des gesuchten Mannes. Nur wenige Minuten später stürmen die Beamten des SEK die Wohnung. Hier treffen sie auf Hartmut B. und dessen Lebensgefährtin. Doch zur großen Überraschung der Polizei erfolgt seitens des 61-Jährigen wenig Gegenwehr. Im Gegenteil: Hartmut B. wirkt körperlich angegriffen, hat vier Jahre zuvor einen Schlaganfall erlitten. Petzold erläutert den Grund für die Festnahme und lässt den Mann abführen. Und obwohl ihm das Gehen sichtlich schwerfällt, legt Hartmut B. den Weg aus dem dritten Obergeschoss hinunter in den Polizeiwagen ohne Hilfe der Beamten zurück.

Die anschließende Fahrt endet im Präsidium. Hier wird Hartmut B. erkennungsdienstlich behandelt. Fotografien werden angefertigt, Fingerabdrücke genommen. Schließlich wird der 61-Jährige vernommen. Zu der Tat selbst will er sich jedoch nicht äußern. Stattdessen erzählt er freimütig aus seiner Vergangenheit, aus seiner Schulzeit und von den Rekorden, die er im Sportunterricht aufgestellt habe. Doch sobald der Mord an der 18-jährigen Heike W. zur Sprache kommt, verstummt Hartmut B. Das Sprechen, so erinnert sich Kommissar Petzold später, falle ihm dann plötzlich wieder schwer. Aber auch wenn der Beschuldigte beharrlich schweigt, haben die Ermittler eine Vermutung, was sich in der Nacht des Mordes tatsächlich zugetragen haben könnte.

Petzold findet heraus, dass die Mutter von Hartmut B. zum Zeitpunkt der Tat in einer Plattenbausiedlung am Ortsrand von Plauen wohnt. Der Wohnkomplex befindet sich nur wenige hundert Meter von jener Straßenkreuzung entfernt, an der Heike W. von einem Straßenbahnfahrer das letzte Mal lebend gesehen wird. Die Beamten vermuten, dass sich Hartmut B. am Abend vor dem Mord in der Wohnung seiner Mutter aufhält. Etwa gegen 21.30 Uhr verlässt der damals 32-Jährige die Wohnung und begibt sich auf den Weg nach Hause. Zu Fuß läuft er durch die von Hochhäusern gesäumten Straßen der Siedlung.

Zur selben Zeit schiebt die 18-jährige Heike W. ihr defektes Motorrad durch die regennassen Straßen von Plauen. Möglicherweise ist die junge Frau auf der Suche nach einer Telefonzelle, um ihre Familie zu kontaktieren. An einer Kreuzung trifft sie vermutlich auf ihren späteren Mörder.

Von ihrem Umfeld wird Heike als äußerst vorsichtig und zurückhaltend Fremden gegenüber beschrieben. Doch an diesem Abend ist sie auf Hilfe angewiesen. Die Ermittler nehmen an, dass Hartmut B. der jungen Frau unter dem Vorwand, sie nach Hause fahren zu wollen, anbietet, sie bis zum Parkplatz im Wald zu begleiten. Es besteht jedoch ebenfalls die Möglichkeit, dass sie vereinbaren, sich zu einer bestimmten Uhrzeit in dem abgelegenen Waldstück zu treffen. Die genauen Umstände ihres verhängnisvollen Zusammentreffens können nachträglich nicht mehr geklärt werden.

Sicher ist, dass Hartmut B. gegen 22.00 Uhr über die arglose Frau herfällt. Er reißt ihr die Kleidung vom Körper, vergewaltigt sie und erdrosselt Heike W. anschließend mit ihrem eigenen BH. Ein späteres Gutachten der Gerichtsmedizin ergibt, dass die junge Frau mehrere Minuten um ihr Leben kämpfen muss, bis sie erstickt.

Während des folgenden Prozesses verweigert Hartmut B. die Aussage. Seine ausgeprägte kriminelle Vergangenheit, die versuchte Vergewaltigung einer Frau zwei Jahre nach dem Mord an Heike W. sowie die DNA im Knoten des BHs des Opfers sprechen für die Richter eine eindeutige Sprache. Im Laufe der Verhandlung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Hautschuppe von Hartmut B. nicht auch auf anderem Wege oder zu einem anderen Zeitpunkt an das Kleidungsstück gekommen sein könnte.

Gemeinsam mit den Kollegen der Trassologie, einem wissenschaftlichen Bereich der Kriminalistik, der sich intensiv mit den verschiedenen Formen von Spuren und deren Herkunft befasst, möchte Petzold nun den unumstößlichen Beweis liefern. Anhand verschiedener Versuchsanordnungen rekonstruieren die Sachverständigen den damaligen Tathergang. An einer lebensechten Puppe simulieren sie den Vorgang des Erdrosselns mit einem BH. Dieser ist nahezu identisch mit jenem BH, mit dem Heike W. in der Tatnacht ermordet wurde. Weitere Versuche an der Puppe belegen schließlich, dass die Spur 29.2, die Hautschuppe von Hartmut B., ausschließlich während des Zuziehens des Knotens an diese spezielle Stelle gelangt sein kann. Endlich hält Petzold den eindeutigen Beweis in Händen, der Hartmut B. überführen wird.

Fast dreißig Jahre lang mussten die Angehörigen von Heike W. in der quälenden Ungewissheit leben, wer die junge Frau in dem kleinen Waldstück bei Plauen umgebracht hat. Enrico Petzold hat über all die Jahre hinweg engen Kontakt zur Familie der damals 18-Jährigen gehalten. Die Nachricht von der Festnahme des Mörders überbringt er persönlich. Ungläubig lauschen die Angehörigen den Ausführungen Petzolds. Die anfängliche Fassungslosigkeit weicht bald jedoch tiefer Erleichterung. Erleichterung darüber, dass der Mörder ihrer geliebten Heike endlich gefasst wurde.

Wegen Mordes wird Hartmut B. zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die Richter stellen außerdem die besondere Schwere der Schuld fest.

Nur wenige Meter von diesem Parkplatz entfernt wird die Leiche gefunden

Jedes Kleidungsstück, mit dem der Täter in Berührung gekommen sein könnte, wird untersucht

Am Knoten des BHs wird eine Hautschuppe des Täters entdeckt

Mit einem Dummy wird die Tatausführung rekonstruiert

KÖNIGSBRAND

Constantin S., Götzingen, Baden-Württemberg

Götzingen in Baden-Württemberg. Rund tausendzweihundert Einwohner zählt der beschauliche Ortsteil der Gemeinde Buchen. Ein kleines Dorf inmitten des malerischen Odenwalds, umgeben von Wiesen und Wäldern. Alles erinnert an einen Heimatfilm aus den 1960er Jahren. Kleine Fachwerkhäuser säumen die engen Straßen. Einzig die Glockenschläge der auf einer Anhöhe emporragenden alten Dorfkirche durchbrechen die romantische Stille des Ortes. Der imposante Turm der Kirche bildet zusammen mit dem historischen Rathaus den Mittelpunkt Götzingens. Ihnen gegenüber liegt die Grundschule, spielende Kinder toben hier ausgelassen auf dem Schulhof umher. Nichts erinnert mehr an ein ungewöhnliches Verbrechen, das die kleine Gemeinde im Jahre 2013 bis ins Mark erschütterte.

Alles beginnt an einem Mittwoch. Es ist der 20. Februar 2013, als ein Einwohner des Ortes spurlos verschwindet. Der damals 56-jährige Constantin S.* lebt zurückgezogen im ehemaligen Haus seiner Eltern. Nachbarn beschreiben ihn als ruhig, aber hilfsbereit.

An diesem Morgen ist Constantin S. bei einem Bekannten zum Frühstück eingeladen. Im Laufe des Vormittags gesellt sich Bruno K.* zu den Männern hinzu. Bruno K. ist der Wirt der hiesigen Gaststätte »König«*. Nach dem Frühstück leiht Constantin S. sich das Auto von Bruno K. aus. Mit dem Wagen und einem Anhänger will er alte Weinfässer des Gastwirts transportieren, für die er in dessen Auftrag einen Käufer gefunden hat. Die späteren Ermittlungen der Polizei ergeben, dass Constantin S. die Fässer tatsächlich ausliefert. Das Geld händigt er kurz darauf Bruno K. aus. Danach jedoch verliert sich die Spur des 56-Jährigen. Constantin S. wird an diesem Vormittag das letzte Mal lebend gesehen.

Die Polizei in Buchen übernimmt die Ermittlungen. Zunächst wird das plötzliche Verschwinden von Constantin S. als Vermisstenfall behandelt. Plakate mit einem Foto des 56-Jährigen werden gedruckt und in der Gegend rund um Buchen verteilt. Während ein Hubschrauber die angrenzenden Wälder überfliegt, suchen Polizisten in der Umgebung nach dem Vermissten. Doch Constantin S. ist wie vom Erdboden verschluckt.

Rund sechs Monate später werden die Ermittlungen schließlich zurückgefahren. Constantin S. bleibt verschwunden – Hinweise, die auf ein Verbrechen hindeuten, gibt es nicht.

Es vergehen weitere fünf Jahre, bis es in einer kalten Januarnacht des Jahres 2018 zu einem dramatischen Ereignis in der kleinen Odenwälder Gemeinde kommt. Der örtliche Faschingsverein führt in dieser Nacht einen Fackelumzug durch – mit einer anschließenden Feier im Dorfgemeinschaftshaus. Gegen 22.30 Uhr entdecken einige der Teilnehmer einen hellen Feuerschein am Horizont. Eilig laufen sie in Richtung der Flammen und machen mitten im Ort eine schreckliche Entdeckung: Die Gaststätte »König«, das angrenzende Wohnhaus und die Scheune stehen in Vollbrand. Hastig klopfen sie an Bruno K.s Tür und retten ihm dadurch vermutlich das Leben. In letzter Sekunde kann sich der Gastwirt ins Freie retten, bevor die meterhohen Flammen sich unbarmherzig durch die Gebäude fressen.

Die Feuerwehr rückt mit einem Großaufgebot an. Mit schwerem Gerät kämpft sie die gesamte Nacht hindurch gegen das Feuer. Von der Gaststätte und den anliegenden Gebäuden bleiben am Ende nur noch Mauerreste übrig. Verletzt wird bei dem verheerenden Brand niemand, der Sachschaden aber ist enorm.

Am nächsten Morgen offenbart sich das Ausmaß der zerstörerischen Kraft der Flammen. Der gesamte Gebäudekomplex der Gaststätte »König« gleicht einer Ruine. Kriminaltechniker der Polizei untersuchen wenig später die Brandstelle. Ihr Ziel ist es herauszufinden, wie es zu dem Großbrand kommen konnte. Die Arbeiten in den Ruinen der ehemaligen Gaststätte erweisen sich jedoch als schwierig. Ein Brandmittelspürhund wird eingesetzt. Doch dieser schlägt nicht an. Die Ursache kann nicht ermittelt werden. Brandstiftung können die Beamten jedoch ausschließen. Brandbeschleuniger oder andere Hinweise, die auf eine Fremdeinwirkung von außen hindeuten, werden nicht entdeckt. Und so wird die Brandstelle nur eine Woche später von der Polizei wieder freigegeben. Die Ruinen können nun abgetragen werden. Für die Ermittler scheint der Fall zunächst erledigt. Doch das soll sich schnell ändern.

Am darauffolgenden Morgen erscheint ein Zeuge bei der Polizei in Buchen. Er gibt an, interessante Details preisgeben zu können – sowohl zum Großbrand in Götzingen als auch zum Vermisstenfall des 56-jährigen Constantin S., der Jahre zuvor spurlos verschwand.

Der Zeuge sagt aus, sich in der Nacht des Brandes zusammen mit dem Gastwirt Bruno K. in dessen Gaststätte aufgehalten zu haben. Gemeinsam habe man einige Bier getrunken. Aufgrund des Alkohols sei Bruno K. zunehmend redseliger geworden. Aus einer regelrechten Bierlaune heraus habe er damit begonnen, aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Dabei sei das Gespräch auch auf den Vermissten Constantin S. gekommen. Wie aus dem Nichts habe Bruno K. plötzlich zugegeben, den 56-jährigen »um die Ecke gebracht zu haben«. Zudem liege die Leiche auf einer Zwischenebene in mehreren Metern Höhe hinten in seiner Scheune.

Da sowohl der Zeuge als auch Bruno K. in dieser Nacht stark angetrunken sind, misst er den Erzählungen des Gastwirts zunächst keine große Bedeutung bei. Möglicherweise habe Bruno K. sich nur wichtigmachen wollen. In den folgenden Tagen nach dem Brand spricht der Zeuge den Gastwirt immer wieder auf die merkwürdigen Aussagen an besagtem Abend an. Mal bestätigt Bruno K. diese, mal will er alles erfunden haben. Da der Zeuge immer unsicherer wird, wie das überraschende Geständnis von K. zu bewerten sei, wendet er sich rund eine Woche nach dem Feuer an die Polizei.

Nach den brisanten Ausführungen des Zeugen wird der Ermittler Thomas Nohe von der Mordkommission in Heilbronn eingeschaltet. Nohe ist überzeugt davon, dass der Zeuge die Wahrheit gesprochen hat. Gemeinsam mit seinem Team reist er in das rund siebzig Kilometer entfernte Götzingen. Der Kommissar weiß, dass es nun schnell gehen muss. Der Brandort wurde bereits freigegeben. Vermutlich rücken schon in wenigen Stunden die Bagger an, um die Ruinen und damit mögliche Beweise abzutragen. Die Mordkommission beschlagnahmt den Brandort und lässt die Brandstelle observieren. So soll verhindert werden, dass wichtige Spuren zerstört werden.

Bruno K., der zu diesem Zeitpunkt bei Bekannten untergekommen ist, soll zunächst nicht befragt werden. Die Mordkommission will ihn über ihre Arbeit noch im Unklaren lassen. Die Ermittler überwachen jedoch seinen Telefonanschluss. Sie erhoffen sich, dass Bruno K. weitere Personen aus seinem Umfeld kontaktiert und Details zum Verschwinden von Constantin S. preisgibt. Im Zuge der weiteren Ermittlungen werden zudem Freunde und Bekannte befragt, die zu beiden in engem Kontakt standen. Kommissar Nohe erfährt, dass die Männer über Jahre hinweg eine enge Freundschaft pflegten. In den Monaten vor dem Verschwinden von Constantin S. habe sich diese Freundschaft jedoch deutlich abgekühlt.

Die wichtigste Frage der Ermittler aber bleibt: Liegt die Leiche von Constantin S. tatsächlich unter den Trümmern der abgebrannten Scheune, oder finden sich hier zumindest noch handfeste Beweise, die die Aussage des Zeugen untermauern?

Thomas Nohe schaltet die Experten des Kriminaltechnischen Instituts in Heilbronn ein. Der Polizeibeamte Michael Henk soll mit seinen Kollegen von der Spurensicherung in den Trümmern und Schuttbergen nach verwertbaren Beweisen suchen. Keine alltägliche Aufgabe für die Experten, die für gewöhnlich in weißen Anzügen mit Pinsel und Pinzette kleinste Spuren sichern. Doch eine Suche per Hand ist aufgrund der riesigen Trümmerteile nicht möglich. Zudem erschwert die Witterung die Arbeiten in den Ruinen – es ist nass, kalt und immer wieder fällt Schnee. Das Team um Michael Henk weiß, dass es ohne schweres Gerät nicht weiterkommen wird.



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