Das Ressourcenbuch (Leben Lernen, Bd. 289) - Martin von Wachter - E-Book

Das Ressourcenbuch (Leben Lernen, Bd. 289) E-Book

Martin von Wachter

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Beschreibung

Die Autoren beschreiben anschaulich und praxisnah, wie eine ressourcenfokussierte Grundhaltung die Behandlung verschiedener Störungsbilder positiv beeinflusst. Die Orientierung an den Selbstheilungskräften beginnt mit der ersten Therapiestunde und bereichert alle Behandlungsphasen. Ressourcenaktivierung gilt als eine der wichtigsten Wirkfaktoren in der Psychotherapie. Wie eine konsequent an den Selbstheilungskräften orientierte Behandlung in Klinik oder Praxis aussehen kann, beschreiben die Autoren an vielen Praxisbeispielen. Die zentrale Konzeptidee ist, die individuelle Ressourcensuche und -aktivierung von der ersten Therapiestunde an einzusetzen und durch alle Behandlungsphasen fortzuführen. Viel Aufmerksamkeit ist den methodischen Fragen gewidmet: Wie funktioniert Ressourcendiagnostik genau? Was leisten spezielle Fragebögen? Welche Ressourcenart hilft wann? Zahlreiche Übungen aus dem lösungsorientiert- systemischen Kontext und neue Ressourcenübungen gewährleisten den großen Nutzen für Patientinnen und Patienten.   Dieses Buch richtet sich an: - Ärztliche und Psychologische PsychotherapeutInnen - Mitarbeitende in psychosozialen Berufen wie z. B. Sozial- und HeilpädagogInnen, ErgotherapeutInnen, LogopädInnen

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Seitenzahl: 182

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Martin von Wachter

Askan Hendrischke

Das Ressourcenbuch

Selbstheilungskräfte in der Psychotherapie erkennen und von Anfang an fördern

Zu diesem Buch

Ressourcenaktivierung gilt als einer der wichtigsten Wirkfaktoren in der Psychotherapie. Wie eine konsequent an den Selbstheilungskräften orientierte Behandlung in Klinik oder Praxis aussehen kann, beschreiben die Autoren an vielen Praxisbeispielen. Die zentrale Konzeptidee ist, die individuelle Ressourcensuche und -aktivierung von der ersten Therapiestunde an einzusetzen und durch alle Behandlungsphasen fortzuführen. Viel Aufmerksamkeit ist den methodischen Fragen gewidmet: Wie funktioniert Ressourcendiagnostik genau? Was leisten spezielle Fragebögen? Welche Ressourcenart hilft wann? Zahlreiche Übungen aus dem lösungsorientiert-systemischen Kontext und neue Ressourcenübungen gewährleisten den großen Nutzen für Patientinnen und Patienten.

Die Reihe »Leben Lernen« stellt auf wissenschaftlicher Grundlage Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen vor; sie wendet sich an die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösung ihrer Probleme Suchenden.

Alle Bücher aus der Reihe ›Leben Lernen‹ finden Sie unter:

www.klett-cotta.de/lebenlernen

Impressum

Leben Lernen 289

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2017 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Umschlag: Jutta Herden, Stuttgart

Unter Verwendung eines Fotos von © montypeter/stock.adobe

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Printausgabe: ISBN 978-3-608-89173-7

E-Book: ISBN 978-3-608-10863-7

PDF-E-Book: 978-3-608-20354-7

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Inhalt

Geleitwort

Einleitung

Kapitel 1

Begriffsklärung und klinische Bedeutung

1.1 Salutogenese, Resilienz und Ressourcen

Salutogenese – Was hält uns gesund?

Resilienz – Wachsen trotz schwieriger Bedingungen

Ressourcen – heilsame Kräfte in uns

Was sind für Sie persönliche Ressourcen?

Positive Psychologie

Abgrenzung zu positivem Denken

1.2 Orthogonales Konzept – Sowohl als auch

1.3 Funktion von Ressourcen

1.4 Neurobiologische Aspekte

1.5 Ressourcenaktivierung in allen Schulen

1.6 Programme zur Ressourcenaktivierung

1.7 Ressourcen als entscheidender Wirkfaktor in der Psychotherapie

1.8 Verbesserungserwartung

1.9 Interaktion zwischen Patient und Behandler

Was hält davon ab?

Stolpersteine und Nebenwirkungen

Grenzen des ressourcenorientierten Ansatzes

Kapitel 2

Ressourcenfokussierung von Anfang an

2.1 Akzeptanz der Patientenrolle

2.2 Auftakt der Behandlung

2.3 Kontakt mit der Patientengemeinschaft

Triade als Ort von Bindungserfahrungen

Mitpatienten als Paten

Begrüßungsrunde mit Expertenreflexion der Peers

2.4 Exploration von Behandlungszielen

Aalener Evaluationsbogen Behandlungsziele

Kapitel 3

Ressourcendiagnostik

3.1 Ressourceninterview von Schiepek und Cremers

3.2 Ressourcenfragebögen

Bochumer Ressourcenfragebogen (RESO-B)

Fragebogen zur Erfassung der aktuellen Ressourcenrealisierung aus einer Selbstbeurteilungsperspektive (RES)

Berner Ressourceninventar zur Erfassung von Patientenressourcen aus der Fremdbeurteilungsperspektive (REF)

Fragebogen zur Erfassung von Ressourcen und Selbstmanagementfähigkeiten (FERUS)

3.3 Ressourcen-Lebensbericht

3.4 Ressourcen-Genogramm

Die transgenerationale Weitergabe von Eigenschaften als Ressourcen

Kapitel 4

Therapiephase

4.1 Ankommen in der Klinik

4.2 Erstkontakt mit der Therapiegruppe

Variante: Ressourcenorientierter Start einer neuen Therapiegruppe

4.3 Ressourcenaktivierende Gesprächsführung

Ressourcen verstärken

4.4 Variable Settings zur Ressourcenaktivierung

4.4.1 Therapeuten sprechen über Patienten in deren Beisein: Intensivvisite/Fokusgespräch

4.4.2 Therapeuten sprechen über Patienten in deren Abwesenheit: Teamkonferenz/Supervision

4.4.3 Therapeuten sprechen Patienten als Experten an: Ressourcen-Psychoedukation

Praktisches Vorgehen

4.4.4 Patienten sprechen untereinander ohne Therapeuten

Peer-to-Peer-Setting 1: Psychoedukation durch ehemalige Patienten

Peer-to-Peer-Setting 2: Feedbackgruppe zur Verstärkung positiver Veränderungsschritte

4.5 Imaginative Ressourcenaktivierung

4.6 Achtsamkeit

4.7 Skulpturtechnik

4.8 Ressourcenaktivierung bei Ambivalenzsituationen

4.9 Vierfelderübung als Circumplexmodell

4.10 Timeline-Übung

4.11 Symbolübung

4.12 Ressourcen aus der Lebenswelt des Patienten

Energieressourcenbilanz – Wo in meiner Wohnung tanke ich auf?

Vorbilder als Ressource

Ressourcen-Abc

Feierabendübung

4.13 Ressourcenübungen mit Karten, Listen und Spielen

Ressourcium-Karten

Freudetagebuch

Metaphernbasierte Interaktionsspiele zur Ressourcenförderung

Liste der Tugenden und Stärken

4.14 Grundbedürfnisse und Ressourcen

4.15 Genusstraining

Die Genussregeln

Praktische Durchführung

4.16 Ressourcenaktivierung bei somatischen Erkrankungen

4.17 Körperassoziierte Ressourcenübungen

Körperressourcenübung

Ressourcenprojektion im Körperbild

PEP Klopfübung nach Bohne

4.18 Störungsspezifische Ressourcentechniken

4.19 Ressourcen in der Kreativtherapie

Ressourcen in der Musiktherapie

Kapitel 5

Transfer- und Abschiedsphase

5.1 Zwischenbilanz

5.2 Pausenmanagement

5.3 Ressourcenaktivierung vor einer belastenden Situation

5.4 Ressourcen-Koffer zur Ersten Hilfe

5.5 Peer to Peer – Weitergaben von Ressourcen unter Betroffenen

Peer-Arbeit im Einzelsetting

Peer-Arbeit in der Gruppe

5.6 Transfer-Arbeitsblatt

Transfer Kreativtherapien

5.7 Abschluss-Bilanz (Rucksackübung)

Kapitel 6

Materialien

Verzeichnis der Arbeitsblätter

Ressourcen im Internet

Audio CDs

Fachratgeber für Patienten

Filmempfehlungen für Patienten

Literatur

Für die Frage, wie die Probleme

am besten verändert werden können,

sind die Ressourcen des Patienten

aber wahrscheinlich wichtiger

als seine Probleme.

Klaus Grawe

If it works, do more of it

If not, try something different.

Steve deShazer

Geleitwort

Niemand wird mehr den Wert der Ressourcenaktivierung bestreiten. Es ist inzwischen allgemein akzeptiert, dass Psychotherapien erfolgreicher verlaufen, wenn es Therapeuten gelingt, die Ressourcen ihrer Patienten zu aktivieren. Auch gilt es heute als selbstverständlich, dass ein positives Selbstwertgefühl und ein Gefühl von Selbstwirksamkeit nur dann entstehen können, wenn die positiven Seiten einer Person ausreichend gewürdigt werden. Ressourcenaktivierung ist ein wichtiger Wirkfaktor von Psychotherapie, möglicherweise ist sie noch wichtiger als spezifische psychotherapeutische Behandlungstechniken an sich.

Ressourcenaktivierung orientiert sich an den menschlichen Grundbedürfnissen – nach Sicherheit, Kontrolle und Orientierung, Bindung, Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz; auch das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung gehört dazu. Dabei kann sie sich auf Erkenntnisse der modernen Neurobiologie berufen, die uns lehrt, dass das menschliche Gehirn nicht nur die Aufgabe, sondern auch das Potential hat, ressourcenreiche Zustände von psychobiologischer Gesundheit und Wohlbefinden herzustellen. Die Resilienzforschung hat uns gezeigt, dass Menschen unter widrigsten Umständen überleben und wachsen können, wenn es ihnen gelingt, positive emotionale Zustände zu generieren.

Nicht nur Psychotherapeuten aller Schulrichtungen, sondern auch Angehörige zahlreicher anderer Berufsgruppen – darunter Sozialarbeiter, Lehrer, Pflegekräfte, um nur einige zu nennen – machen zunehmend die Erfahrung, dass die Aktivierung persönlicher Stärken und die Förderung positiver Emotionen und Erwartungen wesentlich zu einer gelingenden Lebensbewältigung beitragen. Sie haben verstanden, dass wir unseren Patienten bzw. Klienten keinen Gefallen tun, wenn wir sie unnötig pathologisieren und damit entmutigen, und auch die noch vor nicht allzu langer Zeit verbreitete defizitorientierte Begrifflichkeit scheint immer mehr der Vergangenheit anzugehören.

Auch wenn sich die Überzeugung von Sinn und Bedeutung der Ressourcenaktivierung durchgesetzt hat, braucht es dennoch praktische Hilfen und Anregungen, um sie explizit und konsequent in die Praxis umsetzen zu können. Diese Anregungen und Hilfen finden sich im vorliegenden Text in großer Fülle. Das Buch beinhaltet eine Sammlung wertvoller Techniken und eine einzigartige Fundgrube von Übungen, Anleitungen und Techniken für den Praktiker, der ressourcenaktivierend tätig werden will.

Die Autoren Martin von Wachter und Askan Hendrischke sind erfahrene psychodynamisch orientierte Psychotherapeuten. Vielfältige klinische Erfahrung hat ihnen gezeigt, welche Potenziale zu erschließen sind, wenn Patienten nicht nur von ihrer kranken, sondern auch von ihrer gesunden Seite gesehen werden. In Anbetracht ihres klinischen Erfahrungshintergrundes verwundert es nicht, dass das Buch in seiner Gliederung dem Verlauf einer Psychotherapie folgt: von der diagnostischen Vorphase über die eigentliche Therapiephase bis hin zur Transfer- und Abschiedsphase. Für alle Phasen liegen ressourcenaktivierende Instrumente und Interventionen bereit. Dabei ist es faszinierend festzustellen, dass sich ressourcenaktivierende Interventionen mit den Vorgehensweisen unterschiedlicher Psychotherapieschulen vertragen. Das ist ein Grund, warum die Autoren das Buch verfahrensübergreifend verfasst haben; ausdrücklich soll es nicht Anhängern einer bestimmten Therapieschule vorbehalten bleiben. Der Anspruch des Buches ist dezidiert praktischer Art; es will kein Lehrbuch der Psychotherapie ersetzen, aber es kann Lehrbücher unterschiedlicher Provenienz in wertvoller Weise ergänzen.

So sehr die Beschäftigung mit Ressourcen die psychotherapeutische Arbeitsweise der Autoren geprägt hat, so klar vermitteln sie, dass gelingende Ressourcenaktivierung immer auch Beziehungsarbeit ist. Dies gilt im therapeutischen wie im außertherapeutischen Kontext. Ohne eine von Empathie geprägte Beziehung läuft der Versuch einer Aktivierung positiver emotionaler Zustände ins Leere. Patienten können sich unverstanden, nicht ernst genommen und in ihren Beziehungswünschen abgewiesen fühlen. Ressourcenaktivierung darf niemals den Eindruck erwecken, als solle das Leid der erkrankten Patienten missachtet oder bagatellisiert werden – Ressourcenarbeit ohne eine angemessene Würdigung der Leidensdimension wäre zum Scheitern verurteilt. Ressourcenaktivierung ist nicht technisch herstellbar, sie spiegelt vielmehr eine wertschätzende therapeutische Haltung wider, die Patienten auf Augenhöhe und als Beziehungspartner wahrnimmt.

Schließlich weisen die Autoren eindrücklich darauf hin, dass Ressourcenaktivierung immer auch eine körperliche Dimension hat. Das hat die Embodiment-Forschung überzeugend belegt. Wir sehen es Menschen regelrecht an, ob sie im Kontakt mit Ressourcen sind. Ein Gesichtsausdruck, der sich entspannt, oder ein leichtes Lächeln, das über das Gesicht zieht, vermittelt mehr Informationen, ob Menschen im Kontakt mit ihren Ressourcen sind, als Worte es ausdrücken können.

Diesen körperlichen Ausdruck der Ressourcenaktivierung zu erfahren und weiterzugeben – dazu möchte das vorliegende Ressourcen-Buch beitragen. Der Leser ist eingeladen, sich auf eine Vielzahl ressourcenaktivierender Erfahrungen einzulassen, sich anregen zu lassen, vieles auszuprobieren und einzuüben – und diese Erfahrungen den eigenen Patienten oder Klienten verfügbar zu machen. Mit seinen einprägsamen Formulierungen und seiner gut verständlichen Form der Darstellung eignet es sich nicht nur für Professionelle, es kann auch betroffenen Patienten zur Lektüre empfohlen werden. Deshalb sei diesem Buch ein breiter Leserkreis gewünscht, der durchaus über Bereich der Psychotherapie hinausgehen darf.

Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang Wöller, Bad Honnef

Einleitung

Ressourcenorientierung und -aktivierung gelten als anerkannt wichtige Wirkfaktoren in der Psychotherapie und können in verschiedenen Behandlungsabschnitten einer ambulanten oder (teil-)stationären Psychotherapie eingesetzt werden. Das Wirkprinzip durchzieht dabei schon von Beginn an die gesamte Behandlung und setzt aufseiten des Therapeuten eine Haltung voraus, die den Patienten als Kooperationspartner wertschätzt und ihm die entscheidende Kompetenz zur Problemlösung zuweist. Ziel ist es, die Eigenaktivität und Entscheidungsfähigkeit des Patienten auf allen Ebenen zu fördern und den Veränderungsprozess kontinuierlich in die Selbstverantwortung zu überführen. Dies stärkt das Vertrauen in die eigene Kraft und unterstreicht die Idee einer kompetenzorientierten und auf Ressourcenaktivierung ausgerichteten Psychotherapie. Die Beziehung zum Therapeuten soll dem Patienten dabei im Rahmen der angestrebten Veränderungen helfen, zusätzliche Ressourcen einzubringen, die von ihm aktiv genutzt werden können (Willutzki & Teismann 2013).

Oft haben Patienten in einzelnen Bereichen Probleme oder Beschwerden und versuchen, diese erfolglos zu lösen, ohne sich bewusst zu sein, in welchen anderen Bereichen sie Ressourcen haben, die sie zur Problemlösung einsetzen könnten (Flückiger & Wüsten 2008). Dieser Text beschreibt, wie eine durchgängig ressourcenfokussierte und veränderungsoptimistische Grundorientierung für die Behandlung verschiedener Störungsbilder schulenunabhängig genutzt werden kann, sei es im Kontext psychodynamischer, kognitiv-behavioraler oder systemischer bzw. störungsorientierter Verfahren. Dazu schlagen wir einen prozessorientierten Rahmen vor, der für verschiedene Therapiephasen und -settings spezifische Techniken der Ressourcenaktivierung beinhaltet. Das Modell wurde im klinischen Kontext über viele Jahre entwickelt und erprobt, dennoch kann der überwiegende Teil der Interventionen auch gut im ambulanten Bereich Anwendung finden.

Von Beginn an wird der Blick des Patienten konsequent in Richtung Ressourcen gelenkt. In der Ankommensphase einer stationären bzw. teilstationären Therapie spielt dabei die Gemeinschaft der Mitpatienten eine wichtige Rolle. Sie bildet einen Pool von ›Experten‹, die sowohl auf der Seite der haltgebenden externalen Sicherheit als auch auf der Seite angestrebter internaler Veränderungen eine nicht zu unterschätzende Einflussgröße darstellen. Im Verlauf der weiteren Behandlung kommen verschiedene Instrumente zur Ressourcendiagnostik sowie vielfältige therapeutische Interventionen und Gesprächstechniken zur Anwendung, die sich für die Einzelarbeit ebenso als nützlich erwiesen haben wie für die Einbeziehung von Partnern und Familienangehörigen. Mit Ende der Therapie werden Möglichkeiten erarbeitet, die den Transfer der neuen Erfahrungen in den Alltag erleichtern und den Patienten ermutigen sollen, sein Ressourcenpotential selbstverantwortlich zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Dieses Praxisbuch bietet zahlreiche Übungen aus dem ressourcenorientierten-systemischen Kontext. Der Leser findet dazu neben einer Fülle von Ressourcenübungen Arbeitsblätter, Tipps und Fallbeispiele, die sich unmittelbar für die praktische Umsetzung eignen. Alle beschriebenen Arbeitsblätter sind auf der Homepage der Klinik unter www.psychosomatik-aalen.de/ressourcen verfügbar. Ergänzend verweist das Buch auch auf externe Internetlinks und weiterführende Literatur.

Kapitel 1

Begriffsklärung und klinische Bedeutung

1.1 Salutogenese, Resilienz und Ressourcen

Die wissenschaftliche Forschung ist in erster Linie darauf ausgerichtet, die Ätiopathologie von Gesundheitsstörungen zu analysieren, um auf diesem Wege eine gezielte, ursachenbezogene Diagnostik und Therapie von Krankheiten zu ermöglichen. Wenn auch große Erfolge der Medizin in den letzten Jahren zu verzeichnen sind, die auf Ergebnisse dieser Grundlagenforschung zurückgehen (so z. B. im Bereich der Immunologie, der Onkologie, der Neurowissenschaften etc.), so treten doch angesichts der demographischen Entwicklung, der Zunahme chronischer körperlicher Erkrankungen und einer Vielzahl psychischer und psychosomatischer Störungen, die inzwischen längst zu Volkskrankheiten geworden sind, auch andere Faktoren in den Vordergrund, die im Zusammenwirken von somatischen und psychosozialen Faktoren für die Gesundheit und Krankheit von Menschen bedeutsam sind. Gemeint sind hier nicht nur Ansätze, die die Krankheitsentstehung, sondern insbesondere auch die Krankheitsverarbeitung und Gesunderhaltung betreffen (Herzog et al. 2013). Angesichts der eindrucksvollen, bisher noch wenig therapierelevanten Forschungsergebnisse ist zu hoffen, dass ein besseres Verständnis neuronaler Grundlagen psychischer und psychosomatischer Erkrankungen auch eine Weiterentwicklung von gezielten Behandlungsstrategien ermöglicht. Ressourcen- und resilienzorientierte Ansätze gewinnen in diesem Kontext immer mehr an Bedeutung.

Auf einige relevante Ansätze in der Therapieforschung und Psychotherapie sei hier exemplarisch eingegangen. Jeder Ansatz hat dabei seine eigenen Begrifflichkeiten, die im Folgenden erklärt werden.

Resilienz – Wachsen trotz schwieriger Bedingungen

Mit Resilienz sind die psychische Widerstandskraft und seelische Elastizität gemeint. Der Begriff Resilienz wurde in den 1950er-Jahren vom Psychologen Jack Block eingeführt. Der Begriff ist relational bezogen auf den Umgang mit Krisen gemeint. Entsprechend definierte Froma Walsh (1996) Resilienz als Fähigkeit, »aus widrigsten Lebensumständen gestärkt und mit größeren Ressourcen ausgestattet als zuvor herauszukommen . . .«. Resilienz ist dabei keine unveränderbare Persönlichkeitseigenschaft, sondern entwickelt sich auch in der Interaktion mit der Umwelt. Zwillingsstudien zeigen eine 50/50-Relation zwischen Umwelt und genetischer Disposition (Amstadter et al. 2012).

Die amerikanische Psychologin Emmy Werner gilt als Vorreiterin auf diesem Gebiet. Sie untersuchte in der viel zitierten Längsschnittstudie »Kauai-Studie« den Entwicklungsverlauf von Kindern nach zahlreichen frühen traumatisierenden Lebenserfahrungen über 40 Jahre (Werner & Smith 1982). Ein Drittel der 210 Risikokinder entwickelte sich erstaunlich positiv. Sie erkannte bei diesen individuelle Schutzfaktoren wie keine Trennung im ersten Lebensjahr, eine stabile Beziehung zu einer Vertrauensperson außerhalb der dysfunktionalen Familie. Z. B. Großeltern, Nachbar, Lehrer, Pfarrer oder auch Geschwister gaben Halt und waren soziales Vorbild. Diese Kinder mussten früh Verantwortung übernehmen, mussten z. B. kleine Geschwister versorgen und wurden gefordert. Auch das Temperament spielte eine Rolle. Die resilienten Kinder aus der Studie verfügten über ein ruhiges Temperament und konnten offen auf andere Menschen zugehen. Es gibt zahlreiche spätere Untersuchungen von verschiedensten Risikogruppen, die zu ähnlichen Ergebnissen führen.

Richard Sagor (1996) bezeichnete resiliente Personen als »CBUPO-Menschen« (competence, belonging, usefulness, potency, optimism). Er schreibt ihnen Persönlichkeitsmerkmale zu wie Kompetenz, Zugehörigkeit, Nützlichkeit, Stärke haben und Optimismus. Auch positive Emotionen, Hoffnung, Selbstwirksamkeitserwartung, soziale Unterstützung, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Bestimmtheit, Beherrschung, Findigkeit, Ausdauer, Akzeptanz, Anpassungsbereitschaft, Flexibilität und Fähigkeit zur Perspektivenübernahme gehören zu den Resilienzfaktoren in der Literatur (Helmreich & Lieb 2015).

Ressourcen – heilsame Kräfte in uns

Wir nutzen in der Psychotherapie die Ressourcendefinition von Hilarion G. Petzold. Er hat ein umfassendes Konzept für Ressourcen beschrieben und unterscheidet innere und äußere Ressourcen. Er macht darin auch deutlich, dass individuell und abhängig von den Lebensphasen ein und dieselbe Sache Kraftquelle oder Belastung sein kann.

»Ressourcen sind Kraftquellen – wie die französische Wurzel des Wortes nahelegt, denn ›Source‹ bedeutet ›Quelle‹. Es sind Quellen, aus denen man all das schöpfen kann, was man zur Gestaltung eines zufriedenstellenden, guten Lebens benötigt, was man sinnvollerweise braucht, um Probleme zu lösen oder mit Schwierigkeiten zurechtzukommen. Das können sehr verschiedenartige Bedingungen sein, denn jeder Mensch ist anders, und jede Situation, jede Herausforderung und Lebensphase braucht andere Ressourcen. Natürlich können Freunde, Partner, die Eltern oder wichtige Menschen in der sozialen Umgebung solche Ressourcen sein, aber auch persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten, Kompetenzen. Auch das Aussehen oder die Ausstrahlung, die jemand hat, können Ressourcen sein. Sie können in der Bereitschaft und Fähigkeit zu besonderen Anstrengungen zum Ausdruck kommen, oder einfach in der Art, wie man eben ist. Es können Hobbys sein oder wichtige Ziele im Leben, Überzeugungen, für die man eintritt, Ideen oder der Glaube, die Religion. Es können Vereine oder Gruppen sein, denen man angehört, aber auch materielle Dinge wie eine Wohnung, ein Haus, Geld oder ein Auto. Wenn die Gegenwart nicht so viel hergibt, können es auch Erinnerungen, Erfahrungen in der Vergangenheit sein oder aber Hoffnungen für die Zukunft. Sexualität ist für manche Menschen eine Kraftquelle oder auch die kleinen alltäglichen Eindrücke und Begegnungen.« (Schiepek & Cremers 2003, S. 154 f.)

Schiepek und Cremers (2003) fassen dabei Ressourcen als »relationale Konstrukte« auf. Ressourcen stehen in Relation zum Wertesystem des Patienten und seinen Zielen. Ressourcen verändern sich in der Zeit. Sie betonen: »Ressourcen ›hat‹ man nicht nur, sondern aktiviert sie, nimmt sie wahr und entwickelt sie in Abhängigkeit von den jeweils relevanten Lebenszielen bzw. den das jeweilige Lebensstil-Szenario bestimmenden, affektiv geladenen Themen.«

In der Psychotherapie sowie in der Psychoedukation zum Thema Ressourcen, oder um Patienten Anregungen beim Sammeln von Ressourcen zu geben, hat sich die Einteilung in drei Bereiche bewährt (s. Arbeitsblatt 1):

äußere Ressourcen

interpersonelle soziale Ressourcen

individuelle innere Ressourcen.

Zur Erklärung für Patienten, was mit Ressourcen gemeint ist, und zur Unterstützung in der Ressourcenanamnese geben wir das Arbeitsblatt 1: Was sind Ressourcen mit Beispielen für Ressourcen aus (s. Arbeitsblätter 1 und 2).

Was sind für Sie persönliche Ressourcen?

Bevor neue Ressourcen gesucht werden, sollten vorhandene Ressourcen möglichst oft genutzt und frühere und ungenutzte Ressourcen wieder aktiviert werden.

Um sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden, schreiben Sie alle Ressourcen auf, die Ihnen einfallen. Achten Sie dabei darauf, dass neben äußeren Ressourcen auch die eigenen Fähigkeiten vorkommen, wie z. B. Durchhaltevermögen, Offenheit, Mut oder Verlässlichkeit. Notieren Sie auch Dinge, die Sie für normal halten wie z. B. Schreiben, Lesen oder Kochen. Manches, was Sie sowieso schon immer getan haben, können Sie sich so als Kraftquelle bewusst machen.

Positive Psychologie

Auch die Positive Psychologie, eine Strömung in Amerika beschäftigt sich seit den 1990er-Jahren mit den positiven Aspekten des Menschseins und legt den Fokus auf die Ressourcen. Geprägt durch den Psychologen Martin Seligman erforscht sie, was Menschen gesund hält und was ihnen hilft, ein »gutes Leben« zu führen. Dezidiert beschäftigt sich die Positive Psychologie dabei mit den Themen Glück, Charakterstärken und Tugenden sowie damit, unter welchen Bedingungen und Lebensumständen Menschen mit sich besonders zufrieden sind (Seligman 2005).

Abgrenzung zu positivem Denken

Das Konstrukt des positiven Denkens ist in der populärwissenschaftlichen Ratgeberliteratur beliebt. Dies wird dabei oft als Autosuggestion verstanden im Sinne von »der Gedanke an Erfolg verspricht Erfolg«. Das Konzept der Ressourcenaktivierung unterscheidet sich dadurch, dass sie auf vorhandene reale Ressourcen fokussiert und diese verstärkt. Es geht nicht darum, Dinge in Aussicht zu stellen, die nicht vorhanden sind.

1.2 Orthogonales Konzept – Sowohl als auch

Im Gesundheitssystem werden Krankheit und Gesundheit üblicherweise als dichotomes Gegensatzpaar konzeptualisiert. Auch Patienten erleben und verstehen sich häufig entweder als »krank« oder »gesund« und verhalten sich dementsprechend. Im Gegensatz dazu versteht sich das orthogonale Konzept als ein Balance-Modell, in dem ein Patient in bestimmten Bereichen zwar krank, in anderen aber gleichzeitig durchaus gesund sein kann (Lutz 1998). Krankheit und Gesundheit bilden hier nicht zwei Pole einer gemeinsamen Dimension, sondern werden auf zwei getrennten Achsen unabhängig voneinander dargestellt. In der Arbeit mit Patienten ermöglicht dieses Modell, neben den krankheitsbedingten Einschränkungen und Beeinträchtigungen auch gesunde oder kraftvolle Anteile zu würdigen, denen neben der Krankheit sonst häufig nur wenig Aufmerksamkeit zuteilwird. So kann sich z. B. ein Patient mit rheumatoider Arthritis in seiner Beweglichkeit zwar erheblich eingeschränkt, im Bereich seiner persönlichen Fähigkeiten und Lebenserfahrungen hingegen als sehr kompetent und wirksam erleben. Besonders in der Arbeit mit chronisch kranken Patienten erweist sich dieses Modell als nützlich, wenn es darum geht, den Patienten dabei zu unterstützen, der Krankheit ihren Platz zuzuweisen, ohne sich von ihr gänzlich bestimmen zu lassen. Der Akzeptanz vorhandener Krankheitsfolgen kann so gegenübergestellt werden, warum es in der Therapie sinnvoll ist, gleichzeitig vorhandene Ressourcen bzw. gesunde Bereiche zu stärken und die Selbstwirksamkeit des Patienten zu fördern (von Wachter & Hendrischke 2016).

1.3 Funktion von Ressourcen

Ressourcen haben eine zentrale Funktion beim Coping von Krankheit und Krisen. Dabei können sie in folgenden Bereichen eine wichtige Rolle spielen (von Wachter & Hendrischke 2016):

Ressourcen helfen bei der Bewältigung von Krisen und Krankheit.

Ressourcen führen dazu, dass ein Verlust weniger schmerzlich ist.

Ressourcen können direkt auf das Wohlbefinden und die Gesundheit wirken.

Ressourcen helfen, Bedürfnisse zu befriedigen.

Ressourcen können als »Puffer« wirksam werden, indem sie Stresserleben reduzieren.

Ressourcen können einen Ausgleich nach Stress oder Anstrengung darstellen.

Ressourcen helfen, Lösungen zu finden.

In der Psychotherapie und in der Psychoedukation lässt sich dies mit einem Waagemodell veranschaulichen (s. Abb. 1):

Abb. 1 Mehr Ressourcen – Verluste sind weniger schmerzlich

1.4 Neurobiologische Aspekte

Das Gehirn ist ein »selbstorganisierender Erfahrungsspeicher« (Storch & Krause 2006). Der kanadische Psychologe Donald Hebb hat dies schon 1949 vorgeschlagen (Hebb 1949). Seine Hebb’sche Regel besagt, dass Neuronen, die gleichzeitig aktiviert werden, an ihren Übertragungssynapsen gebahnt werden. »Neurons wire together if they fire together.« (Löwel & Singer 1992) So kann auch das wiederholte Aufrufen von positiven Erlebnissen und Erinnerungen im Sinne einer Ressourcenaktivierung gebahnt werden.

Die Neuronenverbände bilden dadurch ein »kausales Geschehen« und damit Orientierung in der Umwelt ab (Roth 1997). Ein häufig benutzter Weg wird zur Straße (Hüther 1997). Ressourcenaktivierung erfolgt dabei durch Lernen sowohl über Wissen als auch Erfahren und Erleben. Letztendlich führen die Änderung des Fokus auf Ressourcen und das aktive regelmäßige Einüben zu einer Verstärkung der synaptischen Übertragung und Bahnung neuronaler Ressourcen-Netzwerke.