Das Schiff der Vergessenen - Karl Layton - E-Book

Das Schiff der Vergessenen E-Book

Karl Layton

0,0

Beschreibung

Im Jahre 2238 wird ein trudelndes Objekt gesichtet, das sich einer Basis der Earth Federation Space Navy nähert. Ein Schiff, die EFS Jeanne D'Arc, wird ausgeschickt, das Objekt zu untersuchen. Bei dem Objekt handelt es sich um ein seit Jahrhunderten tot im All treibendes Raumschiff, entdeckt die Crew der Jeanne D'Arc. Doch das Schiff ist nicht ganz so tot, wie es scheint. Als das Außenteam des Föderationsschiffs das Wrack untersucht, überschlagen sich die Ereignisse. Durch die Entdeckung wird der Vorhang auf eine viel weitere kosmische Bühne geöffnet, für die der gerade zu Ende gegangene Nanitenkrieg nur ein Vorgeplänkel war... Ein Adventure Science Fiction - Roman aus Karl Laytons Earth Federation Saga. Ein in sich abgeschlossener, unabhängig zu lesender Roman. Düstere Atmosphäre an Bord eines treibenden Wracks einer unbekannten Rasse und Föderationsschiffe auf einer Explore-and-Rescue - Mission. Ein Action-Adventure in Karl Laytons "Earth Federation"-Universum. Genre: Science Fiction, Erstkontakt, Space Opera, Adventure Scifi, Military Scifi, Aliens Die Föderation der Erde - Saga: Prequel: Das letzte Schiff der Föderation Band 1: Das Schiff der Vergessenen (dieser Roman) Band 2: Der Verräter des Herrgotts (Neuauflage im Sept.2024) (weitere Bände in unmittelbarer Vorbereitung)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 255

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Die Entdeckung

Eine besondere Massnahme

Epilog

Und während der Abspann schon läuft

Personenverzeichnis

Zeitleiste

DIE ENTDECKUNG

08:14 Uhr, Dienstag, 28.09.2238 Greenwich-Erdzeit

16:19 Uhr, 04.03.101 Bordzeit EFS Jeanne D‘Arc

45 Lichtjahre von der Erde

Captain Dubois

„Wiedereintritt in Normalraum vollzogen, Ende der Zeitflussabweichung“ meldet die Navigatorin der EFS Jeanne D’Arc vorne von ihrer Konsole vor dem Holobecken und dem großen Hauptbildschirm. Der Rudergänger sitzt direkt neben ihr und beobachtet seine Instrumente. Die Jeanne D’Arc, kurz in der Regel von ihrer Crew nur als Darc bezeichnet, ist eine einhundertfünfzig Meter lange Korvette der Earth Federation Space Navy. Ihr Auftrag lautet, ein mysteriöses Objekt zu untersuchen, das die Langstreckensensoren von Terra Control, sprich der irdischen Raumüberwachung, aufgefangen haben. Der Besatzung inklusive der Brückencrew vergeht das typische Unwohlsein schnell, das jeden befällt, der den Übertritt vom Hyperraum in den Normalraum oder umgekehrt erlebt. Das konturlose Grau mit seinen bunten Einstülpungen, die Interferenzen von parallelen Universen darstellen, hat längst wieder dem normalen schwarzen Raum mit seinen glitzernden Sternen Platz gemacht. Versammelt auf der Brücke ist die sogenannte Brücken-Vollcrew. Im normalen Wachbetrieb stellen der Captain, der Erste Offizier, sowie der zweite Offizier die jeweiligen Kommandanten vom Dienst der drei aufeinanderfolgenden Wachen dar. Doch jetzt sind jetzt hier sowohl der Captain – auf dem Kommandantenplatz im hinteren Teil der Brücke – als auch der Erste Offizier versammelt. Entsprechend sind auch die anderen Jobs auf der Brücke, Taktik, Operations, Navigation, Ruder und Kommunikation von den jeweiligen Stabsoffizieren besetzt. Die entsprechenden Kürzel wie TACTIC, OPS, NAV, HELM und COM stehen an den Konsolen. „Geschwindigkeit Null-Komma-Vier Licht, abbremsend, Distanz zum Objekt zwölf Millionen Kilometer“ meldet der Navigator. „Scan läuft“, tönt es von der als OPS abgekürzten Operations-Station, an der Lieutenant Arkay seinen Dienst tut, dessen schwarzer Scheitel im Licht der Deckenlampen glänzt. „Danke Lieutenant, halten Sie mich auf dem Laufenden“, befiehlt der Kapitän, Jessica Dubois, eine brünette, mitteleuropäisch wirkende Frau vom äußeren Erscheinungsbild einer Mittdreißigerin, die wie fast alle hier eine dunkelblaue Bordkombination trägt. Der OPS-Offizier bekommt das Ergebnis seines Scans praktisch sofort, denn die Detailabtastung des fremden Objekts erfasst gewissermaßen den Abdruck, den es im Raumzeitgefüge hinterlässt. Ein Prozess, der mit Überlichtgeschwindigkeit abläuft.

„Das Fremdobjekt ist fast drei Kilometer lang, etwa hundert Meter breit und hoch“, meldet die OPS und eine entsprechende schematische Darstellung erscheint auf dem Hauptschirm. Wie die Brückencrew sehen kann, ist das Objekt zigarrenförmig. Klobige Austrittsdüsen sind an einem Ende zu erkennen und kleine kuppelartige Auswüchse überall am Rumpf. „Ein defektes Raumschiff“, murmelt Captain Dubois das Offensichtliche vor sich hin. „Mit Unterlicht treibend.“ Auf dem Hauptbildschirm ist die Geschwindigkeit des fremden Objekts angegeben, das sich sehr langsam wie ein schnellerer Komet bewegt.

„Trudelkurs besteht nach wie vor“ erläutert der OPS-Offizier. Denn in der Tat dreht sich das Schiff schräg zur Flugrichtung um sich selbst, wie ein trudelndes Objekt und nicht wie ein sich zielgerecht fortbewegendes Raumschiff unter Energie. „Detailscans kommen rein“, ergänzt er. „Das fremde Schiff verfügt über einen ausgedehnten Innenraum mit diversifizierten Räumlichkeiten, einem klassischen Maschinenraum und Sensoranlagen. Der Antrieb ist vermutlich ein Überlichtantrieb ähnlich unserem. Schildgeneratoren vorhanden. Keine Waffen erkennbar, aber die Auswertung des Scans dauert noch an. Keine Lebenszeichen. Etwa einhundert Decks mit etwas über zwei Meter Deckenhöhe und diverse riesige Lagerräume mit hunderttausenden von Kapseln. Über vierhunderttausend bislang gezählt“, meldet Arkay. Captain Dubois, die neben ihrem Kommandantenplatz steht, stützt sich nachdenklich an einer der beiden bogenförmigen Konsolen ab, die um den Kommandantensessel herum gruppiert sind. „Also ein defektes Schiff, das zufällig in Richtung Proxima Centauri taumelt“, murmelt sie. Denn die Space-Navy-Basis dieses dem Solsystem benachbarten Sonnensystems war es, die das Objekt mit seinem direkt auf das Proxima-Centauri-System ausgerichteten Flugvektor zuerst im Fern-Scan aufgefangen hat.

„Neue Statusmeldung an Centauri- und Terra vorbereitet, Sir“, meldet der Kommunikationsoffizier, ein dunkelhäutiger Mann mit einem strengen Haarzopf. „Absetzen!“, kommandiert Dubois. Der Funkspruch wird noch unterwegs sein, wenn die Darc mutmaßlich längst wieder im heimischen Solsystem eingetroffen ist. Sogar einen Zwischenbericht für die Space Navy-Basis auf Proxima Centauri wird sie unterwegs abgeliefert haben. Denn Raumschiffe bewegen sich deutlich schneller als ihre abgesetzten Funksprüche. Aber für eventuell nachrückende Verstärkung sind solche Statusmeldungen natürlich wichtig. Eben wenn das Raumschiff einmal nicht zurückkehren sollte.

Eine Detaildarstellung des fremden Schiffes erscheint jetzt im Holobecken. Captain Dubois runzelt die Stirn und steht von ihrem Sessel auf, um auf die holografische Wanne zuzugehen. „Diese Unterteilungen. Sind das… Stasekapseln? Oder was könnte das sein?“ „Ich erhalte neuen Detailscan, Skipper“, antwortet Arkay salopp. Er zögert. „Da ist organische Restmaterie in den Kapseln, Ma’am.“ Dubois schluckt deutlich hörbar. „Das ist doch nicht etwa…“, sie stockt, „… ein defektes Siedlerschiff?“ Sie hätte fast „mit einer toten Crew“ hinzugefügt, spricht es aber nicht aus. „Irgendwelche Energieabstrahlungen? Taktik, scannen Sie detailliert auf Waffensysteme.“ Die taktische Offizierin, eine drahtige Frau asiatischen Aussehens mit kurzgeschnittener Ponyfrisur, bestätigt. Sekunden später vermeldet sie ein negatives Ergebnis. „Keine Waffensysteme erkennbar, Ma’am. Keinerlei Energiesignaturen.“ „Bestätigt, Energiesignaturen negativ. Keine aktiven Energiequellen“, fügt der OPS-Offizier an. Dubois nickt. Das Ergebnis war zu erwarten. Das Schiff hat einen ganz und gar zivil aussehenden Aufbau. Ganz anders als die Jeanne D’Arc, die sich ganz im Sinne ihrer Namenspatronin keine Mühe macht, ihre militärische Ausrichtung zu verbergen. Die Korvette hat einen grob keilförmigen Aufbau, der links und rechts riesige, röhrenförmige Waffensysteme mittels eines Querträgers angesetzt hat. Die gewaltigen Disruptoren, deren zerstörerische Strahlung durch die Auslagerung vom Rumpf des Schiffes ferngehalten wird.

Captain Dubois geht langsam zurück in Richtung ihres Kommandosessels, da fängt sie der Erste Offizier ab. Commander Jae Park, ein hochgewachsener Koreaner, wendet sich leise an sie. „Captain, geht es Ihnen gut?“ Ihm ist aufgefallen wie bleich die Kommandantin ist. „Park von der Darc“ ist ein Wortspiel, das die Crew hinter seinem Rücken zu gerne macht, wie er weiß. Dubois räuspert sich. „Natürlich geht es mir gut, Mister Park“, sagt sie lauter, als es erforderlich wäre. „Bringen Sie uns bis auf tausend Kilometer ran. Relativer Stillstand. Wir sehen uns das genauer an. Und bereiten Sie ein Droiden-Außenteam unter Ihrem Kommando vor.“ „Ja Ma’am”, bestätigt Park. Und an die Navigatorin gewandt, „Fähnrich, Kreiselkurs beibehalten. Volles Bremsmanöver, auf tausend Kilometer Äqui-Distanz im rechten Winkel zur Längsachse!“ Damit wird sich die Darc in einem klassischen Manöver an der Steuer- oder Backbordseite des Fremdschiffes positionieren. Sie wird ihren Restschub dazu verwenden, konstant parallel neben dem sich langsam bewegenden Fremdschiff bleiben. Ein typisches Manöver, das den Vorteil bietet, dass die Hauptdisruptoren der Darc damit im Falle eines Falles reichlich Zielfläche zur Verfügung haben.

„Sie haben die Conn, Mister Park. Ich bin in meinem Quartier“, erklärt Dubois mit belegter Stimme. „Captain verlässt die Brücke“, meldet die KI über die Deckenlautsprecher. „Aye, Aye Captain“, bestätigt Park. Der mitgenommene Zustand seiner Kommandantin ist ihm nicht entgangen.

„Mister Arkay, sind wir sicher, dass es ein Siedlerschiff war oder jedenfalls eines für den Stasetransport vieler Passagiere?“ Der OPS-Offizier macht ein ratloses Gesicht. „Die Scans würden das nahelegen, Sir. Aber ohne an Bord gewesen zu sein und genauer zu wissen, was in den Kapseln ist oder besser war, ist das noch nicht mit Sicherheit zu sagen.“ Park nickt. „Mister Demark, Schiff-zu-Schiff! Wir wollen uns vorsichtshalber anmelden. Nur für den Fall, dass man sich da nur totstellt.“ Kurz darauf beginnt der Erste Offizier seine Ansprache, die er von der Mitte der Brücke hält. „Fremdes Schiff. Hier spricht der kommandierende Offizier vom Dienst Jae Park des Föderationsschiffes Jeanne D’Arc, …“ Der Funkspruch wird unbeantwortet bleiben.

05:39 Uhr, Mittwoch, 29.09.2238 Greenwich-Erdzeit

13:44 Uhr, 05.03.101 Bordzeit EFS Jeanne D‘Arc

45 Lichtjahre von der Erde, 50 km neben dem unbekannten Schiff

Captain Dubois

Die Jeanne D’Arc hat nur 50 Kilometer vom fremden Schiff entfernt Position bezogen. Commander Park geht im Zentrum der Brücke unruhig vor dem leeren Kommandantenplatz auf und ab. Der Hauptbildschirm von der Größe einer kleinen Kinoleinwand zeigt das von Sonden eingefangene und elektronisch aufgehellte Bild des fremden Schiffes. Ein stumpfgrauer, zigarrenförmiger Leib. Langgestreckt und mit offensichtlich kleineren Schäden, die wohl auf Meteoriteneinwirkung zurückzuführen sind. Fähnrich Lavera sitzt mit dem Rücken zum Commander. In der Position des Officer of the Deck ist er für die Sicherheit des Schiffes zuständig und kontrolliert an einem der Universalarbeitsplätze gerade die Außenhülle der Darc. Eine Sonde, die um das eigene Schiff herumfliegt, übermittelt ihm die Außenansicht auf einem Bildschirm. Er sieht das Schiff von vorn, wie es der Sonde ihre beiden Disruptorausleger mit den Abstrahlöffnungen entgegenstreckt, sieht das raketenartige Logo der Space Navy im Ährenkranz auf der oberen Stirnfläche des keilartigen Rumpfs des Schiffes. Deutlich sind darunter die Schriftzüge EARTH FEDERATION SPACE NAVY und noch tiefer EFS JEANNE D’ARC zu erkennen. Die Sensoren der Sonde bestätigen, was auch die internen Sensoren des Schiffes zeigen. Dass keinerlei Beschädigungen vorhanden sind. Das kompakte Kriegsschiff, das die Darc darstellt, ist in Bestform. Commander Park sieht sich um. An den Konsolen sitzt die Belegschaft der Beta-Wache und geht gleichmütig ihrer Tätigkeit nach. Der ein oder andere wirft hin und wieder mal einen Blick auf den Hauptschirm. An der OPS-Station wird immer noch gescannt. Es geht insbesondere darum, biologische Signaturen zu entlarven. Sei es von doch noch verborgenen Lebensformen oder von Mikroorganismen, die einem späteren Außenteam gefährlich werden könnten. Park seufzt. Captain Dubois hat ein maximales Sicherheitsprotokoll mit unzähligen vorbereitenden Scans angeordnet, bevor erst einmal das Droiden-Außenteam wirklich ausgeschleust wird. Es kommt ihm übertrieben vor, dieses treibende Wrack solchen mehrfachen Sicherheitsprozeduren zu unterziehen. Diskret stellt er über sein elektronisches Hirnimplantat eine Verbindung zum einfach KI genannten Hauptrechner der Darc her. „Hat der Captain mittlerweile ihr Quartier verlassen?“ Die Anfrage geht gedanklich und lautlos an Parks Implantat und von dort an die KI. Er erhält sofort die Antwort, dass das nicht der Fall ist. Er seufzt. Wie er schon befürchtet hat, scheint die Konfrontation mit einer Art von Siedlerschiff den Captain stark emotional belastet zu haben. Oder besser die anstehende neuerliche Konfrontation mit Stase- oder anderweitigen Überlebenskapseln, in denen eben niemand überlebt hat. Er tritt an den Officer of the Deck heran. „Alles in Ordnung, Mister Lavera?“ Der bestätigt sofort. „Haben Sie ein Auge auf mein Schiff, Mister. Ich werde … für einen Augenblick die Brücke verlassen und etwas mit dem Captain besprechen.“

„Aye Sir.“

„Und noch etwas, Mister Lavera. Ihr Versetzungsgesuch wieder zurück auf die Moondreamer, das war doch ein Witz, oder?“

Lavera sieht den Commander erstaunt an. „Nein Sir. Natürlich nicht. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, möchte ich in der Tat wieder zurück. Ich habe die Big M ja nur verlassen…“, er zögert. „Nun ja, wegen eines Missverständnisses mit dem Admiral.“ Big M, das gebräuchliche Kürzel für das legendäre Schiff Moondreamer. Park nickt. „Richtig, ich habe davon gehört. Er hat Ihre Freizeituniform oder wie man das nennen soll übelgenommen, oder?“ Lavera macht eine ausweichende Kopfbewegung. „Übel genommen ist eigentlich nicht das richtige Wort. Admiral Brander wirkte kurzzeitig eher … verwirrt von meiner Uniform.“ Park grinst schief. „Hat schon etwas für sich, in der Freizeit entweder Uniform oder Zivil zu tragen, Mister Lavera.“

„Natürlich Commander. Allerdings bin ich Mitglied bei der Church of Star Trek und da sind wir angehalten, in der Freizeit…“, beginnt er, doch Park unterbricht ihn. „In Klamotten aus einer uralten Fernsehserie rumzulaufen, ich weiß.“

„Bei allem Respekt, Sir. Die Darc ist ein erstklassiges Schiff und wir haben sehr spannende Aufklärungsaufgaben. Und außer diesem Fähnrich Toleman, dem Rudergänger, macht auch niemand Witze über meinen Glauben. Aber auf dem legendären Schiff zu dienen, das die Föderation sozusagen gegründet hat, der Big M eben, das ist natürlich eine Nummer für sich.“ Park schüttelt den Kopf.

„Aber die Moondreamer wird doch von Commander Saskia Petrova meist nahe der Erde geparkt und darauf warten, dass der Admiral sein sozusagen privates Schiff einmal braucht. Nichts mehr mit spannenden Missionen, denke ich.“

„Aye. Der Admiral hat die Moondreamer nach dem Refit weiter zur Verfügung. Aber ich denke, das Schiff wird weitere Missionen bekommen, auch unter Petrova.“

Park seufzt. „Kann schon sein. Obwohl ich gehört habe, das Oberkommando soll das Schiff bald erst einmal gewissermaßen sezieren wollen. Und die Crew verhören. Von wegen Regelverstöße von Brander.“ Lavera kichert bei der Bemerkung. „Wenn Sie mir die kesse Bemerkung verzeihen, Sir. Admiral Brander ist ein einziger Regelverstoß. Ein lebender Bruch der Dienstvorschrift vom Scheitel bis zur Sohle sozusagen. Aber er hat mir privat versichert, dass er nichts gegen meine … Freizeituniform hat, wie Sie es nennen.“ Park nickt. „Nun gut Mister Lavera. Jeder ist seines Glückes Schmied. Und nehmen Sie das mit Fähnrich Toleman nicht zu ernst. Der macht über alles schräge Witze.“

Park geht in Richtung des Ausgangs der Brücke. „Lieutenant Wilkins, Sie haben die Conn“, erklärt er in Richtung der Taktischen Konsole. „Kommandant verlässt die Brücke“, schallt es von der KI aus den Deckenlautsprechern.

Captain Dubois empfängt den Commander in ihrem Quartier. Es ist deutlich größer als ein normales Offiziersquartier auf der Darc, aber immer noch eine Nummer kleiner als sein Gegenstück auf einer Moondreamer-Klasse Fregatte, wie Park wieder mal wieder feststellt. Denn Park kennt die Fregatte Siegfried dieser Klasse noch von einer früheren Dienstzeit her. Die Siegfried, die seit dem Nanitenkrieg verschollen ist, lange nach Parks Dienst dort.

In Dubois‘ Quartier ist alles untergebracht. Ein Schreibtisch mit Arbeitsstation, eine Sofaecke und im hinteren Teil und sogar das Bett mit einem Durchgang in die Nasszelle. Die ausfahrbare Paravent-ähnliche Wand ist nur teilweise hervorgezogen und lässt den Blick auf ein mittelmäßig gemachtes Bett frei. Dubois ist ziemlich aufgelöst. Die Haare durcheinander und das Gesicht etwas bleich.

„Nimm Platz, Jae.“ Dubois deutet auf das Sofa. Park setzt sich.

„Jessica. Ich habe den Eindruck, dass dir diese Sache mit dem Schiff sehr nahe gegangen ist.“ Die vertrauliche gegenseitige Anrede, die der Captain und ihr Erster Offizier für die Augenblicke reserviert haben, bei denen niemand anders zugegen ist, bringt sie dazu, jedwede Maske fallen zu lassen. Sie sinkt förmlich auf dem Sofa in sich zusammen. „Gut…“, beginnt sie zögerlich. „Ich hatte gehofft, nie wieder mit dysfunktionalen Stase- oder Kryokisten oder irgendetwas in der Art konfrontiert zu werden. Nach der Sache mit der Horizon Starferry habe ich in der Hinsicht wirklich genug. Sie versucht ein entschuldigendes Lächeln. „Ich erinnere mich gut an den Tag“, gibt Park düster von sich. Er weiß alles nur zu gut, wie wohl jeder auf der Darc. Die Horizon Starferry, ein Siedlerschiff, das von einem religiösen Kult dank der Spende eines sympathisierenden Milliardärs gekauft worden war. Ein umgebauter Frachter. Alles sauber gemacht und für eine Gesamtzahl von einhundert Seelen zugelassen. Der Kult hatte sich in der Tradition von Heaven’s Gate gesehen. Einer Sekte, die kurz vor dem Jahr 2000 Massenselbstmord begangen hatte, um vergeistigt ein angebliches Ufo ins Paradies besteigen zu können. Nun, der Star-Horizon genannte Nachfolgekult des Jahres 2236 war wesentlich praktischer veranlagt. Ein als Siedlerschiff umgebauter Frachter sollte etwa dreihundert Kultisten wirklich ins All bringen, um dort ein spirituelles Paradies zu finden. Eine verlassene Installation einer Mormonengruppe, die auf einem Stein- und Sandplaneten mit dünner Atmosphäre an der Wasserversorgung gescheitert und längst wieder nach Utah zurückgekehrt war, war das Ziel der Horizon Starferry. Man hatte sogar einen Plan gehabt, wie man es besser als die Mormonen machen würde. Mit dem zu vierhundert Licht fähigen Frachter hätte die Reise nur ein halbes Jahr Bordzeit dauern sollen. Nur etwa vier Tage gesehen vom Normalraum aus, denn wie alle Föderationsschiffe hätte auch der private Frachter die Zeitflussabweichung im Plus-100 Universum für sich positiv ausgenutzt. Die Kultisten hatten sich entschieden, die Zeit nicht in Stasekapseln zu verbringen. Nein, man hatte genug Stahlbarren als Grundstoff für die atomaren Manipulatoren mitgenommen, so dass genug Wasser und Nahrung hätten hergestellt werden können. Man wollte über sequenziertem Brot, Wasser und Wein fasten und beten, während im Normalraum nur ein paar Tage vergangen wären. Auch normale Nahrung wäre natürlich aus dem Manipulator kommen. Man wollte sozusagen eine Auszeit für Gott nehmen. Doch dann war eine andere Auszeit über das Schiff hereingebrochen. Die durch die zu hohe Passagierzahl überlastete Energieversorgung war zusammengebrochen. Einhundertfünfzig Lichtjahre von der Erde entfernt trieb die Horizon durch den Plus-100 Hyperraum. Ohne Energie, als nach ein paar Tagen die Batterien leer waren. Nach Erdzeit waren es nur neun Tage gewesen, bis die Jeanne D’Arc das Siedlerschiff gefunden hatte. Aber nach der Bordzeit der Horizon waren 900 Tage vergangen. Als das Außenteam der Darc an Bord der Horizon kam, die dunkel und tot durch den Hyperraum trieb, war es kein schöner Anblick, den das Außenteam vorfand. Die Horizon hatte sich in ein Totenschiff verwandelt. Und der Übergang vom Leben zum Tod war alles andere als leicht gewesen. Ein Umstand, der umso schrecklicher war, als dass viele Kinder an Bord gewesen waren. Kühlräume, in denen die spärlich mitgenommenen echten Lebensmittel von der Erde untergebracht waren, waren mit regelrechten Barrikaden versehen worden. Hier fand man mumifizierte Leichen in dem dunklen Schiff. Erhellt nur von den Handstrahlern des Außenteams der Darc lagen sie in allen möglichen Zuständen in den Überresten der schnell errichteten Barrikaden. Die Resthitze der Triebwerke war im Schiff lange genug präsent gewesen, um die Kälte des Raumes aufzuhalten. Und um es zu ermöglichen, im entstandenen Chaos an zahlreichen Verletzungen oder am Hunger zu sterben. Die Manipulatoren waren in der Verzweiflung der Leute sogar aufgebrochen und ausgeweidet worden. Ein völlig sinnloses Unterfangen, denn ohne Energieversorgung ist nichts Essbares in ihnen enthalten. Aber im Hungerwahn hatten die Leute diese Verzweiflungstaten begangen. Ganze Familien waren in verschlossenen Kabinen gefunden worden, eng aneinander geschlungen und durch die Schwerelosigkeit treibend. Niemand hatte an tragbare Notfallgeneratoren gedacht. Dabei stand eine solche Technologie zur Verfügung. Praktisch unendlich konnten solche Generatoren ein höheres Kontinuum anzapfen, um das Energiegefälle zwischen Einsteinraum und dem fremden Raum zur Energieerzeugung zu nutzen. Genau wie die normalen Triebwerke ihren Energieanteil für die Energie- und Antienergie-Reaktion bezogen. Solange die Hauptenergie von den Triebwerken zur Verfügung stand, hatte keine Notwendigkeit für solche Nebenaggregate bestanden. Wie bitter notwendig sie im Falle eines kaskadischen Systemversagens war, hatten Passagiere und Besatzung der Horizon später erfahren. Als Captain Dubois an Bord gekommen war, waren gerade die wenigen Stasekapseln entdeckt worden, die das Siedlerschiff an Bord hatte. Nun verfügten diese Wunderwerke der Technik über eine eigene Energieversorgung. Eben das war ja das große Energiewunder des späten 21. Jahrhunderts gewesen, als die Firma TTT mit ihrem charismatischen Gründer Alexandre Gerad die sogenannte XU-Technologie eingeführt hatte. XU wie Extra-Universal. Ein höheres Kontinuum konnte zwecks Energiegewinnung einfach angesaugt werden; selbst in einer kleinen Stasekapsel. Nur, dass die verzweifelten Leute der Horizon diese XU-Generatoren der Kapseln leider an das kollabierende Bordnetz ihres Schiffes angeschlossen hatten. So waren die Generatoren durchgebrannt, wie auch alle anderen an Bord des untergangsgeweihten Schiffes. Die wenigen Stasekapseln, Schneewittchensärgen nicht unähnlich, waren mit Tüchern abgedeckt worden. Wer immer sie dort auch hingetan hatte. Captain Dubois hatte höchstselbst das erste angehoben. Was sie darunter gesehen hatte, durch die beschlagene, transparente Scheibe, hatte sie erstarren lassen. Die Gestalt war einmal ein Mensch gewesen. Ob Mann oder Frau war nicht mehr erkennbar. Was auch immer mit dem Stasefeld geschehen sein mochte, war hinterher vom Chefingenieur der Darc gemutmaßt worden. Niemand hatte ihm wirklich zuhören wollen. Irgendetwas wie fluktuierende Molekülbewegungen durch ein kollabierendes Stasefeld. Am Ende hatte irgendetwas, das grob Richtung Mensch ging, von innen verzweifelt gegen den durchsichtigen Deckel gedrückt, als der Tod endlich gekommen war. Der Mensch in der Kiste war wie aus grauem Material und teilweise fraktalartig verzerrt. Als sei er in seiner Molekülstruktur komplett durchgeschüttelt oder nach irgendwelchen magnetfeldartigen Phänomenen verzerrt worden. Auch Commander Park wird den Anblick nie wieder in seinem Leben vergessen. Aber Captain Dubois hatte es so mitgenommen, dass sie danach recht viele Therapiesitzungen benötigt hatte.

Dubois sieht ihn lange an. „Wir sind auch nicht die Richtigen, um diese Sache zu untersuchen“, gibt sie zögerlich von sich. „Ich meine, wir sind ein Patrouillenschiff. Unser Dauerauftrag ist, besondere Phänomene zu untersuchen. Wenn es keine militärische Bedrohung gibt, geben wir den Fall an andere Schiffe weiter. Die Moondreamer-Klasse hat natürlich viel bessere Labore als unser kleines Schiff. Von richtigen Wissenschaftsschiffen ganz zu schweigen.“ Die Miene des Captains hat sich merklich aufgehellt. Doch Parks Gesichtsausdruck ist ein ganz anderer. „Nun, ich denke, wir sollten… die Sache noch etwas untersuchen. Scans allein können nicht ganz ausschließen, dass nicht doch noch etwas nachkommen könnte…“

Er unterbricht sich, als Dubois aufsteht und sich ihre Uniform strafft. „Natürlich, Commander, natürlich. Ich setze mein volles Vertrauen in Sie. Lassen Sie OPS noch scannen, bis sich Tactial und der Officer of the Deck einig sind, dass wir in Punkto Sicherheit im Bilde sind. Dann stellen Sie ein Außenteam zusammen und verschaffen sich Klarheit, Commander. Erst Droiden, dann Crew.“

„Natürlich Captain.“ Park ist klar, dass er entlassen ist. Draußen auf dem Flur ist er erleichtert, das Gespräch hinter sich gebracht zu haben. „Scannen wir den leeren, toten Kahn eben noch ein fünftes Mal“, murmelt er vor sich hin. Zurück auf der Brücke sieht ihn ein weiblicher Fähnrich, der im Zentrum der Brücke steht, erwartungsvoll an.

„Sie haben die Conn, Mister Kaiser“, erklärt er der braunhaarigen Frau und setzt sich auf den Kommandoplatz im hinteren Teil der Brücke. Wie in der Flotte üblich verwendet er die Anrede Mister auch für weibliche Crewmitglieder. Plötzlich piept etwas penetrant an der OPS-Konsole rechts auf der Kommandobrücke. Die OPS-Offizierin der Beta-Wache, eine jung aussehende Frau mit blondem Bürstenhaarschnitt, schreckt förmlich auf ihrem Sitz hoch, als gleich darauf Alarm aufheult. Die Alarmleuchten über dem Doppelschott und rechts und links neben dem Hauptbildschirm leuchten gelb auf. Sofort verstummt der Alarm wieder, während die Lampen weiter gelb aufblinken.

„Eine… winzige Energiefluktuation im Zentrum des fremden Schiffes. Deck dreizehn, Sir.“

„Wie winzig, Fähnrich?“ Park ist aufgestanden und geht auf die OPS-Konsole zu. OPS-Offizierin-vom-Dienst Aston läuft rot an. „Sehr winzig Sir, eher Taschenlampenstärke, wenn Sie den Vergleich entschuldigen.“ Park grinst säuerlich. „Nun, wenn wir aggressive Luminos oder durchgedrehte Grey-Fraktionen treffen, dann läuft hier alles sehr professionell. Aber sowie wir ein praktisch totes Wrack im Raum antreffen, dann muss ich mir…“ Sein Satz bleibt unvollendet, als sich das Doppelschott der Brücke öffnet und Captain Dubois mit rotem Kopf sehr aufgeregt hereinstürmt. „Commander! Bericht!“

Die Besprechung der Stabsoffiziere im brückennahen Stabsbesprechungsraum verläuft zäh. Offenkundig drängt Captain Dubois nun doch darauf, die Untersuchung des Schiffes möglichst schnell und möglichst per Scan abzuschließen. Sie will schnell an ein anderes Schiff zur detaillierten Erforschung übergeben. „Captain. Ich denke, es handelt sich hier um eine herausragende Entdeckung. Ich meine“, stockt OPS-Offizier Arkay, „es handelt sich vermutlich um ein Siedlerschiff oder etwas in der Art. Jedenfalls eines, wo Passagiere oder Crew lange Zeit in Stase- oder Schlafkapseln eingelagert waren.

„Das wissen wir, Lieutenant“, winkt der Captain ab. „Und…“, fährt Arkay fort, „das Schiff könnte von einer uns unbekannten Spezies stammen. Es wäre faszinierend und für die Föderation vermutlich wichtig, den Ursprung des Schiffes zu kennen.“

„Und der Kurs des Schiffes kommt direkt aus dem galaktischen Leerraum aus Richtung der Andromeda-Galaxis“, hilft die Navigatorin Lieutenant Jamison aus. Captain Dubois wirft ihr einen missbilligenden Blick zu. „Mister Arkay, wie alt ist das unbekannte Schiff nach unseren Scans?“ Der OPS-Offizier räuspert sich. „Bei der Distanz lässt sich das nicht präzise feststellen, aber zwischen 250 und 1000 Jahre ist eine grobe Abschätzung, Captain.“ Dubois nickt befriedigt. „Dann ist es unwahrscheinlich, dass es aus Andromeda kommt. Denn bei der Kometengeschwindigkeit des Wracks hätten auch hunderte Millionen von Jahren nicht genügt, um hier anzukommen. Eher Milliarden Jahre, wenn ich das überschlage. Abermilliarden ehrlich gesagt.“ Commander Park räuspert sich. Er sieht in die Runde. „Also, das Schiff ist sicherlich aus unserer Galaxis gekommen und hat nur einen bogenförmigen Kurs durch den Leerraum genommen. Oder einen Zickzack-Kurs. Vor ein paar Jahrhunderten ist es dann wegen einer Störung oder warum auch immer in den Normalraum zurückgekehrt und treibt seither durch den Raum.“ Er pausiert. „Ich denke, nach dem vorhin erfolgten Abschluss der Scans wäre wie von Ihnen bereits vorgeschlagen, zunächst eine Sichtung durch Droiden sinnvoll. Dadurch könnten wir auf der Brücke hier einen guten Eindruck vom Inneren des Schiffes gewinnen. Materialproben würden entnommen, das Alter genauer bestimmt und dann entschieden, ob ein Crew-Außenteam an Bord geht. Interessant ist sicher auch, ob und wieso es Proxima Centauri anfliegen wollte. Wegen der alten Ancient-Navybasis dort vielleicht?“ Arkays Miene hellt sich deutlich auf und er nickt. Captain Dubois holt tief Luft. „Natürlich Commander, ich verlasse mich darauf, dass Sie das … durchführen und mir Bericht erstatten.“ Schnell ist die Versammlung beendet und noch in der Tür hört Commander Park deutlich, wie Arkay und Jamison etwas von „Es müsste doch selbstverständlich sein, da ein Außenteam rüberzuschicken“ flüstern. Als sich Park auch zum Gehen wenden will, hält ihn Captain Dubois zurück. „Commander, auf ein Wort.“

Kurze Zeit später windet sich Park unangenehm berührt auf einem der bequemen Stühle am Besprechungstisch.

„Hat er das wirklich gesagt?“

„Ja Mister Park. Chief Petty Officer Berkin hat zwar vermieden, Sie namentlich zu nennen. Aber seine Andeutungen waren doch verständlich genug. Ein männlicher Führungsoffizier, der Probleme mit den Vorschriften hinsichtlich der privaten Frachtstücke im Offiziers-Privatlagerraum hätte. Erst auf meine Nachfrage hin hat er präzisiert, dass es um Reiswein und koreanischen Kohl ging. Was die Anzahl der Verdächtigen ziemlich eingeschränkt hat.“

Park räuspert sich. „Kim-Chi. Gut, da wird er mich meinen.“

Dubois grinst schief. „Er deutete noch mehr Güter an, die regelwidrig behandelt worden wären, wollte aber nicht ins Detail gehen.“

„Gut Captain, ich werde mit Berkin reden.“

„Und wenn Sie schon dabei sind, machen Sie Berkin klar, dass ich als Skipper dieser Korvette nicht unbedingt mit so geringen Problemen behelligt werden will. Allerdings war dieser Berkin doch so insistierend, dass ich mich gezwungen sah, dieses Gespräch mit Ihnen führen zu müssen, Mister Park.“

Park räuspert sich. Der Kontrast zu sonst vertraulichen Gesprächen zwischen ihm und dem Captain fällt ihm deutlich auf. Er erhebt sich, als es auch Dubois tut. „Natürlich, ich werde das mit dem Chief lösen, Captain.“

Commander Park

Es sind keine drei Minuten, in denen Commander Park nicht gerade bester Laune vom Stabsbesprechungsraum auf Deck Vier zu seinem Quartier auf demselben Deck geht, als Roter Alarm durch den Korridor und das ganze Schiff gellt. Zwar wird die nervtötende Sirene nach dreimaligem Erklingen abgeschaltet, aber die grellroten Lampen überall an den Wänden verheißen nichts Gutes. Dann erklingt „Eindringlingsalarm“ von den Deckenlautsprechern. Eine Meldung, die Park auch schon über sein Implantat erhalten hat. Es sind die dazu gelieferten Bilder vom Eindringling, die ihn in höchste Alarmstimmung versetzen. Als er Augenblicke später zusammen mit anderen Offizieren durch das geöffnete Schott der Brücke läuft, findet gerade der Austausch der Offiziere vom Dienst der gerade aktuellen Gammawache mit der sogenannten Vollcrew statt. So dass die jeweiligen Sektionschefs ihre Stationen einnehmen. Captain Dubois ist bereits da. Der große Hauptschirm zeigt den Eindringling in der Perspektive einer Deckenkamera. „Was zur Hölle ist das, oder besser: wer?“, entfährt es gerade Dubois, als Park zu ihr hastet. Mit rotem Kopf bleibt er neben ihr stehen und sieht auf das Bild. Es zeigt klar erkennbar eine junge Frau, deren kurze, blonde Haare zu einem durchgestylten Bubikopf frisiert sind und die ein langes blaues Kleid trägt. Eines, das tief ausgeschnitten ist, so dass die Deckenkameras immer wieder einen entsprechenden Blick in den Ausschnitt gewähren. Das sehr luftige, lange Kleid hat außerdem einen sehr langen Schlitz, so dass ein wohlgeformtes nacktes Bein immer wieder zu sehen ist. Die junge Frau ist außerdem barfuß und sieht immer wieder nervös auf die roten Alarmleuchten an den Korridorwänden.

„Äh… Captain. Ich glaube, ich muss da etwas erklären.“ Captain Dubois’ Kopf fährt ruckartig zu ihrem Ersten Offizier herum. “Immer noch keine Lebenszeichen von ihr feststellbar!“, ruft Lieutenant Arkay von der OPS-Konsole aus. „Kampfdroiden ausgeschleust, nähern sich Position!“, schallt es von der Taktik, wo Lieutenant-Commander Debora Lee den Eindruck macht, die Sache persönlich zu nehmen. Rot genug ist ihr Gesicht jedenfalls angelaufen.

„Nicht schießen! Sie ist harmlos!“, ruft Commander Park und wirft seiner Kollegin an der Taktik einen förmlich flehenden Blick zu. „Keine Besucher auf Schiff verzeichnet“, ist plötzlich eine sich leicht überschlagene Stimme zu hören. Alle drehen sich zu Fähnrich Lavera um, der in einer rot-schwarzen, pyjamaähnlichen Fantasieuniform auf der Brücke steht. Der Officer-of-the-Deck, der für die Sicherheit des Schiffes unter Führung der Taktischen Offizierin zuständig ist, läuft rot an. „Das haben wir uns gedacht, Fähnrich“, entgegnet Captain Dubois scharf. „Gehen Sie in Ihr Quartier und wechseln sie in eine reguläre Uniform, Mister!“ Lavera bestätigt zackig und verlässt die Brücke.

„Alarm aufheben, es besteht keine Gefahr!“, verkündet unterdessen Commander Park lauthals. Mittlerweile hat sich die Frau auf dem Hauptschirm den Deckenkameras zugewandt. Im perspektivisch verzerrten Weitwinkelbild erscheinen ihr Kopf und ihr tiefer Ausschnitt übergroß.

„Hallo! Ist da jemand? Also, wenn ich der Grund für den Alarm sein sollte, dann kann er aufgehoben werden. Ich bin völlig harmlos.“ Captain Dubois atmet tief durch und wirft ihrem Ersten Offizier einen kurzen Seitenblick zu. Der will etwas sagen, wird allerdings durch ein energisches „Schweigen Sie!“ zum Verstummen gebracht. „Security auf die Brücke?“, fragt die Taktische Offizierin, wird allerdings von allen ignoriert. Captain Dubois wendet sich direkt an das übergroße Bild der attraktiven blonden Frau.

„Wer sind Sie und was tun Sie auf meinem Schiff? Hier spricht der Captain.“ Die kurzhaarige Frau auf dem Bildschirm lächelt unsicher in die Deckenkamera. „Also, ich bin…“, sie zögert, „das Eigentum von Commander Park.“ Alle Köpfe gehen zu Park herum, der sofort einen noch röteren Kopf bekommt als er ohnehin schon hatte und laut vernehmlich schluckt.

13:20 Uhr, Mittwoch, 29.09.2238 Greenwich-Erdzeit

21:25 Uhr, 05.03.101 Bordzeit EFS Jeanne D‘Arc

Captain Dubois

Captain Dubois geht durch den backbord gelegenen Durchgang in den kleinen Bereitschaftsraum des Captains. Commander Park folgt ihr schnell und bemüht sich, das Getuschel der restlichen Brückencrew zu ignorieren. Unterdessen hastet ein Lieutenant Junior-Grade auf die Brücke, der die Taktische Offizierin an ihrer Konsole ablöst, die ihrerseits auf dem Kommandantensitz platznimmt. „Lieutenant-Commander Lee hat das Kommando“, tönt die emotionslose Stimme des Bordrechners von der Decke. Im Bereitschaftsraum setzt sich Dubois nicht an ihren Schreibtisch, sondern bleibt vor einem großen Monitor stehen, der als Gegenstück zum Hauptschirm auf der Brücke ein künstlich aufgehelltes Bild des fremden Schiffes zeigt.

„Commander Park, wir haben eigentlich schon genug Probleme.“ Sie zeigt auf die düstere Silhouette des tot im Raum treibenden Schiffes. „Und da ärgern Sie nicht nur den Lager-Chief mit nicht richtig deklariertem Reiswein und sonstigem Zeug, sondern schmuggeln auch noch einen Sex-Droiden an Bord meines Schiffes?“

Park schluckt. „Nun, Selina war…“, beginnt er, doch er wird sofort unterbrochen.

„Wer, Commander?“

„Selina. Meine … Begleiterin.“

Captain Dubois ist so wütend, dass sie buchstäblich mit dem Fuß

aufstampft. „Sie reden hier von einem verdammten Sex-Androiden, Mister!“ Doch Park sieht ihr fest in die Augen. „Selina… ist kein

einfacher Androide. Ihr Programm ist verändert!“ Jetzt bekommt Dubois große Augen.

„Herrgott Mann, wollen Sie unbedingt zum Fähnrich degradiert werden oder was ist das hier für ein Zirkus? Wenn das so weiter geht, schieben Sie bald Nachtschicht bei Terra Control. Und zwar ohne Sexdroiden, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

„Jawohl Ma’am. Aber…”

“Aber was?”