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Von Anbeginn der Zeit lauschen die Sterne den Wünschen der Menschen und weisen ihnen den Weg. Doch die Menschen sind egoistisch geworden. Machthungrig und gierig. Brendan hingegen sehnt sich einzig und allein nach Liebe und Akzeptanz. In der Nacht des Sternenfestes gelingt es dem Prinzen, dass sein Herzenswunsch erhört und ein Sternenmädchen auf die Erde entsandt wird. Vom ersten Augenblick an fühlen die beiden eine geradezu magische Verbundenheit. Doch ihr Glauben an die Liebe und an sich selbst wird auf eine harte Probe gestellt.
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Cat Lewis
Das Sternenmädchen
Die Nacht der Wünsche
Fairy Fabula
Band 1
Ashera Verlag
Copyright © 2022 dieser Ausgabe by Ashera Verlag
Hauptstr. 9
55592 Desloch
www.ashera-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere Verwertungen – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Verlags.
Covergrafik: AdobeStock
Innengrafiken: Katharina Sato, iStock, AdobeStock
Szenentrenner: AdobeStock
Coverlayout: Atelier Bonzai
Redaktion: Alisha Bionda
Lektorat & Satz: TTT
Printed by: Booksfactory
Vermittelt über die Agentur Ashera
(www.agentur-ashera.net)
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Auf der Suche
Kapitel 2: Das Sternenmädchen
Kapitel 3: Angekommen
Kapitel 4: Clarantena
Kapitel 6: Ich sehe dich.
Kapitel 7: Gerüchteküche
Kapitel 8: Verloren
Kapitel 9: Rückenwind
Kapitel 10: Gegenwind
Kapitel 11: Der Segen der Sterne
Kapitel 12: Mein Segen bist du.
Kapitel 13: Furcht
Kapitel 14: Das verlorene Herz
Kapitel 15: Mit dir an meiner Seite
Kapitel 16: Grenzenlos
Danksagung
Die Autorin
Ein kleiner Funken vermag ein ganzes Leben zu verändern.
Clarantena, Hauptstadt des Königreichs Clarante
Der Himmel war so klar wie schon lange nicht mehr. Brendan lächelte zufrieden und beschleunigte seine Schritte.
»Mein Prinz, so wartet doch! Das Fest ist noch im Gange!« Henry stürzte hinter dem Thronfolger her. »Euer Vater verlangt Eure Anwesenheit!«
Ohne auf seinen Diener zu achten, betrat Brendan die Stallungen. Sofort sprang einer der Stallburschen, ein hagerer Junge mit schulterlangem braunem Haar, alarmiert von einem Strohballen auf und kam auf ihn zu.
»Guten Abend, Eure Hoheit.« Er deutete eine Verbeugung an. »Soll ich Arias für Euch vorbereiten?«
Kopfschüttelnd zog Brendan einen Apfel aus der Tasche und warf ihn im Gehen dem Jungen zu. »Nicht nötig. Hier, für dich.«
Der Stallbursche fing den Apfel auf und senkte ehrwürdig den Kopf. »Habt Dank, mein Prinz.«
Der Geruch nach Stroh, Heu und Pferd lag in der Luft. Brendan war gerne hier und verbrachte viel Zeit mit der Pflege seines Hengstes. Sehr zum Leidwesen seines Kammerdieners, der der Auffassung war, dass solche Aufgaben eines angehenden Königs nicht würdig seien.
»Aber Hoheit!«, rief Henry, überholte Brendan und blockierte ihm den Weg. »Ihr könnt doch nicht ...«
Brendan lief um ihn herum und tat so, als sei er nicht da.
»Hört Ihr mich nicht?«
»Ich glaube, er will dich nicht hören.« Marco verbarg sein schelmisches Grinsen hinter dem Apfel, in den er kurz darauf genüsslich biss.
Beschwingt nahm Brendan den Sattel aus der Haltevorrichtung und machte sich auf den Weg zu dem schwarzen Hengst, der seinen Besitzer bereits mit leuchtenden Augen erwartete und begeistert wieherte.
»Nein, nein, nein!« Henry schoss erneut an Brendan vorbei und stellte sich mit weit ausgebreiteten Armen vor Arias‘ Box. »Eure Hoheit!« Henrys Stimme bebte und die Falte zwischen seinen Augen war so tief, dass sich die Brauen beinahe berührten. »Ich lasse nicht zu, dass Ihr das Schloss verlasst! Euer Vater wird gleich die Eröffnungsrede halten.«
»Schön für ihn. Er ist alt genug, seine Texte selbst abzulesen«, sagte Brendan nüchtern.
»Seid nicht so respektlos Eurem Vater gegenüber. Wenn er herausfindet, dass Ihr schon wieder ausgebrochen seid …« Henry verzog das Gesicht.
»Was willst du dagegen tun? Mich in mein Zimmer einsperren?« Brendan schob Henry mühelos beiseite, um an sein Pferd zu gelangen.
»Natürlich nicht«, lenkte Henry ein.
Brendan führte Arias aus der Box und begann, den Sattel festzuschnallen. »Sei nicht so gewissenhaft. Warum gehst du nicht wie alle anderen auf das Fest? Dort warten sicherlich viele schöne Mädchen auf dich.« Er zwinkerte dem Kammerdiener zu.
»Es ist meine Aufgabe, an Eurer Seite zu sein, mein Prinz«, beharrte er.
Brendan seufzte. »Ich gebe dir frei.«
»Nein, das geht nicht. Der König hat gesagt ...«
»Es interessiert mich nicht, was der König sagt«, unterbrach Brendan ihn. Warum interessierte es niemanden, was er wollte?
»Aber wenn er mir aufträgt, Euch ...«
»Ich trage dir auf, mich heute Nacht in Ruhe zu lassen«, fuhr Brendan ihn an. Ihm fehlte die Geduld, sich weiterhin mit Henry auseinanderzusetzen. Dafür hatte er keine Zeit. »Morgen früh darfst du mir wieder nach Lust und Laune überallhin folgen, aber jetzt lass mich bitte in Frieden und geh.«
Henry wurde blass und starrte den Prinzen mit aufgerissenen Augen und leicht geöffnetem Mund an. Der bereute seinen harschen Tonfall sofort. Henry war nun mal mehr als ein Untergebener aus dem Volk für ihn – er war ein Freund aus Kindertagen, der die Pflicht vor alles andere stellte. Sehr zu Brendans Leidwesen. »Verzeih mir«, räumte er beschwichtigend ein. »Aber es ist mir wirklich wichtig. Nur diese eine Nacht. Bitte.«
»Aber … die Regeln …«
»Keine Sorge, ich trage die alleinige Verantwortung für mein Handeln.« Brendan tätschelte Henry die Schulter. »Ich werde zurücksein, noch ehe mein Vater bemerkt, dass ich weg war. Du hast nichts zu befürchten. Stattdessen«, er stieg in den Sattel und grinste seinen Diener breit an, »genießt du den freien Abend und denkst dran, wie alt du bist.«
Henry sah verwirrt zu Brendan auf. »Wie alt ich bin? Das weiß ich doch.«
»Dann benimm dich auch so. Los geht’s, Arias!« Brendan winkte Henry und Marco zu und gab seinem Pferd die Sporen.
Der Hufschlag donnerte von den Hauswänden wieder, während Brendan die leeren Gassen durchquerte. Sein Ziel war eines der Seitentore, durch das die Schlossbewohner die Stadt verlassen konnten, ohne Clarantena durchqueren zu müssen. Die meisten Einwohner tummelten sich auf dem Hauptplatz, wo das bunte Treiben des Sternenfestes stattfand. Schon seit einer Woche war die Stadt festlich geschmückt, um den Sternenregen gebührend zu feiern. Bewohner und Händler aus dem ganzen Land strömten in die Hauptstadt und ließen sich von Musik, Tanz und gutem Essen verzaubern.
Die Wachen ließen Brendan anstandslos passieren und stellten keinerlei Fragen. Brendan war ihnen dafür mehr als dankbar. Sollte sein Vater Wind von seinem Verschwinden bekommen, wäre er alles andere als begeistert.
»Nur heute Nacht.« Brendan genoss den kühlen Wind, der ihm entgegenschlug. Er fühlte sich mit einem Mal frei, als hätte ihm jemand die Ketten abgenommen. Er verließ seinen goldenen Käfig, konnte endlich durchatmen, ohne dass jemand Buch darüber führte.
Über ihm erstrahlte der Vollmond in seiner ganzen Pracht und tauchte die Umgebung in gedämmtes Licht. Die Schatten von Arias und ihm tanzten auf dem Boden umher und folgten ihnen den steinernen Weg entlang, der von der Stadt wegführte.
Das letzte Sternenfest lag acht Jahre zurück. Brendan erinnerte sich noch gut daran. Es war einer der letzten schönen Augenblicke, der ihm mit seiner Mutter vergönnt gewesen waren. Gemeinsam waren sie in die Nacht hinausgeritten und hatten sich das Spektakel vom Sternenhügel aus angesehen.
Brendan umklammerte die Zügel und Arias galoppierte die Straße entlang in Richtung des Zedernwaldes. Am südöstlichen Rand begannen die Ausläufer des Gebirges und kleine Hügelketten bildeten den Anfang. »Wir sind fast da.«
Der Hengst wurde langsamer. Sicherlich spürte er die Beklommenheit, die Besitz von Brendan ergriff, je näher sie ihrem Ziel kamen. Seit jener Nacht hatte Brendan den Hügel gemieden – bis heute.
Er erkannte ihn sofort. Im Gegensatz zu den anderen Erhebungen im Umland war der Sternenhügel nicht mit dichtem Gras und Sträuchern bewachsen, sondern steinig und trocken.
Brendan musste sich beeilen, wenn er es rechtzeitig nach oben schaffen wollte. Die ersten Sterne fielen bereits und er durfte den richtigen Augenblick für seinen Wunsch unter keinen Umständen verpassen. Zu lange hatte er auf diesen Tag gewartet.
»Du bleibst hier«, befahl Brendan, als er von seinem Pferd abstieg und es an einem umgestürzten Baumstumpf festband. Er strich dem Hengst über den Hals und machte sich dann an den Aufstieg.
Obwohl der Hügel nicht sonderlich hoch war, war der Weg beschwerlich. Immer wieder rutschte Brendan auf dem mit Steinen bedeckten Boden aus. Seine Beine wurden mit jedem Schritt schwerer. Es schien, als wolle irgendetwas verhindern, dass er den Gipfel erreichte. Doch ganz gleich, ob es sich dabei um die Schwermut in seinem Herzen oder körperliche Erschöpfung handelte, Brendan würde nicht aufgeben.
Er kämpfte sich weiter aufwärts und kam atemlos oben an. Neugierig betrachtete er den Krater, den er größer in Erinnerung hatte. Gerüchten zufolge war einst an dieser Stelle ein Stern vom Himmel gefallen. Er hatte Brendan schon als Kind fasziniert. Beim letzten Mal erschien alles riesig, doch nun sah er sich einem Loch im Boden gegenüber, das kaum hüfthoch war und den Radius zweier Pferdelängen nicht überstieg. Am Grund des Kraters hatte sich Wasser gesammelt. Brendan setzte sich an den Rand und blickte fasziniert auf die Oberfläche des Kratersees hinab. Der Himmel spiegelte sich darin und Brendan konnte unzählige Sterne und den Mond erkennen. Er blickte auf. Seiner Mutter und ihm hatte sich damals genau dasselbe Bild geboten, als sie auf den Sternenregen gewartet hatten.
»Schau dir den Himmel genau an, kleiner Prinz«, hatte sie gesagt und den Arm um seine Schultern gelegt. Die Strähnen ihres langen, schwarzen Haares hatten ihn an der Wange gekitzelt. »Wenn du genau hinsiehst, wirst du deinen Wunschstern finden. Und wenn es so weit ist, dann musst du deinen sehnlichsten Herzenswunsch mit ihm teilen.«
»Aber Mama, solange du da bist, ist doch alles gut. Du sollst für immer bei mir bleiben.«
Sie lächelte traurig, und küsste ihn liebevoll auf die Stirn, als die Sterne zu fallen begannen.
Nur wenige Wochen später hatte Clarante seine Königin und Brendan seine geliebte Mutter verloren.
Brendan stützte die Hände auf dem kühlen Boden ab und legte den Kopf in den Nacken. Am Himmel setzten sich immer mehr Sternschnuppen in Bewegung. Sie flogen über das Firmament und waren wunderschön anzusehen. Aber keine von ihnen berührte ihn, fiel ihm besonders auf oder gab ihm ein Zeichen.
»Wie soll ich dich bloß finden?«
22. Wunschsternformation zwischen Kassiopeia und Andromeda
Endlich war sie wieder da – die Nacht der Wünsche. So lange hatten die Sterne auf ihren großen Auftritt gewartet. Zwar machten sich vereinzelt immer wieder einige von ihnen auf den Weg, aber in dieser einen Nacht hatte jeder von ihnen die Möglichkeit, seiner Bestimmung zu folgen.
Angestrengt lauschte der Wunschstern 211 den Sehnsüchten der Menschen. Sie klangen weit entfernt, drangen nicht zu ihm durch.
»Was ist bloß mit den Menschen los?«, fragte der Stern verwundert. »Immerzu streben sie nach Macht oder sehnen sich nach materiellen Dingen.«
»Sie sind egoistisch geworden«, antwortete der Wunschstern 526, der sich in unmittelbarer Nähe befand. »Ich habe keine Lust, egoistische Wünsche zu erfüllen.«
»Sag so etwas nicht.«
»Warum nicht? Du weißt doch … wer sich zur Erde begibt, kann nicht mehr zu uns zurückkehren. Sind die Menschen das wirklich wert? Ich werde mir das sicher dreimal überlegen.«
»Nicht jeder von ihnen hat so viel Glück, seinen Wunsch äußern zu dürfen«, erklärte der Wunschstern 211. »Du kannst ihnen diesen nicht verwehren.«
»Das ist mir egal. Hör dir die Wünsche an – die Aussichten auf Erfolg sind gering. Aus jemandem, der nichts hat, kann niemand werden, der über allen anderen steht.«
Zumindest was das betraf, hatte der Wunschstern 526 recht. Schließlich war die Macht der Sterne nicht grenzenlos. Sie konnten den Menschen zwar einen Wink in die richtige Richtung geben, den Weg beschreiten mussten diese jedoch selbst.
»Ich möchte irgendwann weg von hier«, gab der Wunschstern 211 zu. »Bist du nicht neugierig, wo unser Weg uns hinführen wird? Was mit uns passiert, wenn wir auf der Erde angekommen sind?«
»Nein. Mir geht es gut hier. Ich will bleiben.«
Der Wunschstern 211 seufzte und beschloss, es dabei zu belassen. Er würde geduldig warten, bis er an der Reihe war – so wie all die anderen auch.
Der Schrei dieses einen Herzens war laut, dringlich … verzweifelt. Auf der Erde gab es jemanden, der furchtbar einsam war. Jemand, der sich nach Anerkennung, Geborgenheit und Liebe sehnte.
Von Letzterem hatte der Wunschstern 211 schon oft gehört. Die Liebe machte ihn neugierig und er wollte unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hatte. Er hörte genau zu und war plötzlich sehr aufgeregt. Der Wunsch zerrte an ihm, ließ ihn nicht mehr los.
»Ich muss … zu ihm.« Der Stern erzitterte regelrecht. Wie in Trance setzte er sich in Bewegung.
»Hey, Moment mal! Was tust du da?«
»Er … er braucht mich. Er ruft so laut nach mir!«
»Was? Nein! Warte!«, rief der Wunschstern 526. »Du wirst nie wieder zurückkehren können! Bleib hier! Bitte, verlass mich nicht!«
Es war bereits zu spät.
Der Wunschstern 211 war auf dem Weg zur Erde.
Sternenhügel, Königreich Clarante
Brendan wusste nicht, wie lange er schon auf dem Hügel saß. Er war müde und die Kälte hatte sich durch die Kleidung bis in seine Knochen hineingefressen. Vielleicht war es nicht allzu klug gewesen, Henry zu verschweigen, was er vorhatte. Was, wenn er hier oben erfror und keiner wusste, wo er war?
Der Sternenregen nahm ab und Brendan hatte seinen Wunschstern noch immer nicht gefunden. Wartete er vergeblich auf ihn? Für einen Augenblick gestattete er sich, der Erschöpfung nachzugeben, und sank zurück, sodass er mit dem Rücken auf dem Boden lag. Einen Arm verschränkte er hinter dem Kopf, um diesen darauf zu betten.
»Wenn du genau hinsiehst, wirst du deinen Wunschstern finden.«
»Worauf soll ich achten, Mutter?«, fragte er in die Nacht und streckte die freie Hand nach dem Himmel aus. »Wie erkenne ich ihn?«
Über ihm bemerkte Brendan einen auffälligen Stern. Er leuchtete nicht wie all die anderen. Dieser war anders. Sein Licht erstrahlte in einem glänzenden Blau.
Mit einem Schlag war Brendan hellwach und setzte sich auf. »Das ist er!«
Noch ehe der Prinz seinen Wunsch formulieren konnte, löste sich der Stern aus seiner Position und flog los. Der Schweif, den er hinter sich herzog, leuchtete in verschiedenen Blautönen und zog sich quer über den Himmel. Brendan musste den Kopf drehen, um dem Stern weiter mit seinen Blicken zu folgen.
»Sollten Sternschnuppen nicht verschwinden?« Er kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was am Himmel vor sich ging. »Moment … was ...? Kommt der Stern etwa näher?« Brendan war schneller auf den Beinen, als ihm guttat. Er taumelte und drohte, in den Krater zu fallen. Nur mit Mühe gelang es ihm, das Gleichgewicht zurückzuerlangen.
Der Schimmer wurde beständig größer und blendend hell. Brendan riss den Arm hoch, um seine Augen abzuschirmen. Dabei trat er einen Schritt zurück und stolperte über einen Stein. Auf der Wiese konnte er Arias aufgeregt wiehern hören. Im nächsten Moment wurde alles um Brendan herum still. Er hörte lediglich seine viel zu schnelle Atmung.
»Ist es vorbei?« Zögerlich ließ er den Arm sinken und beobachtete stumm, wie der Stern langsam auf den Wald zuschwebte und zwischen den Baumkronen eintauchte. Ein greller Blitz erleuchtete die Gegend und verschwand genauso schnell, wie er gekommen war.
Brendan konnte sich nicht rühren.
Was war geschehen?
Kaum war das Licht erloschen, wurde es stockduster und der Lauf der Natur ging weiter seinen Gang. Vögel stoben aus den Tiefen des Waldes empor und krächzten aufgeregt. Doch am Fuße des Hügels war es verdächtig still geworden. Wenn Brendan bedachte, was für einen Lärm sein Hengst gerade noch verursacht hatte …
Die Sorge rüttelte den Prinzen auf.
»Arias?« Er stürzte los. »Arias!« Mal rannte, mal rutschte er den Hügel hinab. Die letzten Meter brachte er wenig majestätisch im freien Fall hinter sich und kam mit einem schmerzhaften Aufprall neben dem seelenruhig Gras mampfenden Hengst zum Liegen. Arias blickte kauend zu ihm herab, während sich Brendan stöhnend auf den Rücken drehte.
»Was für ein Glück! Dir geht es gut.« Keuchend setzte er sich auf und versuchte, sich am Steigbügel hochzuziehen. Das erwies sich als schwieriger als gedacht, denn alles um ihn herum fing an, sich zu drehen. Sein Kopf tat weh und er schloss die Augen, um den schwarzen Punkten in seinem Sichtfeld nicht länger beim Tanzen zusehen zu müssen. Etwas Feuchtes lief seine Wange entlang und er fuhr mit der Hand darüber. Fluchend betrachtete er das Blut auf seiner Handinnenfläche und wischte es an der dunklen Hose ab.
»Wenn du mich schon nicht auffängst, könntest du mir zumindest aufhelfen«, sagte Brendan zu Arias, der jedoch nichts dergleichen tat und seinen Besitzer ignorierte. »Und danke der Nachfrage, ja, mir geht’s gut.« Ächzend zog sich Brendan auf Arias‘ Rücken. »Dann lass uns mal nachschauen, was passiert ist.«
Sie erreichten den Waldrand und Arias wurde unruhig. Wiehernd tänzelte er auf der Stelle und wandte sich schnaubend vom Wald ab.
»Du willst, dass ich alleine gehe, nicht wahr?« Mürrisch glitt Brendan vom Sattel und band den Hengst an einem Baum am Wegesrand fest. »Ein toller Freund bist du.«
Anschließend nahm er sein Schwert, das bei seinen Ausritten stets am Sattel festgebunden war, und befestigte es an seinem Gürtel. Er durfte nicht zulassen, dass die Furcht vor dem Unbekannten die Oberhand übernahm. Schließlich war er ein passabler Kämpfer und durchaus in der Lage, sich zu verteidigen. Er war noch nie besonders zimperlich gewesen, wenn es darum ging, sich in ein Abenteuer zu stürzen. So tauchte er ohne zu zögern in den Zedernwald ein und ging vorwärts. Obwohl er kaum etwas sehen und nur Umrisse erahnen konnte, schaffte er es, die Nadelbäume zu umgehen und sich auf den Beinen zu halten, ohne über Wurzeln zu stolpern und den tiefhängenden Ästen auszuweichen.
Was auch das war, ich werde es finden.
Der Gedanke trieb den Prinzen an, ließ ihn all die Schmerzen und den Schwindel vergessen und führte ihn tiefer in den Wald hinein. Er lief einfach weiter, stets seinem Gefühl folgend, und ohne sein Tun zu hinterfragen.
Die ganze Zeit über konnte er den feuchten Waldboden riechen. Frisch und drückend zugleich, völlig natürlich. Aber mit jedem weiteren Schritt veränderte sich der Duft – er wurde kräftiger, beißender. Verwundert blieb Brendan stehen und überlegte, woran ihn der Geruch erinnerte. Feuer. Verbranntes Holz? Brendan ging langsam weiter. Sein Blick streifte auf der Suche nach dem Ursprung durch das dichte Unterholz. Zwischen den weitreichenden Ästen fiel ihm ein leichter Schimmer auf. Er beschleunigte seinen Schritt und das Licht wurde heller, je mehr er sich näherte. Seine Neugier und die Aufregung brachten sein Blut in Wallungen und spornten ihn an. Er rannte, so schnell es die Gegend zuließ, und brach durch ein Dickicht hinaus auf eine Lichtung. Er hatte sein Ziel erreicht und das blaue Licht gefunden. Es zog sich wie ein Schleier über eine Vertiefung im Boden und beleuchtete die Umgebung. Alle Bäume im unmittelbaren Umkreis waren zerstört. Ihre verkohlten Skelette lagen kreisförmig um den Krater herum. Der scharfe Geruch nach Verbranntem fraß sich in Brendans Nase, füllte seine Lungen, und ließ ihn husten und seine Augen tränen. Ascheflocken schwebten auf die Erde hinab.
Was war hier geschehen?
Der Anblick war so unwirklich und verschlug Brendan die Sprache. Vorsichtig näherte er sich dem Krater, der dem auf dem Sternenhügel gar nicht so unähnlich war. Unter dem Licht konnte er lediglich Umrisse erkennen. Je näher er kam, desto klarer wurden sie: Dort lag jemand.
Hastig überwand er den letzten Abstand und sprang in den Krater hinein. Neben dem Geschöpf ging er auf die Knie und beugte sich darüber.
Es war eine Frau.