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Was sich derzeit in der Welt abspielt, das hat einsichtsvolle Menschen zu der Überzeugung gebracht, dass wir uns in der Endzeit befinden. Endzeit heißt - das wissen wir aus Bibel und Neuoffenbarung - die Auseinandersetzung zwischen Gott und Seinem Gegenpol, der Kampf zwischen Christus und dem Antichrist. Aus den gleichen Quellen haben wir aber auch die Heilsgewissheit und wissen um Christi Triumph über den Antichrist. Doch diesem Sieg geht voraus die Zeit - und in ihr leben wir -, in der Gottes Gegenpol mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln versuchen wird, so viele Menschen wie nur möglich von Christus abzuwenden. Des Gegenpols Geist der Versuchung und Verderbnis zeigt sich in der letzten Phase der Endzeit in schrecklich verfinsternden, zerrüttenden und zerstörenden Bestrebungen verblendeter Menschen und Menschengruppen, die in unserer Zeit auf dem ganzen Erdkreis zu verspüren sind. Man spricht heute oft von der Herrschaft des Antichrist. Ihr ging voraus der Fall Luzifers. Dieser Abfall von Gott ist eines der entscheidendsten Ereignisse innerhalb der gesamten Schöpfung und ihrer Geschichte. In diesem Buch wird der Fall Luzifers eingehend behandelt, und zwar aufgrund der durch Jakob Lorber niedergeschriebenen Neuoffenbarung. Diesem Hauptkapitel schickt der Verfasser drei weitere voraus, in denen er in ebenfalls wichtige Teile des gewaltigen Gedankengebäudes der Neuoffenbarung einführt. Dieses Buch ist damit nicht nur ein Führer durch das Gesamtwerk des Grazer Mystikers und Sehers Jakob Lorber, sondern auch eine Einführung in das neugeoffenbarte Gotteswort für alle lichtsuchenden Menschen unserer unruhigen und ungewissen Zeit.
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Seitenzahl: 372
Dr. WALTER LUTZ
Das Reich des Ewigen
Gott und Sein Gegenpol
Dr. WALTER LUTZ
Das Reich des Ewigen
Gott und Sein Gegenpol
Nach den geistigen Eröffnungen durch Jakob Lorber
Neuauflage 2023 der 2. Auflage von 1951 erschienen im Lorber-Verlag, Bietigheim Herausgegeben von Klaus Kardelke
ISBN 978-3-347-94014-7
Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Herausgebers, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Druck und Distribution im Auftrag des Herausgebers:
tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Vorwort
Was sich derzeit in der Welt abspielt, das hat einsichtsvolle Menschen zu der Überzeugung gebracht, dass wir uns in der Endzeit befinden. Endzeit heißt - das wissen wir aus Bibel und Neuoffenbarung – die Auseinandersetzung zwischen Gott und Seinem Gegenpol, der Kampf zwischen Christus und dem Antichrist.
Aus den gleichen Quellen haben wir aber auch die Heilsgewissheit und wissen um Christi Triumph über den Antichrist. Doch diesem Sieg geht voraus die Zeit - und in ihr leben wir -, in der Gottes Gegenpol mit allen ihm zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln versuchen wird, so viele Menschen wie nur möglich von Christus abzuwenden.
Des Gegenpols Geist der Versuchung und Verderbnis zeigt sich in der letzten Phase der Endzeit in schrecklich verfinsternden, zerrüttenden und zerstörenden Bestrebungen verblendeter Menschen und Menschengruppen, die in unserer Zeit auf dem ganzen Erdkreis zu verspüren sind.
Man spricht heute oft von der „Herrschaft des Antichrist“. Ihr ging voraus der Fall Luzifers. Dieser Abfall von Gott ist eines der entscheidendsten Ereignisse innerhalb der gesamten Schöpfung und ihrer Geschichte.
In diesem Buch wird der Fall Luzifers eingehend behandelt, und zwar aufgrund der durch Jakob Lorber (1800-1864) niedergeschriebenen Neuoffenbarung. Diesem Hauptkapitel schickt der Verfasser drei weitere voraus, in denen er in ebenfalls wichtige Teile des gewaltigen Gedankengebäudes der Neuoffenbarung einführt.
Dieses Buch ist damit nicht nur ein Führer durch das Gesamtwerk des Grazer Mystikers und Sehers Jakob Lorber, sondern auch eine Einführung in das neugeoffenbarte Gotteswort für alle lichtsuchenden Menschen unserer unruhigen und ungewissen Zeit.
„Die Liebe ist der Urgrund und die Grundbedingung aller Dinge. Ohne Liebe wäre nie ein Ding erschaffen worden, und ohne die Liebe wäre so wenig irgendein Dasein denkbar, als wie wenig sich je ohne die wechselseitige Anziehungskraft eine Welt nach dem Willen des Schöpfers gebildet hätte.
Wer das etwa nicht fassen sollte, der denke sich nur von einer Welt die wechselseitige Anziehungskraft hinweg, und sobald wird er sehen, wie sich alle Atome einer Welt plötzlich voneinander trennen und sich verflüchtigen werden wie ins Nichts.
Also ist die Liebe der Grund von allem und ist zugleich der Schlüssel zu allen Geheimnissen.“
(GS.2.80,11-12)
Die Gottesbotschaft Jakob Lorbers
Lorbers Leben und Charakter
Nach Gott sucht des Menschen Seele bewusst oder unbewusst, offen oder im Stillen, weil sie nach einer Heimat verlangt, in welcher Friede und ein beständiges Glück wohnen. Ganz besonders dann, wenn der Mensch lange genug im wirren Weltgebrause, in friedloser Gottesferne geirrt ist und nur Kampf, Not und Enttäuschung gefunden hat, regen sich in ihm die Triebe der Sehnsucht nach einem ewigen Licht aus den Sternen.
Ein solches Licht und einen Pfad zur Höhe, einen Weg zu Gott wollen wir im Folgenden allen wahrhaft Suchenden in den Werken eines gotterleuchteten Mannes weisen, der aus dem Urquell der Wahrheit unmittelbar empfangen durfte, was uns nottut.
Dieser Mann hieß Jakob Lorber. Er wurde im Jahre 1800 in der kleinen Dorfgemeinde Kanischa in der unteren Steiermark geboren und starb in Graz, der Hauptstadt seines Heimatlandes, im Jahre 1864. Seinem Erwerbsberufe nach war er ein einfacher, armer Musiklehrer; aber diesem überaus selbstlosen, demütigen und dabei zugleich kraftvollst nach göttlicher Erkenntnis strebenden Menschen, ward es gegeben, durch die lebendige innere Stimme des Geistes viele Jahre hindurch Offenbarungen aus einer höheren Welt zu empfangen, welche Jakob Lorber in die Reihe der größten Propheten aller Zeiten stellen. Es sind von ihm in der zweiten Hälfte seines Lebens nach diesem ihm fast täglich kundgegebenen inneren Worte 25 stattliche Bände niedergeschrieben worden, welche in Übereinstimmung mit der Bibel eine Gottes-, Schöpfungs- und Lebenslehre von unvergleichlicher Großartigkeit entrollen.
Die höchsten Errungenschaften der heutigen Wissenschaft zum Teile vorwegnehmend, enthüllen diese prophetischen Werke den wahren geistigen Charakter der Materie und erklären alles Bestehende als einen Teil des Allgeistes rein geistig aufgrund geistiger Entstehungs-, Wandlungsund Erhaltungsgesetze, so dass man die Weltanschauung Jakob Lorbers wohl am besten - im Gegensatz zum materialistischen Monismus - als geistigen Monismus oder als eine vollkommene Geistlehre bezeichnen kann. Alles geht und führt darin auf den Urgeist alles Geistwesens und alles Lebens, auf Gott zurück, und so ist das, was uns durch Lorber kundgegeben wird, nicht etwa eine einseitige Philosophie, sondern eine Religion, und zwar eine solche, in welcher Jesus Christus der Eckstein und sein Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe das tief in der geistigen Schöpfung begründete Grundgesetz einer beseligenden Lebens- und Sittenlehre ist.
In den zuletzt verflossenen Jahrzehnten, in welchen sich die Menschheit im Banne der materialistischen Wissenschaften unaufhaltsam auf dem absteigenden Wege zum tiefsten Unglauben und zum schrankenlosen Individualismus bewegte, blieb dieses hohe Lorbersche Geistesgut, von der Masse unverstanden, in der Obhut treuer Anhänger verborgen wie das Samenkorn im Schoße der Erde. Nunmehr, da gewaltige neuere Forschungsergebnisse die materialistische Weltanschauung zerbrochen haben, und nachdem der Weltkrieg gezeigt hat, wohin die Menschheit ohne Gott gelangt, sprosst und grünt die durch den Propheten Lorber ausgeworfene Saat und will Lebensbrot werden für alle Menschen unter der Sonne.
Über das Leben des Mannes, der uns so Bedeutsames zu sagen hat, besitzen wir eine kurze, aber klare und überzeugende Schilderung aus der Feder des steirischen Schriftstellers und Ständesekretärs Karl Gottfried Ritter von Leitner, der Jahrzehnte hindurch mit Lorber in vertrautem persönlichen Umgange stand und nach Lorbers Hinscheiden als ein Greis von 84 Jahren das Bedürfnis fühlte, die Erdentage dieses ‚merkwürdigsten Mannesʻ, den er in seinem ganzen langen Leben kennengelernt habe, in einem kleinen Schriftwerke1 zu beschreiben.
Aus dieser Urkunde des unmittelbaren Augen- und Ohrenzeugen, für deren Wahrheitstreue der Charakter und Geist des als Dichter und Schriftsteller in seiner österreichischen Heimat hochgeachteten Verfassers bürgt, entnehmen wir über Herkunft, Leben und Wesensart Jakob Lorbers folgendes:
Die Familie Lorber findet sich schon im 17. Jahrhundert in den Windischen Büheln der unteren Steiermark. Hier besaß Jakob Lorbers Vater Michael in der zur Pfarrei Jahring bei Marburg gehörenden Gemeinde Kanischa zwei Weinberggründe, die er selbst bewirtschaftete, und aus deren Ertrag er hauptsächlich den Unterhalt seiner Familie bestritt. Die Lorber waren also ein Bauerngeschlecht. Da Michael Lorber aber auch verschiedene Musikinstrumente zu spielen verstand, suchte und fand er einen willkommenen Nebenverdienst, indem er sich einer in der ganzen sang- und klangfrohen Steiermark wohlbekannten Musikergesellschaft anschloss und deren Aufführungen als Kapellmeister leitete. - Verehelicht war Michael Lorber, der selber deutschen Geblüts war, mit einer Wendin, Maria Tautscher, die einem Geschlechte aus den wendischen Siedlungen der Steiermark entstammte. Sie war eine sehr intelligente Frau und hing mit besonderer Liebe an ihrem Erstgeborenen Jakob. Vater wie Mutter erreichten ein hohes Alter. Michael Lorber starb im 74., seine Frau Maria im 84. Lebensjahre, beide auf ihrer Heimstätte in Kanischa, welche sie bis an ihr Ende bewirtschafteten. - Ein lebensgesundes Blut war es also, dem der Mann entstammte, mit dessen Werken sich unsere Darstellung befassen wird. Ungeachtet ihrer Schlichtheit, verkannten die Lorberschen Eheleute jedoch nicht den Wert einer höheren Bildung und scheuten kein Opfer, um ihre drei Söhne Jakob, Michael und Josef im Streben nach einer höheren Bildungsstufe, soweit es ihre Kräfte gestatteten, werktätig zu unterstützen.
Jakob Lorber, als erster der Söhne am 22. Juli 1800 auf dem elterlichen Heimsitze geboren, brachte dort auch seine Kindheit zu, indem er sich im landwirtschaftlichen Betriebe seiner Eltern mit betätigte. Vom neunten Jahre an erhielt er in der Dorfschule zu Jahring den ersten Elementarunterricht, wobei er großen Eifer zeigte. Da Jakob aber auch schon früh eine bemerkenswerte Vorliebe für die Musik an den Tag legte, unterrichtete ihn in deren Anfängen zunächst der Vater selbst und später der Dorfschullehrer Anton Udl, der ihm nach und nach im Violin-, Klavier- und Orgelspiele beträchtliche Kenntnisse beibrachte.
Zum Jünglinge herangewachsen, nahm Jakob Lorber, seinem lebhaften Drange nach höherer geistiger Ausbildung folgend, im Sommer 1817 von der Heimat Abschied, um in der nur zwei Meilen entfernten Stadt Marburg die Vorbereitungsanstalt für Volksschullehrer zu besuchen. Nachdem er diesen Kursus zur Zufriedenheit vollendet hatte, trat er zuerst zu St. Egydi und bald darauf zu St. Johann im Saggautale als Lehrgehilfe in den Schuldienst. In St. Johann wendete ihm ein Kaplan der Pfarrei, der im täglichen Verkehre mit Lorber dessen ungewöhnliche geistige Fähigkeiten bemerkt hatte, sein besonderes Wohlwollen zu, erteilte ihm einigen Unterricht im Latein und eiferte ihn an, sich dem Priesterstande zu widmen und die theologische Studienlaufbahn zu betreten.
Diesem Rate folgend, kehrte Lorber im Herbst 1819 wieder nach Marburg zurück und ließ sich im dortigen Gymnasium als Schüler einschreiben. Er durchlief daselbst fünf Gymnasialklassen mit vorzüglichem Erfolge, begab sich dann aber im Herbst 1824 nach der Landeshauptstadt Graz, um dort als Schüler der 6. Klasse seinen Lehrgang fortzusetzen und sich zugleich im Violinspiele weiter zu vervollkommnen. Allein die Schwierigkeiten, in einer großen, ihm ganz fremden Stadt seinen hinlänglichen Lebensunterhalt zu finden, bewogen Lorber, im zweiten Halbjahre das Gymnasium zu verlassen und sein Fortkommen als Hauslehrer zu suchen. Er übernahm eine solche Stelle bei einer geachteten Familie in Graz und unterrichtete deren Kinder fünf Jahre lang zur vollsten Zufriedenheit der Eltern in den deutschen Schulgegenständen, in der Musik sowie im Zeichnen, worin er sich ebenfalls eine gewisse Fertigkeit angeeignet hatte.
Bei aller Wertschätzung, die er bei dieser Familie fand, fühlte Lorber aber doch das Bedürfnis, sich auch für die spätere Zukunft eine gesichertere Lebensstellung zu schaffen. Er besuchte deshalb im Jahre 1829 den höheren pädagogischen Kursus für Lehrer an Hauptschulen und erwarb sich bei dieser Bildungsanstalt ein ihn als Lehrer „ganz und wohl“ empfehlendes Schulzeugnis. Als aber 1830 seine erste Bewerbung um eine Anstellung als Lehrer nicht gleich zum gewünschten Ziele führte, gab der leicht Entmutigte diesen Lebensplan wieder auf, und zwar für immer.
In klarerer Erkenntnis seiner eigentlichen Fähigkeiten verlegte sich Lorber nunmehr ganz auf die Musik, gab Unterricht im Gesang sowie im Klavier- und Violinspiel und komponierte auch einige Lieder und Konzertstücke. Dadurch kam er mit dem rühmlichst bekannten Tonsetzer Anselm Hüttenbrenner in Verkehr, der als Gutsbesitzer in Graz lebte und zu jener Zeit dem Steiermärkischen Musikverein als Direktor vorstand. Dieser verschaffte ihm auch Gelegenheit, in Konzerten des Musikvereins mit seinem Violinspiele vor das Publikum zu treten, und nahm einige von Lorbers Kompositionen in das von ihm herausgegebene „Musikalische Pfennigmagazin“ auf. Als Paganini 1828 mit seinen außerordentlichen Leistungen auf der Violine das kunstliebende Wien in Begeisterung versetzte, eilte auch Lorber dahin, um Paganinis Spiel zu hören, und war so glücklich, den Meister persönlich kennenzulernen, ja sogar ein paar Stunden des Unterrichts von ihm zu erhalten. Auch mit anderen Virtuosen auf seinem Lieblingsinstrumente, der Geige, kam Lorber um jene Zeit in Berührung.
Obwohl er nunmehr sein musikalisches Streben als seine Hauptaufgabe betrachtete, so füllte dieses doch das Bedürfnis seines Innern nicht völlig aus. Besonderes Interesse hegte Lorber immer für die Astronomie. Zwar mangelte ihm, um diese wissenschaftlich betreiben zu können, eine gründliche Kenntnis der Mathematik, aber bei seinem mächtigen Drange nach höherer Erkenntnis zog ihn doch die hehre Tiefe des gestirnten Himmels von jeher unwiderstehlich an. Er suchte daher mittels einer künstlichen Steigerung seines Sehvermögens in die Geheimnisse des Weltenbaues gleichsam mechanisch einzudringen und verfertigte sich dazu selbst einen großen, freilich ziemlich einfach geratenen, doch ganz brauchbaren Tubus und war später auch so glücklich, in den Besitz eines guten Fernrohres von Steinheil zu gelangen. An heiteren Sommerabenden und in sternhellen Nächten wanderte er, seinen Tubus an einem Bande zur Seite, mit einem oder dem andern seiner Freunde vor die Stadt hinaus und stellte das Rohr auf der freien Fläche des Glacis oder noch lieber auf der Felsenhöhe des Schlossberges auf. Hier betrachtete er dann mit immer erneutem Interesse den narbenvollen Mondball, den Jupiter mit seinen Trabanten, den Saturn mit seinem Lichtringe, die übrigen Planeten und den ganzen sich wunderbar auftuenden Himmel von Myriaden leuchtender Weltkörper. Gern gewährte er den Genuss dieses erhabenen Einblickes auch jedem vorüberwandelnden Spaziergänger, der etwa neugierig an sein Instrument herantrat, und er empfand stets eine genugtuende Freude, wenn der fremde Schaugast dann das Fernrohr mit frommer Bewunderung für die Schöpfungswerke dankend wieder verließ.
Wie sich auf diese Weise Lorbers Bestreben, in das Gebiet der materiellen Schöpfung einzudringen, lebhaft geltend machte, so entwickelte sich andererseits in ihm auch das Verlangen, den Weg zu den Geheimschätzen der geistigen Welt zu finden, und müsste er denselben auch jenseits des gewöhnlichen Erkenntnisvermögens aufsuchen. Und so las er denn, soweit ihm sein Broterwerb Muße gewährte, manche Werke von Justinus Kerner, Jung-Stilling, Swedenborg, Jakob Böhme, Johann Tennhardt und J.B. Kerning, von denen er besonders letzteren als denjenigen bezeichnete, dessen Schriften ihm wichtige Fingerzeige gegeben hätten. Er machte aber aus solcher Lektüre, die sich überhaupt nur auf einzelne Schriften der erwähnten Verfasser beschränkte, kein eigentliches Studium - was überhaupt seine Sache nicht war -, sondern er legte derlei Werke wieder beiseite und behielt nur die Bibel immer zur Hand. Aber auch aus dem Lesen der Bibel machte er kein tägliches Geschäft, vielmehr langte er nach dem Buche der Bücher nur, wenn ihn irgendein äußerer Anlass oder ein innerer Antrieb dazu bestimmte.
So war Lorber bereits in das vierzigste Lebensjahr vorgerückt, ohne sich eine feste Stellung im Leben errungen zu haben. Nun ging ihm aber aus Triest unerwartet die Einladung zu, unter recht annehmbaren Bedingungen dort eine zweite Kapellmeisterstelle zu übernehmen. Er ging darauf ein und traf alle Vorbereitungen zur Abreise; allein sein Leben sollte eben jetzt unerwartet eine ganz andere Richtung nehmen.
Er hatte am 15. März 1840 um 6 Uhr morgens - so erzählte er nachher seinen Freunden - gerade sein Morgengebet verrichtet und war im Begriffe, sein Bett zu verlassen, da hörte er links in seiner Brust an der Stelle des Herzens deutlich eine Stimme ertönen, welche ihm zurief: „Stehʻ auf, nimm deinen Griffel und schreibe!“ Er gehorchte diesem geheimnisvollen Rufe sogleich, nahm die Feder zur Hand und schrieb das ihm innerlich Vorgesagte Wort für Wort nieder. Es war dies der Eingang eines Werkes, das den Titel trägt: ‚Geschichte der Urschöpfung der Geister- und Sinnenwelt sowie der Urpatriarchenʻ oder ‚Haushaltung Gottesʻ. Und der erste Satz desselben lautete: „So sprach der Herr zu mir und in mir für jedermann, und das ist wahr und getreu und gewiss.“
Lorber lehnte nach diesem Ereignisse die ihm angebotene Anstellung unverzüglich ab und diente dieser geheimnisvollen Einflüsterung, die einen gewaltigen, erschütternden Eindruck auf ihn machte, von derselben Stunde an eine Reihe von vierundzwanzig Jahren hindurch bis zu seinem Tode als emsiger ‚Schreiber des Herrnʻ.
Er begann dieses Schreibgeschäft, in welchem er von nun an die Hauptaufgabe seines Daseins erblickte, fast täglich schon morgens vor dem Frühstück, welches er in seinem Eifer nicht selten unberührt stehenließ. Dabei saß er, meistens mit einer Mütze auf dem Kopfe, an einem kleinen Tischchen, im Winter knapp neben dem Ofen, und führte, ganz in sich gekehrt, mäßig schnell, aber ohne je eine Pause des Nachdenkens zu machen oder eine Stelle des Geschriebenen zu verbessern, ununterbrochen die Feder, wie jemand, dem von einem andern etwas diktiert wird. Zu wiederholten Malen äußerte Lorber, er habe während des Vernehmens der ihm ins Herz einsagenden Stimme auch die bildliche Anschauung des Gehörten. Seiner Aussage nach teilte er das innerlich Vernommene aber noch leichter mit, wenn er es einem andern mündlich kundgeben konnte, und in der Tat sagte er einigen seiner Freunde einzelne Aufsätze, ja ganze Werke von mehreren hundert Schriftbogen in die Feder. Dabei saß er neben dem Schreibenden, ruhig vor sich hinschauend und nie in seinem Redeflusse stockend oder irgendeine Satzfügung oder auch nur einen einzelnen Ausdruck abändernd. Und wenn sein Diktieren durch Zufall auf kürzere oder längere Zeit, selbst auf Tage und Wochen unterbrochen wurde, so vermochte er das bisher Geschriebene, ohne von demselben mehr als etwa die letzten Worte oder Zeilen nachzulesen, sogleich wieder im richtigen Zusammenhänge fortzusetzen.
Nachdem sich Lorber, mit Musikstunden sein Brot verdienend, vier Jahre lang diesem Schreibdienste gewidmet hatte, erhielt er im Jahre 1845 von seinen beiden Brüdern, welche sich damals - der eine als Herrschaftsverwalter, der andere als Postmeister - zu Greifenburg in Oberkärnten aufhielten, die Einladung, zu ihnen zu kommen und ihnen bei der Besorgung einiger Privatgeschäfte behilflich zu sein. Da ihm die Fristung seines Unterhalts in Graz, wo die Zahl der Musikmeister immer mehr zunahm, mit jedem Jahre schwieriger wurde, so entschloss sich Lorber, diesen Antrag anzunehmen, und verabschiedete sich von seinem bisherigen Wohnorte und seinen dortigen Freunden.
In Greifenburg widmete er sich nun der Durchführung der ihm von seinen Brüdern übertragenen Geschäfte, welche in der Beaufsichtigung einer von ihnen übernommenen Holzlieferung bestanden und ihm mitunter zu größeren oder kleineren Reisen Veranlassung gaben, die ihn nach Innsbruck, Bozen und bis nach Mailand führten.
Im Jahre 1846 kehrte Lorber, nachdem er seine Aufgabe in Oberkärnten gelöst hatte, jedoch wieder nach Graz und zu seinen früheren Verrichtungen zurück, die er nun mehr als ein Jahrzehnt hindurch emsig fortsetzte. Erst im Jahre 1857 entfernte er sich von Graz noch ein einziges Mal für einige Monate, indem er sich mit zwei vorzüglichen Meistern im Harfen- und Gitarrenspiel verband und mit ihnen auf einer Rundreise in den Hauptstädten der österreichischen Kronländer Konzerte gab, bei welchen er sich aus seinem Lieblingsinstrumente, der Violine, hören ließ.
Wieder nach Hause zurückgekehrt, begnügte sich Lorber von nun an damit, seinen Unterhalt lediglich durch Musikstunden und mitunter auch durch Klavierstimmen zu verdienen. Freilich konnte dieser Erwerb, wenngleich Lorbers Bedürfnisse überaus bescheiden waren, in den späteren Jahren, als er zu den damit verbundenen vielen und oft weiten Gängen schon zu gebrechlich geworden war, doch nicht mehr ausreichen, und da halfen dann freiwillig dargebotene Freundesgaben wohlwollend nach.
In diesem ganzen Zeitabschnitte widmete sich Jakob Lorber wieder mit ganzer Seele dem Niederschreiben des von ihm im Herzen Vernommenen, vorzugsweise der Aufzeichnung seines später in 10 Bänden veröffentlichten größten Werkes ‚Johannes, das große Evangeliumʻ.
Nachdem Lorber so das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, begannen aber seine körperlichen Kräfte, während die geistigen in ungeschwächter Tätigkeit fortwirkten, allmählich zu sinken, und in den beiden letzten Jahren vor seinem Hinscheiden äußerte er immer häufiger Todesahnungen. Ja, seit Beginn des Jahres 1864 behauptete er mit fester Überzeugung geradezu, er werde das Jahr 1865 nicht mehr erleben. Bald darauf erkrankte er auch wirklich und musste drei Monate lang das Bett hüten. Hatte er vorher ab und zu bittere Worte über die Unsicherheit seiner Lebensverhältnisse gehabt, so war er jetzt ein Muster von Geduld und frommer Ergebung; und klagte er schon manchmal noch, so war es nur über das allgemeine Schicksal der Menschheit.
Beim Eintritte des Frühlings 1864 erholte sich der Kranke wieder etwas, und man konnte auf seine volle Genesung hoffen. Allein seine vorige Gesundheit erlangte er doch nicht wieder. Lorber blieb fortan schwach und behauptete immer entschiedener, das Ende seiner irdischen Wanderfahrt sei gekommen. Dieses ließ denn auch in der Tat nicht mehr lange auf sich warten. Eines Abends überfiel ihn auf dem Heimwege von seiner gewohnten Gesellschaft ein heftiges Blutbrechen, das nicht mehr aufhörte, zumal Lorber bei seiner Heimkunft, um die Nachtruhe seiner Umgebung nicht zu stören, von dieser keine Hilfe in Anspruch nahm. Am Morgen des 24. August fand man ihn bewusstlos im Bett. Ein aus der Nähe herbeigeholter Arzt erklärte menschliche Hilfe für vergeblich.
Währenddessen hatte man den nächsten Freunden Lorbers die plötzlich eingetretene Gefahr melden lassen, aber ein heftiger Gewittersturm, welcher eben mit allem Ungestüm losgebrochen war, verzögerte das Eintreffen der Herbeigerufenen. Lorber, welcher sich wieder etwas erholt hatte, ließ nun seine Lage im Bette verändern, indem er, der zehn Jahre hindurch mit den Füßen gegen Westen der Nachtruhe gepflogen, sich in der Art betten ließ, dass nun sein Scheitel nach dieser Weltgegend gerichtet und sein Angesicht dem Sonnenaufgange zugewendet war.
Inzwischen waren die Freunde bei strömendem Regen herbeigeeilt, unter ihnen auch Lorbers Hausarzt; das von letzterem angeordnete Heilmittel konnte der Kranke jedoch nicht mehr nehmen. Er lag nun einige Zeit im Schmerze da; dann begann er sich plötzlich - wie ein Soldat, der sich richtet - gewaltig zu strecken, und nahm eine waagrechte Rückenlage ein. Das Angesicht dem Sonnenaufgange zugekehrt, wurde er nun, während draußen der Aufruhr der Natur mit Blitzen und Donnerschlägen tobte, vollkommen ruhig. Nach etwa einer Viertelstunde war er sanft entschlummert und sein längst einer höheren Welt angehöriger Geist in das ewige Reich heimgekehrt.
Seine entseelte Hülle wurde unter zahlreicher Begleitung auf dem Friedhofe zu St. Leonhard bei Graz zur Ruhe gelegt. Ein Freund bezeichnete die Stätte mit einem einfachen Denksteine, in dessen Vorderseite Name, Geburts- und Sterbetag des Hinübergegangenen, sowie die tröstlichen Worte, die Paulus im 8. Verse des 14. Kapitels einst an die Römer schrieb, eingegraben wurden.
Lorbers Äußeres entsprach keineswegs der Vorstellung, die sich etwa ein Kenner seiner Schriften von ihm machen möchte. Dieser Bauernsohn war äußerlich vielmehr das Gegenteil eines im Hinblicke auf seine Schriften etwa vermuteten zartgeistigen Wesens. Seine mehr als mittelgroße und gedrungene Gestalt hatte eine gewisse Derbheit an sich. Der Kopf war ziemlich groß, die Stirne hoch und breit, die Lippen voll, alle Gesichtsformen sanft abgerundet, die Miene freundlich und die graublauen Augen von einer wohlwollenden Milde beseelt. Das braune Haar trug er gescheitelt auf den Nacken herabfallend und um das Kinn einen in den letzten Jahren seines Lebens ergrauenden Vollbart. Wenn dieser unscheinbare Mann mit langsamem, etwas schwerfälligem Gange die Straße einherschritt, ahnte wohl niemand in ihm den Verfasser geheimnisvoller jenseitiger Kundgebungen, die schon Tausende von Druckseiten füllten, und die in mehreren, auch weit entfernten Ländern eine Schar begeisterter Anhänger hinter sich hatten.
Im persönlichen Umgange benahm sich Jakob Lorber sehr bescheiden, für unsere selbstbewusste Zeit sogar allzu demütig; jedoch war er selbst noch in den Jahren, während der er sein ernstes Schreibgeschäft betrieb, ein guter Gesellschafter. Wenn er sein Tagewerk vollendet hatte, liebte er es, den Abend mit Befreundeten bei einem Glase heimischen Weines heiter zu verbringen. Drehte sich dabei das Gespräch um weltliche Dinge, so erzählte er oft die drolligsten Erlebnisse, so dass sich die Zuhörer aufs Beste unterhielten. Nahm das Gespräch aber unter Gleichgesinnten eine bedeutsamere Wendung, so waren bald der tiefste Ernst und eine wahrhaft überirdische Ruhe über ihn gebreitet, und die tiefsinnigsten und erhabensten Gedanken und Lehren entströmten seinen beredten Lippen, so dass die aufmerkenden Hörer nicht selten ein heiliger Schauer überkam.
Soweit nun in Kürze das Wesentlichste über das Leben Jakob Lorbers aus dem Berichte Karl Gottfried Ritter von Leitners!1
In ihrem zweiten Teile macht diese Schilderung uns noch mit vielen bedeutsamen Einzelheiten der besonderen übersinnlichen Seelenveranlagung Lorbers bekannt. Danach war Lorber nicht nur für das lebendige innere Wort des Geistes in hervorragendem Maße hellhörig, sondern er besaß auch seherische Gaben.
„Nach den meisten Todesfällen“ sagt Leitner, „erzählte er uns, er habe die jüngst verstorbene Person gesehen, beschrieb ihr Aussehen, schilderte die Zustände, in welchen sie sich im Jenseits befinde, und entrichtete uns nicht selten Grüße und andere Botschaften. Namentlich besuchte ihn oftmals ein weiblicher Geist, der mir im Leben sehr teuer war und noch ist, und ließ mir durch ihn Ratschläge und manchmal auch Warnungen zukommen, die sich in der Folge auch wirklich als nützlich bewährten…. Bei einer dieser Visionen fährt Leitner fort, „gewann ich aber meinerseits die volle Überzeugung von deren Tatsächlichkeit. Eines Tages erzählte mir nämlich Lorber, es sei in der letzten Nacht bei hellem Monde eine alte Dame von ziemlich kleiner und dabei gedrungener Gestalt in einiger Ferne vor seinem Bette gestanden. Sie habe seltsamerweise beide Augen fest geschlossen gehalten und ihn ersucht, mich zu grüßen und mir zu sagen, ich solle manchmal an sie denken, es tue ihr wohl.
„Ich war“ sagt Leitner, „über diese Mitteilung ebenso erstaunt als erfreut, denn ich erkannte in der Erscheinung sogleich eine teure, kurz zuvor verstorbene Verwandte, die, über 80 Jahre alt, in den letzten Wochen ihres Lebens so schwach in den Augenlidern geworden war, dass sie dieselben nicht mehr zu erheben vermochte. Lorber hatte diese greise Dame aber schwerlich jemals gesehen, gewiss aber nicht in ihren letzten Lebensumständen, von denen er gar keine Kenntnis hatte.“
Ferner berichtet Leitner von einem Falle, welcher vermuten lässt, dass Lorber auch die Fähigkeit der Geistermaterialisation, wie man dies neuestens nennt, gehabt hat. Lorber bewohnte damals ein Zimmer in der Wickenburggasse in Graz. Eines Tages, so erzählte er Leitner, als er eben am Tische saß und schrieb, sei plötzlich ihm zur Seite zwischen Tisch und Tür eine weibliche Gestalt in der damals gewöhnlichen Kleidertracht gestanden und habe ihn, als er von der Feder aufsah, freundlich und gleichsam erfreut angelächelt wie jemand, dem eine beabsichtigte Überraschung geglückt ist. Er habe in dieser Gestalt sogleich eine ehemalige Schülerin erkannt, die sich als Sängerin der Bühne gewidmet hatte, vor einiger Zeit aber gestorben war. Als sie seine erstaunte Miene bemerkte, habe sie gesagt: „Ja, ja, ich binʻs! Fassʻ mich nur an!“ Und als er damit zögerte, habe sie dringender wiederholt: „Nun, so fassʻ mich doch nur an!“ Als er hierauf endlich Folge geleistet, habe er tatsächlich den federnden Widerstand eines menschlichen Körpers gefühlt; kaum wieder losgelassen, sei die ganze Gestalt plötzlich aber auch schon wieder verschwunden gewesen. –
„Ich war“, fährt Leitner fort, „über diese Erzählung Lorbers verblüfft, getraute mir aber nicht, dem Erzähler, der dazu selbst eine geheimnisvolle Miene der Verwunderung machte, etwas dagegen einzuwenden, und ließ die Sache, die ich. mehr für eine Sinnestäuschung anzusehen geneigt war, auf sich beruhen, da ich wusste, dass Lorber sich durch Zweifel an seinen Worten gekränkt fühlte. Erst in der neuesten Zeit, als von allen Seiten, zumal aus England und Amerika, häufig Nachrichten von tastbaren, plastischen Geistererscheinungen einliefen und berühmte Gelehrte auch in Deutschland für deren Wirklichkeit Zeugnis ablegten, erinnerte ich mich wieder jener Erzählung Lorbers, die nun in meinen Augen eine neue Bedeutung gewann.“
Weshalb nun Jakob Lorber mit diesen heutzutage bei so manchen Personen festgestellten übersinnlichen Fähigkeiten von der Vorsehung weit über die gewöhnlichen sogenannten Medien zur Höhe des gottgeweihten, großen Propheten emporgehoben werden konnte, glauben wir unschwer darin zu erkennen, dass Lorber ein Mann war, der Jesu Grundgebot „Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst!“ wirklich in vollstem Maße werktätig erfüllte. Schon aus der Leitnerschen Lebensbeschreibung gewinnen wir ja von ihm dies Bild. Ohne jegliches Aufheben von sich und seinem geheimnisvollen Amte lebte er, den seine musikalischen und sonstigen Geistesgaben vielleicht zu einem glänzenderen Weltleben berufen hätten, in den bescheidensten Verhältnissen. An jenem Tage, als er zum Antritte der lockenden Kapellmeisterstelle nach Triest aufbrechen wollte und in einem seltsamen Zusammentreffen eben jetzt die innere geheime Stimme sich zum ersten Male meldete, hat er nicht gezaudert, Weltglück und Weltehre dem äußerlich unansehnlichen inneren Geistesberufe hinzugeben und gegen einen sichern Erwerb ein hartes Musiklehrerbrot einzutauschen. Und so blieb es, da zunächst nur wenige sein Prophetenamt verstanden, lebenslang sein selbstgewähltes Los, in bescheidenster irdischer Zurückgezogenheit völlig selbstlos dem Dienste seines himmlischen Vaters zu leben.
Die großen, ihm anvertrauten Geistesschätze verleiteten ihn auch nicht - wie es bei gar vielen anderen mit unvergleichlich geringeren Gaben ausgestatteten medial veranlagten Menschen geschieht -, eine geistige Herrscherrolle zu seiner eigenen Verherrlichung sich anmaßen zu wollen. Ja, man könnte Lorber eher den Vorwurf machen, dass er von dem ihm gewordenen Gute viel zu wenig Wesens gemacht habe. Mehrere Jahre lang stapelten sich die kostbaren Worte der inneren Stimme in zahlreichen Heften und Folianten in Lorbers Stübchen auf, ohne dass ein Drucker und Verleger gesucht und gewonnen worden wäre. Und dabei dürfen wir nicht denken, es habe Lorber als närrischem Phantasten, eben an der Möglichkeit zur Bildung eines persönlichen, die geistige Herrschsucht befriedigenden Anhangs gefehlt.
Nicht einsam und freudlos ging Lorber durchs Leben, so bezeugt von ihm eine langjährige Vertraute, Antonie Großheim in Graz. Er hatte Freunde aus den besten Familien. Treue Anhänger waren außer Leitner, seinem Lebensschilderer, Justinus Kerner, der Doktor der Philosophie und Medizin CH. Zimpel, der als erster in den Jahren 1851 und 1852 verschiedene Werke von Lorber herausgab, ferner der Bürgermeister von Graz, Anton Hüttenbrenner, und dessen Bruder, der Komponist Anselm Hüttenbrenner, ein Dr. Anton Kammerhuber und andere. Aber auch im Kreise dieser ihn verehrenden hochstehenden Menschen blieb Lorber der anspruchslose Mann und nannte sich stets nur einen Schreibknecht Gottes.
Sehr kennzeichnend ist ein Erlebnis mit dem späteren Herausgeber verschiedener seiner Werke, Johannes Busch. Dieser begeisterungsfähige Mann hatte schon vom Hören und Lesen der Schriften einen vollen Glauben an Lorbers Sendung gefasst. Eines Tages aber machte er sich aus seiner sächsischen Heimat auf den Weg nach Graz, um den wunderbaren Gottesmann von Angesicht zu sehen. Bei Lorbers Wohnung angelangt, warf sich Busch im Gefühle seiner menschlichen Unwürdigkeit vor der Tür auf die Knie und betete und seufzte. Lorber, der gerade in der Bibel las, horchte auf, und als das Geseufze kein Ende nahm, machte er die Tür auf und war ganz erregt, einen fremden Mann hier knien zu sehen und seufzen zu hören. „Was soll denn das?“ frug er rasch. „Stehen Sie auf und sagen Sie, was sie wollen!“ - „Sind Sie der heilige Prophet Lorber, der die schönen Worte schreibt?“ entgegnete Busch, sich erhebend. Da sagte Lorber: „Der Lorber bin ich wohl, aber ein Heiliger bin ich nicht! - Kommen Sie herein, dann können wir ungestört über die Worte sprechen, und Sie können zugegen sein, wenn ich vom Herrn berufen werde!“
Sowenig Lorber also durch seine Gabe Ehre und Würdestellung suchte, vielmehr im tiefsten Gefühle menschlicher Nichtigkeit alle Ehre nur stets dem Höchsten überließ, sowenig hat er auch je einen Gelderwerb oder eine Quelle sonstiger materieller Vorteile aus seinem geistigen Amte gemacht. Von seinen Verlegern Dr. Zimpel und Johannes Busch hat er für die Überlassung seiner Schriften nie eine Vergütung bezogen und auch sonst von niemand irgendetwas für die Schriften genommen oder verlangt.
Ja, nicht nur dass dem ganz in Gott Lebenden aller irdische Erwerbssinn abging, - auch das wenige, was er von Hause aus besaß, und was er durch mühseliges Stundengeben verdiente, teilte Lorber in überströmender Menschenliebe buchstäblich bis auf den letzten Heller mit seinem ärmeren Nächsten.
Antonie Großheim, die lange Jahre zum engsten Freundeskreise Lorbers gehörte und somit sicheren Bescheid wusste, bezeugte ihrer Jugendfreundin Maria Spinner in Graz: „Lorber war von seinem Vater aus nicht arm; er hatte ein Vermögen von 12000 Gulden geerbt, was für die damalige Zeit ein schöner Betrag war. Aber er war so gut, dass er nie Geld hatte. Sein Erbe borgte er seinem Bruder auf Nimmerwiedersehen, und wenn er sich etwas verdiente, so fand sein Geld bei Armen schnellen Absatz. So konnte es oft vorkommen, dass er für sich selber schließlich nicht einmal mehr zu essen hatte.“ (Leitner - Lebensbild Jakob Lorbers - Anhang)
Auch Dr. Zimpel, der erste Herausgeber verschiedener Lorberschriften, der zu seiner Vergewisserung ebenfalls nach Graz gereist war und, bevor er sich zur Veröffentlichung der Schriften entschloss, mehrere Monate lang zur Beobachtung Lorbers daselbst Aufenthalt genommen hatte, bekundet in seinem Vorworte zur ‚Haushaltung Gottesʻ:
„Dieser harmlose, stille, fromme Mann hat ein vortreffliches Herz und teilt mit allen, die weniger haben als er selbst, stets seine geringe Gabe bis zu einem Grade, dass ihn der Weltverstand für unbesonnen erklären würde.“
Und ein denkwürdiges, gleichlautendes Urteil findet sich endlich in einem Schreiben, das Lorber selbst im Jahre 1855 an den späteren Verleger Johannes Busch richtete, und in welchem sich nach einigen geschäftlichen Mitteilungen plötzlich die innere Geistesstimme meldete und sich mit folgenden Worten unmittelbar an Busch wandte:
„Mein lieber Freund, du suchst Mich, weil du Mich liebhast, und ein leichtes ist es darum dir, Mein Gebot der Liebe lebendig wirksam zu befolgen.
Siehe, die Menschen erfinden nun allerlei und glauben auch allerlei, und Menschen, die recht viel erfunden haben, glauben am Ende an gar nichts mehr - außer an das, was sie erfunden haben, und welch möglich größten Gewinn es ihnen abwirft! Das sind Kinder der Welt, die in manchem oft klüger sind als die Kinder des Lichtes!
Aber Meinen wahren Herzenskindern gebe Ich dennoch ganz andere Dinge, von denen den klugen Weltkindern nie etwas in ihren verdorbenen Sinn kommen wird! Siehe, Mein Knecht (Lorber) ist wahrlich Mir zulieb arm; denn er könnte sehr reich sein, da er als Tonkünstler auch durch Meine Gnade die eminentesten Fähigkeiten dazu besitzt. Aber er schlägt Anstellung und sehr vorteilhafte Anträge aus, - alles aus sehr großer Liebe zu Mir; und hat er 2 Gulden Geldes, so begnügt er sich mit 40 Kreuzern, und 1 Gulden 60 Kreuzer verteilt er unter die Armen.
Darum habe Ich ihm auch alle Schätze der Himmel eröffnet; jeder noch so weit entfernte Stern ist ihm so bekannt wie diese Erde. Er kann mit dem Auge des Geistes jene beschauen und bewundern nach Herzenslust. Aber ihn kümmert nun derlei wenig, weil Ich ihm alles in allem bin!
Und siehe, das ist der allein rechte Weg zu Meinem Herzen!
Der reiche Jüngling im Evangelium (Mt. 19,21ff) beachtete gerne das Gesetz von Jugend an und sollte dadurch auch, das ewige Leben haben, aber es kam ihm vor, als hätte er solches noch nicht, Er kam darum zu Mir und fragte, was er tun. solle, um das ewige Leben zu erreichen. Und ich sagte: „Halte die Gebote!“
Er aber beteuerte, solches von Kindheit an getan zu haben. „Freund,“ sagte Ich, „willst du mehr, so verkaufe deine Güter, verteile den Erlös unter die Armen, dann komme und folge Mir, und des Himmels Schätze werden dir zu Gebote stehen!“
Siehe, dieses aber sage Ich jedem nun: Wer von Mir vieles haben will, der muss Mir auch vieles opfern, - wer aber alles haben will, nämlich Mich Selbst, der muss Mir auch alles opfern, auf dass wir eins werden. Du aber hast Mir schon vieles geopfert und sollst auch darum vieles bekommen! Die reine uneigennützige Liebe aber ist vor Mir das Höchste! Dies wenige, Freund, zu deinem Troste! Amen.“
Als sehr bezeichnende Nachschrift Lorbers zu dieser Kundgabe folgte in dem Briefe nur noch der Seufzer der Bescheidenheit: „O Freund! Auf diese Worte muss ich verstummen!“
Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst liebend und voll Demut hat Jakob Lorber also bis an sein Lebensende als ein vollkommener Christ dahingelebt. Und es konnte von ihm gesagt werden mit den Worten Petri: „Der verborgene Mensch des Herzens, unverrückbar, mit sanftem und stillem Geiste, ist ein köstlich Wesen vor Gott!“ (1. Petr. 3,4)
Darum galt denn aber auch für ihn in so hervorragendem Maße die hohe Verheißung Jesu: „Wer meine Gebote hält, der istʻs, der mich liebt. Er wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“ (Joh. 14,21)
Die Werke Jakob Lorbers
Durch die Niederschrift des von Lorber innerlich Vernommenen entstand in einem Zeitraume von nahezu 25 Jahren (1840-1864) eine Reihe von insgesamt 25 stattlichen Bänden über die verschiedenartigsten geistigen Stoffe.
Die Kundgaben begannen, wie erwähnt, am 15. März 1840, an jenem bedeutsamen Morgen, als Lorber sich zum Antritt der ihm in Triest gebotenen Stelle auf die Reise machen wollte, und erwiesen sich als der Anfang eines dreibändigen Werkes, genannt die ‚Haushaltung Gottesʻ das dem Schreiber nach und nach ins Herz gesagt wurde.
Nach einigen einleitenden Kapiteln behandelt dies Buch in einer machtvollen Prophetensprache die Hauptgrundfragen alles religiösen Denkens: Das Wesen Gottes, die Urschöpfung der Geisterwelt, die Entstehung der (materiellen) Sinnenwelt, die Erschaffung des Menschengeschlechts und die Urgeschichte der Menschheit bis zu der großen vorderasiatischen Erdkatastrophe der Sintflut. Was die ersten Kapitel der Bibel gewissermaßen in einem Samenkorne geben, das erblüht in dieser seltsamen ‚Haushaltungʻ zu einem mächtigen, das Samenkorn erst recht bestätigenden und verherrlichenden Baume der Erkenntnis. Das Wesen Gottes und seiner geistigen und stofflichen Schöpfung wird uns hier in unvergleichlicher Weise vor die Seele geführt, sowohl nach der unnahbar erhabenen Seite, wie nach der bis ins kleinste sich hinabbeugenden Liebe und Liebesweisheit Gottes. Und ein tiefer, voller Strom des Lichts füllt schließlich in der Urgeschichte der Väter auf den wahren Zweck und Sinn und auf die Führungen des menschlichen Lebens.
Nachdem die Niederschrift dieses grundlegenden, wuchtigen Werks über 4 Jahre (bis Sept. 1844) in Anspruch genommen hatte, schloss es mit den Worten: „Wohl jedem, der das darinnen durchleuchtende Gesetz der Liebe zum Grunde seines Lebens machen wird; denn er wird darinnen auch das wahre, ewige Leben finden! . . . Wandelt treu und unerschrocken auf diesen Wegen des Lebens, und Ich, euer aller Herr und Vater und Gott werde euch führen an Meiner Hand in Mein Haus, und es soll niemandem ein Haar gekrümmt werden!“ (HGt.3.365,20+24)
Zu diesem selben Zeitraume von 1840 bis Ende 1844 empfing Lorber aber gleichzeitig noch verschiedene andere Werke geringeren Umfanges, und zwar wurde er vor allem in einer planvollen Reihenfolge über die Träger alles materiellen Lebens, die am Himmelsgewölbe sichtbaren, uns ewig rätselvollen Gestirne belehrt.
Er empfing so zunächst höchst lehrreiche Kunde über die Verhältnisse und das Leben auf unserm Monde1.
Sodann ging die Reise auf den Saturn2, dessen Gestalt und merkwürdige Verhältnisse in einem mäßigen Bändchen ziemlich eingehend geschildert wurden.
Demnächst folgte in einem etwas stärkeren Bändchen die ausführliche Beschreibung des Wesens unserer Sonne3 und der Zustände und Lebensformen auf derselben.
Hatte sich dies letztere Werk mit dem sichtbaren natürlichen Sonnenkörper befasst, so bezog sich eine weitere nun folgende Belehrung in zwei umfangreichen Bänden auf das Wesen und die Zustände der sogenannten Geistigen Sonne4, d.h. der den natürlichen Sonnenkörper umgebenden Sphären höherer Geister, womit gleichzeitig weitgehende Ausschlüsse über die jenseitige Weiterentwicklung der Menschenseele nach dem leiblichen Tode verbunden wurden. Ein bedeutsames, grundlegendes Werk eben bezüglich des jenseitigen Seins, aber für Anfänger in der Geistlehre nicht leicht zu verstehen!
Auch einige andere kleinere Abhandlungen und Schriften schoben sich da und dort zwischen diese wichtigen und fortführenden Werke der ersten 4 Jahre ein, die, soweit sie von Naturbetrachtungen ausgingen, später unter dem Titel ‚Naturzeugnisseʻ5 zusammengestellt wurden, während eine Reihe von ausgezeichneten, überaus lichtvollen Besprechungen von Bibelstellen ein besonderes Bändchen unter dem Titel ‚Schrifttexterklärungenʻ ergab.
Nunmehr folgten in der zweiten Hälfte des Jahres 1843 und im Jahre 1844 drei höchst merkwürdige und wichtige Kundgaben von ganz eigener Art, nämlich Wiedergaben von einigen längst verschollenen christlichen Offenbarungsschriften von großer Bedeutung.
Nach dem Berichte der Evangelien hat Jesus bekanntlich seine Lehre durch das mündliche Wort verbreitet. Obwohl er sicherlich des Schreibens kundig war und auch wohl manches geschrieben hat, ist uns von seiner Hand dennoch nichts überliefert worden. So schmerzlich und folgenreich dieser Mangel für die Menschheit auch sein mag, so verstehen wir dennoch unschwer die Gründe der göttlichen Vorsicht: Es wäre mit einer solchen Urkunde aus Jesu Hand bald die abgöttischste Verehrung getrieben und um ihren Besitz am Ende ein Krieg um den andern geführt worden; auch wäre unter Umständen durch ihren unwidersprechlich göttlichen Inhalt das freie Urteil und mithin der freie Wille des Menschen, dieses höchste und lebenswichtigste Gottesgeschenk, in einen allzu zwingenden Bann geschlagen worden. Die Geschichte berichtet uns daher nur von einem einzigen Briefe Jesu, der aber nicht von ihm selbst, sondern von einem Jünger nach dem Worte des Herrn niedergeschrieben und an den Fürsten Abgar Ukkama von Edessa, einen kleinen Stadtkönig in Mesopotamien, gerichtet worden sei. Die erste verbürgte Nachricht über diesen Briefwechsel findet sich in dem großen, anfangs des 4. Jahrhunderts nach Chr. verfassten Hauptwerke des Vaters der Kirchengeschichte Eusebius, Bischofs von Cäsarea in Palästina († 340). Der berühmte Kirchenlehrer und Geschichtsforscher berichtet dort, dass er selbst, dem durch das Wohlwollen Kaiser Konstantins alle Archive des Reiches offen standen, in der königlichen Urkundensammlung von Edessa diesen Briefwechsel des Abgar Ukkama mit Jesus entdeckt habe, und führt ihn seiner Bedeutsamkeit wegen wörtlich an wie folgt:
„Abgar Ukkama, Herr von Edessa, Jesu, dem in der Gegend von Jerusalem erschienenen guten Heiland, Gruß! Ich habe Kunde empfangen von dir und deinen Heilungen, wie du sie ohne Arznei und Kräuter zuwege bringst. Denn wie man erzählt, gibst du Blinden das Gesicht, Lahmen den Gebrauch ihrer Füße, Aussätzige reinigst du, unreine Geister und Dämonen treibst du aus, Menschen, die von langwierigen Krankheiten gequält werden, heilst du, Tote weckst du auf. Nachdem ich alles dieses von dir gehört hatte, sagte ich mir, entweder seist du selbst Gott und herabgekommen vom Himmel und tätest alles dieses, oder du seiest Gottes Sohn. Darum schreibe ich diesen Brief und bitte dich, dich zu mir zu bemühen und mein Leiden zu heilen. Ich habe ja auch gehört, dass die Juden gegen dich murren und dir Übles tun wollen. Die Stadt, die ich beherrsche, ist zwar klein, aber würdig, und sie genügt uns beiden.“
Jesu Antwort lautete nach Eusebius: „Selig bist du, Abgar, dass du an mich geglaubt hast, ohne mich gesehen zu haben. Denn es steht von mir geschrieben, dass die, welche mich gesehen haben, nicht an mich glauben werden, und dass die, welche mich nicht gesehen haben, glauben und leben sollen. Was aber das betrifft, was du mir geschrieben hast, dass ich zu dir kommen möge, so ist es nötig, dass ich alles, wozu ich gesandt bin, hier erfülle und, nachdem ich es erfüllt habe, aufgenommen werde zu dem, der mich gesandt hat. Wenn ich aber aufgenommen sein werde, will ich dir einen meiner Jünger senden, dass er dein Leiden heile und dir und den Deinen Leben gebe.“
Von den späteren. Kirchenvätern wurde dieser Abgarusbriefwechsel trotz des unzweideutigen Zeugnisses des gelehrten, hochangesehenen Eusebius - vielleicht aus Eifersucht gegen Edessa - als apokryph, d.h. unsicheren Ursprungs erklärt. Für die Echtheit spricht aber wohl dennoch die Bekundung des Eusebius, von welchem Kurtz in seiner Kirchengeschichte sagt (Bd. I, § 48, Z. 1,2): „Bei unermüdlichem Forscher- und Sammlerfleiße übertrifft er weitaus alle Kirchenlehrer dieser Zeit an reicher Gelehrsamkeit, der wir auch eine große Menge unschätzbarer Auszüge aus längst verlorenen Schriften des heidnischen und christlichen Altertums verdanken.“
Außerdem kann für eine besondere Verbindung zwischen Edessa und Jesus die Tatsache angeführt werden, dass nach zuverlässiger Nachricht eben in diesem kleinen Fürstentum in Mesopotamien das Christentum zuerst staatliche Anerkennung fand, und dass dort schon im Jahre 170 n. Chr. ein christlicher Fürst Abgar Bar Manu das Kreuzeszeichen auf seinen Münzen führte. (Kurtz, Kirchengeschichte)
Im Jahre 1844 ist nun dieser Briefwechsel, von welchem damals kaum die Fachgelehrten noch etwas wussten, dem Schreibknechte des Herrn, Jakob Lorber, dem nach dem Zeugnisse Dr. Zimpels nicht eine Silbe davon bekannt war, durch das lebendige innere Wort wiedergegeben worden, und zwar dem Sinne und Gedankengange nach in völliger Übereinstimmung mit der griechischen Übersetzung des Eusebius. Ja es wurden durch Lorber noch zwölf weitere, dem Eusebius unbekannt gebliebene Briefe zwischen Jesus und Abgarus kundgegeben, die aus Anlass der tödlichen Erkrankung von Abgars Sohne und wegen eines in Edessa erfolgten Erdbebens und seiner Folgen später noch gewechselt worden sind.
Diese ganze Reihe von insgesamt 14 Schreiben (7 von Abgar und 7 von Jesus, unter letzteren der vierte eigenhändig, die übrigen durch Jünger geschrieben), von innigstem, reinstem Liebelicht durchleuchtet, sind ein kleines Evangelium für sich. Rührend mutet uns an, wie der an beiden Beinen lahme König sich an den fernen Heiland wendet und aus den liebevollen, schlichten Antworten den tiefsten, auch beim Tode seines Sohnes und Erben unerschütterlichen Glauben fasst. Nur wer engstirnig bloß die von den Kirchenlehrern und Päpsten des 4. und 5. Jahrhunderts nach langen, oft höchst unchristlichen, gehässigen Kämpfen in die Bibel aufgenommenen Schriften als Gotteswort anerkennen will, wird in dem durch Jakob Lorber wiedergegebenen Abgarusbriefwechsel den echt evangelischen, göttlichen Geist zu verleugnen imstande sein.
Ebenso bedeutsam war jedoch eine zweite von Lorber im gleichen Jahre (1844) empfangene Wiedergabe einer verlorenen Urschrift. Im Briefe des Paulus an die Kolosser heißt es bekanntlich (Kap. 4,16): „Und wenn diese Epistel bei euch gelesen ist, so schaffet, dass sie auch in der Gemeinde zu Laodizea gelesen werde, und dass ihr die von Laodizea lest!“
Es hat also Paulus einen Brief an die Laodizener geschrieben, der auch für die Kolosser Bedeutendes zu sagen hatte. Diesen Brief an die Laodizener jedoch suchen wir im Neuen Testament vergebens. Man hat schon den Epheserbrief dafür anschauen wollen, allein diese Hypothese hat keine Wahrscheinlichkeit, „da sich nicht erklären ließe, wie die Adresse an die Laodizener verschwunden und der Brief als Epheserbrief in Umlauf gekommen wäre.“ (Vgl. P. Feine, Einleitung in das Neue Testament)
Somit musste also der echte Laodizenerbrief als verloren gelten, bis er nun durch Lorber der Menschheit aufs Neue geschenkt worden ist. Es ist nun interessant, aus diesem wiedergegebenen Briefe die so ganz urtümlich lodernde Geistesflamme und die etwas gelehrt verknorpelte und doch markige Sprache des großen Apostels in ihrer vollen Eigenart heraussprühen zu fühlen. Wäre Lorber ein Betrüger, und hätte er den Brief aus seiner eigenen Phantasie geschaffen, so müsste er allerdings an Einfühlungs- und Sprachkunst ein Genie gewesen sein! Wahrlich, aus und in einer jeden dieser Zeilen lebt und glüht Paulus!
Warum dieser Brief von den Kirchenlehrern und Päpsten des Frühmittelalters aus der Zahl der Bibelschriften gestrichen wurde, verstehen wir nur zu gut: Die Laodizener waren, ebenso wie die Kolosser, aus dem reinen Geistes- und Liebeschristentum in ein zeremonielles, von ehrgeizigen Menschen eingerichtetes Kirchentum verfallen, gegen welches Paulus in seinem Briefe an die Laodizener in schärfsten Worten Stellung nimmt. Des Paulus Klage war somit zugleich eine Anklage gegen das zeremonielle Kirchentum unter den Päpsten der späteren Jahrhunderte. Es heißt in dem Briefe: