Das Schwert der Könige - Chris Wooding - E-Book

Das Schwert der Könige E-Book

Chris Wooding

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Beschreibung

Das Königreich Ossian wurde vor langer Zeit unterworfen. Jetzt müssen seine Bewohner unter der Herrschaft der krodanischen Eroberer leben, die Proteste und Revolten mit äußerster Gewalt unterdrücken. Der junge Aren und sein Freund Cade wachsen als Ossianer unter der Fremdherrschaft auf. Als die Krodaner Arens Vater wegen Hochverrats hinrichten, werden die beiden ins Straflager verbannt. Jetzt gibt es nur noch eins, das ihr Leben und die Zukunft ihres Landes retten kann – die Flucht und die Suche nach dem legendären Schwert der Könige von Ossian, der magischen Glutklinge. Das Abenteuer ihres Lebens beginnt …

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Seitenzahl: 1537

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CHRIS WOODING

Das Schwert

der Könige

DIE SAGA VON DUNKELWASSER

Erster Roman

Aus dem Englischen übersetzt

von Michael Siefener

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Ein erobertes Reich.

Ein legendäres Schwert.

Ein junger Held auf der Suche nach seinem Schicksal.

Zeit seines Lebens folgt der junge Aren den Sitten und Gebräuchen der Krodaner – jenem Volk, das sein Heimatland Ossia besetzte. Dann richten die Krodaner seinen Vater wegen Hochverrats hin und schicken Aren sowie seinen besten Freund Cade in die Minen – einen Ort, der schrecklicher ist, als die Hölle selbst. Schnell wird den beiden klar, dass sie des Todes sind, wenn es ihnen nicht gelingt, zu entkommen.

Auf der Flucht werden Aren und Cade von Garric gerettet, der durch einen heiligen Eid dazu gezwungen ist, Arens Leben zu schützen, obwohl er ihn abgrundtief hasst. Als unheimliche Wesen Jagd auf die Gefährten wider Willen machen und Aren immer tiefer in den schwelenden Konflikt zwi­schen Ossianern und Krodanern hineingezogen wird, erkennt er, dass sein Schicksal ein anderes ist, als er bisher dachte. Denn die Herrschaft Krodas bedeutet für Ossia nicht Freiheit und Kultur, sondern Unterdrückung und Sklaverei. Nur die sagenumwobene Glutklinge kann den Krieg entscheiden und Arens Volk seine Unabhängigkeit zurückgeben. Doch das Schwert ist in der am stärksten bewachten Burg des ganzen Reiches weggeschlossen. Und genau dorthin führt Aren seine gefährliche Reise – zum Schwert der Könige …

Der Autor

Chris Wooding wurde 1977 in Leicester, England, geboren und studierte Literaturwissenschaften an der Sheffield University. Seinen ersten Roman veröffentlichte er mit einundzwanzig Jahren. Seither hat er über sechsundzwanzig Romane geschrieben, die in über zwanzig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Wenn er nicht gerade schreibt arbeitet Chris Wooding als Musiker und Drehbuchautor. Der Autor lebt und arbeitet in London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Titel der Originalausgabe:

THE EMBER BLADE – BOOK ONE OF THE DARKWATER LEGACY

Deutsche Erstausgabe 5/2019

Redaktion: Joern Rauser

Copyright ©2018 by Chris Wooding

Copyright ©2019 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Karte: Neil Gower

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München,

nach einem Motiv von Blacksheep Design Ltd.

Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

ISBN: 978-3-641-23977-0V001

www.heyne.de

@HeyneFantasySF

Für Anna

1

»Seid fest im Glauben und standhaft, dann werden wir gewiss ­unser Land befreien!«

Das hatte Edric vor weniger als drei Tagen gesagt, als er auf der Mauer der Festung in Salzfork gestanden und das Herannahen des Feindes beobachtet hatte. Und dort, Seite an Seite mit seinen Brüdern und Schwestern, mit stolzgeschwellter Brust und einem wü­tigen Trotz im Blick, hatte es sich auch wie die Wahrheit angefühlt.

Inzwischen jedoch wusste er es besser.

Der Wald peitschte und kratzte ihn, als er den schlammigen Hang hinaufhastete. Der Atem brannte in seiner Lunge, und in den Eingeweiden spürte er die kalte Faust des Schreckens. Dirk mühte sich hinter ihm durch das Unterholz, er war bleich vor Erschöpfung. Der ältere Mann befand sich am Rande seiner Kräfte, was an den herabhängenden Schultern und dem leeren Blick deutlich zu erkennen war.

Edric schleifte ihn die letzten Schritte hoch zum Hügelkamm, wo Dirk sich vornüberbeugte und die Luft einsaugte wie ein Mann, der beinahe ertrunken wäre. Ängstlich beobachtete Edric den Wald, während sich sein Gefährte allmählich erholte. In den Bäumen hallte laut der Vogelgesang, und taunasse Zweige regten sich im Licht der Morgendämmerung. Noch war nichts von ihren Verfolgern zu sehen, aber schon jetzt hörte er die Hunde des Kaisers zwischen den Bäumen.

»Du gehst weiter«, stieß Dirk atemlos hervor. Sein Blick glich dem eines toten Mannes. »Ich bin … am Ende.«

Edric kannte Dirk erst seit etwa einem halben Jahr und mochte ihn nicht besonders. Er war ein rauer Geselle, trank zu viel, spuckte gern auf den Boden und hatte jene Art von grobem Humor, bei dem Edric unbehaglich zumute war. Edric war ein enttäuschter junger Mann mit adligem Blut, der nach einer Möglichkeit suchte, zu sich selbst zu finden; Dirk hingegen war ein ungebildeter Eisenhändler, der nichts mehr zu verlieren hatte. Aber Salzfork hatte sie zusammengebracht und der gemeinsamen Sache verschworen. Auch wenn nun alles in Trümmern lag, Edric wollte nicht auch das noch auf­geben. Er richtete Dirk auf.

»Du wirst laufen«, sagte Edric. »Und wenn du das nicht kannst, werde ich dich tragen.«

Gemeinsam stolperten sie weiter.

Er hatte zwar schon immer gewusst, dass Salzfork sein Ende sein würde, aber er hatte sich dieses Ende dennoch anders vorgestellt. Fünfzig ihrer Leute hatten den Ort erobert – fünfzig, die es gewagt hatten, sich gegen die Unterdrücker zu erheben. Ihr Akt des Widerstands sollte der Funke sein, der das Feuer der Rebellion in seinem Volk entzündete. Er hatte nie damit gerechnet zu überleben, und doch hatte er gehofft, dass sein Name einmal in ruhmreichen Gesängen verewigt würde.

Doch nun würden die Barden ein ganz anderes Lied singen. Sie würden davon singen, wie der Widerstand der Bewohner dahingeschmolzen war, sobald die krodanische Armee in Sichtweite kam, und wie die Bewohner die Tore geöffnet und die Männer und Frauen zu verhaften versucht hatten, von denen sie in die Irre geführt worden waren. Man hatte gehofft, sie gegen die Gnade der Krodaner eintauschen zu können. Die Barden würden von einer chaotischen Flucht der Rebellen durch die Schmugglertunnel singen und auch davon, wie die Anführer um ihr Leben gerannt waren, als die Soldaten einmarschiert waren.

Sie würden von der Niederlage singen, und zwar in der Melodie, die ihre Herren vorgaben.

Er hatte gesehen, wie Renn von der Menge verschluckt wurde, als er versucht hatte, vernünftig mit ihnen zu reden. Ella war bei seiner Verteidigung gestorben – jemand hatte ihr einen Stein an den Kopf geworfen. Er wusste nicht, ob einer von den anderen überlebt hatte; in der allgemeinen Verwirrung hatte er alle außer Dirk verloren. Vielleicht würde es in einigen Tagen ein Treffen geben, vorbereitet durch eine Nachricht, die in einem der bekannten Verstecke hinterlegt war, aber er würde nicht da sein, um sie lesen zu können. Die Häscher des Kaisers hatten sie die ganze Nacht über gejagt und kamen ihnen mit jeder Stunde näher. Edric und Dirk wussten genau, dass sie keinen weiteren Sonnenuntergang mehr erleben würden.

Plötzlich ragte vor ihnen ein Tempel zwischen den Bäumen auf. Dieser Anblick brachte sie zum Halt. Die Außenmauern waren durch die Einwirkung des Waldes geborsten, und eine moosbewachsene Kuppel lag in Trümmern neben dem Eingang. Das Dach und die Gewölbe waren von der gefräßigen Zeit abgenagt worden, und doch erhoben sich noch immer die Mauern – als ein Andenken an ihre Schöpfer, ein elegantes Meisterwerk aus einer untergegangenen Welt.

Dirk schlotterten die Beine, und er fiel auf Hände und Knie. ­Edric starrte mit großen Augen den Tempel an. Die Erschöpfung hatte ihn aller Empfindungen beraubt – selbst seine Angst war gedämpft worden –, aber nun verspürte er ein Gefühl des Erstaunens, das sein hämmerndes Herz langsamer schlagen ließ.

Sein Volk war einmal groß gewesen. Kunst, Theater, Medizin, Architektur, Philosophie, Astronomie und Kriegskunst – in allem hatte es überragende Leistungen erbracht. Das Kaiserreich hatte alle bekannten Länder umfasst, und Ossia hatte als Heimat von Helden gegolten.

Aber das war die Vergangenheit, und die Vergangenheit lag inzwischen weit hinter ihnen. Das Kaiserreich war schon vor Jahrhunderten untergegangen. Ossia befand sich seit dreißig Jahren unter Krodas Joch – also länger, als Edric auf der Welt war. Er hatte niemals eine echte Freiheit kennengelernt, und so war er am Ende auf die Suche nach ihr gegangen.

Der Zusammenbruch des Salzfork-Aufstands und die lange und verzweifelte Nacht, die darauf gefolgt war, hatten seinen Glauben erschüttert. Immer wieder hatte er sich verflucht, weil er sein Leben für den einfältigen Traum von der Revolution aufs Spiel gesetzt hatte. Doch vor diesem stummen Monument fand er neue Kraft. Das Blut seiner Erbauer floss durch Edrics Adern, und eines Tages würde sein Volk die Fesseln sprengen.

»Auf die Beine!« Er riss Dirk hoch, der sich hängen ließ und dadurch doppelt so schwer wirkte.

»Überlass mich den Würmern«, keuchte er. »Das Rotäugige Kind kommt mich holen, ich spüre es.«

Edric deutete auf den Tempel, dessen dunkler Eingang inmitten verfilzter Ranken klaffte. »Wenn wir schon sterben müssen, dann im Hause unserer Vorfahren und mit den Neun im Rücken.«

»Die Neun!«, rief Dirk verbittert. »Wo sind sie denn jetzt?«

»Sie sind noch immer hier«, antwortete Edric und reckte das Kinn vor. »Dies ist ihr Land. Es war unser Land, und das wird es auch bald wieder sein.«

»Du bist ein Narr und außerdem ein Träumer, Edric«, erwiderte Dirk. »Das habe ich schon immer gedacht.« Dann zuckten seine Mundwinkel. »Wir brauchen viel mehr davon – von solchen wie dir.«

Der Pfeil traf Dirk mit einer so enormen Kraft, dass er ihn zu Boden warf. Er fiel mit dem Gesicht nach unten, und ein dicker Schaft mit schwarzen, schartigen Federn am Ende ragte aus seinem Rücken. Edric starrte ihn für eine Weile verständnislos und voller Verblüffung an – darüber, wie schnell der Tod gekommen war. Dann packte ihn der Schrecken, und er zog sein Schwert, wich zum Tempel zurück und suchte zwischen den Bäumen nach dem Feind. Er bemerkte aber nur Reglosigkeit und eine unheimliche Stille. Sogar die Vögel sangen nicht mehr.

Da draußen war etwas – eine Gegenwart, die sein Rückgrat in Eis verwandelte. Die Blätter zischten im Wind, der Wald schien vor Bösartigkeit zu brodeln.

Er rannte los, nahm je zwei Stufen der Treppe, die zum Tempel hinauf führte, und hatte gerade den oberen Absatz erreicht, als das eine Bein in einer Explosion des Schmerzes unter ihm nachgab. Er fiel auf die Steinplatten; das Schwert rutschte ihm aus der Hand, und er packte seinen Schenkel dort, wo die stachelige, blutige Spitze eines Pfeils herausschaute. Er schrie auf, während sich etwas in seinem Hals zusammenzog.

Taubheit und Verwesung schienen von dem Pfeil auszugehen, Fortsätze voller Fäulnis schlängelten sich in sein Fleisch, das zugleich brannte und erfror. Er versuchte aufzustehen und schrie erneut, als sich der Schaft im Bein bewegte. Ihm wurde schwindlig, und plötzlich wirkte alles fern und verschwommen.

Durch den Nebel, der vor seine Augen gezogen war, bemerkte er ein sanftes rotes Licht im Innern des Tempels. Ein Licht an diesem Ort, der schon so lange verlassen war und an dem er vorhin nur Dunkelheit gesehen hatte. Eine verzweifelte Hoffnung ergriff ihn. Ob sich dort drinnen jemand befand, der in der Lage war, ihn zu retten? Schickten ihm die Neun Erscheinungen hier, an diesem heiligen Ort, ein Zeichen?

Keuchend vor Schmerz zog er sich Zoll um Zoll über die Schwelle.

Der Wald hatte die Fenster verstopft, und dichte Schatten drängten sich zwischen den Säulen. Hoch droben im Mauerwerk regten sich leise die Vögel in ihren Nestern; sie schienen von demselben Schrecken überwältigt zu sein, der auch ihre Geschwister draußen zum Verstummen gebracht hatte. Statuen erhoben sich am Rande der Dunkelheit, aber das waren kaum mehr als ungestalte Haufen, mit verlorenen Händen und geglätteten Gesichtern. Er erkannte sie trotzdem.

Dort war Joha, der Reiherkönig, und da erhob sich die ungeschlachte, gedrungene Meshuk, die Steinmutter; und dort stand, mit aufgerissenem Rachen und im Kampf mit seinen Ketten, Azra der Plünderer, der Herr des Krieges.

Edric sprach ein stummes Gebet an die Neun Erscheinungen und kroch über die geborstenen Steinplatten. Jede Bewegung sandte neues Feuer durch die Wunde in seinem Schenkel. Einige Stufen führten tiefer in den dunklen Tempel hinunter. Die Quelle des roten Glimmens lag irgendwo dort unten.

Von seinen Verfolgern war zwar nichts zu hören, aber er versagte sich die Hoffnung, dass dieser uralte Ort die Fähigkeit besaß, seine Feinde fernzuhalten. Er konzentrierte sich ganz auf seine nächste Kriechbewegung, dann auf die danach, so lange, bis er das obere Ende der Stufen erreicht hatte. Das rote Glühen erhellte die Sockel der Säulen, doch noch immer blieb seine Quelle verborgen, verdeckt durch die zerbrochenen Stücke einer umgestürzten Statue.

Mit trockenem Mund und zitternden Armen glitt er die erste Stufe hinunter, und danach die zweite. Bei der dritten gab sein Ellbogen nach, und er taumelte und rutschte unkontrolliert weiter. Der Pfeil, der in seinem Schenkel steckte, blieb an einer Kante hängen und ruckte zur Seite, und der darauf folgende Schmerz trieb ihn in die schwarzen Gewässer der Bewusstlosigkeit.

Als er daraus wieder auftauchte, lag er auf dem Rücken am Fuß der Treppe, sein Kopf war zur Seite gesackt. Tränen erfüllten seine Augen, und in ihnen schwammen feuchte rote Sechsecke mit einem Glitzern. Er blinzelte, während die Tränen überflossen.

Endlich wurde die Quelle des Lichtes sichtbar. Es war kein Zeichen der Götter, sondern nur der verblassende Überrest eines Feuers, das von einem Vagabunden oder einem fahrenden Druiden entfacht worden sein mochte, der hier Unterschlupf gesucht hatte. Also gab es keine Hoffnung auf Hilfe oder Gnade. Er beobachtete, wie das glühende Holz in einer schwachen Brise heller wurde, und eine friedliche, schmerzende Traurigkeit drang ihm bis ins Herz, als er begriff, dass er nun das Ende des Weges erreicht hatte. Dieser Weg schien nicht annähernd lang genug gewesen zu sein.

Edric drehte den Kopf und sah den Mann am oberen Ende der Treppe.

Unter Edrics verschwommenem Blick schien er kaum mehr als ein Schatten zu sein, aber das rote Licht spiegelte sich in seinen runden Brillengläsern und verlieh ihm ein infernalisches Aussehen – wie ein Quälgeist aus dem Abgrund, der hergekommen war, um Edric wegzutragen. Er war klein, kahlköpfig und trug einen langen schwarzen Mantel. Als er sprach, ertönte seine Stimme keuchend und feucht; es war der Klang eines sanften Todes.

»Nicht mehr weglaufen.«

Nun stieg er ins Licht hinunter. Er hatte fischartige Lippen, glasige Augen und ein bleiches, weiches Gesicht; fast wirkte er wie ein Amtsschreiber. Unter anderen Umständen hätte er vielleicht sogar komisch erscheinen können, aber er trug das Kreuz mit dem Doppelbalken auf der Schulter, das verhasste Symbol der Eisernen Hand. Und Edric war keineswegs zum Lachen zumute.

»Ich bin Oberwächter Klyssen«, sagte er. »Heil sei dem Kaiser.«

Zwar hatte Edric sein Schwert auf der Tempeltreppe verloren, aber an seiner Hüfte hing noch ein scharfes Messer, das er nun zog und vor sich hielt. Es war nur eine schwache Drohung, und Klyssen beachtete sie nicht einmal.

»Es gibt noch jede Menge andere«, sagte Edric. »Solche wie mich. Und wir werden euch aus diesem Land vertreiben.«

»Die Bewohner von Salzfork haben deine Überzeugung nicht geteilt.« Der Oberwächter hob den Kopf und betrachtete die düstere Pracht des Tempels. »Wir haben eure Straßen sicher und bequem gemacht, wir haben euren Städten Ordnung und euch selbst das Geschenk des Wortes und des Schwertes gebracht. Wir schützen euch gegen Feinde, die euch am liebsten abschlachten oder versklaven würden. Eure Bauern genießen die Früchte der Felder, eure Schneiderinnen nähen in Frieden, und eure Kinder wollen Krodaner sein.« Er klang verwirrt. »Wann werdet ihr euch endlich zufriedengeben?«

»In dem Augenblick, wenn der letzte Krodaner unser Land verlassen hat, wenn euer dreimal verdammter Gott vertrieben wurde und ein Ossianer wieder mit Glutbringer in der Hand auf dem Thron sitzt«, erwiderte Edric. »Wir werden erst dann zufrieden sein, wenn wir unsere Freiheit wieder zurückbekommen haben.«

Klyssen senkte den Kopf, und das Licht rötete abermals seine Brille. »Ah. Aber das wird nie geschehen. Denn ganz tief in eurem Innern, dort, wo ihr gar nicht hinzuschauen wagt, wisst ihr genau, dass es euch ohne Freiheit besser geht.«

»Eines Tages wirst du diese Worte von der Spitze eines ossianischen Schwertes essen«, spuckte Edric aus. »Töte mich, wenn es unbedingt sein muss.«

»Du wirst sterben, daran hege ich nicht den geringsten Zweifel. Aber zuerst wirst du reden. Ich bin auf der Suche nach einem deiner Gefährten. Du kennst ihn gewiss als Laine von Heiderand, aber wir beide wissen, dass das nicht sein richtiger Name ist.«

Einige Augenblicke lang lag Edric ganz still da. Dann kicherte er. Allerdings war es ein schmerzerfülltes Geräusch, das beinahe wie ein Schluchzen klang. »Er ist euch entwischt.«

»Fürs Erste.«

»Dann ist noch nicht alle Hoffnung verloren.«

»Das würde ich so nicht sagen.«

Klyssen streckte die Hand aus, und drei Gestalten erschienen oben auf der Treppe – Silhouetten vor dem Licht, das durch den Eingang des Tempels hereinfiel. Die eine Gestalt war groß, steckte in einer Rüstung und schwang einen gewaltigen Hammer. Die zweite war zerlumpt und dürr und hielt einen Bogen in der Hand. Die dritte war in einen Umhang mit aufgezogener Kapuze gekleidet; und dort, wo das Gesicht hätte sein sollen, schimmerte nur Metall. Hier befand sich die Quelle des namenlosen Schreckens, der den Wald zum Schweigen gebracht hatte. Edric verlor jeden Mut, und die Angst brachte ihn zum Plappern.

»Ich kann euch nicht sagen, wo er ist. Ich weiß wirklich nicht, wo er ist!«

In der Hand, die das Messer hielt, bemerkte er ein Jucken. Rasch wurde es zu einem Brennen. Etwas wand sich dort unter seiner Haut; es waren böse Würmer, die sich hindurchfraßen und sich im Licht des ersterbenden Feuers wanden. Entsetzten und Abscheu würgten ihn. Er riss die andere Hand vor sein Gesicht. Die Haut schlug Blasen, schwoll an und sonderte Wundsekrete ab.

»Nun werden wir alles erfahren, was du weißt«, gab Klyssen mit leiser Stimme zurück, während Edric endlich genug Luft holen konnte und schrie.

2

Die Höhle wirkte wie ein dreieckiges Maul, in dem lauter schattenhafte Zähne gewachsen waren. Aren betrachtete sie vorsichtig und ergriff sein Schwert so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervorstachen.

»Glaubst du, sie ist dort hineingelaufen?«

Cade nickte in seinem Versteck hinter einem Felsbrocken. Er hatte sich zusammengekauert und war bereit, jederzeit zu fliehen. Die Hand hatte er zwar an sein Messer gelegt, setzte aber offenbar nur wenig Vertrauen in diese Waffe.

Aren warf einen Blick zurück, weil er sich vergewissern wollte, dass ihre Beute sie nicht umrundet hatte und nun in einem Hinterhalt lauerte. Die grünen Hänge der Schlucht erhoben sich steil zu beiden Seiten. Hoch droben fiel das Sonnenlicht schräg durch das Gras, aber hier unten war es dunkler, und kein Luftzug regte sich. Der Boden war mit Steinen in allen Größen übersät, von Kieseln bis zu mächtigen, mit Moos und Flechten überzogenen Felsbrocken, die sich mit der Zeit aus den Hängen gelöst hatten. Zwischen ihnen schlängelte sich ein seichter Bach entlang, nur knöcheltief und wenige Schritte breit. Feuchte, dürre Bäume schlummerten dazwischen, wachsame Krähen saßen in ihren Zweigen.

Aus der Höhle drang das Prasseln von umstürzenden Steinen.

Cade sprang auf die Beine und war schon dabei wegzulaufen. Aren packte ihn bei der Schulter und schob ihn zurück.

»Sie ist es«, flüsterte Aren sowohl triumphierend als auch entsetzt. Cade gab ein leises Stöhnen der Verzweiflung von sich.

Mit pochendem Herzen und außer Atem trat Aren auf die Lichtung und kroch vorwärts. Als sich Cade nicht bewegte, warf Aren ihm einen finsteren Blick zu und bedeutete ihm zu folgen. Cade glitt hinter seinem Felsen hervor und murmelte düster in sich hinein.

Sie mochten zwar keine Kinder mehr sein, aber Männer waren sie auch noch nicht. Ihrer Meinung nach waren sie natürlich bereits erwachsen, doch diese Meinung wurde von niemand anderem geteilt. Aren wirkte schlaksig, aber nicht groß, sein Körper suchte noch nach den richtigen Proportionen. Cade war ein stämmiger und unbeholfener Junge, der sich ohne jede Anmut bewegte. Dicke braune Locken hingen auf Arens Stirn hinunter; er hatte sanfte Augen, einen platten Kiefer und eine lange, breite Nase, die sein Gesicht teilte wie der Schaft eines Ankers. Cades Nase und Augen waren klein, die Wangen machten einen fleischigen Eindruck, und sein Mund bewegte sich schnell und rastlos. Er zeigte bereits die ersten Anzeichen eines Bartes, der genauso schmutzig blond zu werden schien wie seine kurz geschnittenen Haare.

Es war Cade, der als Erster ihre Beute erspäht hatte: eine rasend schnelle Bewegung, ein Peitschen im Dickicht, das Aufblitzen einer Hüfte. Groß wie ein Bär, hatte er zu Aren gesagt, nachdem er seine Angst bezwungen hatte. Sie sah genauso aus, wie Darra es beschrieben hatte. Die beiden Jungen hatten sie in die Schlucht gescheucht und hier in die Enge getrieben.

Aren kroch zur Öffnung der Höhle. Darin befand sich eine kalte, graue Welt voller Ecken und Kanten. Nichts bewegte sich dort. Gerade wollte er das Innere genauer erkunden, als Cade ihn am Arm packte.

»Du willst doch nicht wirklich dort hineingehen?«, flüsterte er ungläubig. »Warum warten wir nicht einfach hier?« Aren sah, wie er fieberhaft nach einem guten Grund für seinen Vorschlag suchte. »Wir können sie überwältigen, wenn sie herauskommt!«

Diesen Gedanken fand Aren verführerisch. Es war vernünftiger, die Bestie im Tageslicht anzugreifen, wenn sie sich besser bewegen konnten. Aber es war feige, in einem Hinterhalt zu hocken. Als Toven den Draccen von Königsgrab bis in sein Nest gejagt und getötet hatte, hatte er nicht zuerst stundenlang draußen gehockt.

»Nein. Wir überraschen sie dort, wo sie uns nicht entkommen kann«, sagte er.

»O ja, das ist ein großartiger Plan«, nörgelte Cade. »Narrensicher. Und was ist, wenn wir entkommen wollen?«

Aren begab sich ins Innere, wo ihn eine stille Düsternis umfing. Er hielt sich links von dem Bach, bewegte sich gebeugt und hielt sein Schwert quer vor seinen Körper, wie Meister Orik es ihm beigebracht hatte. Ein Platschen und eine ganze Reihe von Flüchen verrieten ihm, dass Cade ihm in die Höhle gefolgt war – und dass er nun mindestens einen nassen Fuß hatte.

»Sie war wie eine Wölfin, aber eine solche Wölfin habe ich nie zuvor gesehen!«, hatte Darra gesagt, während seine Augen ernst und hell dreingeblickt hatten. »Eine Warge, so hoch wie eure Schultern, breit wie ein Karren und mit Zähnen wie Dolche! Ich habe gesehen, wie sie zwischen den Bäumen von Sanders Wald herumgelaufen ist!«

»Mein Bruder hat sie auch gesehen«, hatte Mya gesagt. »Am nächsten Tag waren drei Tiere aus der Herde meines Vaters verschwunden. Nur Blut und zerrissene Wolle waren von ihnen übrig geblieben.«

Aren versuchte, nicht an die Größe des Untiers oder an dessen Zähne zu denken. Und ebenso wenig an die Tatsache, dass er nicht einmal zu einem Zehntel ein so großartiger Schwertkämpfer wie der legendäre Toven war. Stattdessen stellte er sich vor, wie die Bewohner des Dorfes jubeln würden, wenn sie zurückkamen. Die krodanische Ehrengarde würde ihnen Respekt erzeigen, und sein Vater würde ihn mit großem Stolz betrachten, während der Statthalter sie lobte. Das Beste von allem würde Soras erfreute Miene sein, wenn er ihr die Klaue der Warge überreichte – das Geschenk des Helden an die Dame seines Herzens.

Vor ihm machte die Höhle eine scharfe Biegung nach rechts, und der Weg dahinter war durch eine Ausbuchtung in der Felswand verdeckt. Hier schien das Licht, das durch die Öffnung hereindrang, nur noch schwach, und Aren wünschte sich, sie hätten daran gedacht, eine Laterne mitzubringen. Er hatte nicht erwartet, dass sie der Bestie in der Dunkelheit gegenübertreten mussten. Vielleicht wäre ein Hinterhalt doch besser. Außerdem hatte er die Geschichten über den schlauen Tomas immer jenen über seinen starken und kämpferischen Bruder Toven vorgezogen. Tomas gewann eher durch Klugheit und Geschick als durch die Kraft der Waffen.

Aber was war, wenn es einen zweiten Ausgang aus der Höhle gab? Er wollte die Bestie nach der langen Suche auf keinen Fall entwischen lassen.

Aren hielt sich dicht bei der kalten Felswand, spähte um die Ecke und sah dahinter eine kleine unterirdische Kammer. In der einen Wand befand sich ein zerklüfteter Spalt, der so breit schien, dass man sich hindurchquetschen konnte. Der Bach floss quer durch die Kammer und von dort aus einen weiteren Gang entlang. Nichts bewegte sich hier, nur das rastlos strömende Wasser.

»Wie sieht es aus?«, fragte Cade.

»Komm her und wirf selbst einen Blick darauf«, antwortete Aren und betrat die Kammer.

Die Dunkelheit wurde von einem dünnen Schaft aus Tageslicht zurückgedrängt, der durch eine tropfende Lücke in der Decke fiel, die quer über Arens Weg verlief. Eine Reihe schleimiger Pflanzen hatten am Ufer des Baches Halt gefunden und schimmerten dort schwach. Er sah Phosphormoos und Rätselkappe und andere Pilze und Flechten, die er nicht kannte.

Cade kam hinter ihm hereingeschlichen. »Mir gefällt dieser schreckliche große Spalt in der Wand nicht«, bemerkte er.

Wie zur Erwiderung hörte er das Rascheln einer verstohlenen Bewegung in dem Spalt; es war der Klang von etwas, das zweifellos lebendig war. Mit zunehmendem Entsetzen wandten sie sich ihm zu.

»Weißt du, ich habe eine Geschichte über eine Höhle hier in der Gegend gehört«, murmelte Cade. »Eine Höhle am Ende einer Schlucht, aus der ein kleiner Bach fließt. Ein alter Einsiedler lebte dort, verdorben bis ins Mark und mit einem Haken als Ersatz für seine Hand.« Seine Stimme wurde leiser, und dann beugte er sich zu Aren vor. Seine Augen waren so groß wie Untertassen. »Mehr als ein Reisender suchte in einer regnerischen Nacht dort Unterschlupf und kam nie wieder heraus. Er hat sie wie Dörrfleisch aufgehängt. Es heißt, am Ende sei er allein und voller Hass gestorben, aber sein Schatten geht hier noch um, und das Letzte, was du hörst, bevor er dich an den Haken hängt, ist das Kratzen über den Stein …«

Aren schenkte ihm einen leeren Blick. »Das hast du gerade erst erfunden, damit du nach Hause gehen kannst«, warf er Cade vor.

»Ja, stimmt«, sagte Cade und zuckte die Achseln. »Den Versuch war es wert.« Er hob einen Stein vom Boden auf. »Sollen wir mal sehen, was sich dort drinnen befindet?«

»Nicht so …«, begann Aren, aber er konnte Cade nicht mehr daran hindern, den Stein zu werfen.

Ein Mahlstrom aus flatternden Schwingen drang explosionsartig aus dem Spalt. Aren schrie auf und schwang sein Schwert vor sich durch die Luft, als huschende Kreaturen gegen sein Gesicht stießen. Seine Klinge prallte klirrend vom Fels ab und wäre ihm beinahe aus den Fingern gerutscht. Cade hastete umher, schlug mit den Händen wild nach seinem eigenen Kopf und versuchte eine Fledermaus zu verscheuchen, die sich in seinen Haaren verfangen hatte. Undeutlich wahrnehmbare Schemen schossen an ihnen vorbei und wirbelten panisch im Kreis herum, bevor sie auf den Höhleneingang zuflogen und die beiden Jungen vor Angst keuchend und schnaufend zurückließen.

Cade fuhr sich mit den Händen durch die Haare und sah ihnen angewidert nach. »Flugratten. Brr.« Er sah, dass sich Aren mit gezogenem Schwert gegen die Höhlenwand lehnte. »Hast du ein paar erwischt?«, fragte er trocken.

»Wenn du das nächste Mal glaubst, eine Idee zu haben, solltest du sie mir vielleicht vorher mitteilen, ja?«, meinte Aren atemlos.

»Ich bin schließlich nicht derjenige, der uns in eine Höhle geführt hat, in der wir ohne Laternen gegen eine Warge kämpfen sollen.«

»Nein, du bist nur derjenige, der demjenigen gefolgt ist.«

Aus dem Durchgang hörten sie das Plätschern von Wasser und das Schnauben eines Tieres. Sie erstarrten.

»Also, ich glaube, ich bin fertig für heute«, sagte Cade und wollte schon den Fledermäusen nachlaufen.

Aren packte ihn. »Nein, das bist du nicht«, sagte er und zerrte Cade an seine Seite. Gemeinsam starrten sie in den finsteren Durchgang. Cades Finger schlossen sich nervös um den Griff seines Messers, und seine Miene drückte Zweifel aus. »Bist du sicher, dass du nicht lieber ein Bierchen im Gekreuzten Schlüssel trinken möchtest?«

Ermunternd klopfte ihm Aren auf den Rücken. Cade rollte mit den Augen und machte ein Geräusch des Missfallens. »Also los. Bringen wir es hinter uns. Aber ich gehe nicht als Erster.«

Das hatte Aren auch nicht erwartet. Die Bestie war Arens Beute, und nur er allein würde sie töten. Ansonsten könnte er Sora nicht mehr als eine äußerst armselige Geschichte erzählen.

So groß wie eure Schultern. Breit wie ein Karren. Zähne wie Dolche.

Leise folgten sie dem Bach tiefer in die Höhle hinein. Die Dunkelheit wurde beständig dichter, und sie waren gezwungen, in gekrümmter Haltung zu gehen, da sich die Decke immer tiefer absenkte. Kurz bevor sie das Ende des Lichtkreises erreichten, fanden sie einen neuen Gang, der nach rechts abzweigte. Sie hörten wieder ein Schnauben. Es war so laut und schien so nah, dass Aren zurückzuckte und den Arm ausstreckte, damit Cade anhielt.

Das Untier musste sich dicht hinter der Abzweigung befinden.

Cades Augen glitzerten vor Angst. Er packte Arens Ellbogen und schüttelte den Kopf. Aber Aren nahm den Unterarm seines Freundes in einen festen Griff und sah ihn eindringlich an. Nun gab es keine Möglichkeit mehr zum Rückzug.

»Wir schlagen gemeinsam zu«, zischte er.

Cade schwankte, aber Aren ließ ihn nicht los.

»Wir können es schaffen!«, sagte er, und diesmal bemerkte er, wie das Gesicht seines Freundes eine widerstrebende Entschlossenheit zeigte. »Aren und Cade«, flüsterte er mit einem verwegenen Grinsen. »Sie werden uns Helden nennen.«

»Sie werden uns irgendetwas nennen, das ist sicher«, stimmte Cade ihm widerwillig zu.

»Bist du bereit? Auf mein Wort.«

Cade nickte, aber sein Blick machte deutlich, dass er gegen seinen Willen in dieses Abenteuer hineingezogen worden war.

Aren lauschte. Noch einmal ertönte ein Grunzen, und jetzt war deutlich zu hören, wie sich das Tier bewegte. Er holte tief Luft, hielt sie kurz an und stieß dann einen Schrei aus, der so laut und wild war wie nur möglich. Mit erhobenen Klingen kamen sie um die Biegung der Abzweigung herumgestürmt.

Vollkommene Finsternis trat ihnen entgegen. Die tiefste Finsternis, aber kein Anzeichen von ihrer Beute. Sie hielten schwankend an, wussten nicht, worauf sie hier eindreschen sollten, und wagten nicht, weiter voranzugehen. Doch in diesem Augenblick fiel die Bestie mit einem schrecklichen Schrei über sie her.

Aren und Cade taumelten rückwärts und gerieten dabei in den Bach hinein. Aren rutschte auf einem nassen Stein aus, und das Bein glitt unter ihm hinweg. Er prallte mit dem Kopf gegen die Felswand, und Sterne explodierten vor seinen Augen, während er in dem kalten Wasser auf Hände und Knie fiel. Schmerz brüllte in seinen Schienbeinen und Handflächen. Irgendwie musste das Schwert aus seinen Fingern gefallen sein. Er sah sich verzweifelt in dem Bach um, aber es war nirgendwo zu sehen.

Dann hörte er, wie Cade eine Warnung rief, und nun stieß die heiße, borstige Flanke des Untiers gegen ihn. Ein moderiger Gestank drang ihm in die Nase. Er versuchte die Arme um das Tier zu schlingen und es niederzuringen, damit es ihn nicht zerschmetterte, aber die Bestie bäumte sich auf, rutschte in dem Bach aus und rammte Aren gegen die Wand. Das grobe Fell kratzte ihm über das Gesicht. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er, sich an dem Tier festzuhalten.

»Cade! Stich es ab!«, brüllte er, konnte seinen Freund wegen des Wassers in seinen Augen aber nicht sehen.

Das Tier trat aus, erwischte ihn am Bauch, worauf er seinen Griff löste. Eine schwere Hüfte prallte gegen seine Wange, und dann rannte das Untier stromabwärts, wobei es grunzte und quiekte. Die Laute verblassten, als es die Freiheit des offenen Geländes erreicht hatte, und Aren kniete atemlos und voller Prellungen in dem Bach. Bauch und Lenden schmerzten dumpf.

»Aren?« Cade eilte auf ihn zu. »Bist du verletzt?«

Er blinzelte benommen, riss mehrfach die Augen auf, damit sich der Nebel in seinem Kopf zerstreute, und mühte sich dann auf die Beine. »Wo ist mein Schwert?«

»Keine Ahnung. Du hast es irgendwo fallen lassen. Da liegt es, im Bach.«

Aren drückte die eine Hand gegen seinen Hinterkopf, während er sich bückte und mit der anderen seine Waffe aufhob. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, was nicht nur vom Kampf herrührte.

»Das war keine Warge«, sagte er schließlich. »Das war ein Wildschwein.«

»Es hat zumindest wie eines ausgesehen«, sagte Cade und fügte hinzu, als wollte er ihnen beiden ein besseres Gefühl verschaffen: »Es war aber ein wirklich besonders großes Wildschwein.«

Aren war durchnässt, das Wasser tropfte an ihm herab, doch als er sah, wie sich Cades Mundwinkel hoben, konnte er nicht mehr an sich halten. Die beiden lehnten sich gegeneinander und lachten, bis ihnen die Tränen an den Wangen herunterliefen. Schließlich beruhigte sich Aren ein wenig, doch als Cade ihn angrunzte, brüllten sie wieder vor Lachen. Als sie endlich aufhörten, schmerzte Arens Magen, und Cade stand kurz vor einer Ohnmacht.

»Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir niemandem davon erzählen«, schlug Aren vor, während sie sich zurück zum Höhleneingang begaben und wieder ins Sonnenlicht hinaustraten.

Cade hockte sich an das Ufer des Baches, nahm ein Stück Stoff aus seiner Hosentasche und hielt es in das kalte Wasser. »Als würde ich so etwas überhaupt tun können! Dann würden sie uns doch immer wieder daran erinnern. Hier, halt das gegen deine Beule.«

Dankbar presste Aren den nassen Stoff an seinen Hinterkopf. Der Lachanfall hatte die Kopfschmerzen noch verstärkt. »Was meinst du, sollen wir es beim nächsten Mal an der Ostseite versuchen?«

»Bist du etwa immer noch hinter dieser Warge her?«, fragte Cade verblüfft. »Wir sind jetzt schon viermal auf die Jagd nach ihr gegangen! An jedem Tag, den ich in den letzten zwei Wochen frei hatte! Sollten wir nicht wenigstens einmal die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Darra ein Lügner und Mya bloß leichtgläubig ist?«

»Wir werden diese Möglichkeit durchaus in Betracht ziehen«, sagte Aren, »nachdem wir auch die Ostflanke untersucht haben.«

»Es gibt keine Warge!«, brüllte Cade.

»Du gibst zu schnell auf«, sagte Aren über seine Schulter hinweg, während er auf der anderen Seite der Schlucht hochstieg.

»Ja. Und du gibst niemals auf.«

3

»Schritt, Schritt, Finte! Jetzt parieren, Finte, Stoß!«

Cade saß gegen eine Bruchsteinmauer gelehnt, hatte die Augen geschlossen und das Gesicht dem Licht zugewendet. Er war so zufrieden wie eine sonnenbadende Katze. Bienen summten träge in der Nähe, und eine Brise fuhr durch das hohe Gras der Wiese. In den Schattenflecken einer einsamen, ausladenden Eiche stieß und hieb Aren nach eingebildeten Feinden und übte allein den Schwertkampf.

»Siehst du überhaupt zu?«, fragte Aren. »Ich versuche dir etwas beizubringen.«

Cade öffnete ein Auge und sah ihn an. Aren stand gerade mit gesenktem Schwert da, hatte die andere Hand in die Hüfte gestemmt und schwitzte wegen der Hitze. Hinter ihm dehnten sich die Felder und Wiesen den Hügel hinunter bis zur Küste hin aus und bildeten ein Flickenmuster aus Grün und Gelb, gesprenkelt mit Gehöften, Schafen und Kühen. Von ihrem erhöhten Aussichtspunkt konnte Cade die Räuberstraße erkennen, die sich von Osten herbeischlängelte, und auch das Wirtshaus Zum Gekreuzten Schlüssel am Rande des Ortes, wo er und Aren unter den nachsichtigen Blicken des alten Nab schon zahlreiche schäumende Biere getrunken hatten. Seichtort war kaum mehr als eine Ansammlung von Gebäuden entlang der Küste, von denen die meisten in einer Senke verborgen lagen. Westlich schloss sich daran nur noch das Meer an, das blendend hell glitzerte.

»Ich habe nachgedacht«, sagte Cade schließlich.

»Ach, wirklich?«

»Diese ganze Aufregung um die Warge … glaubst du tatsächlich, dass Sora unbedingt eine schmutzige große Wolfspfote ihr Eigen nennen möchte?«

Aren gab ein merkwürdiges Geräusch von sich.

Cade führte seinen Gedanken weiter aus. »Wenn du die hochwohlgeborene Tochter einer reichen krodanischen Familie wärest, würdest du dann nicht lieber Juwelen und Blumen oder so etwas geschenkt bekommen? Ich will damit nur sagen, dass sie vielleicht nicht sonderlich begeistert sein wird, wenn du ihr das abgeschlagene Stück eines kürzlich gestorbenen Tiers schenkst, an dessen Stumpf auch noch Blut klebt.«

Aren öffnete den Mund und wollte schon eine scharfe Erwiderung geben, doch dann unterließ er es und runzelte stattdessen die Stirn. Diese Frage hatte er sich noch nicht gestellt. »Nun, natürlich würde ich das Blut vorher abwischen«, sagte er gereizt.

»Es wird trotzdem ziemlich streng riechen«, sagte Cade. »Und was soll sie damit machen? Es als Anhänger um den Hals tragen? Es würde sie unweigerlich nach unten ziehen, wenn das Untier wirklich so groß ist, wie man uns gesagt hat.«

Ein säuerlicher Ausdruck strich über Arens Gesicht. »Soll ich dir jetzt Meister Oriks neue Übungen zeigen oder nicht?«

Cade richtete sich auf. Er war froh, dass sie an seinem nächsten freien Tag nicht auch noch die Ostseite der Schlucht untersucht hatten. Aren gab ihm das Schwert. Es fühlte sich schwerer an als gewöhnlich, aber das lag vermutlich daran, dass Cade ziemlich müde und benommen war.

»Ist es nicht zu heiß für Schwertübungen?«, wandte er halbherzig ein.

»Hör auf, dich zu beschweren. Im Herbst werde ich nicht mehr hier sein, und dann kann ich dir auch keinen Unterricht mehr geben.«

Darüber war Cade traurig, aber er versuchte, einen Scherz daraus zu machen. »Versprich mir nur, dass du mir die Pfoten aller mächtigen Warge schickst, die du getötet hast. Wenn Sora sie schon nicht nimmt, möchte ich sie wenigstens haben.«

»Ha! An die Arbeit, du Faulenzer!«

Cade ließ sich von Aren immer wieder die neuesten Bewegungen zeigen und ahmte sie so gut wie möglich nach, aber heute war er einfach nicht bei der Sache. Als adliger Ossianer, der sich seinem sechzehnten Geburtstag näherte, würde Aren bald seinen Jahresdienst in der krodanischen Armee ableisten. Cade hingegen war der Sohn eines Zimmermanns und würde ihn nicht begleiten dürfen. Die Krodaner wollten keine Arbeiterjungen wie Cade in ihren Reihen haben. Ihnen ging es nur um die Söhne der reichen Ossianer, die zu treuen und nützlichen Dienern des Kaiserreiches herangebildet werden konnten.

Er hatte noch andere Freunde, aber sie alle waren die Kinder von Bäckern, Töpfern und Fischern. Niemand sonst war so wie Aren, der fließend Krodanisch sprach, sich in Geschichte, Mathematik und ­höfischen Sitten auskannte und die Erlaubnis besaß, ein Schwert zu tragen, auch wenn er es innerhalb des Ortes im Futteral und überdies in ein Tuch eingewickelt halten musste. In Wahrheit blickte Cade ein wenig ehrfürchtig auf den adligen Jungen und fürchtete sich insgeheim vor dem Tag, an dem Aren erkennen würde, dass er mit einem ungebildeten Hafenjungen ohne besondere Fähigkeiten eigentlich nichts anfangen konnte.

Das kommende Jahr ragte gewaltig und leer vor ihm auf. Er fürchtete, dass der Aren, der nach seinem Dienst zurückkehrte, ein anderer sein würde – jemand, den er nicht mehr kannte.

Er mühte sich aufrichtig mit den Schwertübungen ab und wollte dadurch seine Dankbarkeit zeigen. Aber die Hitze erschöpfte ihn, und er gab auf, sobald er glaubte, dass Aren Mitleid mit ihm hatte. Er mochte Schwerter nicht besonders gern, und ihm würde sowieso nie erlaubt werden, ein eigenes zu tragen. Aber Aren genoss es immer sehr, seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu zeigen.

»Vielleicht ist es wirklich zu heiß für Schwertübungen«, sagte Aren. »Möchtest du lieber ein wenig Krodanisch lernen? Ich könnte dir beibringen, wie man die Verkleinerungsform eines Substantivs bildet.«

»Warum erzähle ich dir stattdessen nicht einfach eine Geschichte?«, schlug Cade mit einer Begeisterung vor, die an Verzweiflung grenzte. »Ich habe nämlich eine neue. Sie wird dir gefallen!«

»Ist es eine krodanische Geschichte?«, fragte Aren.

»Natürlich«, log Cade. »Hab ich dir je etwas anderes erzählt?«

Manchmal wünschte er sich, seine Mutter würde ihm einige krodanische Geschichten erzählen, damit er sie an Aren weiter­geben konnte, aber obwohl sie die Bardenzunge hatte, weigerte sie sich standhaft, die Legenden der Unterdrücker zu rezitieren. Aren hingegen liebte alles Krodanische und sagte, die alten ossianischen Volkssagen seien nur etwas für Bauernlümmel. Cade umging diese Schwierigkeit dadurch, dass er die Namen in den Geschichten seiner Mutter änderte und sie als krodanische ausgab. Er vermutete, dass Aren dies wusste, aber die kleine Täuschung erlaubte es ihm, die Geschichten seiner Heimat zu genießen, ohne vor sich selbst zugeben zu müssen, dass sie ihm gefielen.

Aren ließ sich an der Bruchsteinmauer nieder, während Cade mit einer Geschichte über Haldric – den er in »Lord Merrik« umbenannte – und dessen Gefährten Hummelkraut ansetzte. Sie begann damit, dass das glücklose Paar über eine Jungfer stolperte, die nackt in einem Felsenteich badete. Sie war so schön, dass sie sogleich Lord Merriks Herz stahl. Aber der tollpatschige Hummelkraut trat auf einen Ast, der mit einem lauten Knacken brach, und die aufgeschreckte Maid verflüchtigte sich wie durch Magie, noch bevor sich Lord Merrik ihr vorstellen konnte.

Gegen den Rat seines Gefährten beschloss Lord Merrik, die Maid erst zu finden und sie dann auch zu heiraten. Also begaben sie sich zu einer alten Frau, die ihnen mitteilte, die Maid sei die Tochter ­eines Kraken und wandle ausschließlich jeden zehnten Sommer – und dann auch nur für einen Tag – über die Erde, während sie den Rest der Zeit tief unten im Meer verbrachte. Lord Merrik war aber keineswegs gesonnen, zehn Jahre zu warten, bis er wieder einen Blick auf ihre cremige Haut werfen konnte, und so machten sich die beiden auf die Suche nach ihr. Schließlich kamen sie an Johas Fluss im Himmel – den Cade als magischen Strom bezeichnete, damit er sich nicht verriet. Und dort lernten sie von einem Fisch mit Feuerschuppen, wie sie es fertigbekamen, unter Wasser zu atmen.

Auf diese Weise recht gut vorbereitet, stiegen sie in die Tiefen des Meeres hinab. Dort unten forderte Lord Merrik den Kraken zu ­einem Kampf der Klugheit heraus, in dem er geschickt von Hummelkraut unterstützt wurde, der während ihrer Reise zufällig alle Antworten auf die üblichen Rätselfragen des Kraken in Erfahrung hatte bringen können. Nachdem Lord Merrik gewonnen hatte, beanspruchte er das Recht, bei dem Kraken um die Hand seiner Tochter anzuhalten. Der Krake gewährte ihm diese Gunst, aber die Tochter verweigerte sich ihm dennoch und wollte wissen, warum sie denn einen Mann ehelichen sollte, dessen Gewohnheit es doch schließlich war, nackten Mädchen in Felsenteichen nachzuspionieren.

Aren brüllte vor Lachen, als Cade Lord Merrik und Hummelkraut nachahmte, wie sie als Abgewiesene aus dem Meer an Land krochen, und er jubelte darüber, dass Lord Merrik nun der Damenwelt für immer abschwor und stattdessen Hummelkraut, der ihm bei all seinen Abenteuern treu zur Seite gestanden hatte, ewige Freundschaft gelobte.

»Das war deine bisher beste Geschichte«, sagte Aren, als Cade zum Ende gekommen war. Dieser strahlte vor Freude, obwohl er wusste, dass es nichts als Schmeichelei war, und verneigte sich. Dann beschattete er seine Augen und warf einen Blick zur Sonne hinauf.

»Wir sollten uns allmählich mal auf den Weg machen«, sagte er. »Ich muss zum Abendessen wieder zu Hause sein. Paps wird mir die Haut abziehen, wenn ich schon wieder zu spät komme.«

»Alles kann warten – mit Ausnahme des Abendessens und der Liebe«, zitierte Aren voller Glück, während er sich erhob.

»Das ist ein ossianisches Sprichwort«, sagte Cade. »Du Hinterwäldler.«

Spielerisch stieß ihn Aren den Hang hinunter.

4

An einem Waldweg am Rande des Ortes stand ein alter Grenzstein, der zu einem Stummel verwittert war. Hier blieben sie stehen, während Aren sein Schwert und das Futteral fest in einen Jutesack wickelte. »Ich wette, du kannst es kaum erwarten, das nicht mehr tun zu müssen«, bemerkte Cade. Er hatte sich auf den Grenzstein gesetzt, stieß immer wieder mit seinen Absätzen dagegen und trommelte einen Rhythmus mit den Händen.

»Wenn ich vom Wehrdienst zurück bin, müssen sie mir die volle Erlaubnis geben«, sagte Aren. Es ärgerte ihn, dass die Söhne der krodanischen Adligen ganz offen mit ihren Schwertern in Seichtort herumscharwenzelten. Er würde sich erst dann als Mann fühlen, wenn er ihnen dies gleichtun konnte.

Cade zog sein Messer aus dem Gürtel. Es war die gleiche Klinge, die er auch zum Schneiden seines Essens benutzte, und er betrachtete sie ohne große Begeisterung. »Vermutlich werde ich mit dem hier auskommen müssen.« Er gab einen Laut des Missfallens von sich. »Es wäre leichter, wenn wir alle Schwerter tragen könnten, so wie es vor der Ankunft der Krodaner der Fall war.«

»Machst du Scherze? Du weißt doch genau, wie es damals war. Schwertkämpfe zwischen Betrunkenen auf der Straße, bewaffnete Rotten in den Gassen und Hinterhöfen, Banditen auf den Landstraßen. Die Räuberstraße heißt nicht ohne Grund so. Es war eine gesetzlose Zeit!«

»Mein Paps hat da eine andere Erinnerung«, sagte Cade.

Aren schenkte ihm einen warnenden Blick. »Dann sollte er genau aufpassen, woran er sich erinnert.« Er erhob sich und band sich das eingewickelte Schwert mit einem Riemen am Rücken fest. »Die Ossianer sind zu heißblütig«, sagte er in sachlichem Tonfall. »Wir sind nicht so diszipliniert wie die Krodaner.«

»Mit anderen Worten: Man kann uns nicht trauen.«

Aren runzelte die Stirn. Es gefiel ihm nicht, wenn Cade so etwas sagte. Es war beinahe eine Anstiftung zum Aufruhr, und das ließ ihn nervös werden. Denn jeder, der solche Worte nicht der Obrigkeit mitteilte, machte sich mitschuldig.

»Komm«, sagte er und ging die Straße entlang. Cade steckte sein Messer zurück in das Futteral, klopfte sich auf die Schenkel, glitt von dem Grenzstein herunter und folgte Aren.

Zum Abend hin füllte sich der Dorfplatz. Familien versammelten sich an den Tischen, es wurde viel gelacht, geherzt, geküsst und fröhlich auf den Rücken geklopft. Laternen wurden gegen die herannahende Dunkelheit entzündet, und eine kühle Brise trug die Hitze des Tages hinweg. Seile mit Wimpeln daran und Schattenkrautgarben hingen über ihren Köpfen, und Kinder mit schaurigen Masken jagten einander über das Pflaster, während ihnen die alten Männer von ihren Bänken aus zusahen, Pfeifen rauchten und Bier aus ledernen Krügen tranken.

Feierstimmung lag in der Luft, und zwar aus gutem Grund. Die Fischer hatten beobachtet, wie die Hülsenwale von der Schwätzerbank weggeschwommen waren. Die Geistertide stand bevor, und an diesem Abend begann das Fest.

»Eine Schauspielertruppe kommt heute in den Ort!«, rief Cade, als er das Anschlagbrett betrachtete, an dem alle Nachrichten hingen, die das Dorf betrafen.

»Hm?« Aren hörte ihm nur halb zu und betrachtete die Menge in der schwachen Hoffnung, irgendwo Sora zu sehen. Wie gewöhnlich waren es ausschließlich Ossianer, die sich an den Tischen drängten. Seine Landsleute aßen gern zusammen – und sie liebten es, dabei so viel Lärm wie möglich zu machen. Anständige krodanische Familien speisten zu Hause – dort, wo es möglich war, sich gegenseitig zu verstehen.

»Schauspieler!«, sagte Cade noch einmal. Angestrengt blinzelte er auf den Aushang und las laut vor: »Sie geben Schote und der Fülltopf!«

Aren sah ihn an. »Das ist wohl kaum Breken und Kalihorn, oder?«

»Keine Ahnung. Was ist Brechen und Kaliwas?«

»Rinthers Meisterwerk … über zwei Brüder, die sich befehden«, erklärte Aren zwar, aber für seine Erklärung erhielt er nur einen verständnislosen Blick. »Rinther? Krodas größer Bühnendichter?« Als Cade noch immer nicht wusste, wovon er sprach, gab Aren es auf. »Er ist berühmt«, sagte er nur noch.

»So berühmt aber wohl auch wieder nicht«, meinte Cade, warf einen Blick über Arens Schulter und bemerkte jemanden hinter sich. »Da sind Mya und Astra.«

Sie überquerten gerade den Platz. Mya lehnte lässig gegen eine niedrige Steinmauer und beobachtete mit trägem Blick das Fest; wuschelige braune Locken rahmten ihr ruhiges Gesicht ein. Astra saß auf der Mauer, hatte sich das lange, glatte Haar hinter das eine Ohr gesteckt und kratzte mit einem Stück Kohle auf einem dünnen Papierholz herum.

»Aren und Cade, Vaspis sei mein Zeuge!«, sagte Mya, als sich die beiden näherten. Sie liebte es, den Unzufriedenen anzurufen, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Von den Neun Erscheinungen war er der Gott ihrer Wahl. Aren glaubte, sie wollte damit nur schockieren. »Darra war sich sicher, dass ihr inzwischen gefressen wurdet. Jagt ihr noch immer hinter der Warge her?«

»Uns droht größere Gefahr von einem Hitzschlag als von jeder Warge«, sagte Cade.

»Nun, sagt es uns, wenn ihr sie gefunden habt. Astra würde gern eine Zeichnung von ihr machen.«

Als ihr Name genannt wurde, schaute Astra auf und bemerkte erst jetzt die beiden Jungen. Cade besaß die Angewohnheit, sich immer wieder unsterblich zu verlieben, und Astra war seine ­neueste Angebetete. Aren bemerkte es sofort, weil Cade sie breiter als gewöhnlich angrinste, was ihn jedoch leider recht einfältig erscheinen ließ.

»Was zeichnest du da?«, fragte er.

Sie hielt die Holzplatte schräg, damit er es sehen konnte. Auf die eine Seite war eine große Libelle gespießt, und daneben prangte ihr Abbild, in Kohle gezeichnet.

»Das ist wirklich gut«, sagte Cade und grinste noch breiter, womit er von der Einfältigkeit zur Schwachsinnigkeit voranschritt. Astra machte sich wieder an die Arbeit; sein Kompliment hatte sie kaum wahrgenommen.

»Siehst du dir die Geistertide heute Nacht an?«, fragte Mya Aren.

Er lächelte. »Selbst die Schlimmen Qualen könnten mich nicht davon abhalten.«

»Wirklich nicht? Ich habe gehört, dass dich dein Vater nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus lässt.«

»Wo hast du denn das her?«, fragte Aren, als wäre es eine völlig absurde Vorstellung, auch wenn sie peinlicherweise der Wahrheit entsprach.

Sie zuckte die Achseln. »Irgendwo.«

»Also, das ist eine Lüge. Ich werde dort sein. Darauf kannst du dich verlassen«, sagte er ihr im Ton der Zuversicht. Er hatte es wirklich vor, falls es ihm gelingen sollte, sich an den Dienern vorbeizuschmuggeln. Aber auch dafür hatte er schon einen Plan.

Mya schaute zu Cade hinüber. »Gehst du auch?«

»Ach, ich glaube nicht«, sagte Cade mit gespielter Gleichgültigkeit. »Ich muss morgen früh aufstehen und in der Werkstatt helfen.« Er sah Aren kurz an, wandte den Blick wieder ab, und Aren verspürte ein gewisses Schuldgefühl. Cade hätte ihn gern heute Nacht begleitet, und ohne Aren würde er vermutlich nur zu Hause sitzen und Trübsal blasen. Aber es gab einiges, an dem sogar ein bester Freund nicht teilnehmen konnte.

Sie verabschiedeten sich und ließen den Dorfplatz hinter sich. Aren nahm nicht den kürzesten Weg, sondern ging an dem großen Tempel vorbei, der einige Straßen entfernt die Dächer von Seichtort überragte. Wenn er Glück hatte, befanden sich die Priester beim Abendgebet, und er würde das Ende noch mitbekommen.

»Ich muss wirklich bald zum Essen nach Hause«, beschwerte sich Cade, als er erriet, wohin sie unterwegs waren.

»Es wird nicht lange dauern. Wir sehen nur einmal kurz vorbei.«

»Du siehst nie ›nur einmal kurz vorbei‹.«

Sie betraten den kleinen gepflasterten Platz vor dem Tempel. Aren wurde erst langsamer, dann blieb er ganz stehen, und sein Blick wanderte an der Fassade hoch. Wie oft er den Tempel auch sah, sein Gefühl der Ehrfurcht schwand doch nie. Die ernsten, beeindruckenden Linien, die kühnen geometrischen Formen und die strenge Symmetrie kündeten von Stärke, Ordnung und Disziplin. Dieses Bauwerk stammte aus einer anderen Welt als jener der schmalen, gewun­­denen Sandsteingassen mit ihren bunt durcheinandergewürfelten Häusern, deren Verputz unter dem Ansturm von Salz und Sonne gerissen war und zu denen ungleichmäßige Treppen emporführten, während zwischen ihnen hindurch verstopfte Gänge verliefen. Früher hatte hier ein alter Tempel der Neun Erscheinungen gestanden, doch er war abgerissen und durch den neuen ersetzt worden, als Aren noch ein Kind gewesen war.

Wie alle krodanischen Tempel verfügte er über zwei Eingänge, die die beiden Wege zum Licht des Primus symbolisierten. Über jedem stand eine Statue in einem Alkoven. Die eine stellte einen jungen Mann in einer Robe dar, dessen Gesicht heiter wirkte und der ein offenes Buch in der Hand hielt. Die andere Gestalt befand sich in einer Rüstung und schaute kühn über den Platz hinaus, während sie die Hände auf den Griff eines Schwertes gelegt hatte, dessen Spitze zwischen ihren Füßen auf dem Stein ruhte. Dies waren der gelehrte Tomas und der tapfere Toven, das Wort und das Schwert – die irdischen Auserwählten des Primus.

»Ich bemerke gerade das deutliche Fehlen von ›nur einmal kurz vorbeischauen‹ und dafür ein ausgedehntes ›stehen bleiben und anstarren‹«, nörgelte Cade.

Aren beachtete ihn nicht weiter. Wie er gehofft hatte, sangen die Priester noch. Ihre Stimmen trieben ergreifend über den Platz; dann hallten sie kraftvoll wider und bildeten ein Netz aus Harmonien, das in seiner Vielschichtigkeit wie ein Mysterium wirkte. Hohe Stimmen schwebten über der Klangflut wie Möwen im Wind, dann rollten die Bässe herein, und die Hymne schwoll an, bis sie den Himmel erfüllte. Es war eine Musik von blendender Kunstfertigkeit, und Aren spürte, wie er in ihren Zauber eingewoben wurde.

Ossia verfügte über keine solche Musik. Wenige große Werke hatten den Untergang des Zweiten Kaiserreiches überlebt, und sie waren nun veraltet und wurden nur noch selten gespielt. In seinem Land wurden die Volkslieder der formellen Musik vorgezogen. Man liebte Melodien für Taverne und Lagerfeuer, manchmal derb, manchmal elegisch, aber immer vertraulich und heimelig. Aren konnte nicht verleugnen, dass sie eine gewisse primitive Kraft besaßen und an sein Herz rührten, sofern er ein wenig getrunken hatte. Dann beschworen sie ein Verlangen nach Zeiten in ihm herauf, die er nie erlebt hatte, aber im Vergleich zu den krodanischen Sinfonien waren diese Lieder kindlich.

»Oh, bei den Neun, nicht schon wieder dieses verdammte Gejaule«, sagte Cade und verdrehte die Augen.

Aren unterdrückte ein Gefühl der Verärgerung. Cade betete zu den Neun Erscheinungen und mochte Musik, zu der er klatschen und stampfen konnte. Aren übte in vielen Dingen zwar einen großen Einfluss auf ihn aus, aber trotz seiner stärksten Bemühungen hatte Cade nie auch nur die geringste Neigung gezeigt, einen anderen Musikgeschmack zu entwickeln.

»Aren, du bist noch ein bisschen zu jung für eine Zulassung zur Versammlung. Fünf Tage zu jung, um genau zu sein.«

Es war Prädikant Ervin, der ihm von einer der Türen am oberen Ende der Tempeltreppe aus zuwinkte. Ervin war ein ältlicher Priester, der seiner Unbeschwertheit und angenehmen Art wegen im Ort überaus geschätzt wurde. Er trug hellbraune und rote Roben – hellbraun für das Pergament und rot für das Blut –, und sie waren mit krodanischen Strahlen bestickt, die über Schultern und Brust liefen. An einer Kette um seinen Hals hing das goldene Zeichen des Sanktorums: die Klinge und das offene Buch.

»Ich wollte dem Abenddienst zuhören«, rief Aren ihm zu. »Nehmt Ihr nicht daran teil?«

»Leider hat es dem Primus beliebt, mir zu meinem Mund voller Wespen auch noch die Stimme eines Ochsenfroschs zu geben. Ich wehre die Nemesis auf andere Weise ab.« Er hob einen Reisigbesen. »Zum Beispiel, indem ich die Treppe fege. Das ist eine edle Arbeit.«

»Wir alle tragen unseren Teil dazu bei«, gab Aren mit einem Grinsen zurück. Er bemerkte, dass Cade ängstlich zum Ende des Platzes zurückgewichen war. »Aber jetzt müssen wir gehen. Selbst der Primus wird Cade nicht retten können, wenn er nicht rechtzeitig zum Abendessen zu Hause ist.«

»Ich sehe euch beide am Festentag«, sagte Prädikant Ervin und hob zum Abschied eine knochige Hand.

»Ich weiß nicht, warum ich zur Versammlung gehen soll«, brummte Cade, während sie davoneilten. »Ich glaube nicht einmal an dieses ganze Zeug. Genauso wenig wie die Hälfte aller Ossianer in Seichtort.«

»Vielleicht hoffen sie, dass du eines Tages glauben wirst.«

Cade schnaubte verächtlich.

Sie ließen den Platz hinter sich und gingen über die Steinplatten der Fischhändlerstraße. Heute waren die Läden geschlossen, und kein Markt fand statt, aber aus der Bierhalle drangen krodanische Stimmen, die damit beschäftigt waren, die Hymnen ihrer Heimat zu singen. Undeutlich erkennbare, verzerrte Gestalten hoben ihre Humpen hinter den Butzenglasscheiben. Ein hölzernes Schild hing über der Tür, auf dem zwei miteinander kämpfende Falken dargestellt waren: das Markenzeichen der Anvaal-Brauerei, das starkes, dunkles Bier aus dem Herzen des Kaiserreichs versprach. Zwei Soldaten standen neben der Tür Wache. Sie waren in krodanisches Schwarz und Weiß gekleidet, und ihre grimmigen Gesichter wirkten unter den kantigen Helmen wie aus Stein gemeißelt.

Am Ende der Fischhändlerstraße schloss sich ein Gewirr aus Gassen und winzigen Plätzen an, das die westlichen Klippen überzog und sanft den Hang hinunter bis zum Hafen, zum Strand und den Buchten dahinter führte. Hier befanden sich die winzigen Bäckereien, die kaum mehr als ein Loch in der Wand ausmachten und morgens Brötchen und Pasteten verkauften, sowie kleine Tavernen, die nur aus einem einzigen Raum bestanden und in den oberen Stockwerken der Häuser hinter rostigen Gittern verborgen lagen. Die dicht aneinandergedrängten Gebäude hatten durchhängende Traufen, und Katzen putzten sich auf winzigen Fenstersimsen. Links von diesen Häusern war durch etliche Schlüfte zwischen ­ihnen das friedliche blaue Meer zu sehen, und die Sonnenkugel stand rot am Horizont.

Aren grinste. Für ihn konnte die Sonne heute gar nicht schnell genug untergehen. Wenn die Nacht kam, begann das Abenteuer.

»Aren!«

Sein Lächeln verblasste, als er sich umdrehte und auf die Gasse hinter sich blickte. An einer Ecke standen zwei junge Männer. Der eine war gelbblond, hübsch und von athletischer Statur: der kro­danische Traum von Kraft und Haltung. Der andere schien vom Schicksal weniger begünstigt; er hatte eine lange, spitze Nase, fleckige Haut und rötliches Haar. Es handelte sich um Harald und Juke, Soras ältere Brüder.

»Wie ich sehe, verschwendest du deine Zeit noch immer mit dem Zimmermannsjungen«, sagte Harald. »Es freut mich, dass du einen Umgang pflegst, der sich deines Standes geziemt. Du würdest gut daran tun, diese Haltung noch zu fördern.«

Aren fiel ein halbes Dutzend Beleidigungen zur Antwort ein, aber er sprach keine von ihnen aus. »Was willst du, Harald?«

Die beiden Krodaner schlenderten durch die Gasse auf ihn und Cade zu. Sie trugen teure Wämser und bestickte Hosen, und schmale Schwerter hingen hinten an ihren Hüften. Sie wirkten so, als wollten sie Ärger machen.

»Erinnerst du dich an das, was ich dir gesagt habe, als wir uns zum letzten Mal unterhalten haben?«, fragte Harald. »Ich hoffe es für dich. Ich bin der Meinung, dass ich mich sehr klar ausgedrückt habe – sogar in Anbetracht der bemerkenswerten Blödigkeit deines Volkes.«

Aren spürte, wie in seiner Brust heiße Wut anschwoll. Es fiel ihm schwer, höflich zu bleiben. »Du hast mir gesagt, ich soll mich von Sora fernhalten«, meinte er.

»Du hast es also doch verstanden!«, sagte Harald. »Und das war nicht die erste Warnung, die du erhalten hast. Du hattest schon einige andere bekommen. Unser Vater hat sogar den deinen besucht und ihm klargemacht, wie er darüber denkt.«

Darauf erwiderte Aren zwar nichts, wich aber Haralds Blick auch nicht aus. Noch mehr Widerstand wagte er jedoch nicht.

Juke sah Cade mit Abscheu an, als hätte er ihn jetzt erst bemerkt. »Lauf weg, du Aal-Lutscher. Das hier geht dich nichts an.«

Cade sah zuerst Aren und dann Juke an. Er bewegte sich nicht, aber seine Füße schabten über das Pflaster, als wollte er fliehen.

»Bist du taub?«, fragte Juke.

»Ich gehe und stehe, wo ich will«, murmelte Cade.

»Sag, was du zu sagen hast, Harald«, meinte Aren und lenkte damit die Aufmerksamkeit der beiden wieder auf sich. Juke warf Cade einen gefährlichen Blick zu, gab sich damit aber fürs Erste zufrieden.

»Wie kann ich dich bloß dazu bringen, dass du mir zuhörst«, gab Harald hilflos zurück. »Kann es dir denn entgangen sein, dass du ein Ossianer bist, während Sora eine Krodanerin und überdies noch die Verwandte eines Grafen ist? Sie hat vielleicht nicht genug Verstand, sich um ihren Ruf zu kümmern – umso mehr steht es in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie ehefähig bleibt. Und wenn du … sie ruinierst, Aren, dann verpflichtet mich meine Ehre dazu, dich zu töten, und das wünscht sich sicherlich keiner von uns.« Er hielt den Kopf schräg und seufzte. »Ich vermute, all das ist für dich ein wenig zu kompliziert, sodass du es auch nicht richtig verstehen kannst. Deshalb möchte ich es für dich ganz einfach ausdrücken.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem bedrohlichen Flüstern. »Du wirst sie nie bekommen«, sagte er und stieß Aren so heftig vor die Brust, dass dieser rückwärtsstolperte und hart auf dem rauen Boden landete. Dabei schürfte er sich die Ellbogen auf, und sein eingewickeltes Schwert schlug ihm gegen das Rückgrat.

Juke wieherte vor Lachen, als sich Aren wieder auf die Beine mühte. Sein Gesicht war rot angelaufen, und er biss die Zähne zusammen. Wie gern hätte er diesem hochnäsigen Harald die Faust in den Mund gerammt. Doch die beiden waren größer und stärker als Aren, und sie würden ihn heftig durchprügeln. Aber das wäre der Anblick von Haralds aufgesprungener Lippe wert.

Eine tief verwurzelte Selbstbeschränkung, die ein ganzes Leben lang geübt worden war, hielt ihn zurück. Er war Ossianer, und die beiden waren Krodaner. Wenn jemand darüber Bericht erstattete, konnte es eine ernste Bestrafung nach sich ziehen.

»Du würdest nichts lieber tun, als mich zu schlagen, nicht wahr?«, sagte Harald mit einem Lächeln. »Sieh dich nur an, wie du die Fäuste ballst. Dein Volk regelt alles mit Gewalt. Aber – zum Glück für dich sind wir zivilisierter.« Er zog einen gefalteten Brief aus seiner Brusttasche, dessen Wachssiegel zerbrochen war. »Das hier haben wir in ihrem Zimmer gefunden. Sie war nie sonderlich gut darin, Dinge zu verstecken.«

Aren drehte sich der Magen um, als er den Brief erkannte. »Gib ihn mir!«

»Das wird nicht geschehen«, sagte Harald herablassend. »Wir werden ihn vielmehr an unseren Vater aushändigen, wenn du dich noch ein einziges Mal mit Sora triffst. Wie du weißt, kennt er den Statthalter gut. Ich frage mich, was wohl mit deinem Vater geschehen wird, wenn der Statthalter erfährt, dass es ihm nicht gelungen ist, dich zu bändigen.«