Das große Radreisebuch Europa - Thorsten Brönner - E-Book

Das große Radreisebuch Europa E-Book

Thorsten Brönner

0,0

Beschreibung

Ein Fahrrad, etwas Zeit und so viele Möglichkeiten! Entdecken Sie Europas schönste Radwege: Klassiker wie die Tour München–Venedig und Geheimtipps, etwa in Estland oder in Montenegro. Fahrradtouren für Naturliebhaber und solche für Kulturbegeisterte. Alpine Wege wie die Alpenpanorama-Route und mediterrane Strecken auf Sardinien oder in der Toskana. Touren im kühlen Norden und Routen im sonnenverwöhnten Süden. Das ist 50 Mal Europa – per Rad!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 446

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hinter dem Lungerersee geht es den Brünigpass hinauf.

Thorsten Brönner

Die schönsten Radwege in

EUROPA

50 Routen von Island bis Kreta

PIKTOGRAME ERLEICHTERN DEN ÜBERBLICK

leicht

mittel

schwer

Dauer

Streckenlänge

ZEICHENERKLÄRUNG ZU DEN TOURENKARTEN

Tour Hauptroute

Tour Transfer Fähre, Eisenbahn, Bus

Tourrichtung

Nevers

Start-/Zielort

Transfer Fähre

Transfer Eisenbahn

Transfer Bus

Flugplatz

Flughafen

Internationaler Flughafen

Kirche

Brennerpass 1379

Pass

Zugspitze• 2962

Berg

LONDON

Orte 1

DUBLIN

Orte 2

Limerick

Orte 3

Cork

Orte 4

Tralee

Orte 5

Baltimore

Orte 6

Staatsgrenze/Grenzband

Autobahn

Schnellstraße

Fernstraße

Nebenstraße

Eisenbahn

Eisenbahntunnel

Fähre

Nordpfeil

Maßstab

Vorwort

Einleitung

50 TRAUMTOUREN ZWISCHEN POLARKREIS UND MITTELMEER

Nordeuropa

1492 km

1Westfjorde und Hochland

Erhaben, still, weit

288 km

2Helgelandküste

Die Magie des Nordens

423 km

3Fjorde und Fjell mit Rallarvegen

Radreise durch die Heimat der Trolle

1039 km

4Nordseeküsten-Radweg

Radeln wie durch einen Bildband

287 km

5Stockholm und Umgebung

Wohlfühlrunde

575 km

6Småland

Fahrradtour für kleine und große Kinder

262 km

7Ålandinseln und Schärengarten

Radeln, wo sich Land und Meer vereinen

614 km

8Saimaa-Seengebiet

Panoramaradtour im Land der Seen

426 km

9Seeland

Autos sind hier zweite Wahl

629 km

10Radweg Berlin – Kopenhagen

Von Hauptstadt zu Hauptstadt

Westeuropa

562 km

11Nordkanal und Sperrin Mountains

Immer schön links fahren

465 km

12County Cork

Ein Urlaubstraum

363 km

13Avenue Verte Paris – London

Vom Eiffelturm zur Towerbridge

465 km

14Flandern

Schlemmen von Stadt zu Stadt

411 km

15IJsselmeer-Runde

Radlerland mit weiten Ausblicken

233 km

16Kunstwegen-Vechtetalroute

Ein Weg zum Staunen

642 km

17Loire-Radweg

Genussradeln durch das Tal der Schlösser

405 km

18Elsass

Radtour durch das Schlemmerparadies

348 km

19Languedoc-Roussillon

Auf den Spuren der Katharer

394 km

20Provence

Sehnsuchtsziel im Süden Frankreichs

Mitteleuropa

506 km

21Seenroute

Seen, Schoggi, Schweiz

476 km

22Alpenpanorama-Route

Hoch hinaus!

322 km

23Graubünden-Route

Ein Abenteuerspielplatz für Radler

530 km

24Inn-Radweg

Auf leichten Wegen durch die Berge

369 km

25Via Claudia Augusta

Das kulturelle Erbe Roms

567 km

26Von München nach Venedig

Spektakuläre Fahrt an die Lagune

406 km

27Alpe-Adria-Radweg

Ab in den Süden!

396 km

28Donau-Radweg

Der Klassiker

282 km

29Salzkammergut-Radweg

Seen, Sonne, Salz

283 km

30Drau-Radweg

Radeln an der Drau? Ja, schau!

124 km

31Neusiedler-See-Radweg

Hier rollt es!

Osteuropa

500 km

32Geheimtipp Estland

Inselhüpfen und Altstadtzauber

429 km

33Ostseeküste

Stilles Radvergnügen im Osten

427 km

34Memel und Kurische Nehrung

Stadt, Land, Fluss

459 km

35Ostsee-Radweg

Panoramaradtour im Norden Polens

700 km

36Green Velo

Entdecke den Osten

612 km

37Moldau und Elbe

Ein Fluss wie eine Sinfonie

233 km

38Balaton

Radeln an der Badewanne der Nation

346 km

39Theiß-Radweg

Genussradeln im Tiefland

Südeuropa

205 km

40Piemont

Radeln im Land der Trüffel

368 km

41EuroVelo 9

Ein Land, eine Woche, ein Traum

280 km

42Istrien

Küstenperlen und Schlemmerparadies

233 km

43Transsilvanien und Region Moldau

Radtour durch die Zeit

206 km

44Toskana

Radeln mit Sonne im Herzen

233 km

45Algarveküste

Sonne und Me(h)er

221 km

46Andalusien

Al-Andalus – das kulturelle Erbe der Mauren

390 km

47Apulien

Im Rausch der Farben

244 km

48Sizilien

Im Schmelztiegel der Kulturen

622 km

49Dinarisches Gebirge und Skutarisee

Geheimtipp im Südosten Europas

483 km

50Kreta

Urlaubsfeeling der Extraklasse

Tourenliste

Register

Impressum

Tour 10 Holländermühle im dänischen Ort Gedesby

Tour 10 Blumenpracht im Frühsommer

Tour 27 Radweg im italienischen Treviso

Tour 3 Der Rallarvegen ist bei norwegischen Familien sehr beliebt.

Tour 27 Bahnradwege zählen zu den beliebtesten Strecken für Radler.

Tour 9 Baumallee auf der dänischen Insel Seeland

Tour 48 Der Frühling ist die ideale Jahreszeit für Radler auf Sizilien.

In Italien nutzt der Alpe-Adria-Radweg eine stillgelegte Bahntrasse (Tour 27).

Vorwort

Der Kontinent der Radwege

Gehören Sie auch zu den Menschen, denen ein Lächeln über das Gesicht huscht, wenn Sie an Radfahren denken? Die im Winter schon Landkarten studieren? Und fast ihren gesamten Jahresurlaub für Reisen eintragen? Europa bietet spannende Touren: Jedes Land hat seine Stärken, jede Region ihren Charme. Auch Radler teilen sich in verschiedene Gruppen auf: Die einen zieht es in den Norden, dorthin, wo im Sommer die Tage lang sind. Andere lieben die Wärme des Südens, das Mediterrane. Abenteurer lockt der Osten Europas, denn auch dort gibt es lohnende Routen. Und Genießer? Diese folgen einem der Flussradwege, von Stadt zu Stadt. Unser Kontinent bietet die verschiedensten Landschaften auf engstem Raum. Die Alpen zum Beispiel – ein Traum für sportliche Radler. Oder die Küsten. Wer einmal mehrere Tage am Wasser entlanggerollt ist, der weiß, wie gelassen man wird, wie entspannt. In den nächsten Jahren entsteht ein weltweit einzigartiges Projekt. Es zielt auf den langsamen Tourismus. Die Rede ist von EuroVelo: The European cycle route network. Seit Mitte der 1990er-Jahre redet man, plant und schildert neue Radwege aus – Land für Land. Die Aufgabe ist enorm. Bis 2020 entstehen in 42 Ländern rund 70 000 Kilometer Wege. Sie verbinden die Klippen des Nordkaps mit der Akropolis in Athen, genauso wie die Strände Spaniens mit denen in Zypern. In manchen Regionen kann man die Routen bereits gut befahren. Ganz oben auf der Wunschliste der Radler stehen die Flussrouten. Die Schlagworte lauten: Donau, Etsch, Loire und Rhône. Doch haben Sie schon einen der Geheimtipps kennengelernt? Denn interessante Fahrten versprechen auch Memel, Drau, Moldau und Theiß. Bergfreunde zieht es in die Alpen. Dort gibt es Klassiker wie die Via Claudia Augusta, den Alpe-Adria-Radweg und den Salzkammergut-Radweg. Radler stellen sich immer die gleichen Fragen: Welche Route passt zu mir? In welche Richtung soll ich fahren? Wo finde ich passende Unterkünfte? Und vor allem, wie fit muss ich sein? Hier hilft dieses Buch weiter. Ist das Rad erst einmal gepackt und man steht am Startort, geht alles wie von selbst: In den Sattel klettern, losradeln, genießen.

Erkunden Sie Europa mit dem Fahrrad oder E-Bike. Folgen Sie einem der Flussradwege, überqueren Sie die Alpen oder steuern Sie die Länder an der Ostsee an. Es lohnt sich. Ich wünsche günstigen Wind, Sonne satt und viel Spaß beim Nachradeln der Touren!

Thorsten Brönner

Im Herbst verfärben sich die Bäume Montenegros farbenfroh (Tour 49).

Einleitung

Das Fahrrad

Wer mehrtägige Ausfahrten unternehmen möchte, ist mit einem Reiseoder Trekkingrad bestens beraten. Die robusten Gefährte lassen sich mit mehreren Packtaschen beladen. Breit bereifte Fahrräder kommen auch auf grob geschotterten Kieswegen gut voran. Sogar bei Flussrouten gibt es Anstiege zu bezwingen, sodass man auf eine bergtaugliche Übersetzung von 27 bis 30 Gängen achten sollte. Fahrräder sind simpel aufgebaut und doch wie ein Wunder, egal, ob Sie mit dem Zweirad die Heimat erkunden oder es als Türöffner zu fremden Kulturen nutzen. Jedoch fährt oft die Angst vor Defekten mit, denn wehe, es geht etwas kaputt! Meist hat man einen platten Reifen. Also zwei Reifenheber, eine kleine Luftpumpe und Ersatzschlauch einpacken. Bei längeren Ausfahrten sind zudem ein Kettennieter und Kettenöl hilfreich. Dabei zwei Paar Plastikhandschuhe und einen kleinen Lappen nicht vergessen! Ebenfalls in die Packtasche gehört ein Faltschloss, das spart Platz.

Elektrorad, E-Bikes, Pedelec

Seit Jahren erleichtern einem Elektroräder das Reisen deutlich. Man sieht sie in den Städten, auf den Flussradwegen und vor allem in den Bergen. Dort spielen sie ihre Stärken aus. Als Radler schaltet man am Beginn der Steigung die Trittunterstützung zu und strampelt gewohnt weiter. Je nach Fitness wählt man die entsprechende Stufe. So können unterschiedlich starke Radler gemeinsam ihre Ausfahrt genießen. Bei Pedelecs (Pedal Electric Cycle) hilft ein Elektromotor dem Fahrer mit bis zu 250 Watt Leistung. Ab einer Geschwindigkeit von 25 km/h ist eine Sperre eingebaut, sodass man nur per Muskelkraft weiter tritt. Unter dem Fachbegriff E-Bike versteht man ein Elektromofa, bei dem man nicht in die Pedale tritt. Für längere Reisen empfiehlt es sich, mit einem Pedelec mit herausnehmbaren Akku auf die Tour zu gehen. Diesen kann man leicht an einer Steckdose laden, z. B. im Hotelzimmer oder unterwegs bei einer Rast in einem Café. Beachten sollte man das hohe Gewicht der Elektroräder. Dies spürt man vor allem bei der Anreise per Bahn. Oft bieten Reiseveranstalter Räder mit Trittunterstützung vor Ort an.

An- und Abreise

Die umweltfreundlichste Art der Anreise erfolgt mit der Bahn. Einige Städte Europas erreicht man bequem über Nacht mit dem ÖBB-Nightjet (www.oebb.at, Tel. +43/51717). Wer sein Fahrrad anmeldet, bekommt in einem speziellen Abteil einen Abstellplatz. Man kann nur in den ICE-Zügen der Baureihe 4 Fahrräder mitnehmen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, das Fahrrad an eine feste Adresse, z. B. die Hoteladresse oder einen Bahnhof liefern zu lassen. Die Bahn (www.bahn.de) bietet diesen Service in Kooperation mit Hermes für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien an. Eine günstige Alternative sind die Fernbusse, die häufig auch Fahrräder befördern. Auf der Webseite www.fernbusse.de kann man aus verschiedenen Fernbuslinien das passende Angebot auswählen. Vor allem Eurolines (www.eurolines.de) und Flixbus (www.flixbus.de) steuern Ziele im europäischen Ausland an. Für die Anreise über ein Meer bietet sich die Anreise per Schiff an. Bei der Suche nach der richtigen Fährlinie hilft die Webseite www.aferry.de.

Navigation mit GPS

Verfahren hat sich wohl schon jeder. Zum Glück wird einem nun das Navigieren leicht gemacht. Denn GPS-Geräte und Smartphones zeigen zuverlässig den Weg an. Bei den Recherchen für den vorliegenden Radführer hat der Autor alle 50 Routen abgefahren und die Wegverläufe erfasst. Aus den Daten erstellte er für jede der Radrouten einen GPS-Track. Auf der Webseite http://gps.bruckmann.de können Interessierte die Touren herunterladen. Nach dem Aufspielen der Datei auf das GPS-Gerät oder Smartphone zeigt dieses die Strecke als farbige Linie an; ihr steuert man einfach hinterher. Erstklassige Dienste leisten die handlichen Geräte auch bei der Suche von Hotels, Pensionen, Campingplätzen, Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Supermärkten. Kostenfreie Fahrradkarten kann man von der Webseite www.velomap.org herunterladen, auf dem PC installieren und zum Outdoorgerät übertragen. Streckenverläufe verschiedener Radwege weltweit gibt es auf cycling.waymarkedtrails.org. Für Smartphones ist die App OsmAnd die erste Wahl, denn die Karten decken ganz Europa ab. Besonders zu empfehlen sind die Points of Interest des ADFC. Aktuell beinhalten sie über 5500 Bett+Bike-Gastbetriebe. Diese lädt man auf mobile GPS-Geräte (www.bettundbike.de).

Die EuroVelo-Routen

EuroVelo ist ein Projekt des Europäischen Radfahrer-Verbands (ECF). Das länderübergreifende Netz (42 Staaten) besteht derzeit aus 15 Strecken. Circa 45 000 Radwegekilometer sind bereits vorhanden, über 70 000 Kilometer sollen bis zum Jahr 2020 beschildert sein. Infos gibt es bei ECF, Rue Franklin 28, B-1000 Brüssel, Tel. +32/2/8809274, www.ecf.com und www.eurovelo.com.

EV1: Atlantikküsten-Route: Nordkap – Sagres (NO, GB, IE, FR, ES, PT)

EV2: Hauptstadt-Route: Galway – Moskau (IE, GB, NL, DE, PL, BY, RU)

EV3: Pilger-Route: Trondheim – Santiago de Compostela (NO, SE, DK, DE, BE, FR, ES)

EV4: Mitteleuropa-Route: Roscoff – Kiew (FR, BE, DE, CZ, PL, UA)

EV5: Via Romea Francigena: London – Brindisi (GB, FR, BE, LU, DE, CH, IT)

EV6: Fluss-Route: Nantes – Constanta (FR, CH, DE, AT, SK, HU, RS, RO), www.eurovelo6.org

EV7: Sonnen-Route: Nordkap – Malta (NO, SE, DK, DE, CZ, AT, IT, MT)

EV8: Mittelmeer-Route: Cádiz – Nikosia (ES, FR, MC, IT, SI, HR, ME, AL, GR, CY)

EV9: Bernstein-Route: Danzig – Pula (PL, CZ, AT, SI, IT, HR)

EV10: Ostseeküsten-Route: Rundkurs (NO, FI, SE, DK, DE, PL, LT, LV, EE)

EV11: Osteuropa-Route: Nordkap – Athen (NO, FI, EE, LV, LT, PL, SK, HU, RS, MK, GR)

EV12: Nordseeküsten-Route: Rundkurs (DE, DK, SE, NO, GB, NL), www.northsea-cycle.com

EV13: Eiserner-Vorhang-Route: (NO, RU, FI, EE, LV, LT, PL, DE, CZ, AT, SK, HU, SI, HR, RO, RS, BG, MK, GR, TR), www.ironcurtaintrail.eu

EV15: Rhein-Radweg: Andermatt – Rotterdam (CH, LI, AT, DE, FR, NL), www.rheinradweg.eu

EV 17: Rhône-Radweg: Andermatt – Montpellier (CH, FR), www.veloland.ch/de/routen/route-01.html, ww.viarhona.com

An der Küste Montenegros kultiviert man seit Jahrtausenden Olivenbäume (Tour 49).

In Dänemark führt der Radweg Berlin – Kopenhagen oft am Meer entlang (Tour 10).

Der Norden Polens ist bekannt für seine Baumalleen (Tour 35).

Der Radweg Parenzana passiert in Kroatien verschlafene Dörfer (Tour 42).

Nordeuropa

Der Rallarvegen ist bei norwegischen Familien sehr beliebt (Tour 13)

Bei Sonnenschein ist Nordirland wie ein Traum (Tour 11)

Windmühle auf den finnischen Ålandinseln (Tour 7)

Die ruhigen Landstraßen Nordirlands sind ideal zum Radfahren (Tour 11).

1 Westfjorde und Hochland

Erhaben, still, weit

Wer sich von dem rauen Wetter Islands nicht abhalten lässt, den überwältigt die Landschaft: hier riesige Gletscher und donnernde Wasserfälle, dort aktive Vulkane und Geysire. Dazwischen radelt man durch bizarre Lavawüsten und wilde Fjorde. Die Natur ist hier draußen im Atlantik noch lange nicht fertig mit der Gestaltung.

Charakter

Der Rundkurs beinhaltet unbefestigte Abschnitte und gute Asphaltstraßen. Die größten Höhenunterschiede bewältigt man in den Westfjorden und bei der Durchquerung des Hochlands. Das Fahrrad sollte aufgrund der Schotterpisten über breite, ausreichend profilierte Reifen verfügen. Bei dieser Tour muss man für die entlegenen Gebiete seine Lebensmittelvorräte vorplanen.

Wegmarkierung

Auf Island gibt es nur in den Städten Radwege und aktuell keine markierten Radrouten.

Bett & Bike

Für Unterkünfte siehe de.visiticeland. com, dazu gibt es Campingplätze, Berghütten und Ferienhäuser.

E-Bike

E-Bikes wären in Island sinnvoll, es gibt aber kaum Möglichkeiten zum Laden des Akkus. In Reykjavík (www.visitreykjavik.is) kann man Räder leihen.

An- und Rückreise

Vom Flughafen von Keflavík westlich von Reykjavík mit dem Bus weiter (www.flybus.is). Mit dem Schiff erreicht man ab DK-Hirtshals via Tórshavn auf den Färöern die Stadt Seyoisfjörour im Osten der Insel (Smyril Line, Sellspeicher Wall 55, 24103 Kiel, Tel. 0431/200886, www.smyrilline.de). Island verfügt über ein gut ausgebautes Busnetz (www.straeto.is, de.visiticeland.com). In den Überlandbussen kann man Fahrräder mitnehmen.

Information

de.visiticeland.com

Von Keflavík nach Stykkisholmur – 402 km Wer Radreisen wie einen Wettkampf sieht, für den ist Island die Weltmeisterschaft. Der kleine Mensch alleine gegen die überwältigende Natur. Stollenreifen gegen Pistengeröll. Entschlossenheit gegen Regen und Wind. Warum man sich das antut? Ganz einfach – weil Island ein Traum ist! Selten erlebt man eine Radreise so intensiv wie auf der größten Vulkaninsel der Welt. Hinter dem Flughafen von Keflavík beginnen die ersten Lavafelder, darüber macht man in der Ferne die ersten Vulkane aus. Nach 40 Kilometern tauchen die ersten Vororte Reykjavíks auf: moderne Wohnanlagen, Büroblocks, Parks. Hin und wieder sticht zwischen den Häusern der 74,5 Meter hohe, spitz zulaufende Turm der Hallgrimskirkja in den Himmel. Dort angekommen, erblickt man die Statue von Leifur Eiriksson dem Glücklichen. Er trug sich als Entdecker Nordamerikas in die Geschichtsbücher ein und schaut beherzt hinaus auf die Bucht, Richtung Westen. In Reykjavík wohnen 123 000 Einwohner, auf der gesamten Insel 336 000 Menschen. Also so viele wie in der Stadt Bielefeld. Dort pfercht man sich auf 258,82 Quadratkilometern zusammen; die Isländer schätzen die 103 000 Quadratkilometer ihrer Insel. Hier hat man also viel Platz für einen Aktivurlaub. Auf guten Radwegen steuern wir ostwärts aus Reykjavík hinaus. Hinter Mosfellsbær ist die Ringstraße erreicht, der Hauptweg Islands. Wir folgen ihr für eine Stunde, dann zwingt der 5800 Kilometer lange Tunnel Hvalfjarðargöng Radler zu einem Umweg. Doch was heißt hier Umweg? Auf Island gibt es keine Umwege, nur Alternativen, und jene um den Fjord Hringvegur ist sehr lohnend. Die Piste ist ruhig. Überall sieht man von den steilen Berghängen Wasserfälle in Kaskaden herabstürzen. Wir überqueren einige große Flüsse, die sich durch das grüne Terrain zum Fjord hinunterschlängeln, und erreichen Borgarnes. Die Siedlung nimmt eine Landzunge im Borgarfjörður ein. Hier sollte man gut einkaufen, denn das nächste Lebensmittelgeschäft ist weit entfernt. Die Straße 54 führt uns wieder in die erhabene Landschaft hinein. Der Blick schweift über baumlose Flächen. Ziel ist die Snæfellsnes-Halbinsel. Dort ragt der mächtige Snæfellsjökull 1446 Meter auf. Um ihn ranken sich mehrere Island-Sagas. Weltweit berühmt wurde der Stratovulkan durch Jules Verne. In dessen Roman Reise zum Mittelpunkt der Erde ließ er hier seine Helden in die Tiefe steigen. Aber auch an der Oberfläche ist es spektakulär. Wir radeln vom Dorf Arnarstapi aus um den Westteil der Halbinsel; rauf und runter. Die Straße verläuft durch hohe Felder aus erkalteten Lavaströmen, die sich über das westliche Areal der Halbinsel ausbreiten und zum Meer hin abbrechen. Dazwischen ragen kleine Vulkanschlote auf und untermalen das düstere Landschaftsbild. Als wir die Nordseite der Halbinsel erreichen, empfängt uns ein heftiges Geschnatter und Gepiepse. Neben der Straße brüten überall Küstenseeschwalben auf dem Boden. Mit Scheinangriffen aus der Luft versuchen die mutigen Flieger die Fremden auf ihrem rollenden Etwas zu vertreiben. Da es auf Island bis auf wenige Polarfüchse keine Landraubtiere gibt und es draußen im Breiðafjörður nur so von Fischen wimmelt, befindet sich hier eine der größten Kolonien von Küstenseeschwalben. Die putzigen Vögel fliegen auf ihrem Zug in die antarktischen Überwinterungsgebiete eine Strecke von bis zu 30 000 Kilometern, so weit wie kein anderer Zugvogel.

Die Ringstraße

Jeder Islandreisende kennt sie, fährt wenigstens ein Stück auf ihr – die Ringstraße. Sie ist fast komplett asphaltiert und 1340 Kilometer lang. Die Einheimischen nennen sie Hringvegur oder þjóðvegur 1 (Nationalstraße 1). Sollte nicht gerade einer der gefürchteten Gletscherläufe Teile der Straße weggespült haben, kann man so einmal um die Insel strampeln. An der Ringstraße liegen zahlreiche Attraktionen wie Wasserfälle, Thermalfelder und mit dem Vatnajökull-Nationalpark eine Kulisse, die häufig in Filmen zu sehen ist. Immer wieder zweigen rechts und links Pisten ab. Eine Raftingtour? Einen Vulkan besteigen? Oder besser Tiere beobachten? Hier geht alles!

Von Stykkisholmur nach Blönduos – 730 km Eine Woche steuern wir die Küste Islands entlang und nähern uns nun dem Höhepunkt der Tour, der uns seit über 400 Kilometern antreibt: Vestfirðir – die Westfjorde. Eine 14 Kilometer schmale Landenge verbindet den Nordwesten Islands mit dem Rest der Insel. Das von Meeresarmen durchzogene Bergland ist dünn besiedelt. Weniger als 7400 Menschen trotzen den Elementen der See. Vorbei an abgelegenen Farmen strampeln wir weiter. Rechts die dunklen Basaltberge, links das Meer. Nach 40 Kilometern dreht die Straße in Richtung Berge ab und wir erklimmen den ersten Pass der Reise. Um uns wird es still. Einzig das Murmeln der klaren Bäche ist zu hören. Das Wasser stürzt durch kleine Canyons, springt über Steine, umspült Flechten und Moose. Oben auf der Passhöhe halten sich hartnäckig die letzten Schneereste. Die Piste kippt ab, die Räder rollen los und kommen erst wieder an einem Schiffswrack zum Stehen. Es ist der Trawler Garðar aus dem Jahr 1912. Hier zweigt eine Stichstraße zum Vogelfelsen Látrabjarg ab. Vor uns bauen sich nochmals zwei kräftezehrende Hügel auf, die die verbliebene Energie aus den Beinen saugen. Dann ist es geschafft, man steht am Kap Bjargtangar; 65° 30‘ 16‘‘ Nord, 24° 32‘ 2‘‘ West. Nur die Azoren liegen in Europa westlicher. Die Steilküste, an der sich Island mit dem Atlantik auf dramatische Weise vereint, nennt man Látrabjarg. Hier geht es nur zu Fuß weiter. Man spaziert die bis zu 440 Meter hohe und 14 Kilometer lange Steilküste entlang und hält ehrfürchtig inne. Unten krachen hohe Brecher an die Felsen – Stunde um Stunde, Monat für Monat, seit Jahrmillionen. Bis an die Gestade von Grönland nichts als Wasser, Wellen, Wind. Und Vögel. Papageitaucher tänzeln vor der Kameralinse. Darunter brüten Tausende Tordalken, Eissturmvögel, Dreizehenmöwen, Lummen. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Geflatter und Geschnatter, ein großes Spektakel!

Die Fahrt durch die Westfjorde ist intensiv, das Höhenprofil sieht aus wie ein HerzEKG, es geht steil hinauf, steil herunter, dazwischen kurze Verschnaufpausen. Dort folgt man einem Fjordufer. Die Halbinsel der Westfjorde hat eine Fläche von 9409 Quadratkilometer und umfasst 30 Prozent der Küstenline von ganz Island. Im Süden gibt es eine schmale Landenge, die einzige Verbindung mit dem Rest der Insel. Gegenüber, im Nordwesten, liegt die Dänemarkstraße, im Nordosten die Grönlandsee. Es kam schon vor, dass sich Eisbären hierher verirrten. Der Wasserfall Dynjandi ist einer der Höhepunkte der Region. Bereits von Weitem hören wir sein tiefes Donnern. Am Ende eines Seitenarms des großen Arnarfjörður stürzt der Dynjandi-Fluss über eine Basaltkante und bildet einen atemberaubenden Wasserfall mit einer Höhe von 100 Metern, der sich im unteren Teil bis zu 60 Meter breit auffächert. Die Siedlungen auf unserem Weg heißen Patreksfjörður, þingeyri und Isafjörður. Letzterer ist der Hauptort der Westfjorde. Hier widmet man dem einträglichsten Wirtschaftszweig, dem Fischfang, ein Museum. Die Anlage öffnet sich zum Eisfjord hin. Ein gutmütig dreinblickender »Seebär« mit Rauschebart führt durch die grasüberwucherten Fischerhütten. In einem der Häuser hängen getrocknete Fische von der Decke herab. Es riecht streng. »Eishai«, erklärt er freudig. Das Leben der isländischen Fischer war bis ins 19. Jahrhundert mühsam. In den Wintermonaten brachen fast täglich in aller Früh Nussschalen mit sieben Mann Besatzung auf. Die Seeleute mussten drei bis vier Stunden zu den reichen Fischgründen hinausrudern, bevor sie die Seile mit den Ködern auslegen konnten. Dann begann die Zeit des Wartens, der Kampf gegen die eisige Kälte. Nach Stunden holten sie die Netze ein, ruderten zurück. Am späten Abend trafen sie in ihrer Siedlung ein. Erst als der Fang eingesalzt sowie aufgehängt und das Boot an Land gezogen war, konnte man zum Abendessen gehen. Ein hartes Los. Auf den nächsten Etappen erklimmen wir kurvenreiche Passstraßen, campen in abgelegenen Fjorden und sind begeistert von der rauen Schönheit Islands. Am Ende des Hrútafjörður hat uns die Ringstraße wieder. Auf dem Asphalt rollen die Räder leicht ins 80 Kilometer entfernte Blönduós, einem 900-Seelen-Ort an der Nordküste.

Die Besiedelung Islands

Zu welchem Zeitpunkt Island besiedelt wurde, kann man heute nicht genau sagen. Als Erster erwähnte im 4. Jahrhundert v. Chr. Pytheas von Marseille die Insel Thule in einem Reisebericht. Er stieß bei einer Entdeckungsreise »sechs Tagesfahrten nördlich von Britannien« auf Land. Lange war es still, dann verschlug es vermutlich irische Mönche auf die Insel. Auf den vorgelagerten Westmännerinseln legte man Grundmauern aus dem 7. Jahrhundert frei. Diese könnten von Wikingern stammen. Ihre eigentliche Besiedelung fand jedoch später statt und füllt die Seiten des Landnahmebuchs. Es listet 400 Siedler aus Skandinavien auf, die Island zwischen 870 und 930 als neue Heimat wählten.

Von Blönduos nach Keflavík – 360 km In Blönduos beginnt ein neuer Abschnitt: die Kjölur-Hochlandpiste. Sie steht für 160 Kilometer Einsamkeit. Wer hier radelt, sollte ein Zelt dabeihaben und viel Proviant. Oben, in der endlos weiten Steinwüste, ist man alleine mit dem schneidenden Wind und dem wechselhaften Wetter. Wer Glück hat und einen sonnigen Tag erwischt, sieht in der Ferne den Langjökull. Er ist mit ca. 925 Quadratkilometern der zweitgrößte Gletscher Islands.

Der Gullfoss ist der nächste Höhepunkt der Reise. Schäumend donnert der Gletscherfluss Hivta über zwei breite Stufen in einen felsigen, bis zu 70 Meter tiefen Canyon. Das Dröhnen wird mit jedem Schritt bedrohlicher, die Wasserschleier mystischer. Eine Frau hatte eine besondere Beziehung zu dem Wasserfall – Sigríður Tómasdóttir. Sie lebte auf dem nahe gelegenen Hof Brattholt. Als Anfang des 20. Jahrhunderts eine britische Firma den Gullfoss kaufen wollte, um einen Staudamm samt Kraftwerk zu errichten, drohte Sigríður Tómasdóttir, sich in die Fluten zu stürzen. Die Umweltschützerin hatte Erfolg, der Staat kaufte das Gebiet, das heute zum »Goldenen Ring« gehört, einer beliebten Touristenstrecke. Ein noch beeindruckenderes Werk als den »Goldenen Wasserfall« hat die Natur mit dem geothermalen Gebiet Haukadalur geschaffen. Der Liebling der Fotografen ist der Geysir Strokkur. Man blickt auf ein großes, fast kreisrundes Loch, das in den malerischsten Blautönen leuchtet. Dann ein kurzes Blubbern. Eine Wassersäule bäumt sich auf. Explosionsartig schießt der Strahl in die Höhe, bis zu 30 Meter – einfach atemberaubend. Mit diesem Spektakel endet ein weiterer Tag unserer Reise auf der Insel der Kontraste.

Die dritte Attraktion des »Goldenen Rings« ist das 50 Kilometer entfernte þingvellir. Den Ort kennt in Island jedes Kind. Denn hier gibt es nicht nur einen Nationalpark, sondern auch den geschichtlich bedeutendsten Punkt der Nation. Ab dem Jahr 930, also gegen Ende der Landnahme, versammelten sich die Siedler jedes Mal im Juni an diesem Ort, um die Versammlung Althing abzuhalten. Hier sprach man Recht und traf andere wichtige Entscheidungen, so beschloss anno 1000 die Versammlung die Annahme des Christentums. Am 17. Juni 1944 rief man in þingvellir die Republik Island aus. Heutige Besucher staunen zudem über den Grabenbruch (Nordatlantischer Rücken). Denn hier sieht man hautnah das Auseinanderdriften der amerikanischen und eurasischen Kontinentalplatten. Ein wahrlich mystischer Flecken Erde, das fand auch die UNESCO und verlieh 2004 den Titel als Weltkulturerbe.

In den Westfjorden gibt es gute Weidegründe.

Der Geysir Strokkur bricht regelmäßig aus.

Der Geysir Strokkur liegt am Goldenen Ring.

Der Wasserfall Dynjandi in den Westfjorden ist 100 Meter hoch.

2 Helgelandküste

Die Magie des Nordens

Die Sommersonne scheint am nördlichen Polarkreis rund um die Uhr. 24 Stunden lang. Immer! Sie ist wie eine Vitaminspritze, die Radler vorantreibt. Auch weiter südlich wirken die Tage endlos, das Licht ist weich, die Wege nahezu leer. Besonders ist der Kystriksveien. Wer ihm gen Norden folgt, schaut rechts auf die Berge und links über das Meer.

Charakter

Die sehr ruhige, komplett asphaltierte Naturroute orientiert sich am Küstenverlauf und überwindet zwischen den Meeresarmen einige niedrige Bergrücken. Innerorts und in Siedlungsnähe gibt es oft Radwege.

Wegmarkierung

Diese Radtour ist Teil der Landesroute Nr. 1 und mit roten Schildern markiert.

Bett & Bike

Im kostenlosen Kystriksveien-Reisehandbuch sind auch Unterkünfte aufgelistet, einige für Radler. Die Regionalfluggesellschaft Wideroe bietet ein »fly and bike«-Programm an. Dabei kann man Fahrräder am Flughafen abholen; aktuell in Namsos, Rorvik, Brønnøysund, Sandessjoen und Bodo (www.wideroe.no).

E-Bike

Verleih von E-Bikes und Fahrrädern über www.kystriksveien.no.

An- und Rückreise

Zum Startort Brønnøysund und vom Reiseziel Bodø per Flug via Oslo. Anreise mit der Fähre ab Kiel (www.colorline.de), DK-Frederikshavn (www.stenaline.de) oder Kopenhagen (www.dfdsseaways.de), dazu zahlreiche Fährverbindungen unterwegs (www.kystriksveien.no)). Zurück nach Brønnøysund mit der Hurtigruten-Linie (www.hurtigruten.de).

Information

Helgeland Reiseliv AS, Ole Tobias Olsens gate 3, N-8602 Mo i Rana, Tel. +47/75/018000, www.visithelgeland.com; www.kystriksveien.no; Innovation Norway, Caffamacherreihe 5, 20355 Hamburg, Tel. 040/2294150, www.visitnorway.de; www.nordnorge.com; www.cyclingnorway.no; www.nasjonaleturistveger.no

Von Brønnøysund nach Sandnessjøen – 187 km Im Norden Norwegens, dort wo sich das Gebirge zu felsigen Inseln zerfranst, ragt ein lang gestreckter Bergrücken aus der kalten See, der stutzig macht. Fast genau in seiner Mitte klafft ein 35 Meter hohes und etwa 160 Meter langes Loch. Was ist das? Wie in aller Welt ist es entstanden? Die Einheimischen nennen den Berg, der aussieht wie ein Hut, Torghatten. In einer Sage heißt es: »Einst lebten am Vestfjord der König Vagakallen mit seinem Sohn und der Herrscher Sulitjelmakongen, der gleich sieben Töchter hatte. Als sich eines Abends der ungestüme Sohn Vagakallen in die Jungfrau Lekamoya verliebte, entbrannte eine wilde Verfolgungsjagd. Nach einer Weile enteilte Lekamoya dem Prinzen Hestmannen. Verzweifelt schoss dieser einen Pfeil auf sie ab. Der König Somnaberge sah die Szene und warf rasch seinen Hut dazwischen. Er landete zerschossen auf der Insel Torgar. In diesem Moment ging die Sonne auf und alle versteinerten an der Stelle, wo sie gerade standen. Aus dem Hut wurde der Torghatten, die sieben Schwestern bilden eine lang gestreckte Bergkette bei Sandnessjoen, und Lekamoya findet man in den Felsformationen der Insel Leka. Die wissenschaftliche Erklärung ist weniger romantisch. Forscher nehmen an, dass die Brandung der anrollenden See den Berg aushöhlte. Und doch haftet dieser Landschaft Magisches an. Sie beflügelt die Fantasie, schlägt Besucher sofort in den Bann. Vor allem Radfahrer folgen dem Ruf des Nordens an die Helgelandküste. Die Straßen sind leer, die Topografie leicht zu bewältigen und hinter jeder Kurve wartet eine neue Überraschung. Der Kystriksveien (»Küstenstraße«) ist ihre Leitlinie in Richtung Polarkreis. Sie führt über kühn geschwungene Brücken, zu Buchten und versteckt gelegenen Fischerdörfern.

Als Einstieg bietet sich der Flughafen von Brønnøysund an. Die Stadt hat etwa 5000 Einwohner und eine Anlegestelle für die Schiffe der Hurtigruten. Sonst ist hier nicht viel los und das ist gut so. Reisende zieht es vor allem deswegen hierher. Die entspannte Radtour durch den Schärengarten bringt uns nach sechs Kilometern mit einer Delikatesse in Berührung, die in Norwegen auf eine jahrtausendealte Tradition zurückblicken kann: dem Lachs. Bereits die Wikinger holten den nahrhaften Speisefisch aus den Wogen des Nordatlantiks. Heutzutage sind die Bestände des Atlantischen Lachses überfischt und das Geschäft mit den Fischfarmen floriert. Touristen können sich im Norsk Havbrukssenter in Toft über die Aufzucht informieren. Wenige Minuten sind es zum Fähranleger in Horn. Dort kann man weiterhin dem Küstenweg folgen oder auf die Insel Vega übersetzen. Letzteres sollte man sich nicht entgehen lassen.

An der Helgelandküste liegen rund 14 000 Inseln im Europäischen Nordmeer. Vega ist eine der größten und zählt seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Hier betreten Reisende das Reich der Eiderenten. Seit 1000 Jahren profitieren die Bewohner von den Zugvögeln. Alljährlich im März errichten sie zum Schutz vor Räubern Nistplätze unter Steinwällen und in Holzkästen. Nachdem die Eiderenten weitergezogen sind, erntet man die hochwertigen Daunen und exportiert sie ins europäische Ausland. In der Siedlung Nes ist den Tieren mit dem E-huset ein Museum gewidmet. Die Ausstellung mit einer breit gefächerten Sammlung residiert in einem dottergelb angestrichenen Haus. Die Holzwände versprühen eine heimelige Atmosphäre und sind mit Fotogalerien und Schautafeln ausgeschmückt. Davor können Besucher Exponate des Insellebens studieren. Wenige Schritte weiter kann man in einem Rorbu – einer ehemaligen Fischerhütte – Quartier für die Nacht beziehen. Aber was bedeutet das knapp unterhalb des Polarkreises? Mitte Juni gehen die Tage nahtlos ineinander über. Kurz vor 24 Uhr wandert der rote Sonnenball Richtung Horizont. Die Strahlen haben an Kraft verloren und modellieren die Konturen der Berge. Eine wohltuende Stille erfasst die Insel. Im Naturhafen stehen kleine Fischerboote neben bunten Holzhäusern kopf und fügen sich mit der archaischen Szenerie ringsum zu einem prächtigen Gemälde zusammen. Alles leuchtet! Zurück auf dem Festland, vertrauen wir uns der Straße Fv. 17 an. Hinter diesem schlichten Namen verbirgt sich eine der beeindruckenden Panoramastraßen des Kontinents. 18 Landschaftsrouten ziehen sich durch das Königreich; von der Barentssee bis zur Nordsee. Am Kystriksveien hat man an besonders schönen Plätzen Aussichtspunkte und Rastplätze eingerichtet. Die Straße verbindet die Städte Steinkjer und Bodø. Aufgrund der zahlreichen Fähren gibt es kaum Verkehr. Die Topografie der Strecke ist zudem für norwegische Verhältnisse äußerst radfahrerfreundlich.

Das Reich der Mitternachtssonne

Nachts Rad fahren? Klingt nicht schlecht. Nördlich des Polarkreises wird dieser Traum wahr. Der Grund ist, dass die Erdachse um aktuell 23,43 Grad geneigt ist. So spricht man im Zeitraum der Sonnenwenden vom Polartag. In Bodø, dem nördlichsten Punkt dieser Tour, scheint die Sonne vom 4.6. bis 8.7. Fotografen und Romantiker haben es in Nordnorwegen leicht, denn die Küste öffnet sich Richtung Nordwesten. Also wandert der rote Sonnenball um Mitternacht am Horizont entlang. Ein Schauspiel, für das man spät zu Bett geht. Das Licht ist weich, die Wege nahezu leer. Lohnende Radtouren in Nordnorwegen gibt es zudem auf den Inseln der Lofoten, der Vesteralen und auf Senja.

Also weiter, in Richtung Norden. Die Anmut der Landschaft zieht einen von Stunde zu Stunde mehr in ihren Bann. Rechter Hand ragen über 1000 Meter hohe Berge in den Himmel. An den Flanken donnern Wasserfälle zu Tal, um sich wenig später in den nächsten Fjord zu ergießen. Auch kulturell ist am Wegesrand einiges geboten: Man kann im Dorf Forvik die älteste Handelsstation Nordnorwegens mitsamt der nördlichsten Kaffeerösterei der Welt besuchen und in Alstahaug per Audioguide das Petter Dass Museum kennenlernen. Die Sammlung befindet sich in einem futuristischen, nach den Plänen des renommierten Architekturbüros Snohetta AS errichteten Bauwerk. Besonders eindrucksvoll ist das moderne Panoramafenster. So eröffnet sich, während man in das Leben des Dichterpriesters eintaucht, ein Blick hinaus auf die Bucht. Gewiss fand Petter Dass hier Inspiration. Auf zwei Ebenen veranschaulichen Vitrinen und Schautafeln sein Leben und Wirken. Dazu gibt es eine Diashow. Nebenan laden die Kirche von Alstahaug und der alte Bauernhof zu einer Zeitreise ein. Immer wieder lohnt es sich, die Hauptroute zu verlassen.

So setzen wir mit der Fähre zur vorgelagerten Insel Heroy über und stehen nach wenigen Minuten vor der Bygdesamling. Die Ausstellung ist Teil des Helgeland-Museums. Der Zusammenschluss von 17 Stationen verteilt sich auf die gesamte Inselwelt. Das Freilichtmuseum besteht aus sechs historischen Gebäuden, in denen man mehr als 8000 Exponate aufbewahrt. Der Sommer an der Küste ist ideal zur Tierbeobachtung. Am Himmel kreisen Seeadler. In den Fjorden erspäht man mit ein bisschen Glück die Fluke eines Schweinswals und die Wälder sind die Heimat von Hirschen und Elchen. Wo die Bäume enden, beginnt die Stadt Sandnessjøen, die sich am Fuß der Bergkette »der sieben Schwestern« ausbreitet. Im Zentrum erinnert ein nachgebildetes Langhaus aus der Wikingerzeit an die einstige Bedeutung des alten Handelsplatzes.

Von Sandnessjøen nach Ørnes – 82 km Haben Sie Lust auf einen unvergesslichen Ausflug? Wie wäre es mit einer ruhigen Insel, weit draußen im Nordmeer? Lovund ist so ein Sehnsuchtsziel. Das vom Golfstrom umspülte Eiland besteht aus dem 623 Meter hohen Berg Lovundfjellet und einem 450-Einwohner-Dorf. Die Menschen leben von der Fischzucht und den Sommertouristen. In der Siedlung gibt es ein Museum, eine Kirche, einen Supermarkt und ringsum sieben markierte Wanderwege. Was man hier macht? Die Seele baumeln lassen, die Papageitaucherkolonie fotografieren und die traumhaften Sonnenuntergänge auskosten. Wer nicht genug bekommt von Stille und Magie der See, kann gleich die Nachbarinsel Træna ansteuern. Das Schnellboot bringt einen zurück auf das Festland. Am Fähranleger Stokkvagen drehen wir den Lenker erneut gen Norden. Bis zur nächsten Schiffspassage sind es 25 Kilometer. Es ist eine besondere Fahrt. Vor dem Bug taucht eine metallene Weltkugel auf. Wir überschreiten bei 66° 33’ 44“ nördlicher Breite eine magische Linie – den Polarkreis. Hier beginnt das Reich der Mitternachtssonne!

Von Ørnes nach Bodø – 122 km Anschließend läuft der Kystriksveien zur Höchstform auf. Jede Hügelkuppe und jede Kurve verwöhnt mit frischen Eindrücken. Mal rastet man an einem der makellos weißen Sandstrände, dann wieder fotografiert man die bunten Holzhäuser einer Siedlung. Die nächstgrößere ist Ørnes mit 1600 Einwohnern. Es gibt einen Anleger für die Schiffe der Hurtigruten und in der Nähe den zweitgrößten Gletscher des Königreichs – den Svartisen. Er liegt im Saltfjellet-Svartisen-Nationalpark. Das Schutzgebiet ist riesig; in seine 2100 Quadratkilometer passt fast ganz Luxemburg hinein. Es ist ein Traum für jeden Naturfreund – und eine gute Gelegenheit, um Elche und Rentiere zu beobachten. Selbst wenn sich keine Tiere zeigen, lohnt der Blick in die Landschaft, denn hier wachsen Alaska-Rhododendron und Weiße Silberwurz. Aber der Hauptgrund hierher zu reisen, ist der Svartisen-Gletscher. Warum also nicht das Rad abstellen und mit einem Boot über den Fjord schippern? Vom anderen Ufer führt ein vier Kilometer langer Weg zur Gletscherzunge. In der Sommersaison werden täglich geführte Wanderungen auf dem Eis angeboten. Danach muss man kehrtmachen, denn der 7624 Meter lange Svartistunnel ist für Radfahrer gesperrt. Doch das ist kein Problem. Das ruhige Sträßchen mit der Nummer 452 bleibt an der Küste, und da gibt es immer etwas zu sehen.

Der Gezeitenstrom Saltstraumen ist der nächste Höhepunkt, der einem den Atem nimmt. Wenige Stunden im Sattel, dann hat man Bodø erreicht. Ein Besuchermagnet in der Hauptstadt der Provinz Nordland ist das Norwegische Luftfahrtmuseum. In ihm kann man Raritäten wie ein Lockheed U-2-Aufklärungsflugzeug und eine Junkers Ju 52 bestaunen. Weitere Attraktionen sind die Domkirche (1956), die Bodinkirche (1240), das Nordlandmuseum in einem der ältesten Häuser (1903) des Ortes und das Freilichtmuseum Bodøsjøen. Wer sich einen Überblick auf die Stadt der Seeadler verschaffen möchte, erklimmt auf dem Fahrweg das Ronvikfjellet. Dort heißt es Abschied nehmen. Abschied von der Mitternachtssonne, den Bergen, den freundlichen Menschen. Schließlich steigen Reisende mit der Überzeugung vom Fahrrad, eine der malerischsten Küstenlandschaften Europas kennengelernt zu haben.

Das Meer gleicht einem Fluss

Am Saltstraumen scheint das Wasser zu kochen. Abgeriegelt von einer Felsenbarriere, zwängt sich das Wasser der einsetzenden Flut durch zwei winzige Öffnungen. Sie verbinden den Skjerstadfjord mit dem großen Saltenfjord. Mit einer Austauschmenge von 400 Millionen Kubikmetern Wasser bildet das berauschende Naturschauspiel den stärksten Gezeitenstrom der Welt. Pro Sekunde jagen 3000 Kubikmeter Wasser mit bis zu 20 Knoten über die Fjordschwelle. Hier und da entstehen gewaltige, weiß schäumende Strudel. Am Ufer reiht sich ein Angler an den nächsten. Sie ziehen vor allem Kabeljau, Steinbeißer und Heilbutt aus dem Saltstraumen.

Der Kystriksveien schlängelt sich zwischen imposanten Bergriesen hindurch.

Abendstimmung auf der Insel Lovund

Für norwegische Verhältnisse ist der Küstenweg leicht zu fahren.

3 Fjorde und Fjell mit Rallarvegen

Radreise durch die Heimat der Trolle

Die Alpen haben viele mit dem Fahrrad bezwungen. Doch wer hat sich schon an den Passstraßen im hohen Norden versucht? Naturfans zieht es nach Fjordnorwegen. Dort wechseln die Panoramen im Stundentakt. Die Tage sind lang und am Ende der Reise möchte man am liebsten für immer dableiben. Aber Vorsicht – das Wetter kann launisch sein.

Charakter

Der meist abwärts führende Rallarvegen verläuft auf teils holperigen Schotterpisten. Die Strecke durch Fjordnorwegen nutzt gut ausgebaute Straßen. Die drei Pässe sind lang, aber nicht allzu steil. Bis auf die Abfahrt hinunter zum Geirangerfjord gibt es kaum Verkehr.

Wegmarkierung

Die Route ist teils mit den roten Schildern der nationalen Routen 4 und 6 markiert, dazu helfen die GPS-Daten dieses Buches.

E-Bike

E-Bikes sind nützlich, aber schwer vor Ort auszuleihen, eigenes mitnehmen.

An- und Rückreise

Per Flugzeug nach Oslo oder mit der Fähre ab Kiel (www.colorline.de) und Frederikshavn (www.stenaline.de). Von hier aus mit der Bergenbahn bis Geilo (www.nsb.no, Fahrradtransport). Die Züge transportieren Fahrräder. Ab dem Ziel Åndalsnes mit der Raumabahn nach Oslo zurück. Ålesund hat einen eigenen Flughafen. Fjordüberquerungen: Fodnes – Mannheller: mehrmals täglich (www.fjord1.no); Solvorn – Urnes: mehrmals täglich (www.lustrabaatane.no); Geiranger – Hellesylt: Mai bis September mehrmals täglich (www.fjord1.no); Øye – Ålesund: Ausflugsschiff 62 NORD AS-Hjørundfjords, Tel. +47/70/114430, www.62.no)

Information

Innovation Norway, Caffamacherreihe 5, 20355 Hamburg, Tel. 040/2294150, www.visitnorway.de; Fjord Norge AS, Torggaten 3, N-5014 Bergen, www.fjordnorway.com; www.cyclingnorway.no; www.nasjonaleturistveger.no

Von Haugastøl nach Lærdal – 159 km Wenn Norweger eine Radtour empfehlen, fällt stets der Name »Rallarvegen«. Die rund 80 Kilometer lange Strecke nutzt einen alten Transportweg, den Tausende Wanderarbeiter – sogenannte »rallare« – zum Ausbau der Bergenbahn anlegten. Vierzehn Jahre lang rackerten sie bis zur Fertigstellung im Jahr 1909. Nebenbei schufen sie eine der spektakulärsten Fahrradstrecken Europas. Die Reise beginnt am Rande der Hardangervidda, der mit über 8000 Quadratkilometern größten Hochebene Europas. Hinter dem Bahnhof Finse ist der Weg geschottert, mal liegt er unter kleinen Schneefeldern verborgen. Von einem Moment auf den anderen brechen die Berge jäh ab, die Räder schießen das wildromantische Flåmdalen hinunter. Kurve folgt auf Kurve – insgesamt zwanzig Spitzkehren. 1200 Meter tiefer greift man am Ufer des Aurlandsfjords zur Bremse und gibt den Norwegern recht: eine Wahnsinnstour!

Das zweite Teilstück führt den Aurlandsvegen (auch Snøvegen) empor, eine mit 1300 Höhenmetern gespickte Passstraße. Der 47 Kilometer lange »Schneeweg« ist eine von 18 norwegischen Landschaftsrouten. Sie ziehen sich vom Skagerrak bis zum Europäischen Nordmeer durch das gesamte Königreich. Radler fotografieren den tiefblauen Aurlandsfjord, tasten sich ans Ende des hölzernen Aussichtspunkts Stegastein, der wie eine Skisprungschanze 30 Meter über den Fjord hinausragt, und stoppen nach dem Pass die Räder im Zentrum von Lærdal.

Von Lærdal nach Lom – 139 km Lærdal ist ein charmanter Ort mit blumengeschmückten Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Einen Steinwurf entfernt spiegeln sich steil abfallende Felswände in einem Seitenarm des Sognefjords. Die Einheimischen nennen ihn stolz »König der Fjorde«. Seinen Titel trägt er zu Recht, denn die Urgewalten der eiszeitlichen Gletscher lieferten mit ihm ein Glanzstück ab. Sie schabten kraftvoll in das Gestein, hobelten Trogtäler aus und bügelten die Hänge ab. Heute greifen die zergliederten Meeresarme der Nordsee weit ins Skandinavische Gebirge hinein – am Sognefjord 204 Kilometer. Wir schieben die Fahrräder über die Rampe, lösen die Tickets und schauen zu, wie der Bug gen Nordwesten pflügt. Steuerbord voraus zieht sich die malerisch in der Amla-Bucht gelegene Siedlung Kaupanger einen Hang hinauf. In der Nähe des Schiffsanlegers spitzt der Turm der Kaupanger Stavkyrkje (»Stabkirche«) aus einem offenen Laubwäldchen hervor. Durch einen hölzernen Anbau gelangen Besucher in das dezent von kleinen Fenstern beleuchtete Kirchenschiff. Die Augen mustern den Raum. Sie treffen auf zwei Säulenreihen, die wie ein kerzengerade gewachsener Fjordwald den Blick nach oben lenken. Gut 800 Jahre, ein stattliches Alter! Nebenan spaziert man durch das Volkskundemuseum.

Dann führt uns der Weg ins 23 Kilometer entfernte Etappenziel. Den Anfang macht die Kurvenabfahrt Richtung Sogndal, gefolgt von einer Rollpassage längs des Barsnesfjords.

Schließlich kommen die Häuser der Gemeinde Solvorn in Sicht. An der Ostseite des Lustrafjords breitet sich das Dorf Urnes aus. Hier spazieren Reisende zur ältesten Stabkirche Norwegens. Die UNESCO verlieh ihr 1979 den Titel Weltkulturerbe. Nach der Besichtigung nähern wir uns dem Nationalpark Jotunheimen. Der Fjord liegt keine fünf Kilometer zurück, da erinnert schon nichts mehr ans Meereswasser. Soeben waren da Fischer- und Ruderboote, jetzt sprießen zu beiden Seiten üppige Sommerwiesen. Soeben zerriss das Geschrei der Möwen die Stille, jetzt geben die Wohlklänge der Schafsglocken den Rhythmus der langsam kreisenden Beine vor. Auf der Straße 55 klettern wir auf kühn angelegten Kehren bergwärts. In 1000 Metern Höhe lassen wir die Baumgrenze hinter uns. Das Asphaltband erreicht eine Hochfläche, die von Moosteppichen und Flechten durchzogen ist. Hoch oben kommt man sich vor wie in der Arktis. Dann zeigt eine unscheinbare Markierung die Passhöhe auf 1434 Metern an. Nochmals 1000 Meter darüber ragen die mächtigsten Gipfel Skandinaviens auf: Galdhøpiggen (2469 m) und Glittertind (2472 m), die Stars des Nationalparks Jotunheimen. An ihren Flanken schicken weißgraue Gletscher gewundene Bäche auf die Reise. Daneben erstreckt sich ein Geflecht aus Seen, Schneefeldern und Findlingen. Mittendrin bietet sich die Krossbu Mountain Lodge als Unterkunft an.

Von Lom nach Ålesund – 125 km An der Ostseite des Passes rollen wir bis ins Zentrum von Lom. Den Ort zu besuchen lohnt aus drei Gründen: um die Stabkirche aus dem 12. Jahrhundert zu besichtigen, wegen des norwegischem Gebirgsmuseums und weil es hier das Fossheim Steinzentrum gibt. Es ist die größte Sammlung des Landes, in dem einheimische Kristalle und Mineralien ausgestellt sind.

Die Radroute führt nun über den Dalsnibba-Pass, an dessen Rückseite die Räder bergab zum Geirangerfjord sausen. Wir gehen an Bord einer Fähre und steuern den Hafen Hellesylt an. Unsere nächste Station ist die abgelegene Niederlassung Øye. Dazwischen liegen 21 traumhafte Fahrradkilometer. Sie führen durch das tief eingeschnittene Norangsdalen, vorbei an verlassenen Gehöften und dem kristallklaren See Lygnstøylvatnet, den 1908 eine gewaltige Steinlawine aufstaute. Warum die schmale Straße hinunter zum Hjørundfjord nun Dronningruta – »Königinnenroute« – heißt, erfahren wir im 1891 erbauten Hotel Union Øye. In der Prunkresidenz trugen sich Königin Maud und König Haakon VII., Kaiser Wilhelm II., Königin Beatrix und der britische Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle in das Gästebuch ein.

Nachdem man das Haus aus der Belle Époque bestaunt hat, geht es zum Fähranleger. Das Ausflugsboot der Gesellschaft 62°NORD fährt durch auf den Hjørundfjord hinaus, der den Blick auf das Zackenband der Sunnmøre-Alpen freigibt. Eine gute Stunde später meistert der Kapitän eine Engstelle inmitten zweier Eilande. Dahinter rückt mit Ålesund der Verwaltungssitz der Provinz Møre og Romsdal ins Bild. 1904 brannte nahezu die gesamte Innenstadt nieder. Auf den Trümmern errichteten die Bürger die Stadt neu im Jugendstil – prächtiger und detailreicher wie zuvor. Heute nennen die 45 000 Einwohner ihre über mehrere Inseln verteilte Heimat die »schönste Stadt Norwegens«. Wehmütig spaziert man zur Hafenmole, wo ein Schiff der Hurtigruten gen Norden ablegt. Auf seinem Weg in Richtung Nordpolarmeer schrieb Fridtjof Nansen begeistert: »So fuhren wir, meist bei schönem Wetter, seltener in Regen und Nebel, zwischen Sunden und Inseln hindurch längs der norwegischen Küste nach Norden. Welch ein herrliches Land! Ich möchte wissen, ob es in der ganzen Welt ein Fahrwasser gibt wie hier.« Er trifft damit voll ins Herz der Nordlandfans. Im Norden warten einige Traumziele. Man könnte an der Helgelandküste von einem Eiland zum nächsten springen. Man könnte die schroff aus dem Nordmeer aufsteigenden Inselgruppen der Lofoten und Vesterålen erkunden und bis zur weltentrückten Finnmark fahren. Immer weiter, der Mitternachtssonne entgegen. Ach, Norwegen!

Pause am Sognefjord bei Urnes

Der Rallarvegen wird von tosenden Wasserfällen begleitet.

Kreuzfahrtschiffe steuern häufig den Aurlandsfjord an.

4 Nordseeküsten-Radweg

Radeln wie durch einen Bildband

Die Route verbindet acht Länder und bringt es auf 6200 Kilometer. In Südnorwegen greifen spektakuläre Fjorde in das Skandinavische Gebirge, schmiegen sich idyllische Städtchen an blaue Buchten. Rund 1040 Kilometer verteilt auf dreizehn Etappen, von Bergen an die schwedische Grenze immer am Meer entlang.

Charakter

Die Tour ist sehr bergig, teils über Radwege, dann wieder auf Nebenstraßen. Der Untergrund wechselt zwischen Asphalt und Schotter.

Wegmarkierung

Als Kennzeichnung dient die rote Beschilderung der Landesroute Nr. 1.

Bett & Bike

Radlerfreundliche Unterkünfte über www.cyclingnorway.no/syklist-velkommen, zusätzliche Vorschläge machen die lokalen Tourismusbüros.

E-Bike

Wegen der schweren Strecke ist ein E-Bike sehr hilfreich; eigenes Rad mitbringen.

An- und Rückreise

Nach Bergen mit dem Flugzeug oder Fähre (www.fjordline.com), dann per Zug nach Oslo und zurück mit dem Flugzeug oder mit der Color Line (www.colorline.de) nach Kiel. Mit dem Auto sind es von Berlin nach Bergen 1390 km, von Hamburg 1100 km, von Köln 1520 km, von München 1900 km. Parkplatzinfos unter de.visitbergen.com

Information

Innovation Norway, Caffamacherreihe 5, 20355 Hamburg, Tel. 040/229 41 50, www.visitnorway.de; Fjord Norge AS, Torggaten 3, N-5014 Bergen, Tel. +47/55/30 26 40, www.fjordnorway.com; Bergen Reiselivslag, Slottsgaten 3, N-5835 Bergen, Tel. +47/55/55 20 10, www.visitbergen.com

Von Bergen nach Egersund – 310 km Radler haben es in Bergen nicht leicht. Denn Norwegens Westküste gilt als niederschlagsreichste Region Europas. Jährlich regnet es an 250 Tagen. Mehr als 2500 Millimeter Niederschlag! Das Wasser prasselt auf die Jachten im Hafen. Es ergießt sich auf die Buden des Fischmarkts, um die sich Pfützen bilden. Die Verkäufer bieten die Schätze der Nordsee an: Königskrabben, Kabeljau, Seelachs, Krebse, Langusten. Wenige Schritte entfernt ragen die 60 Holzhäuser des Hanseviertels Bryggen auf. Einige der Gebäude, die die Brände von 1955 und 1958 überdauerten, sahen bereits die Händler der Hanse. Sie sind rot, weiß oder gelb angestrichen. 1979 zeichnete die UNESCO das Ensemble als Weltkulturerbe aus. Einige Bauten, die jene verheerenden Brände überdauerten, stammen noch aus der Epoche der Hanse. Sie war ein Machtimperium, ein Synonym für den Handel. In ihrer Blütezeit im 14. und 15. Jahrhundert kontrollierte sie die Wege im Ostseeraum und den Warenumschlag in Nord- und Westeuropa. Ihr Einfluss reichte von London über Brügge bis ins russische Nowgorod. Eines der Kontore lag in Bergen. Die Händler landeten Getreide, Bier und Salz an und luden im Gegenzug Stockfisch auf ihre Hansekoggen. Seit Jahren sind es nun die Kreuzfahrttouristen, die jeden Sommer durch Bergen fluten und den Stadtsäckel füllen.

Wir fahren los und steuern den himbeerroten Schildern mit der Nummer 1 gen Süden nach. Die mit 270 000 Einwohnern zweitgrößte Stadt des Königreichs weicht seinen Vororten. Hier ist die Route sehr gut ausgebaut. Bergan geht es vorbei an gepflegten Gärten. Oben genießt man die Aussicht auf das Meer zur Rechten. Dann neigt sich das Terrain, die Räder rollen mal auf abgetrennten Fahrstreifen, mal über eigenständige Radwege. Die Bäume der Mischwälder reichen bis an das felsige Ufer der Nordsee. Gegenüber ragen die Berge der Provinz Hordaland auf. Die Tour erreicht die Insel Stord. An der Südspitze liegt das erste Ziel, die Stadt Leirvik. Hier gibt es das Stord Maritime Museum, dazu ein Freilichtmuseum und ringsum viel Natur. Vor allem sie ist es, die Radler vorantreibt. Es rollt gut auf den schmalen Straßen. Die Luft ist klar, die Sicht reicht weit. In der Ferne ziehen Frachtschiffe durchs Meer. Bei Haugesund dreht der Reiseweg Richtung Inland ab. Dort hält man auf die Siedlung Nedstrand zu, wo ein Speedboot – mit uns – über den Hardangerfjord ablegt. Die Fahrt führt zunächst ins Innere des Meeresarms. Zielstrebig navigiert der Kapitän zwischen den Eilanden, Schären und Felsbuckeln hindurch, die auf der Landkarte aussehen wie von einem Gletscher abgebrochene Eisberge. Der Hardanger ist der zweitmächtigste Fjord des Landes – 170 Kilometer lang und bis zu 725 Meter tief. Dörfer kommen und gehen. Ihre Häuser und Hütten klemmen sich in die Felsenlandschaft ein. An jeder Landungsstelle bildet sich eine kleine Menschengruppe. Manch einer trägt Tüten vom Einkauf mit sich, andere sind auf dem Heimweg von der Arbeit. Viele steuern die 133 000-Einwohner-Stadt Stavanger an.

In Stavanger schieben wir das Fahrrad von Bord. Bei klarem Himmel taucht die Abendsonne die kopfsteingepflasterten Gassen von Gamle Stavanger in ein weiches Licht. Dann spazieren Touristen freudig vorbei an den Zwillingstürmen des Doms zum Hafen. Die Kellner der Cafés haben die Tische nach draußen gestellt. Alle Stühle sind besetzt. Seinen Reichtum verdankt die Europäische Kulturstadt des Jahres 2008 den Ölfunden vor der norwegischen Küste. Es war am Weihnachtstag 1969, als man mit dem zwischen Großbritannien und Norwegen gelegenen Ekofisk-Ölfeld erstmals auf riesige Vorkommen stieß. Ein Boom setzte ein, aber ein tragischer, denn knapp 100 Taucher bezahlten die Ausbeutung der Nordsee mit ihrem Leben. Das schwarze Gold hat das Königreich innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der reichsten Staaten der Erde gemacht – leider auch zu einem der teuersten. Doch die Eindrücke sind die hohen Preise wert. Durch Norwegen zu reisen hat etwas Faszinierendes an sich. Es gibt viel zu sehen, stets imponiert die Natur. Besonders ist dies der Fall auf den 18 Landschaftsrouten. Der südlichsten nähern wir uns nun der Küste von Jæen. Hier verbinden die Straßen 507 und 44 den Ort Bore mit dem 41 Kilometer entfernten Ogna. Die Höhepunkte? Der Leuchtturm Kvassheim, das Naturhaus, Norwegens längster Sandstrand und der weite Horizont.

In den nächsten Tagen ist der Ablauf gleich: aufstehen, checken der Wetter-App, ergiebiges Frühstück. Dann radeln, einkaufen im Supermarkt, Picknick im Grünen, mal bei Sonne, mal in einer schützenden Bushaltestelle. Anschließend Fahrt bis in den Abend hinein. Die Strecke bleibt abwechslungsreich. Das schönste Stück geht über einen spektakulär angelegten Bahntrassenradweg der einstigen Jæbanen. Ab 1878 pendelten die Züge mit einer Spurweite von 1067 Millimetern zwischen Stavanger und Egersund. Auf einer der Infotafeln steht: »Die Eisenbahnstrecke hat man in einer Zeit gebaut, als es noch kein Beton gab und alle Arbeiten wurden mit roher Muskelkraft ausgeführt. Das Handwerk der Steinmetze breitete sich mit einheimischen und ausländischen Arbeitern aus, die in Norwegen Bahnstrecken und Häfen anlegten.« Staunend rollen wir durch die grob behauenen Tunnels, vorbei an Seen, Gebirgsflüssen und reizvoll gelegenen Rastplätzen.

Der Nordseeküsten-Radweg

Die Nordsee ist eine spezielle Region. Wer hier radelt, spürt hautnah die Elemente: Stürmische Böen zerren am Fahrrad, der Regen peitscht ins Gesicht, dann wieder wärmt die Sonne und das oft in einer Stunde. Die 6200 Kilometer lange North Sea Cycle Route führt durch acht Länder: Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Schottland, England, Belgien und die Niederlande. Sie ist als EuroVelo-Route 12 markiert. Eine Reise via Esbjerg, Göteborg, Bergen, den Shetland-Inseln, Edinburgh und Den Haag. Nur eines sollte man bei einer Fahrt unbedingt beachten: von Westen nach Osten radeln! So ist einem der Wind meist gnädig.

Von Egersund nach Arendal – 366 km Nach gut 500 Kilometern steht man an einem weltabgeschiedenen Ort, dem Kap Lindesnes. Wie Buckel eines Untieres tauchen die abgerundeten Felsen ins dunkelblaue Meer ein. Seit 1915 sichert hier der Leuchtturm Lindesnes Fyr den Seeweg ab. Der Bau sieht mit seinem rot-weißen Anstrich aus wie ein riesiger Fliegenpilz. Kap Lindesnes ist der südlichste Punkt des Landes; zum Nordkap sind es 2518 Kilometer. Es gibt kühne Wanderer, die diese Gewalttour zu Fuß bewältigen. Die Radlerbeine haben sich mittlerweile an das ständige Bergauf und Bergab gewöhnt. Jetzt geht es an der norwegischen Sonnenküste entlang. Das Fjell hält die aus Westen heranziehenden Wolken ab. Wälder wechseln sich mit Blumenwiesen und Feldern ab; dazwischen sieht man Fischerdörfer und mondäne Seebäder mit weiß angestrichenen Holzhäusern.

In den Provinzen Vest-Agder, Aust-Agder, Telemark, Vestfold und Østfold überbieten sich die Höhepunkte: Da ist die Festung Christiansholm in Kristiansand, dort der Hafen von Arendal. 1641 wählte der dänisch-norwegische König Christian IV. die geschützte Lage einer Bucht zur Gründung einer schachbrettartig angelegten Stadt. Der alte Handels- und Militärstützpunkt ist heute ein reizvolles Touristenzentrum mit interessanten Museen und Galerien. Eine herausragende Bedeutung besitzt das Kilden Performing Arts Centre. Direkt am Wasser setzt der 16 500 Quadratmeter umfassende Bau hochmoderne Akzente im historischen Stadtbild. Am Marktplatz ragt der Dom mit seinem 70 Meter hohen Turm in den Himmel. Die Altstadt ringsum bewahrte den Charme vergangener Tage und lädt mit ihren restaurierten Holzhäusern zum Einkaufen und Bummeln ein. Stolz sind die Einwohner auf den Kristiansand Dyrepark (Tierpark), der mit jährlich über 600 000 Gästen zu den meistbesuchten Attraktionen des Landes gehört. Auf einem 600 Hektar großen Areal wird einem die Begegnung mit rund 150 Tierarten ermöglicht. Neben Elchen, Großkatzen und Giraffen erfreut sich der Wasserpark reger Beliebtheit. Einen weiteren Trumpf spielt die Region mit ihren einladenden Sandstränden aus. Norwegens bekanntester Strand ist der Hamresanden. Hier erwärmt sich das salzarme Wasser im Sommer bis auf 22 Grad.

Von Arendal nach Fredrikstad – 363 km Die Verbindung der geschichtsträchtigen Seehandelsschifffahrt und dem romantischen Stadtbild macht den Reiz von Arendal aus. Besonders pittoresk ist es im Viertel Tyholmen, direkt am Bootshafen mit alten Holzvillen. Die Hauptstadt von Aust-Agder punktet zudem durch die stattliche Dreifaltigkeitskirche und den prächtigen Holzbau des Rathauses im Empirestil.