Das Radreisebuch Deutschland - Thorsten Brönner - E-Book

Das Radreisebuch Deutschland E-Book

Thorsten Brönner

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Beschreibung

Entspannt einem Fluss entlangrollen, durch ein Mittelgebirge strampeln oder sich an Nord- und Ostsee vom Rückenwind von Bucht zu Bucht wehen lassen. Durch Deutschland ziehen sich hunderte Radrouten. Viele sind richtig gut – ständig wechseln die Panoramen. Dieses Buch hilft Ihnen bei der Entscheidung, wo der nächsten Radurlaub hingeht. 30 außergewöhnliche Fernradwege: 30-mal staunen, 30-mal genießen und 30-mal die Heimat mit neuen Augen sehen.

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Seitenzahl: 182

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Die Wasserradlwege erschließen auf mehreren Panoramaschleifen ganz Oberbayern.

DAS

RADREISEBUCH

DEUTSCHLAND

30 außergewöhnlicheFernradwege

Exklusiv für Sie als Leser:

MIT GPS-DATEN ZUM DOWNLOAD

unter: gps.bruckmann.de

Inhalt

Fahrradland Deutschland

NORDDEUTSCHLAND

1Nordseeküsten-Radweg

Im Bann der Gezeiten

2Weser-Radweg

Flussfahrt mit Überraschungen

3Leine-Heide-Radweg

Doppelte Idylle

Weitere Touren im Norden

4100-Schlösser-Route

Entspannt durch die Parklandschaften

5Rhein-Radweg

Zeitreise mit dem Fahrrad

6RuhrtalRadweg

Ein grünes Wunder

Weitere Touren im Norden

7Ostseeküsten-Radweg

Ich will Meer!

8Radweg Hamburg-Rügen

Jede Etappe ein Erlebnis!

9Elberadweg

Genussradeln vom Feinsten

Weitere Touren im Norden

MITTELDEUTSCHLAND

10Mecklenburgischer Seen-Radweg

Seensucht

11Havel-Radweg

Stille Landpartie

12Mulderadweg

Beschauliche Flussfahrt

Weitere Touren in der Mitte

13Spreeradweg

Spreewaldromantik und Großstadtdschungel

14Oder-Neiße-Radweg

Landschaftskino im Osten

15Moselradweg

Flussschleifen zum Radlerglück

Weitere Touren in der Mitte

16Radweg Deutsche Einheit

Von der alten Hauptstadt in die neue

17Europa-Radweg Eiserner Vorhang

Stille Wege auf geschichtsträchtigem Boden

18Bahnradweg Hessen

Eisenbahnfeeling für Radler

Weitere Touren in der Mitte

19Main-Radweg

Entspannt durch die Landesmitte

20Saaleradweg

Naturerlebnis und Fahrrausch

21Neckartal-Radweg

Einmal durchs »Ländle«

Weitere Touren in der Mitte

SÜDDEUTSCHLAND

22Kocher-Jagst-Radweg

Folge den Zwillingsflüssen!

23Altmühltal-Radweg

Besuch bei Archäopteryx

24Fünf-Flüsse-Radweg

Geheimtipp in der Mitte Bayerns

Weitere Touren im Süden

25Naabtal-Radweg

Eins, zwei oder drei? Alle!

26Donau-Radweg

Grenzenloses Radeln bis zum Schwarzen Meer

27Bodensee-Radweg

Bummeln, baden, Bodensee

Weitere Touren im Süden

28Bodensee-Königssee-Radweg

Wer ist der Schönste im ganzen Land?

29Isar-Radweg

Unterm weiß-blauen Himmel

30Innradweg

Auf leichten Wegen durch die Berge

Weitere Touren im Süden

Register

Impressum

Von der Binnenalster eröffnen sich prächtige Blicke auf das Hamburger Rathaus..

Der Fluss Spree leitet Radler ins Herz von Berlin.

Die Kirche St. Lukas begrüßt Radler bei der Einfahrt nach München.

Flussradwege wie hier entlang der Mosel zählen zu den beliebtesten Routen Deutschlands.

Fahrradland Deutschland

Ein Fahrrad ist das ideale Gefährt, um durch Deutschland zu reisen. Hinter jeder Wegbiegung frische Farben und neue Gerüche.

Ein Maler würde den Staat so skizzieren: Im Norden zeichnet er zwei Küsten ein mit Buchten, Flussmündungen und Inseln. Hier finden Radler flaches Terrain, genauso im Norddeutschen Tiefland. Felder wogen bis zum Horizont. Im Ostteil reiht sich See an See. Südlich davon tupft der Künstler mehrere Mittelgebirge hin. Sie sind mit Wäldern bepackt und von Flüssen umschlungen.

Was ist befreiender, als unbeschwert an einem gemächlich dahinströmenden Wasserlauf entlangzurollen und den Blick über die grünen Landschaften schweifen zu lassen? Zu sehen, wie der Bergbach an der Seite zum Fluss anschwillt, dann zum Strom wird. Während man am Rad freudig einen Gang zulegt, schaltet das Gehirn einen herunter. Glücksgefühle durchfluten den Körper.

Überall gibt es im Lande sehenswerte Städte und Dörfer. Sie sind verbunden durch feine Linien – die Radfernwege. Manche tragen den Namen einer Landschaft, andere hat man einem Thema zugeordnet.

Werden Sie zum Maler und füllen Sie den eigenen Urlaubstraum mit Farbe! Sich am Meer vom Wind nach Osten wehen lassen oder eines der Mittelgebirge durchqueren. Alles ist möglich. Radler können hierzulande nicht nur vorwärts strampeln, sondern auch rückwärts in der Zeit. Sie drehen die Sanduhr um und schauen, was am Wegesrand auftaucht. Fachwerkstädtchen erwärmen das Herz, Ruinen beflügeln die Fantasie und uralte Kirchen lassen einen still werden.

Hunderte Radfernwege ziehen sich durch Deutschland. Das Radreisebuch dient zur Inspiration und hilft bei der Wahl, wohin zu radeln. Neben den 30 Hauptrouten zeigt es in den Regionen 90 Geheimtipps. Lesen Sie, ob die nachgeschlagene Tour Ihren Wünschen entspricht. Zusätzliche Infos gibt es auf den aufgelisteten Seiten der Tourismusverbände. Jede Fahrt führt raus aus dem Vertrauten. Tag für Tag ein Stück weiterziehen, erleben, wie sich das Umfeld allmählich ändert. Neue Landschaften, in den Städten eine andere Architektur. Einfach losstrampeln – es lohnt sich.

Entdecken Sie die Heimat per Rad!

Ich wünsche beim Radeln gutes Wetter und tolle Erlebnisse.

Thorsten Brönner

Zwischen Wallgau und Vorderriß darf sich die Isar vor der Kulisse des Karwendelgebirges frei entfalten.

Norddeutschland

Weite Landschaften, historische Städte und überall Wasser. Radeln Sie am Meer entlang, folgen Sie einem der Flüsse oder umrunden Sie mehrere Seen. Es lohnt sich!

Die Kreidefelsen haben den Nationalpark Jasmund auf Rügen bekannt gemacht.

1

Nordseeküsten-Radweg

Im Bann der Gezeiten

Die Nordseeküste fasziniert jeden Tag aufs Neue. Sie setzt für den Touristenfang besondere Köder ein. Lenker gen Osten und von Bucht zu Bucht steuern. Radler genießen das Deichpanorama und lassen den Blick über die weiten Landschaften gleiten.

Ebbe–Flut–Ebbe–Flut. Das Herz der Nordsee schlägt irgendwo weit draußen, und es schlägt in einem gleichmäßigen Takt. Das Pulsieren dauert gut sechs Stunden. Im Bann der Gezeiten ziehen Radler gen Osten, fasziniert vom Watt. Jenem Landstrich, der sich nicht entscheiden kann, ob er Meer oder Land sein möchte.

Die Reise beginnt in Leer. Es ist eine Stadt, die einem schnell ans Herz wächst. Hier überrascht die historisch gewachsene Altstadt mit ihren roten Bürgerhäusern, dort das Bünting Teemuseum. Jacke überstreifen, rauf aufs Rad und raus in den Wind! An der Seite der Ems bahnt man sich einen Weg durch blökende Schafe. Die Räder rollen leicht über die asphaltierten Dammkronenwege der Halbinsel Krummhörn. Hier trotzen Deutschlands größter und kleinster Leuchtturm Wind und Wetter. Das nächste Ziel versteckt sich im Schatten eines grünen Schutzdeichs. Es ist das idyllische Fischer- und Künstlerdorf Greetsiel mit seinen Zwillingsmühlen. Giebelhäuser aus dem 17. Jahrhundert rahmen die malerische Szenerie ein.

Jade, Weser und Elbe

Radler steuern weiter entlang der Deutschen Bucht. Von der Bierbrauerstadt Jever mit seinem Schloss sind es im Sattel zwei Stunden bis Wilhelmshaven. Dass Wilhelmshaven durch die nahe Nordsee geprägt ist, sieht man in drei Ausstellungen. Zur Auswahl stehen: das Küstenmuseum, das Wattenmeerhaus und das Marinemuseum. Nach der Fahrt um den Jadebusen bildet der einen Kilometer breite Weserstrom die nächste Landmarke. Am Ostufer ragt die Silhouette von Bremerhaven auf. Spannend ist ein Besuch des Museumshafens. Hier ankern Schmuckstücke wie der hölzerne Handels-Großsegler »Seute Deern«, der Walfangdampfer »Rau IX« sowie das U-Boot »Wilhelm Bauer«. Daneben zieht das futuristische Klimahaus Bremerhaven 8° Ost die Blicke an. Es ist wie das Deutsche Auswandererhaus einer der Besuchermagneten der Stadt. Hinter dem weitläufigen Containerterminal vollzieht die Umgebung einen Wandel: Aus den bunten Containern werden rote Backsteinhäuser, aus den zugebauten Flächen grünes Deichland mit Schafen und Kühen. Mittendrin die Weser, die sich gen Norden trichterförmig öffnet. Man macht es sich auf einer Parkbank unweit der Kugelbake in Cuxhaven bequem. In der Ferne scheinen die Ozeanriesen einer Fata Morgana gleich durch das Wattenmeer zu gleiten – lautlos und anmutig. Die Elbe prägt das mittlere Teilstück. Unterwegs reißen die Höhepunkte nicht ab: Den Anfang macht Hemmoor, wo man mit der nostalgischen Schwebefähre über den Fluss Oste schweben kann. Es folgt Stade mit seinem Freilichtmuseum, den verschachtelten Gassen und dem Hafen.

Der historische Ortskern von Stade erstreckt sich um den Alten Hafen.

Wesermarsch

Die Zugvögel scheinen es zu wissen, jedes Jahr finden sie sich in der Wesermarsch zum Tischleindeckdich ein. Auch für Radler bietet die Gegend, in der sich die Flüsse Weser und Jade trichterförmig zur Nordsee öffnen, viel. Die ADFC-RadReiseRegion umfasst 840 Kilometer markierte Wege. Vom Wattenmeer aus landeinwärts wechseln Marschgebiete mit Mooren, Feldern und Wäldern. Der Wind weht Radler in Dörfer mit roten Backsteinbauten. Man besichtigt eine der Mühlen, rastet in einem Landcafé oder beobachtet am Horizont die Hochseeschiffe.

Die Große Welt in Hamburg

Im Alten Land wechseln sich Reihen von Obstbäumen mit gepflegten Fachwerkhäusern ab. Die Dörfer weichen Vorstädten. Die Vorstädte wachsen zu Hamburg zusammen. Hafen, Alster und Michel – diese drei Klassiker sind ein absolutes Muss in der Hansestadt. Doch es gibt weitaus mehr zu entdecken, wie z. B. die größte Modelleisenbahn der Welt im Miniatur Wunderland in der Speicherstadt. Ein weiterer Publikumsliebling ist der Hamburger Fischmarkt. Neben den Obstsorten aus dem Umland bieten die Marktschreier die Schätze der Nordsee an. So wandern hier Garnelen, Aale, Schollen, Makrelen und Heringe über die Ladentheken und bereichern die norddeutsche Küche. Elbabwärts lösen sich Fischerhäuschen mit Kapitänsvillen ab. In Wedel zieht ein Schild mit der Aufschrift »Willkomm-Höft« die Blicke an.

Die Greetsieler Zwillingsmühlen geben am östlichen Ortsausgang ein schönes Fotomotiv ab.

Der Hamburger Hafen blickt auf eine über 800-jährige Geschichte zurück.

Der Pilsumer Leuchtturm wurde am 1. Oktober 1891 in Dienst gestellt.

An der Nordsee beweiden Schafe die Deiche.

Es lohnt sich, den Nordseeküsten-Radweg zu verlassen und eine der Inseln anzusteuern.

Alle ein- und auslaufenden Schiffe mit einer Bruttoraumzahl größer als 1000 werden mit der jeweiligen Nationalhymne begrüßt oder verabschiedet. Über die Lautsprecher erzählt der Begrüßungskapitän Wissenswertes zu den einzelnen Meeresriesen. Voraus liegt Glückstadt. 1617 sprach der Dänenkönig Christian IV. bei der Gründung: »Dat schall glücken und dat mutt glücken, un dann schall se ok Glückstadt heten«.

Sylt oder weiterradeln?

Die Küste gibt den Weg Richtung St. Michaelisdonn und der Nationalparkgemeinde Büsum vor. Dahinter kommen die vor 100 Jahren errichteten Pfahlbauten von St. Peter-Ording in Sicht. Was man hier macht? Entspannen! Und zwar in einem der Strandkörbe mit Blick auf die Surfer und Strandsegler. Der Weg verläuft anschließend durch weite Wiesen, Weiden und Felder. Gräben und lange Wallhecken durchschneiden die Landschaft. Nach einem Besuch der Stadt Husum fegt der Wind Radler auf die Halbinsel Nordstrand. In der Ferne blitzen die Halligen im Wattenmeer auf, die sich um die Insel Pellworm drängen. Der Schriftsteller Theodor Storm nannte die zehn Eilande einst »schwimmende Träume«. Das Schimmelreiterland ist durchschritten. In Niebüll steht eine Entscheidung an: Weiterhin dem Küstenradweg folgen und via Dänemark und Schweden bis zu den Fjorden Norwegens radeln? Oder doch besser die Füße auf Sylt – Deutschlands nördlichster Insel hochlegen? Klingt beides verlockend!

Gut zu wissen

SCHWIERIGKEIT Leicht

WEGLÄNGE 902 km

CHARAKTER Der für Kinder gut geeignete Radweg nutzt die asphaltierten Wege entlang der Deiche und schwenkt teils ins Hinterland.

WEGMARKIERUNG Logo mit dem Schriftzug »North Sea Cycle Route« und einem blau umrahmten Fahrrad.

E-BIKE In Niedersachsen findet man auf www.friesland-touristik.de und www.cuxland.de alle Infos zum Thema E-Biken. Die Webseite www.nordseetourismus.de listet Verleihstationen und Akkutausch-Stationen für E-Bikes an der Nordsee in Schleswig-Holstein auf.

AUSGANGSPUNKT Leer (Niedersachsen)

ENDPUNKT Niebüll (Schleswig-Holstein)

AN- UND ABREISE Leer und Niebüll erreicht man mit der Bahn. Dazu gibt es unterwegs in mehreren Städten an der Route Bahnhöfe.

TOURISTINFOde.eurovelo.com/ev12; Die Nordsee, www.die-nordsee.de; Nordseetourismus, www.nordseetourismus.de

2

Weser-Radweg

Flussfahrt mit Überraschungen

Das Tal der Weser ist eines, das Radler lieben. Flache Wege führen in historische Städte. Auf Hann. Münden folgen Bad Karlshafen, Hameln und Minden. Im letzten Reisedrittel kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Von Bremen geht es nach Bremerhaven – und an die Nordsee.

Wenn Radler nach 500 Kilometern an der Kugelbake in Cuxhaven einen Strandkorb entern, sind sie zugleich beseelt wie verwundert. Warum ist einem die Weser in den letzten Tagen so ans Herz gewachsen? So sehr, dass man den ganzen Tag draußen umhergezogen ist.

Die Fahrt beginnt im Herzen Deutschlands mit einem »Kuss.« Wie der Weserstein in Hann. Münden verrät, entsteht der Strom durch die Vereinigung von Fulda und Werra. Die eine zieht von der Rhön herab, die andere aus dem Thüringer Wald. Im Herzen der von Fachwerkhäusern gesäumten Gassen von Hann. Münden steht das im Stil der Weserrenaissance errichtete Rathaus. Unter der Uhr hat man ein Glockenspiel installiert. Es erklingt dreimal täglich das Spottlied auf Doktor Eisenbarth. 500 Meter entfernt schickt uns der Weserstein auf die Reise. Wer den Schleifen folgt, muss nicht viel entscheiden. Der Fluss zeichnet die Richtung vor, die Routenschilder den Weg. Das Rad flitzt voran, Fahrtwind streicht über das Gesicht und langsam gleiten die Panoramen vorbei.

Perlen der Weserrenaissance

In Bad Karlshafen lohnt ein Spaziergang. Die blütenweißen Häuserkarrees und die symmetrisch angelegten Straßen sind typisch für die Barockstadt. Sie wurde im Jahr 1699 unter dem Landgrafen Carl zu Hessen errichtet. Er siedelte in der Planstadt Flüchtlinge aus Frankreich (Hugenotten) an. Wir kehren der nördlichsten Stadt Hessens den Rücken zu und fahren nach Nordrhein-Westfalen hinein.

In Hann. Münden vereinigen sich die Flüsse Fulda und Werra zur Weser.

Hann. Münden lässt sich gut mit dem Fahrrad erkunden.

Einer der Pflichtstopps gebührt dem Kloster Corvey, einem Weltkulturerbe der UNESCO. Die Geschichte der Reichsabtei lässt sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen. Anschließend wirft die Weser ihre nächsten Schleifen. Mal umschlingen sie ein Dorf, dann wieder eine Stadt.

Man bummelt an Holzminden und Bodenwerder vorbei nach Hameln. Wer kennt sie nicht, die Sage über den Rattenfänger? Bei einer Führung durch die Weserrenaissancebauten wird sie lebendig. Man dreht den Kopf und staunt: Das Auge erfreut sich an reich verzierten Giebeln, Erkern und Schmuckleisten.

Der Radweg kehrt der Weser von Zeit zu Zeit den Rücken und durchläuft im reizvollen Wechsel Waldstücke und Felder. Vorbei an Vlotho führt die Reise ins Zentrum von Bad Oeynhausen. Das Staatsbad liegt idyllisch zwischen dem Wiehengebirge und dem Lipper Bergland. Sein Herz schlägt im Kurpark, den man 1853 nach Entwürfen von Peter Joseph Lenné anlegte. Zehn Kilometer entfernt durchbricht die Weser die Porta Westfalica. Hoch oben steht das 88 Meter hohe Kaiser-Wilhelm-Denkmal.

Nördlich von Höxter befindet sich die ehemalige Benediktinerabtei Corvey mit ihren großzügig angelegten Innenhöfen.

Fahrt ins Norddeutsche Tiefland

Die Höhenzüge des Wiehengebirges und des Wesergebirges weichen zurück. Voraus dehnt sich das Norddeutsche Tiefland aus. An dieser Stelle liegt Minden. In der Stadt ist man stolz auf den Dom St. Gorgonius und Petrus. Die Hallenkirche vereint die Stilrichtungen der Romanik mit der Gotik und blickt auf eine 1000-jährige Geschichte zurück. Die Weser schlüpft unter dem Mittellandkanal durch und führt in eine idyllische Geestlandschaft mit Uferwiesen, Holländerwindmühlen und Baumreihen.

Mittlerweile ist mehr als die Hälfte des Radweges bis zur Nordsee zurückgelegt, und man durchläuft in der weit einzusehenden Landschaft Dörfer und Gehöfte. Wo sich die Aller mit der Weser vereint, liegt Verden mit seinem beeindruckenden Backsteindom. Hinter Achim rollen wir in das Bundesland Bremen. Durch den florierenden Handel der Hanse erlebte die Stadt zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert einen Bauboom, der heutige Touristen auf Schritt und Tritt zum Fotoapparat greifen lässt. Malerisch ist es auf dem kopfsteingepflasterten Marktplatz mit dem Rathaus, der Rolandstatue und der Ratskirche. Gegenüber steht das heimliche Wahrzeichen der Stadt – die Bremer Stadtmusikanten. Hund steht auf Esel, Katze steht auf Hund, Hahn steht auf Katze.

Fahrt durch Bremerhaven mit dem Deutschen Schifffahrtsmuseum

Das Klimahaus Bremerhaven 8° Ost ist eine der Attraktionen der Stadt.

Die Bremer Wallanlagen wurden zu einer Parkanlage umgestaltet, aus der die Herdentorsmühle herausragt.

Die Statue der Bremer Stadtmusikanten ziert den Marktplatz von Bremen.

Freie Hansestadt Bremen

In der »guten Stube«, wie die Bremer ihren Marktplatz liebevoll nennen, empfängt uns der lächelnde Roland. Seit 1404 symbolisiert er Freiheit und Stadtrechte. Sein Blick schweift in Richtung des Domes St. Petri mit den zwei Türmen und einer Geschichte von über 1200 Jahren. Lüder von Bentheim renovierte die Fassade Anfang des 17. Jahrhunderts im Stil der Weserrenaissance. »Das Rathaus und der Roland auf dem Bremer Marktplatz sind einzigartige Zeugnisse für die Entwicklung von Autonomie und Marktrechten des europäischen Bürgertums speziell im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation«, erklärte die UNESCO bei der Aufnahme in die Welterbeliste im Juli 2004.

Seeluft schnuppern

Die Bremer Weserpromenade bleibt zurück. Der Strom fließt der Nordsee entgegen und nimmt mit der Wümme und der Hunte zwei weitere Flüsse auf. Er zieht breit und gemächlich durch die Marsch- und Moorlandschaften. Vom asphaltierten Deichkronenradweg lassen sich gut die vorbeiziehenden Schiffe beobachten. Sie künden das nächste Ziel an – Bremerhaven. In der 1827 gegründeten Seestadt dreht sich vieles um das Meer. Hier das Deutsche Schifffahrtsmuseum und das Klimahaus Bremerhaven 8° Ost, daneben das Deutsche Auswandererhaus und der Zoo am Meer. Radler überqueren die alte Kaiserschleuse, werfen einen Blick in die riesigen Kaianlagen und die Becken der Docks. Das Panorama des zwei Millionen Quadratmeter umfassenden Containerterminals mit seinen modernen Kranbrücken wird kleiner. Voraus liegt der finale Abschnitt der Radtour. An der Kugelbake in Cuxhaven steigt man zufrieden vom Sattel und mietet sich einen Strandkorb. Hinsetzen, genießen, den Meeresriesen nachschauen.

Gut zu wissen

SCHWIERIGKEIT Leicht

WEGLÄNGE 497 km

CHARAKTER Die Topografie ist meist flach und familienfreundlich. Dabei rollt man über asphaltierte Radwege.

WEGMARKIERUNG Schilder mit der Aufschrift »Weser-Radweg« zeigen die Route an.

E-BIKE Die Webseite www.weserradweg-info.de und die Weser-Radweg App listen E-Bike-Ladestationen, Radverleihe und Reparaturstätten auf.

AUSGANGSPUNKT Hann. Münden (Niedersachsen)

ENDPUNKT Cuxhaven (Niedersachsen)

AN- UND ABREISE Entlang der Weser gibt es viele Bahnhöfe, auch am Startort Hann. Münden und dem Reiseziel Cuxhaven.

TOURISTINFOwww.weserradweg-info.de mit Weserradweg-App; Weserbergland Tourismus, www.weserbergland-tourismus.de; TourismusMarketing Niedersachsen, www.reiseland-niedersachsen.de und www.niedersachsen-radroutenplaner.de; Bremer Touristik-Zentrale, www.bremen-tourismus.de

3

Leine-Heide-Radweg

Doppelte Idylle

Diese Radroute hat drei Gesichter. Auf das thüringische Eichsfeld folgt das beschauliche Leinetal. Nördlich von Hannover übernimmt die Heide die Regie. Hier ist das Terrain leicht wellig. Die Weite der Landschaft stimmt auf das Reiseziel ein – Hamburg das Tor zur Welt. Man könnte glatt weiterradeln!

Der Leine-Heide-Radweg ist einer, der vom Start weg beeindruckt und bis zum Reiseziel nicht mehr loslässt. Der knapp 280 Kilometer lange Fluss entspringt in der Mitte Deutschlands in Leinefelde. Wir sind im Eichsfeld, einer plateauähnlichen Landschaft im Grenzland zwischen Niedersachsen, Thüringen und Hessen. Auf der Fahrt gen Norden schweift der Blick über Felder, Wiesen und Wälder. Die Gegend verzückte bereits Theodor Storm. Er schrieb: »Ich weiß nicht, dass ich jemals von der zauberhaften Schönheit eines Erdenfleckens so innerlichst berührt worden wäre.« Im Heilbad Heiligenstadt diente der Dichter zwischen 1856 und 1864 als Amtsrichter. In der Stadt lohnt es, die drei gotischen Kirchen anzuschauen: St. Aegidien, St. Marien und St. Martin.

Auf das Leinebergland folgt die Universitätsstadt Göttingen. Bei der Anfahrt fallen die gepflegten Radwege auf. 2019 wurde die Stadt als fahrradfreundliche Kommune zertifiziert und beim Fahrradklima-Test 2020 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in der Stadtgrößengruppe 100 000 bis 200 000 Einwohner mit dem ersten Rang prämiert.

Süffiges Bier und große Architektur

Entspannt lässt es sich zur Northeimer Seenplatte radeln. Dahinter erreicht man Einbeck. Die ehemalige Hansestadt liegt am Fluss Ilme. In dem Stadtkern bilden mehrere Straßenzüge mit spätmittelalterlichen Fachwerkhäusern eine architektonische Einheit. Garant für den Wohlstand war das »Ainpöckisch Bier«. Man exportierte es nach Amsterdam, München, Dänemark und sogar bis Riga. Martin Luther soll im Jahr 1521 auf dem Reichstag zu Worms gesagt haben: »Der beste Trank, den einer kennt, der wird Einbecker Bier genennt.«

Zwei Radstunden entfernt liegt das im 13. Jahrhundert gegründete Fachwerkstädtchen Alfeld. Neugierig rollt man über den von Fachwerkbauten eingefassten Marktplatz. Der nächste Wegweiser schickt einen ans Westufer der Leine. Es fällt die geometrische Stahlbetonkonstruktion des Fagus-Werkes mit seinen gläsernen Vorhangfassaden auf.

Der Maschpark in Hannover wird vom Neuen Rathaus überstrahlt. Es wurde 1913 im Prunkstil der wilhelminischen Epoche fertiggestellt.

Der kreisförmig angelegte Heidegarten in Schneverdingen ist frei zugänglich und vermittelt einen Überblick zu den verschiedenen Heidearten.

Das Schloss Marienburg wurde 1867 fertiggestellt und kann bei einer Schlossführung bestaunt werden.

Hier verewigte sich Anfang des 20. Jahrhunderts der Architekt Walter Gropius. Er gestaltete im Auftrag des Firmengründers Carl Benscheidt eine Schuhleistenfabrik, die als Ursprungswerk der modernen Industriearchitektur gilt. Dass der damalige Bauherr Mut bewiesen hatte, sah man am 25. Juni 2011 zum 100-jährigen Jubiläum des Fagus-Werkes, als die UNESCO das Areal zum Weltkulturerbe erhob. Bei der Weiterfahrt staffeln sich im Osten abgerundete Waldhügel auf.

Fahrradregion Hannover

Zwei Stunden entfernt rückt das Schloss Marienburg ins Bild und bewacht majestätisch den Eingang des Leinetales. Der neugotische Prunkbau war ein Geburtstagsgeschenk des hannoverschen Königs Georg V. an seine Frau, Königin Marie, und diente als Sommerresidenz der Welfen. Die bewaldeten Höhenzüge weichen zurück. Voraus liegt die Norddeutsche Tiefebene. Auf dem nächsten Teilstück nutzen wir das rund 1000 Kilometer umspannende Wegenetz der Fahrradregion Hannover, das zielsicher in die Landeshauptstadt geleitet. Dort steuert man im Maschpark das neue Rathaus an. Beliebt ist eine Fahrt mit dem Bogenaufzug hinauf in die knapp 100 Meter hohe Kuppel des 1913 errichteten Prachtbaus. Oben schweift der Blick über Hannover und seine Parks.

Auf der Reise durch die flache Wald- und Wiesenlandschaft zieht es den Fluss zur Aller hin. Wir lassen die Leine bei Hodenhagen ziehen und folgen der Radtour ins Hinterland. Unterwegs gibt es lohnende Ausflugsziele: etwa den Serengeti-Park, den Weltvogelpark in Walsrode oder Soltau, das sich gerne als »Herz der Heide« bezeichnet.

Fahrt durch die Heide bei Schneverdingen

Das Hamburger Rathaus wurde 1897 im Stil der Neorenaissance erbaut.

Ziel erreicht: der Hamburger Hafen

UNESCO-Welterbe Speicherstadt

13 000 Seeschiffe laufen jährlich den Hamburger Hafen an. Er wurde vor mehr als 800 Jahren gegründet. Um diesen Umschlagplatz im und am Wasser kennenzulernen, bietet sich eine Hafenrundfahrt an. Die Kapitäne fahren an den Landungsbrücken los und lenken ihre Boote durch die Wasserläufe der über 120 Jahre alten Speicherstadt. In dem weltweit größten auf Eichenpfählen errichteten Lagerhauskomplex haben u. a. das Internationale Maritime Museum, das Miniatur Wunderland sowie das Deutsche Zollmuseum eine stilvolle Bleibe. Im Kontorhausviertel sticht das eindrucksvolle, aus 4,8 Millionen Backsteinen erbaute zehnstöckige Chilehaus von 1922 heraus.

Von der Heide zum Hafen

Die Natur- und Kulturlandschaft der Lüneburger Heide ist aus der jahrhundertealten Tradition der Heidebauernwirtschaft hervorgegangen. Die sonnenliebende Besenheide kommt gut mit den unfruchtbaren, sandigen Böden der Region zurecht und war zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland weitverbreitet.

Hinter Schneverdingen steigt das Gelände an. Die Route führt zum Wilseder Berg. Das Herzstück der Heide wurde 1921 zum ersten Naturschutzgebiet in Deutschland erklärt. Vor uns liegt eine von der Saaleeiszeit modellierte Urlandschaft, über die sich violette Heideteppiche und romantische Kiefernwälder gelegt haben. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts inspirierte die Landschaft mit ihren Stimmungen Maler und Schriftsteller.

Durch die bewaldete Nordheide rollen wir ins Elbetal und erreichen schließlich Hamburg. Hafen, Alster und Michel – diese drei Klassiker sind ein Muss bei einem Besuch in der Hansestadt. Doch es gibt noch viel mehr zu entdecken, wie beispielsweise die größte Modelleisenbahn der Welt im Miniatur Wunderland in der Speicherstadt. Weitere Publikumslieblinge sind der Fischmarkt und der Hamburger Seehafen. Dort setzt die abwechslungsreiche Radtour ihren Schlusspunkt.

Gut zu wissen

SCHWIERIGKEIT Leicht

WEGLÄNGE 412 km

CHARAKTER Die zweigeteilte Radroute führt im ersten Abschnitt talwärts. Nur das letzte Drittel der Fahrt verlangt mehr Kondition. Auf wechselndem Untergrund genießt man Radwege und meist ruhige Nebenstraßen.

WEGMARKIERUNG Am Fluss leiten einen die Schilder mit der Aufschrift »Leine-Fernradweg« und weiter nördlich mit »Leine-Heide-Radweg«.

E-BIKE