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Fast sechs Monate ist es her, dass die Friseurin Eske eine Nacht mit ihrer Jugendliebe Krischan verbracht hat. Obwohl ihre Gedanken täglich um ihn kreisen, geht sie auf Abstand und versucht sich mit Dates abzulenken. Schnell stellt sich heraus, dass das ihr Problem nicht löst, und Stress hat sie auch sonst mehr als genug. Die Arbeit wächst ihr über den Kopf und obendrein hat sie Ärger mit ihrem Vermieter. Krischan ist Koch im Jyltrumer Strandhotel und seit einem halben Jahr single. Dass er in der Nacht seiner Trennung mit Eske geschlafen hat, tut er zunächst als Ausrutscher ab. Warum allerdings muss er nun ständig an sie denken? Verwirrt von seinen aufkommenden Gefühlen, sieht er sich bald mit gleich zwei Männern konfrontiert, die um ihre Aufmerksamkeit buhlen … Eine in sich abgeschlossene Geschichte, deren Figuren in den anderen Teilen wiederauftauchen.
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Inhaltsverzeichnis
VORWORT & INSELKARTE
PLAYLIST
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
EPILOG
NACHWORT
DANKSAGUNG
DIE AUTORIN
IMPRESSUM
Liebe Leser*innen,
der Roman spielt auf der fiktiven Insel Jyltrum, die in meiner Geschichte gegenüber von Sylt, Amrum und Föhr liegt. ;-)
Zur besseren Orientierung findet ihr auf der nächsten Seite eine Inselkarte.
Ich wünsche euch schöne Lesestunden.
Eure
Melana
Guide Me Home – Stanfour
What Are You Waiting For – Nickelback
For Life (feat. Nile Rodgers) – Kygo, Zak Abel, Nile Rodgers
Was ist wenn es gut wird – Juan Daniél
Impossible – James Arthur
CAN’T STOP THAT FEELING! – Justin Timberlake
Want to Want Me – Jason Derulo
Aus einem Grund – Behnke
What’s Left of You – Chord Overstreet
Steh auf und leb – Marina Marx
Led Me To You – Christopher (From the Netflix Film A Beautiful Life)
Gib mir mein Herz nie zurück – Nie und Nimmer
Du bist alles – Mike Leon Grosch, Daniela Grosch
Krischan
Mit vor der Brust verschränkten Armen lehne ich an der Restauranttür und beobachte meine Kollegen, wie sie im Speiseraum das Festmahl für einen fünfzigsten Geburtstag auftischen.
Fast zwölf Wochen ist es her, dass ich mit Eske in der Kiste gelandet bin. Sie ist die beste Freundin meines Bruders Filip und hatte an dem Tag Geburtstag.
Zwar haben wir es als One-Night-Stand abgetan, aber wenn ich ehrlich bin, schwirrt Eske mir seitdem im Kopf herum. Seit besagter Nacht geht sie mir mehr oder weniger aus dem Weg und ich habe die Befürchtung, sie verletzt zu haben.
Meine Gedanken schweifen ab. Nachdem unsere Eltern letztes Jahr bei einem Zugunglück ums Leben gekommen sind, waren Filip, Kay, Jörn und ich von heute auf morgen Besitzer des Strandhotels. Wir haben umgebaut, renoviert und machen mittlerweile einiges anders als unsere Eltern. Den Gästen scheint es zu gefallen. Jeder von uns hat seine eigene Aufgabe im Hotel und bis jetzt klappt es reibungslos.
Bis zu besagtem Tag habe ich auf Sylt in einem Restaurant gearbeitet. Ich bin stolz darauf, mich 2-Sterne-Koch nennen zu dürfen, auch wenn unser Hotelrestaurant nicht so nobel ist wie das auf Sylt. Manchmal vermisse ich es, richtig ausgefallene Speisen zu zaubern. Auf die versnobten Gäste hingegen kann ich getrost verzichten.
Filip schlendert durch das Restaurant, direkt auf mich zu. Er ist der jüngste von uns Brüdern und der Einzige, der ein Kind hat. Danach kommen Kay, ich und unser großer Bruder Jörn. Misstrauisch mustert Filip mich. »Hey, Brüderchen. Was stehst du denn hier so herum wie bestellt und nicht abgeholt?« Während er unter der Woche seine Praxis für Physiotherapie im Hotel leitet, springt er an den Wochenenden hin und wieder als Barkeeper in der Hotelbar ein. Das heißt: wenn Not am Mann und seine Tochter Hanna versorgt ist.
Ich lasse die Arme sinken. »Nichts, alles gut. Wollte nur sehen, ob die Gäste mit meinem Essen zufrieden sind. Kann ich etwas für dich tun oder warum lungerst du hier hinten herum, statt Drinks zu mixen?«
»Wollte mir eine Kleinigkeit zu essen aus deiner Küche stibitzen. Ich habe Pause und möchte mit Mila telefonieren. Wir müssen ihre Anreise für nächste Woche planen.«
»Dann sind Osterferien in NRW, oder?«
»Jepp, endlich. Hätte nie gedacht, dass ich außer Hanna noch mal jemanden so vermissen würde.«
Mein Bruder hatte es die letzten Jahre nicht leicht. Hanna ist durch einen One-Night-Stand entstanden. Zwar hat Filip versucht, mit der Mutter eine Beziehung zu führen, ist aber gescheitert. Noch vor Hannas Geburt hat er sie verlassen, war aber dennoch immer für Ida und Hanna da. Vor fast drei Jahren ist Ida plötzlich nach einem Streit mit Filip bei einem Unfall ums Leben gekommen und mein kleiner Bruder hat sich lange Vorwürfe gemacht. Filip hat sich selbst die Schuld gegeben, was natürlich Blödsinn ist. Daher bin ich umso glücklicher, dass Mila in seiner Praxis für Physiotherapie aufgetaucht ist und ihn aus seinem Schneckenhaus gelockt hat.
»So kann es gehen. Es ist noch ein Rest von dem Nudelsalat da. Reicht dir das?« Ich stoße mich von der Wand ab und deute ihm, mir zu folgen, was er prompt tut.
»Ein Steak wäre mir lieber, aber nun gut. Man kann nicht alles haben.«
In der Küche schaufle ich die Nudeln auf einen Teller und packe zusätzlich noch etwas von dem gemischten Salat dazu, den eigentlich ich essen wollte. Aber ich denke, Filip kann den besser vertragen. Er wirkt erschöpft. Kein Wunder, seine Praxis boomt. Wenn ich ihn mir so ansehe, bin ich froh, dass ich kein eigenes Restaurant führe, auch wenn das ziemlich lange mein großer Traum war.
»Bitte sehr, guten Appetit.«
»Danke, Mann.« Filip stellt sich an den Bartisch, der hier mit zwei Hockern für das Personal in einer ruhigen Ecke steht, und fängt an zu essen. »Hast du Eske heute Abend gesehen?«
Stirnrunzelnd starre ich ihn an. »Wieso sollte ich?« Ich säubere meinen Arbeitsplatz, damit ich verschwinden kann. Meine Crew kommt ab jetzt auch ohne mich zurecht.
Filip zuckt mit den Schultern. »Hätte ja sein können. Eigentlich hatte sie vor, in der Hotelbar vorbeizuschauen, ist aber bis jetzt nicht aufgetaucht. Na ja, vielleicht ist ihr Date ein Erfolg.« Filip stopft sich eine Portion Nudelsalat zwischen die Lippen. »Wollen wir hoffen, dass sie keinen Idioten trifft, immerhin tummeln sich auf Dating-Plattformen nicht nur anständige Typen herum«, murmelt er mit vollem Mund.
Date? Dating-Plattformen? Ernsthaft? Auch wenn meine Neugier groß ist, ziehe ich es vor, zu schweigen, bevor mein Bruder noch meint, ich würde mich für seine beste Freundin interessieren. Auch von der Geburtstagsnacht weiß er anscheinend nichts, sonst hätte er mich längst darauf angesprochen oder direkt gekillt.
Eigentlich seltsam, dass Eske ihm nichts erzählt hat. Die quatschen sonst über fast jeden Furz. Ich räuspere mich und wende mich mit wirren Gedanken im Kopf ab. Noch ein paarmal wische ich über die Arbeitsflächen, obwohl es nichts mehr zu wischen gibt. Sie sind tipptopp sauber.
Mein Bruder bekommt von alledem zum Glück nichts mit, so sehr ist er mit seinem Essen beschäftigt.
»Ist Hanna bei Tilda?«, wechsle ich das Thema.
»Hm, sie schläft dort und morgen kommt Tilda zum Spielen zu uns, damit ihre Eltern eine kleine Auszeit haben.«
»Klingt gut. Wenn Hanna beschäftigt ist, hast du auch ein wenig Freizeit.«
»Ja, mal sehen. Ich wollte eigentlich ein paar Klamotten aussortieren, damit Mila für ihre Sachen Platz im Schrank hat. Eine Dauerlösung ist das allerdings nicht. Vielleicht muss ein neuer her, sobald sie endgültig hergezogen ist.«
»Ihr macht das schon.«
Filip nickt, schiebt sich die letzte Gabel in den Mund und räumt das Geschirr und das Besteck in die Spülmaschine. »Danke, Großer. Hat super geschmeckt. Ich werde mich jetzt wieder um unsere Gäste kümmern. Bis morgen mal.« Erneut klopft er mir auf den Rücken, ehe er die Küche verlässt und ich mich endlich auf den Heimweg mache.
Eske
Wutschnaubend schließe ich mein Hollandrad ab und lehne es gegen den Zaun des Hotels. »Lässt der sich einfach nicht blicken. Ist das denn die Möglichkeit? Für wen hält der sich?« Eine Stunde habe ich in derStrandbar Inselliebe hier in Littdün ausgeharrt, bis ich begriffen habe, dass mein Date wohl nicht mehr kommen wird. Der Blick von der Bar über die Nordsee ist einmalig, daher habe ich diesen neutralen Ort als erstes Date vorgeschlagen. Hätte ich mir schenken können. Jetzt ist meine Laune noch schlechter als vorher.
Vor ein paar Tagen haben meine Vermieter mir wegen Eigenbedarf die Wohnung gekündigt. Die Frau ist mit dem vierten Kind schwanger und sie benötigen den Platz. Für mich heißt es also, in den kommenden Monaten Ausschau nach einer bezahlbaren Wohnung zu halten. Als hätte ich nicht schon genug mit meinem Friseurladen Farbtopf, abgeleitet von meinem Familiennamen Topf, zu tun. Mein Geschäft brummt. Nie und nimmer hätte ich letztes Jahr gedacht, dass ich so bald Verstärkung in Erwägung ziehen würde. Aber die Kunden lieben mein Fachwissen über die verschiedensten Färbetechniken und ich kann mich vor Anfragen kaum retten.
Erneut kommt mir mein Date in den Sinn und ich fluche lautstark. »Idiot!«
»Wieso, was habe ich verbrochen?«
Ich zucke zusammen, drehe mich um und stehe geradewegs Krischan gegenüber. Verfluchte Scheiße. Dem wollte ich jetzt am allerwenigsten begegnen. »Nicht du«, entgegne ich ausweichend, schnappe mir meinen Beutel aus dem Fahrradkorb und schiebe mich an Krischan vorbei.
Seine Hand schnellt hervor und hält mich fest. »Nicht so eilig. Wer ist ein Idiot?«
»Niemand und könntest du mich bitte loslassen?« Dass seine Berührung etwas in meinem Innersten anstellt, kotzt mich gerade mehr an als die Tatsache, von einem Typen versetzt worden zu sein.
»Sorry.« Krischan lässt den Arm sinken, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Hattest du ein Date?«, fragt er prompt.
Ich streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Wie kommst du darauf?« Das Ganze geht ihn überhaupt nichts an.
Krischans Blick gleitet an meinem Körper entlang. »Du hast dich schick gemacht. In so einem Oberteil habe ich dich noch nie gesehen.«
Das Teil, von dem er spricht, ist ein schwarzer Spitzenbody mit dünnen Trägern, den ich mir extra für heute angeschafft habe. Dazu trage ich eine Jeansjacke, blaue Skinny Jeans und Riemchensandaletten mit fünf Zentimetern Absatz. Das ist auf dem Fahrrad gerade noch vertretbar, auch wenn ich mittlerweile kalte Füße habe. Bei meinem Aufbruch war es bedeutend wärmer. Meine braunen Haare habe ich zu einem lockeren Knoten gesteckt. »Und wenn schon, was interessiert es dich?«, fauche ich.
»Du siehst hübsch aus, ich denke, das solltest du wissen. Und für den Fall, dass dich wirklich ein Kerl versetzt hat … Vergiss ihn! Du hast jemand Besseren verdient.«
»So jemanden wie dich?«, hake ich provokant nach.
Krischan seufzt. »Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.«
Ohne auf eine Erwiderung meinerseits zu warten, eilt er davon und ich schaue ihm verwirrt hinterher. Was zum Teufel war das denn?
Genervt stapfe ich los. Da ich wenig Ambitionen habe, durch die Hotelhalle zu latschen und womöglich auch noch Kay über die Füße zu stolpern, nehme ich den Weg über die kleine Terrasse. In einer Ecke hocken zwei Raucher. Im Inneren werde ich von einem dichten Klangteppich aus leisen Gesprächen empfangen. Filip steht hinter der Theke, schwingt den Cocktailshaker und scherzt mit einem Gast. Seit Mila in sein und Hannas Leben getreten ist, wirkt er viel zufriedener.
Auf der kleinen Bühne, die erst vor Kurzem fertiggestellt wurde und jetzt ihren festen Platz in der Bar hat, spielt Samuel Lee. Eigentlich sollte die Bühne erst im Sommer aufgebaut werden, doch die Hansen-Brüder, meine Freunde und Besitzer des Strandhotels, haben ihre Pläne vorgezogen.
Samuels Musik ist traumhaft. Er kommt ursprünglich aus Amerika, wohnt aber mittlerweile wie ich in Süderstedt. Nett anzusehen ist er auf jeden Fall und es kommt des Öfteren vor, dass er mit mir flirtet, wenn wir uns über den Weg laufen.
Ich setze mich auf den vorletzten freien Barhocker in der Mitte der Theke. »Moin, Flip.« Flip deshalb, weil ich den Namen meines besten Freundes als Kind nicht richtig aussprechen konnte, und das ist irgendwie hängengeblieben.
»Hey, Eske. Da bist du ja.« Er beugt sich über die Theke und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Du siehst umwerfend aus. Hat sich dein Date wenigstens gelohnt?«
»Hör bloß auf! Machst du mir bitte einen doppelten Gin?« Ich hänge die Tasche und die Jacke an den Haken unter dem Tresen.
Filip legt den Kopf schräg. »So schlimm?«
»Der Depp ist nicht aufgetaucht.«
»Wie jetzt?« Filip lässt ein paar Eiswürfel ins Glas rutschen, ehe er den Alkohol hineingießt und eine halbe Zitronenscheibe dazupackt. Er weiß halt, wie ich das Zeug am liebsten trinke.
»Na, so wie ich es sage. Eine Stunde hab ich gewartet. Eine. Ganze. Verdammte. Stunde. Die Zeit hätte ich sinnvoller nutzen können.« Filip stellt das Glas vor mir ab. »Danke.« Ich genehmige mir einen großen Schluck, ehe ich weiterrede. »Bin gerade auf deinen Bruder gestoßen.«
Im selben Moment tritt Alexandra, eine der Servicekräfte, neben Filip. »Eine Cola und einen Zombie, bitte.«
Er nickt und bereitet den Cocktail zu, während Alexandra schon wieder zum nächsten Tisch eilt. »Auf welchen?«
»Krischan.« In knappen Worten gebe ich ihm die Begegnung wieder. »Hast du ihm von meinem Date erzählt?«
»Kann sein, dass es mir beiläufig rausgerutscht ist. Schlimm? War das ein Geheimnis?«
»Nun ja, ihm hättest du das nun nicht auf die Nase binden müssen.« Ich nippe erneut an meinem Gin und schaue mich in der Bar um. »Wie lange musst du noch?«
»Bis zum bitteren Ende«, scherzt Filip. »Spaß beiseite. Ich darf um Mitternacht verschwinden. Alexandra räumt auf.« Filip stellt das Cocktailglas auf den Tresen und steckt einen Strohhalm hinein. Dann dekoriert er das Ganze mit einer Ananasscheibe, ehe er eine Colaflasche samt Glas dazustellt.
Alexandra kommt herbeigeflitzt und positioniert beides auf ihrem Tablett. »Danke dir.«
»Vielleicht solltest du das Daten sein lassen und Krischan endlich erzählen, was du für ihn empfindest, hm? Immerhin hast du jetzt freie Bahn.«
»Nein, ich denke nicht.« Der Zug ist abgefahren. Krischan hat mir klipp und klar gesagt, dass das zwischen uns nur ein One-Night-Stand war. Das sage ich allerdings nicht laut, schließlich ist meine Geburtstagsnacht unser kleines schmutziges Geheimnis.
Plötzlich geht das Licht über der Bühne aus. Mein Blick schnellt hinüber und ich erspähe Samuel Lee, der die drei Stufen hinabsteigt.
Ich wende mich an Filip. »Samuel hat gesagt, du seist ein begnadeter Physiotherapeut.« Ich wackle demonstrativ mit den Augenbrauen und Filip lacht.
»So, hat er das?«
»Ich beneide dich«, platzt es ungeniert aus mir heraus. »Du durftest diesen Wahnsinnskörper richtig anfassen.«
Filip öffnet den Mund, schließt ihn aber wortlos wieder.
Mit einem Mal spüre ich einen warmen Atem in meinem Nacken. »Ich habe dir bereits zweimal angeboten, mich anzufassen«, haucht Samuel mit amerikanischem Akzent in mein Ohr, »aber du hast dankend abgelehnt. Erinnerst du dich?«
»Mmh«, nuschle ich. »Wo du es sagst … Da klingelt was.«
Filips Mundwinkel zucken. »Jetzt wird es interessant. Samuel, schön dich zu sehen. Was darf ich dir Gutes tun?«
»Nur ein Wasser, danke.«
Samuel gleitet auf den Hocker neben mir und deutet auf mein Outfit. »Hattest du ein Date? Du siehst heute besonders hübsch aus.«
»Wieso fragt mich jeder, ob ich ein Date hatte? Darf eine Frau sich nicht einfach für sich selbst hübsch machen?«, poltere ich los und bereue es sofort. »Sorry!«
»Schon gut, du hast ja recht.«
Filip stellt das Wasser vor Samuel ab und verschwindet an einen der Tische.
Ich exe den restlichen Gin. »Mein Date ist nicht aufgetaucht«, erzähle ich ein weiteres Mal und ziehe die Achseln gen Ohren.
»Vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen?«
»Dann hätte er ja wenigstens absagen können. Oder macht ihr Männer das heutzutage nicht mehr?« Ich drehe mich auf dem Hocker in Samuels Richtung und schlage die Beine übereinander.
»Ich kann nicht für alle Männer sprechen, aber ich tue das.«
»Na, Gott sei Dank, sonst hätte ich dir jetzt den Kopf gewaschen.«
Samuel gluckst. »Soso. Und du beneidest Filip darum, dass er mich anfassen durfte?«, nimmt er den Faden von eben wieder auf.
Ich erinnere mich, wie wir nach einem Cocktailabend geknutscht haben. Samuel wäre zu mehr bereit gewesen. Da meine Nacht mit Krischan aber noch nicht lange her war, habe ich abgelehnt. Mit ihm im Kopf hätte ich mich keineswegs auf einen anderen Mann einlassen können. Ich blicke Samuel fest in die Augen. »Schon«, antworte ich endlich. »Du siehst heiß aus. Das öffnet dir vermutlich alle Türen. Egal, ob bei Frauen oder im Beruf.«
Samuel schüttelt den Kopf. »Leider. Zumindest was den Job betrifft. In Amerika wurde ich zu Beginn meiner Karriere nur auf mein Aussehen reduziert. Es hat ein Jahr gedauert, bis ich auch durch mein Können Aufmerksamkeit erregt habe.«
»Aber ab da ging es steil bergauf, oder nicht?« Ich stütze das Kinn in meiner Hand ab.
»Yes!« Er nippt an seinem Wasser. »Viele denken immer, dass Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Für mich war es das nicht. Von heute auf gestern war mir alles zu viel.«
»Von heute auf morgen«, korrigiere ich ihn neckend.
»What?«
»Es heißt ›Von heute auf morgen‹.«
»Ach so.« Samuel lacht.
»Und wieso bist du ausgerechnet auf unsere kleine Nordseeinsel gekommen?«
»Meine Oma kam aus Deutschland. Sie hat auf Norderney gelebt und ich war in meiner Kindheit und Jugend regelmäßig auf der Insel. Als der Gedanke aufkam, nach Deutschland zu ziehen, habe ich das Los entscheiden lassen. Ich habe alle Inseln auf Zettelchen geschrieben und Jyltrum hat gewonnen.«
»Echt? Das ist ja krass.«
Filip kehrt zurück und grinst. »So kann es gehen.« Anscheinend hat er Samuels letzte Sätze mitbekommen. »Möchtest du noch etwas trinken, Eske?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, danke. Ich muss nach Hause und sollte mich auf den Weg machen.«
»Ich kann dich mitnehmen«, bietet Samuel an und ein seltsamer Glanz tritt in seine Augen. »Ich habe für heute Feierabend.«
»Und was ist mit meinem Fahrrad?«
Filip streckt mir die Hand entgegen. »Gib mir den Schlüssel, dann nehme ich es gleich mit zu uns nach Hause und stelle es in die Garage. Wo hast du es festgekettet?«
Ohne zu zögern, tue ich, was mein bester Freund mir angeboten hat, denn eine Fahrt mit Samuel im Auto klingt gerade sehr verlockend. Ich erkläre Filip, wo mein Drahtesel steht, beuge mich über den Tresen und küsse ihn auf die Wange. »Du bist ein Schatz.« Ich wende mich Samuel zu. »Wir können los.«
»Ich muss noch zahlen.«
Filip winkt ab. »Das geht aufs Haus.« Verwirrt zieht Samuel die Stirn kraus. »Das heißt, wir übernehmen das für dich, du musst nicht zahlen.«
»Ihr und eure seltsamen Redewendungen.« Er verschränkt seine Finger mit meinen und zieht mich glucksend nach draußen.
Vielleicht sollte ich mich tatsächlich von ihm ablenken lassen. Einen Versuch ist es wert.
Krischan
Blinzelnd schaue ich auf den Wecker. 7:30 Uhr. Zwar muss ich heute erst später im Hotel sein, dennoch schwinge ich mich aus dem Bett. Joggen ist angesagt.
Lächelnd schiebe ich die Vorhänge zur Seite und werde von Sonnenschein begrüßt. Herrlich. Es ist Juli und der Sommer hat endlich Einzug gehalten. Seit einer Woche haben wir kontinuierlich schönes Wetter. Hoffentlich bleibt das so. Nachdem der Mai und der halbe Juni total verregnet waren, geht es jetzt endlich bergauf.
Im Badezimmer schippe ich mir eine Portion kaltes Wasser ins Gesicht und werfe mich in meine Sportklamotten.
Ich stopfe mir mein iPhone und die Schlüssel in die Hosentasche, ehe ich mir meinen schwarze Bluetooth-Kopfhörern schnappe und ihn mir um den Hals lege.
Pfeifend verlasse ich meine Bude in dem Vierfamilienhaus, in dem auch meine Brüder wohnen. Prompt stehe ich meiner Nichte Hanna gegenüber, die vor Kurzem sieben Jahre alt geworden ist.
»Hallo, Onkel Krisch«, flüstert sie und strahlt mich an.
Ich hocke mich vor sie. »Hey. Du bist aber früh wach. Hast du nicht erst um 10 Uhr Schule?«
»Ja, aber ich möchte noch mit Mila frühstücken.«
Filip verlässt seine Wohnung und schließt leise die Tür. »Moin, Krisch. Mila schläft noch. Hanna und ich wollen Brötchen vom Bäckerwagen am Strand holen und sie damit überraschen.«
Mila ist erst gestern hierhergezogen. Das ganze Wochenende haben sie ihren Krempel in Köln zusammengepackt und sich dann auf den Weg nach Jyltrum gemacht. Ich hatte angeboten, dass Hanna währenddessen bei mir bleiben könne, aber die Kleine wollte unbedingt mit ins Rheinland, um Mila abzuholen.
Mit Schwung richte ich mich auf. »Ich hätte euch die Brötchen auch besorgen können. Dann hättet ihr nicht so früh rausgemusst.«
Filip winkt ab. »Schon okay, Hanna konnte eh nicht mehr schlafen.«
Meine Nichte zieht an meiner Hand. »Wir gehen heute Nachmittag mit Mila an den Strand, damit sie endlich in unserem Meer schwimmen kann, Onkel Krisch. Das wird toll.«
Liebevoll streichle ich ihr über den Kopf. »Dann habt viel Spaß.«
Gemeinsam laufen wir nach unten, wo Kay und Jörn ihre Wohnungen haben. Ich verabschiede mich von Filip und Hanna.
Nachdem ich den Kopfhörer aufgesetzt habe, starte ich Guide Me Home und stelle es auf Endlosschleife. Ich mache ein paar Dehnübungen. Bereits jetzt ist es warm, doch die frische Brise, die von der Nordsee herüberweht, ist angenehm und beschert mir eine leichte Gänsehaut. Langsam trabe ich los. Zuerst jogge ich durch die Straßen von Littdün, wo sich unser Strandhotel befindet. Obwohl es noch früh ist, sind viele Menschen unterwegs. Unser Hotel ist ausgebucht und jedes dritte Zimmer wird von einer kleinen Familie belegt.
Ich stoppe kurz und stütze mich an dem Holzgeländer ab, das die Straße am Hotel vom Strand trennt.
In den letzten Monaten haben wir erneut einiges angepasst. Zwischen Filips Physiotherapiepraxis und Eskes Friseursalon befindet sich nun eine hotelinterne Kinderbetreuung, die jeden Tag sechs Stunden geöffnet hat und von zwei Erzieherinnen geleitet wird. Das Angebot wird gut angenommen und so haben die Eltern Zeit, den neuen Sport- oder Wellnessbereich des Hotels zu nutzen.
Ich atme einmal kräftig durch. Heute Nachmittag erwartet mich eine Hochzeit im Hotel. Das Buffet ist komplett durchgeplant. Daher muss ich mich vorher ein wenig bewegen.
Ob Eske auch da sein wird? Schön wäre es. Morten, der Eigentümer des Inselsupermarktes und Bräutigam, hat mir erzählt, dass sie seine Zukünftige zurechtmacht. Ich kann mir vorstellen, dass Janina Eske daher auch zur Feier eingeladen hat. Unsere gemeinsame Nacht kann ich nicht vergessen, auch wenn ich diese als Ausrutscher abgetan habe. Eske hat mir zwar zugestimmt, aber mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie das eigentlich anders sieht. Warum sonst sollte sie mir aus dem Weg gehen?
Seit Filip mir Ende April verraten hat, dass Eske auf Dating-Apps unterwegs ist, denke ich öfter an sie, als mir lieb ist. Moritz, ein Kumpel, der auf Sylt wohnt, hat laut gelacht, als ich ihm bei unserem letzten Treffen davon erzählt habe. Er meint, das sei nur deshalb so, weil ich sie jetzt nicht mehr haben könne. Ob er recht hat? Bei meinen Brüdern kann ich das Thema auf gar keinen Fall anschneiden.
Frustriert trete ich in einen Sandhaufen, den der Wind hier hochgeweht hat.
Ich stelle die Musik lauter und renne kopfschüttelnd die Treppe hinunter, die an den Strand führt. Zeit, mich noch einmal kräftig auszupowern.
Eske
Lächelnd stecke ich Janinas letzte Strähne fest und nehme den Taschenspiegel zur Hand, damit sie sich die Frisur von hinten ansehen kann.
»O mein Gott, Eske, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.« Ihr steigen Tränen in die Augen. Zum Glück habe ich das Make-up noch nicht aufgetragen.
»Die Frage, ob es dir gefällt, erübrigt sich, hm?«
»Absolut! Danke.« Sie steht auf und umarmt mich, was ich nur zu gerne erwidere.
»Dann können wir jetzt mit dem Schminken anfangen.«
Janina nickt und trinkt einen großen Schluck von ihrem Sekt, ehe sie sich wieder hinsetzt.
Im Hintergrund läuft Musik von Nickelback und meine Kundin summt leise mit. Janina und Morten heiraten nachher am Strand in Littdün. Anschließend wird im Strandhotel gefeiert. Sie haben mich ebenfalls eingeladen, doch ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist. Bestimmt laufe ich Krisch über den Weg, weil er das Hochzeitsmenü zubereitet.
Seit der Nacht im Januar weiche ich ihm so gut wie möglich aus. Ich habe die Stunden mit Krischan genossen. Der Sex war aufregend und ganz anders als alles, was ich bisher kannte. Dennoch habe ich ihm zugestimmt, als er meinte, wir sollten das Ganze als Ausrutscher abtun, auch wenn es mir schwergefallen ist. Für mich war es keiner.
Die gelegentlichen Dates bringe ich nur hinter mich, um Ablenkung zu bekommen. Und ja, ›hinter mich bringen‹ ist der richtige Begriff dafür. Die Typen, die bei diesen Verabredungen aufkreuzen, sind echt furchtbar.
Ende April bin ich dann mit Samuel im Bett gelandet. Der Sex war toll und eine willkommene Abwechslung. Er hat es geschafft, mich auf andere Gedanken zu bringen, doch die Stunden mit ihm waren kein Vergleich zu denen mit Krischan und mir war sofort klar, es war eine einmalige Sache. Samuel ist offenbar anderer Meinung. Er lässt seitdem nichts unversucht, um mich erneut zum Matratzensport zu überreden.
»Du kommst nachher, oder?«, reißt Janina mich aus meinen Reflexionen.
»Ähm, ich weiß es ehrlich gesagt nicht.« Ich nehme die Lidschatten-Palette zur Hand und tupfe den Pinsel in das Hellrosa, für das Janina sich im Vorfeld entschieden hat. »Augen zu!«, kommandiere ich und bearbeite das erste Augenlid.
»Aber wieso? Das kannst du mir nicht antun.«
Prompt bekomme ich ein schlechtes Gewissen. »Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
*
Ich habe mich tatsächlich aufgerafft und bin ein paar Stunden später ins Strandhotel gefahren, um am Sektempfang teilzunehmen.
Die Hochzeitsplanerin hat sich große Mühe gegeben. Das Restaurant ist wunderschön geschmückt und dekoriert. Die Stühle wurden passend zu den Tischdecken mit mintfarbenen Hussen überzogen. Mittig auf den Tischen stehen jeweils ein kleines Gesteck und eine Stumpenkerze in einem Glas, das zur Hälfte mit Sand gefüllt ist. Luftballons wurden an ein Band geknotet, welches einmal durch das ganze Restaurant gespannt ist. Alexandra, Robin und eine neue Servicekraft, die ich bisher nicht kenne, wuseln herum, rücken hier und da ein paar Gläser zurecht. Damit alles perfekt ist, wenn das Brautpaar nach dem Sektempfang, der auf der Terrasse stattfindet, reinkommt.
Unauffällig schaue ich mich um, kann Krischan aber nirgends entdecken. Aufatmend schlendere ich zwischen den Tischen hindurch nach draußen. Ich verschaffe mir einen schnellen Überblick und entdecke Janina und Morten unter einem der Sonnenschirme. Sie plaudern mit Sinja aus dem Buchcafé und lachen.
Zögerlich trete ich näher. Janina entdeckt mich als Erste. »Eske, du hast es geschafft.« Sie strahlt über das ganze Gesicht und ich umarme sie vorsichtig.
»Alles, alles erdenklich Gute für euch.« Auch Morten bekommt eine Umarmung und grinst wie ein Honigkuchenpferd. »Ihr seht toll aus. Hat alles reibungslos geklappt?«
Janina nickt. »Jörn und die Hochzeitsplanerin haben alles ganz toll hinbekommen.« Sie deutet hinter sich, wo nach wie vor einige Stuhlreihen im Sand stehen.
»Sehr gut, das hört man gern.« Ich überreiche Janina einen Briefumschlag. »Der ist für euch beide.«
»Du sollst uns doch nichts schenken«, schimpft sie liebevoll.
Ich winke ab. »Ist nur eine Kleinigkeit, alles gut.« In dem Umschlag befindet sich lediglich ein Gutschein für meinen Salon.
»Tausend Dank.«
Alexandra kommt mit einem Tablett zu uns. »Moin, Eske. Sekt?«
Lächelnd nehme ich mir ein Glas und stoße mit den anderen an, ehe ich mich davonstehle und über die Treppe zum Strand hinuntergehe, um zu verschnaufen. Ich schlüpfe aus den Schuhen, nehme sie in die Hand und bummle Richtung Uferkante. Keine Ahnung, wie lange ich aufs Wasser starre. Plötzlich räuspert sich jemand und ich drehe mich ruckartig um.
Prompt gucke ich in Krischans grüne Augen. War ja klar, dass ich ihm über den Weg laufe. »Was machst du denn hier? Solltest du nicht in der Küche stehen und das Festmenü vorbereiten?« Mein Blick gleitet unauffällig an ihm hinunter. Er trägt Baggy Pants und ein weißes T-Shirt.
Krischan wiegt den Kopf hin und her. »Ich habe genug fähiges Personal. Außerdem muss ich erst in einer Viertelstunde wieder dort sein.«
»Na dann.« Ich will mich abwenden, aber Krischan hält mich am Ellbogen zurück. »Können wir reden?«
»Jetzt?« Meine Stimme klingt schrill.
»Wieso nicht?«
»Weil du gleich wieder an die Arbeit musst. Außerdem wüsste ich nicht, über was wir reden sollten.«
Eine von Krischs Augenbrauen wandert in die Höhe, als wollte er mich fragen, ob ich das ernst meine. Was er stattdessen sagt, ist: »Bitte, Eske!«
»Ich hab da jetzt keinen Nerv für, sorry.« Ich entziehe mich seiner Hand. »Machs gut, Krisch.«
Verhalten gehe ich zurück zum Hotel. Was er wohl mit mir bereden wollte?
Auf der Terrasse angekommen, bin ich unendlich dankbar, dass Sinja auf mich zukommt und in ein Gespräch verwickelt. Ich lasse meine Schuhe auf den Holzboden fallen und nippe an meinem Sekt.
»Übrigens gut, dass ich dich noch mal sehe. Hast du kommende Woche Zeit, um meine Haare nachzufärben?« Sinjas Haare sind knallrot. Ihre Naturhaarfarbe ist straßenköterblond, wie sie es nennt. Seit knapp einem Jahr pimpe ich diese alle paar Wochen auf. Das Knallige steht ihr enorm gut und ist mittlerweile ihr Markenzeichen.
»Für dich hab ich immer Zeit, das weißt du doch.« Ich ziehe mein iPhone hervor und scrolle durch meinen Kalender. »Mittwochabend, 20 Uhr? Ich komme zu dir.«
»Das würdest du tun?«
»Na, logo, immerhin wohnst du fast um die Ecke. Wäre doch Quatsch, wenn du erst nach Littdün fahren müsstest. Dein Buchcafé ist bis 19 Uhr geöffnet, oder? Reicht dir eine Stunde zum Aufräumen?«
»Allemal. Du bist ein Schatz. Als Dank spendiere ich dir im Anschluss einen Cocktail auf meiner Terrasse.«
»Deal!« Wir stoßen an und ich genehmige mir einen Schluck von meinem Sekt.
»Hey, Sinja.« Krischan läuft lächelnd an uns vorbei und eilt durch die Tür ins Innere des Restaurants, ohne mich noch einmal anzusehen.
Ein wenig wehmütig schaue ich ihm hinterher.
Sinja stupst mich mit dem Ellbogen an. »Alles okay zwischen euch?«
Ich schüttle den Kopf. »Nicht wirklich.«
»Komm, lass uns von hier verschwinden. Der Empfang ist eh gleich vorbei.« Wir kippen die Reste unseres Sekts hinunter und ich hebe die Schuhe vom Boden auf. »Wohin willst du denn?«
»Wie wäre es mit der Inselliebe? Lara hat mit Sicherheit ein Plätzchen für uns frei.«
»Perfekt. Lass uns gehen.«
Krischan
Frustriert pfeffere ich das Geschirrtuch auf die Arbeitsplatte der Hotelküche und fahre mir durch die viel zu langen Strähnen. Wäre das Desaster mit Eske nicht, hätte ich längst einen Termin bei ihr gemacht. Seit ich wieder auf Jyltrum bin, habe ich niemand anderen mehr an meine Haare gelassen, und ich habe auch nicht vor, jetzt damit anzufangen. Vielleicht sollte ich einfach unangekündigt kurz vor Feierabend bei ihr im Laden stehen. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen, immerhin kann sie während des Schneidens nicht einfach aufhören – obwohl man bei Eske mit allem rechnen muss.
Die Tür wird aufgestoßen und Jörn betritt die Küche. »Hey. Mit dem Buffet alles okay?«
Typisch Hotelmanager. Immer auf dem Laufenden bleiben, ob alles mit rechten Dingen zugeht. »Selbstverständlich. Es ist alles aufgebaut. Die Hochzeitsplanerin ist gerade auf dem Weg zum Brautpaar und sagt Bescheid.«
»Klingt gut. Bei dir alles im grünen Bereich?« Jörn lehnt sich mit verschränkten Armen gegen den Kühlschrank.
»Sicher, wieso fragst du?«, hake ich möglichst souverän nach.
»Weil du dich nicht so verhältst. Seit Monaten bist du mies drauf. Sieh dich mal an, nicht mal zum Haareschneiden warst du. Normalerweise achtest du penibel auf dein Äußeres. Und jetzt komm mir nicht mit der Trennung von Kessy. Das ist schließlich schon ein halbes Jahr her.«
Sag ich was oder lieber nicht?