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Eine überraschende Geschichte der Welt - nicht vom Land, sondern vom Meer aus erzählt: In diesem wunderschön gestalteten Buch beschreibt der Historiker David Abulafia, wie die Weltmeere seit Urzeiten den Austausch ferner Völker ermögllichten und damit die Geschicke der Menschen bestimmten. Waren, Ideen oder Religionen verbreiteten sich immer auch auf dem Seeweg. Schiffe querten die Ozeane schon in der Antike, heute transportieren riesige Containerschiffe Waren von einem Kontinent zum anderen. Abulafia erzählt von Händlern und Abenteurern, Piraten und Kartographen, getrieben von der Jagd nach Gewürzen, Gold oder Sklaven oder auf der Suche nach neuen Siedlungsmöglichkeiten oder fremdem Wissen. Europa ist ein Kontinent unter anderen, wir reisen mit den Seefahrern von den Küsten Arabiens nach China und Japan, vom Indischen Ozean über den Atlantik bis an die Mittelmeerküsten Europas und in das arktische Meer. Ein riesiges Panorama entfaltet sich, eine Vielfalt an Verbindungen und Netzwerken rund um den Globus, denn das Meer ist unendlich und grenzenlos. Ein Buch für Weltentdecker und alle, die sich fragen, was hinter dem Horizont liegt. Ausgezeichnet als »Wissenschaftsbuch des Jahres 2022« in der Kategorie Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften.
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Seitenzahl: 2240
David Abulafia
Das unendliche Meer – Die große Weltgeschichte der Ozeane
Aus dem Englischen von Michael Bischoff und Laura Su Bischoff
FISCHER E-Books
Meine Liebe ist so grenzenlos wie das Meer
Shakespeare
Praeceptoribus Paulinis
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Bei der Entwicklung von Beziehungen zwischen menschlichen Gesellschaften spielt das Meer eine besonders faszinierende Rolle. Großräumige Verbindungen sorgten und sorgen für stimulierende Kontakte zwischen Völkern, Religionen und Zivilisationen. Gelegentlich geschah das durch individuelle Begegnungen, etwa wenn Reisende, darunter Pilger und Kaufleute, fremde Länder besuchten. Gelegentlich waren diese Kontakte auch die Folge massenhafter Wanderungsbewegungen, die den Charakter ganzer Regionen veränderten. Und gelegentlich waren sie gleichermaßen das Ergebnis der Bewegung von Gütern wie von Menschen, wenn die Bewohner ferner Länder Kunstwerke einer anderen Kultur sahen, bewunderten und importierten oder kopierten, wenn sie deren Literatur lasen oder ein seltener, kostbarer Gegenstand ihr Staunen erregte und ihnen die Augen für die Existenz dieser Kultur öffnete. Solche Kontakte wurden über Land, über Flüsse und übers Meer geknüpft. Wenn sie über Land erfolgten, dienten die am Wege liegenden Kulturen als Mittler, während Seewege ganz unterschiedliche Welten miteinander verbanden, die so weit voneinander entfernt lagen wie Portugal und Japan oder Schweden und China.
Dieses Buch soll mein früheres, in der englischen Originalfassung erstmals 2011 erschienenes Buch Das Mittelmeer. Eine Biographie ergänzen. Wie Das Mittelmeer ist es eher eine menschliche Geschichte als eine Naturgeschichte und betont die Rolle waghalsiger Kaufleute bei der Herstellung und Aufrechterhaltung von Kontakten. Das Mittelmeer umfasst 0,8 Prozent der weltweiten Meeresfläche. Insgesamt sind jedoch 70 Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt, und der größte Teil dieser Wasserflächen entfällt auf die riesigen Gebiete, die wir Ozeane nennen. Aus dem Weltraum besehen, erscheint die Erde hauptsächlich blau. Die Ozeane verfügen über ihre jeweils ganz eigenen riesigen Windsysteme, die auf die Luftbewegungen über gewaltigen Massen warmen und kalten Wassers zurückgehen. Man denke etwa an die saisonalen Monsune im Indischen Ozean. Die Westwinde der Roaring Forties, mit denen die Segelschiffe so leicht vom Atlantik in den Indischen Ozean gelangten, waren dieselben, die auch die Passage vom Südatlantik in den Pazifik rund um Kap Hoorn so furchterregend erscheinen ließen. Meeresströmungen wie der Golfstrom, der dafür sorgt, dass es auf den Britischen Inseln vergleichsweise warm ist, oder der ganz ähnliche Kuroshio, auch Japanstrom genannt, erstrecken sich über Tausende von Kilometern.[1] Wir unterteilen das allumfassende Weltmeer in drei große Ozeane. Die antiken Geographen sahen darin mit einiger Berechtigung einen einzigen Okeanos aus miteinander zusammenhängenden Gewässern – eine Vorstellung, die wir heute wieder aufgreifen, wenn wir vom »Weltozean« oder vom »Globalen Ozean« sprechen, um alle Weltmeere zu einer Einheit zusammenzufassen.[2]
Die drei großen Ozeane stoßen auf wachsendes Interesse, seit die Erforschung der maritimen Geschichte sich nicht mehr hauptsächlich auf die Marinegeschichte im engeren Sinne beschränkt, die sich auf die Kriegführung (oder Friedenssicherung) auf See konzentriert, sondern auch weiterreichende Fragen in den Blick nimmt, etwa wie, warum und wann Menschen – ob nun als Händler oder als Einwanderer – große maritime Räume durchquerten und welche gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen weit voneinander entfernten Ländern dadurch geschaffen wurden. Daraus erwuchsen Debatten über die Ursprünge der Globalisierung, die häufig aneinander vorbei geführt wurden, weil der Begriff der Globalisierung nur vage ist und in vielfältiger Weise definiert werden kann. Eine im Kontext der Globalisierung oft gestellte Frage betrifft die Gründe, weshalb Europäer nach 1500 im Gefolge von Christoph Kolumbus und Vasco da Gama Seewege in alle Welt erschlossen, während die Chinesen unter Zheng He im frühen 15. Jahrhundert äußerst ehrgeizige Seefahrten unternahmen, sie dann aber plötzlich einstellten. Das führt zu einer Reihe von Fragen hinsichtlich der Great Divergence, der »Großen Abweichung« zwischen Europa und Asien oder anderen Kontinenten, obwohl auch hier wie bei der Globalisierung viel von den Kriterien abhängt, die man für die Bewertung des Prozesses auswählt. Dieses Buch macht die dramatischen Auswirkungen des nach den Fahrten von Kolumbus und da Gama einsetzenden Eindringens europäischer Kaufleute und Eroberer in ferne Ozeane deutlich und betont zugleich, dass Kolumbus, da Gama und die von ihnen erkundeten Welten nicht ohne einen Blick auf ihre entfernten Vorläufer erklärt werden können.
Das Buch vertritt auch die These, dass die europäische Präsenz an den Küsten der Weltmeere sich nur verstehen lässt, wenn wir die weniger gut dokumentierten Aktivitäten nicht europäischer Händler und Seeleute berücksichtigen, von denen manche aus den betreffenden Ländern selbst stammten, andere dagegen zu einer weit verstreuten Diaspora gehörten – Griechen und später dann Juden aus Ägypten, Armenier, Chinesen, Malaien und andere. Zuweilen wurden die Handelsrouten im Stil einer Stafette betrieben, wobei die Waren von einem Händler an den nächsten weitergegeben und von einem Schiff auf das nächste umgeladen wurden, während an jedem Haltepunkt lokale Herrscher ihre Zölle erhoben. Zuweilen – etwa im Indischen Ozean der griechisch-römischen Zeit – wurden sie jedoch auch von einzelnen Unternehmern genutzt, die zum Beispiel die gesamte Strecke von Bereniké an der ägyptischen Küste des Roten Meers bis nach Pondicherry an der Südostküste Indiens befuhren. Damit will ich nicht bestreiten, dass die Ankunft der Europäer in nahezu jedem Winkel der Erde zu beträchtlichen Veränderungen führte. Nach Kolumbus und da Gama wurden die Weltmeere und ihre Inseln auf ganz neue Weise miteinander verknüpft. Ehrgeizige neue Routen, manche länger als alle je zuvor erkundeten, zogen sich nun kreuz und quer durch die Welt und verbanden China über Manila mit Mexiko oder Südostasien mit Lissabon und Amsterdam. Zu einer weiteren Revolution kam es, als man im 19. Jahrhundert die Segelschiffe auf den Ozeanen durch Dampfschiffe zu ersetzen begann und zwei große Kanäle in Sues und Panama die Seewege selbst veränderten. Im späten 20. Jahrhundert sorgten dann riesige Frachtschiffe, die Tausende von Containern aufnehmen können, und große Kreuzfahrtschiffe für Tausende von Passagieren nochmals für gewaltige Umwälzungen.
Soweit dieses Buch seine Helden hat, handelt es weniger von den Entdeckern, die Seewege über die Weltmeere erschlossen, als von den Kaufleuten, die ihnen folgten. Händler erkannten Chancen und verwandelten die neuentdeckten Routen in feste, zuverlässige und regelmäßige Verbindungen, ob nun im Zeitalter des griechisch-römischen Handels quer über den Indischen Ozean oder nach den Fahrten des Kolumbus in die Karibik. Sie ließen sich in Handelsstationen nieder, aus denen in der Folgezeit große Häfen wurden – Aden, Havanna, Macau, Melaka (Malakka) oder Quanzhou, um nur einige Beispiele zu nennen. Bis in die Frühzeit des Dampfschiffs hinein drohten der Seefahrt ständig Gefahren wie Schiffbruch, Piraterie, Krankheit und – nicht zuletzt – Rajas, Sultane und andere Herrscher, die in den Kaufleuten eine geeignete Beute bei ihrer Jagd nach Einkünften erblickten, die sie sich durch Beschlagnahme oder Besteuerung zu sichern versuchten. Die Geschichte des maritimen Fernhandels ist die Geschichte von Menschen, die bereit waren, physische und finanzielle Risiken einzugehen, und (in der Mehrzahl) von Männern, die auf der Suche nach Profit in fernen Ländern gewagte Geschäfte tätigten. Nach einer nicht allzu strengen Definition könnten wir diese Leute als Kapitalisten bezeichnen, als Geschäftsleute, die ihre Mittel in der Hoffnung auf immer größeren Reichtum investierten und reinvestierten. Solchen Menschen begegnen wir schon zu Beginn der Geschichte des Handels im Indischen Ozean, in den mesopotamischen Städten der Bronzezeit und in allen nachfolgenden Jahrhunderten.
Die Geschichte des Seehandels befasst sich nicht ausschließlich mit exotischen Waren wie den Gewürzen Süd- und Südostasiens. Inzwischen interessieren Historiker sich verstärkt auch für alltägliche Handelsnetze, durch die Primärerzeugnisse wie Getreide, Öl, Wein, Wolle und dergleichen auf die Märkte und in die Städte gelangten. Wer jedoch wirklich große Profite erzielen wollte, war versucht, in weitaus größere Ferne zu streben. Daraus resultierten schließlich Überseeverbindungen, die das Wirtschaftswachstum an beiden Enden der Verbindungslinien stimulieren konnten. Man denke etwa an die Städte in China, die feines Porzellan herstellten, und die Städte in Holland, die große Mengen davon kauften. Gelegentlich wurde der Handel als Zahlung und Entgegennahme von Tribut verkleidet, vor allem im China und Japan des Mittelalters. Die Fürstenhöfe mochten durch ihr Verlangen nach ganz bestimmten exotischen Objekten die Richtung vorgeben, doch die Herrscher konnten ihre Diplomaten niemals ganz an Nebengeschäften hindern, und Versuche, Häfen zu schließen, führten nur zur Entstehung neuer, inoffizieller Häfen wie etwa in Quanzhou im mittelalterlichen China, das zum Treffpunkt für Kaufleute aus Java, von der Malaiischen Halbinsel, aus Indien, der arabischen Welt und sogar aus Venedig und Genua wurde.
Neben den friedlichen Kaufleuten gab es natürlich auch zahlreiche Seeräuber, zu deren berüchtigtsten Vertretern die Wikinger gehörten. Doch auch bei ihnen sorgte das Profitstreben dafür, dass sie sich zumindest zeitweilig als Händler betätigten. Unbestreitbar ist es faszinierend, sich die exotischen Objekte und Lebensmittel anzuschauen, die teilweise über riesige Entfernungen herangeschafft wurden, und darüber nachzudenken, was diese Objekte für die Menschen bedeuten mochten, bei denen sie ankamen – ob es sich nun um Walross-Stoßzähne aus Grönland, Lackkästchen aus Japan oder Säcke voller Gewürznelken und Muskatnüsse von den Molukken handelte. Der ewige Reiz seltener und schöner Dinge aus fernen Ländern samt der Neugier auf diese Länder veranlasste Kaufleute und Seefahrer, neue Seewege zu erkunden, wobei sie auf bis dahin unbekannte Länder stießen (nicht zuletzt auch auf den riesigen Kontinent der beiden Amerikas). Dabei dürfen wir jedoch nicht jene Menschen vergessen, die selbst als käufliche Waren behandelt wurden – insbesondere die vielen Millionen Sklaven, die in der frühen Neuzeit über den Atlantik verschleppt wurden. Wenn wir nach Frauen Ausschau halten, die in diesen Anfängen die Meere überquerten, werden wir sie hier in großer Zahl finden. Frauen befanden sich auch unter den Auswanderern, die etwa im Island der Wikinger, im Nordamerika der Puritaner und im Neuseeland der Maori eintrafen – und selbst unter den nordischen Siedlern, die sich in der Wikingerzeit in Nordamerika niederzulassen versuchten. Allzu oft schweigen die Dokumente über das Schicksal der Frauen auf See, im Unterschied zu Legenden über Meeresgöttinnen.
Es ist aufschlussreich, die Bewegung übers Meer mit der über Land zu vergleichen. Viele Probleme mit dem Transport großer Mengen von Gütern und Menschen über Land wurden erst durch den Bau der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert gelöst, die zum Beispiel den Transport großer Mengen Tee aus entlegenen Teilen Indiens an die Küste des Indischen Ozeans und letztlich in die boomenden Teegeschäfte Londons erleichterten. Für eine relativ kurze Zeit hatte in der Vergangenheit die berühmte Seidenstraße floriert, die China mit Westasien und zeitweilig auch mit Europa verband, vor allem im 9. Jahrhundert und nochmals vom späten 13. bis ins frühe 14. Jahrhundert. Ihre kulturelle Bedeutung steht außer Frage, da Denken und Kunst des Buddhismus und des Islam sich darüber in ganz Eurasien verbreiteten. Über die Seidenstraße kam jedoch nur ein Bruchteil der Güter, die per Schiff aus China und Südostasien über die Malaiische Halbinsel und Indien nach Ägypten und in den Mittelmeerraum transportiert werden konnten und transportiert wurden. Diese »maritime Seidenstraße« quer über den Indischen Ozean blickt auf eine ununterbrochene zweitausendjährige Geschichte zurück, die bis in die Zeiten des Kaisers Augustus zurückreicht. Die erstaunlichen Mengen an Porzellan, die man im Südchinesischen Meer in Schiffswracks gefunden hat, belegen eindeutig, dass man die Hundertausende von Tellern und Schüsseln, die auf spätmittelalterlichen Dschunken ins Rote Meer verschifft wurden, unmöglich auf dem Rücken von Kamelen über Land hätte befördern können – in einem Wrack aus dem 11. Jahrhundert entdeckte man eine halbe Million Teile chinesischen Porzellans. Im mittelalterlichen Ägypten war chinesisches Porzellan so beliebt, dass man dort sogar versuchte, es nachzuahmen. Im Boden von Fustat, dem heutigen Alt-Kairo, fand man mindestens 700000 Scherben dieser Art. Solche Zahlen sind jedoch nichts im Vergleich zu den Mengen an Porzellan, die im 18. Jahrhundert aus China nach Europa gebracht wurden.
Historiker debattieren über die Frage, wann die Bezeichnungen »Atlantischer«, »Pazifischer« und »Indischer« Ozean aufkamen, in welchem Umfang sie verwendet wurden und ob sie angemessen sind. Schließlich umspült der Indische Ozean sowohl Afrika, Arabien und die Malaiische Halbinsel als auch Indien, und die Geographen der frühen Neuzeit unterschieden meist zwischen dem Nordatlantik und seinem südlichen, »äthiopischen« Zwillingsbruder. Der mittlere und südliche Pazifik wurde oft als »Südsee« bezeichnet. Dennoch entstanden Historikerschulen mit Schwerpunkt Atlantik, Pazifik und Indischer Ozean. Einer neueren Untersuchung zufolge erscheinen inzwischen mehr Publikationen über den Atlantischen Ozean als über das Mittelmeer, das lange das bei Historikern beliebteste Gewässer war – angefangen bei den wegweisenden Schriften Fernand Braudels. »Wir alle sind heute Atlantiker«, erklärte der herausragende Harvard-Historiker David Armitage, als er die unterschiedlichen Möglichkeiten beschrieb, sich mit der atlantischen Geschichte auseinanderzusetzen, ob nun vergleichend, lokal oder transatlantisch (das heißt im Blick auf Verbindungen quer über den Atlantik hinweg).[3] Eine solche Untergliederung der maritimen Geschichte in vier große, voneinander abgeschottete Forschungsgebiete stößt jedoch zunehmend auf Kritik, da man die Wechselwirkungen zwischen ihnen nicht ignorieren dürfe. Dieses Buch versucht, die Geschichte der großen Weltmeere in ihrer Gänze zu schreiben. In den Jahrtausenden vor Kolumbus behandle ich sie allerdings jeweils gesondert, denn damals bildeten sie drei Sphären menschlichen Verkehrs, die nicht direkt durch die Bewegung von Menschen untereinander verbunden waren, auch wenn im Mittelalter bestimmte Güter (vor allem Gewürze) aus so entfernten Regionen wie dem Malaiischen Archipel über das nicht zu den Weltmeeren gehörende Mittelmeer in die Häfen am Atlantik gelangten. Für die Zeit nach 1492 lege ich dagegen möglichst großes Gewicht auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Ozeanen, so dass (beispielsweise) selbst Kapitel über die Engländer in der Karibik des 17. Jahrhunderts den globalen Kontext berücksichtigen. Das erleichtert die Behandlung der letzten fünf Jahrhunderte, entspricht aber auch der Wirklichkeit, denn die Ozeane waren inzwischen tatsächlich eng miteinander verknüpft, wie ein kurzer Blick auf die maritimen Netzwerke der Portugiesen, Holländer oder Dänen sogleich erkennen lässt. Diese wechselseitige Verbindung der Ozeane war die große Revolution, die auf die Entdeckung Amerikas und des Seewegs von Europa nach Asien rund um die Südspitze Afrikas folgte und der man bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Ein wichtiges Thema dieses Buchs ist die menschliche Eroberung bislang unbewohnter Inseln – angefangen mit den außergewöhnlichen Leistungen polynesischer Seeleute bei der Besiedlung von Inseln, die im größten aller Weltmeere verstreut liegen. Im Atlantik besaßen Madeira, die Azoren, die Kapverdischen Inseln und St. Helena eine weitaus größere Bedeutung, als ihre winzige Größe dies vermuten ließe. Die sehr große, im Indischen Ozean gelegene Insel Madagaskar ist ein Miniaturkontinent mit einer eigenen Tier- und Pflanzenwelt. Sie wurde in der von Historikern Europas als Mittelalter bezeichneten Epoche von Austronesiern besiedelt, die ursprünglich vom Malaiischen Archipel stammten. In manchen Fällen sorgten die Menschen und die von ihnen mitgebrachten Tiere für eine vollständige Veränderung der Ökologie dieser Inseln. Das bekannteste Beispiel ist die Ausrottung des Dodo nach der Besiedlung von Mauritius.[4] Naturgemäß musste ich unermesslich mehr auslassen, als ich berücksichtigen konnte, und so habe ich nicht versucht, eine vollständige oder umfassende Geschichte der Weltmeere zu schreiben, die zahlreiche Bände gefüllt hätte, sondern eine abgerundete Geschichte der Ozeane, die sich auf die meines Erachtens besten Beispiele für maritime Fernverbindungen stützt. Einige davon wie der Handel mit chinesischem Tee und Porzellan hatten gewaltige kulturelle und ökonomische Auswirkungen auf Länder, die so weit von China entfernt sind wie Schweden und Neuengland.
Ein weiterer Vorbehalt hinsichtlich der bisherigen Geschichtsschreibung zu den Ozeanen betrifft die berücksichtigten Zeitspannen. Vor allem die Geschichte des Atlantiks leidet unter der Annahme, sie beginne erst mit Kolumbus. So begnügt man sich denn mit einem raschen Hinweis auf die kurze Anwesenheit der Nordmänner und -frauen irgendwo in Nordamerika (obwohl ihr Aufenthalt in Grönland keineswegs kurz war, sondern mehr als 400 Jahre währte). Ganz abgesehen von Belegen für Handel und Migration in der vorkolumbianischen Karibik, die mehrere Jahrtausende zurückreichen, besitzen wir reichhaltiges Material zu einem seit der Neusteinzeit bestehenden Handel in den ostatlantischen Gewässern, der die Orkney- und Shetlandinseln sowie Dänemark mit der französischen und der iberischen Atlantikküste verband. Sehr viel später sehen wir die Kaufleute der spätmittelalterlichen Hanse, die von Danzig bis nach Lissabon Handel trieben. Die enge Verbindung zwischen der Ostsee, der Nordsee und dem weiteren Atlantik macht es erforderlich, diese Meere als Ausläufer des Atlantiks zu begreifen. Der antike und mittelalterliche Indische Ozean hat weit mehr Aufmerksamkeit gefunden als der frühe Atlantik, und auch dieser Ozean hat seine Ausläufer. Einer davon ist das Südchinesische Meer am Eingang zum Pazifik, aber auch die Meere, die sich bis hinauf nach Korea und Japan erstrecken, standen seit der Antike in erheblichem Maße miteinander in Verbindung. Diese Meere lagen abgewandt vom Pazifik der polynesischen Seefahrer, der eine Welt für sich war – bestehend aus oft nur winzigen, auf einer riesigen und scheinbar grenzenlosen Fläche verstreuten Inseln. Deshalb findet sich hier die maritime Geschichte Japans, Koreas und Chinas vor 1500 in den Kapiteln über den Indischen Ozean. Ein weiterer Ausläufer ist das Rote Meer, das den Zugang nach Ägypten und darüber hinaus zum Mittelmeer bot. Auch dieses Meer wird hier ausführlich behandelt.[5] Was das Nordpolarmeer oder den Arktischen Ozean betrifft (falls man ihn denn überhaupt als Ozean bezeichnen kann, da manche in ihm eher ein begrenztes und weitgehend eisbedecktes, zwischen Eurasien und Nordamerika eingezwängtes »Mittelmeer« erblicken), erzähle ich die Geschichte der menschlichen Präsenz in diesen Regionen anhand der wiederholten Versuche, einen Weg durch Wasser und Eis der Arktis in den Fernen Osten zu finden – die Nordwest- und die Nordostpassage, sofern es sie denn gab. »Antarktischer Ozean« oder »Südpolarmeer« bezeichnen dagegen bloß die kalten Gewässer am südlichen Ende unseres Planeten, die in Wirklichkeit Teil der drei großen Ozeane sind, mit ihren Anfängen irgendwo in den Breiten Neuseelands – auch wenn die Suche nach dem Südkontinent, der ein weitaus gemäßigteres Klima haben sollte als die Antarktis, hierzu gehört.[6]
Dieses Buch lässt sehr vieles unberücksichtigt. Auch wenn es sich, wie es im Untertitel heißt, um eine »menschliche Geschichte« statt um eine Naturgeschichte handelt, befasst sie sich nicht mit den Auswirkungen des Menschen auf die Meeresökologie – die »submarine« Geschichte der Ozeane. Dieses Buch bleibt an der Meeresoberfläche, einmal abgesehen von den häufigen Bezügen auf Funde aus Schiffswracks, den Überresten von Schiffen, die ja eigentlich an der Wasseroberfläche hätten schwimmen sollen. Die Ökologie der Meere ist ein wichtiges und drängendes Thema, das von Umweltexperten leidenschaftlich diskutiert wird.[7] Die Menschen zerstören die Meere, indem sie zulassen, dass Plastik und Abwässer hineingeraten, und das Meeresleben zahlt einen hohen Preis dafür. Der Klimawandel wird vielleicht Seewege eröffnen, auf denen große Gütermengen aus dem Fernen Osten durch den Arktischen Ozean nach Europa und umgekehrt transportiert werden können. Das sind äußerst wichtige Fragen, doch dieses Buch befasst sich stattdessen mit zwischenmenschlichen Kontakten über die Ozeane hinweg, die Küsten und Inseln miteinander verbanden, und das hauptsächlich in Zeiten, als der menschliche Einfluss auf die Meere noch sehr begrenzt war, wenngleich dieser Einfluss auf entlegene Inseln wie Madeira oder Hawaii schon damals beträchtliche Ausmaße annahm. Auch mit der Fischerei befasse ich mich nur wenig, es sei denn, dass daraus Fernverbindungen erwuchsen. So werde ich einiges über den atlantischen Hering und Kabeljau auf den Schiffen der Hanse und der Holländer wie auch über englische Fischer zu berichten haben, die sich wahrscheinlich fast bis Neufundland vorwagten, bevor John Cabot 1497 dort eintraf. Später wird im Kontext des internationalen Handels mit Walprodukten kurz von amerikanischen Walfängern die Rede sein, wobei man hier auf schwere ökologische Schäden schon lange vor 1900 verweisen kann, da die Walpopulationen durch die Jagd in großen Meeresgebieten bis an den Rand der Ausrottung getrieben wurden.
Eine wichtige Folge neu geknüpfter Kontakte zwischen weit voneinander entfernten Landmassen war der Import und Anbau fremder Nutzpflanzen in Regionen, die weit von deren Ursprungsgebiet entfernt lagen. Das einschlägige Beispiel ist hier die Kartoffel, die aus Südamerika stammt und (mit tragischen Folgen) zum Hauptnahrungsmittel der ärmeren irischen Bevölkerung wurde. Schon lange vorher hatte die islamische Welt für die Verbreitung von Orangen und Bananen bis in das weit westlich gelegene Spanien gesorgt, während asiatisches Zuckerrohr im Mittelmeerraum, auf Atlantikinseln wie Madeira und schließlich auch in Brasilien und der Karibik Wurzeln schlug. Ich kann hier nur einen Teil der Geschichte erzählen, und zwar den Teil, der mit den Wegen zusammenhängt, die diese Produkte nahmen. Eine klassische Arbeit von Alfred Crosby und eine wegweisende Studie von Andrew Watson über die Beförderung von Nahrungsmitteln innerhalb der islamischen Länder betrachten das größere Bild.[8] An diesen Entwicklungen war der Mittelmeerraum intensiv beteiligt, der in diesem Buch jedoch weitgehend außen vor bleibt. Als fast gänzlich abgeschlossenes Binnenmeer mit ständigen engen Kontakten zwischen den Küsten unterscheidet es sich von den offenen Ozeanen wie Gebirge von den Ebenen. Außerdem habe ich in meinem letzten Buch ausführlich darüber geschrieben.
Die Arbeit an vorliegendem Band hat mich in Zeiten und an Orte geführt, die weit vom Mittelmeer entfernt liegen. Die Ursprünge dieses Buches liegen jedoch in einem Aufsatz mit dem schlichten Titel »Mediterraneans«, den ich für ein von William Harris von der Columbia University herausgegebenes Buch, Rethinking the Mediterranean, schrieb. Darin verglich ich das »klassische« Mittelmeer mit anderen abgeschlossenen oder fast abgeschlossenen Meeren wie der Ostsee oder der Karibik.[9] Das führte mich tiefer in die Geschichte anderer, weitaus größerer Meere, etwa in einem Buch über den Atlantik am Ende des Mittelalters mit dem Titel Discovery of Mankind, in dem ich die Überraschung der Westeuropäer bei ihren ersten Kontakten mit Völkern auf den Kanarischen Inseln, in der Karibik und in Brasilien beobachtete, mit deren bloßer Existenz sie nicht im mindesten gerechnet hatten.[10] Noch davor schrieb ich auf Einladung des großen Wirtschaftshistorikers Sir Michael (»Munia«) Postan ein langes Kapitel über »Asia, Africa and the Trade of Medieval Europe« für die Neuausgabe eines Teils der Cambridge Economic History of Europe.[11] Beim Lunch in Peterhouse (wo ich erlebte, wie einige der Fellows über dessen Master, Hugh Trevor-Roper, herzogen) fragte Postan mich, was ich in meinem Kapitel über die Malaiische Halbinsel zur Zeit des Mittelalters schreiben würde. Mir wurde klar, dass ich nichts darüber wusste, und so begab ich mich auf eine Reise, die mich von dem problematischen Reich Śri Vijaya auf Sumatra bis ins frühe Singapur und Melaka führte, wie sie in den bemerkenswerten malaiischen Annalen der Sějarah Mělayu dargestellt sind. Dieses Interesse an Südostasien habe ich nie verloren.
Dieses Buch, das hauptsächlich in Cambridge und in geringerem Maße in Oxford entstand, hätte ich niemals schreiben können ohne die Möglichkeiten und die Gemeinschaft, die das Gonville and Caius College in Cambridge bietet. Besonders dankbar bin ich einem der großzügigen Alumnis des Colleges, Andreas Papathomas, für die Stiftung des Papathomas Professorial Fellowship, das innezuhaben ich die Ehre habe. Es ist Ausdruck seines eigenen Interesses als prominenter Reeder an allem, was mit dem Meer zu tun hat. Unter den zahlreichen geschichtswissenschaftlichen Fellows des Colleges unterstützten Sujit Sivasundaram und Bronwen Everill mich bereitwillig mit Ideen und Vorschlägen. Sehr nützlich waren für mich auch viele Gespräche mit John Casey, Ruth Scurr und K.C. Lin wie auch mit Mitgliedern der stets lebendigen Sherrington Society, die sich einen frühen Entwurf von Teilen meines Kapitels über Polynesien anhörten. Zwei Oxforder Colleges waren so freundlich, mir ihre Türen zu öffnen, dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Mein Dank geht an die Leiter (Alan Bowman und John Bowers) und die Fellows des Brasenose College, eines Schwestercolleges des Caius, sowie an die Prinzipale (Frances Lannon und Alan Rusbridger) und Fellows der Lady Margaret Hall, nicht zuletzt an Anna Sapir Abulafia, Professorial Fellow und Präsidentin des dortigen Common Room. Sehr dankbar bin ich auch all jenen, die Vorträge besuchten oder sich an Gesprächen beteiligten, welche auf dem Buch basierten oder meine Vorstellungen zur maritimen Geschichte betrafen. Zu nennen sind hier (unter anderen Institutionen) das Legatum Institute und das Erasmus Forum in London, die British Academy Soirée, das èStoria Festival in Gorizia, die Perse School, die North London Collegiate School, die St Paul’s School, die Universidade Nova in Lissabon, die Universität Greifswald (mit herzlichem Dank an Michael North), die Universität Rostock, die Universität Heidelberg, John Darwins Seminar in Oxford, das Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies, die Harvard University, die Cambridge University, die La Trobe University in Melbourne, die Nanyang Technological University und das Asiatic Museum, beide in Singapur, das Europakolleg in Warschau (mit besonderem Dank an Richard Butterwick-Pawlikowski und Nicolas Nizowicz) sowie die neu gegründete University of Gibraltar, mit der verbunden zu sein dank ihrer einfallsreichen und energischen ersten Vizekanzlerin Daniella Tilbury stets eine besondere Freude ist. Ich danke auch dem auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar gelegenen Instituto de Estudios Ceutíes in Ceuta für die Gastfreundschaft, die es mir 2015 während einer Tagung zur Erinnerung an die portugiesische Eroberung der Stadt im Jahr 1415 gewährte. Mitglieder der Algae, eines literarischen Zirkels am Londoner Athenaeum, vor allem Colin Renfrew, Roger Knight, David Cordingly und Felipe Fernández-Armesto, diskutierten mit mir in der Entstehungsphase des Buchs auf höchst fruchtbare Weise über Teile der Arbeit. John Guy erläuterte mir freundlicherweise die Erziehung Sir Thomas Greshams. Ich danke auch Arturo Giráldez für seinen Rat zu den Manila-Galeonen, Andrew Lambert für seine Gedanken zum Wesen der Seemacht, Barry Cunliffe für unsere Diskussionen über den frühen Atlantik, Sidney Corcos (Jerusalem) für reichhaltige Daten zur Familie Corcos und Chang Na (Nanking) für ihre enthusiastische und unschätzbare Hilfe bei der Pinyin-Version chinesischer Namen.
Besonderer Dank gebührt all jenen, die mir bei meinen Reisen über die Weltmeere eine gewaltige Hilfe waren, und am Anfang soll hier ein Wort des Lobes für den diplomatischen Dienst Großbritanniens in diversen Ländern stehen. Durch Zufall saß ich bei einem Dinner in Cambridge neben Steven Fisher, dem ehemaligen britischen Botschafter in der Dominikanischen Republik. Er drängte mich zu einem Besuch in Santo Domingo, das über das größte, älteste und besterhaltene Kolonialviertel in ganz Amerika verfügt, und knüpfte für mich den Kontakt zu seinem Nachfolger Chris Campbell, der mich wiederum mit der Botschaftsrätin Thelma de la Rosa García bekannt machte. Sie gewährte mir außerordentliche Unterstützung in der Dominikanischen Republik, insbesondere beim Arrangement von Museumsbesuchen und einem äußerst wertvollen Treffen mit Juan Rodríguez Acosta, dem Direktor des Museo del Hombre Dominicano. Steven Fisher arrangierte für mich außerdem ein Treffen mit seiner Exzellenz Bernardo Vega, dem Präsidenten der Academia Dominicana de História, wo ich die Ehre hatte, einen Vortrag zu halten. Und er machte mich mit Estebán Priete Vicioso bekannt, dem für die Kathedrale und andere alte Gebäude in Santo Domingo zuständigen Architekten, der so freundlich war, mir alle wichtigen Stätten zu zeigen. Ihnen allen danke ich für ihre außergewöhnliche Gastfreundschaft, desgleichen der wunderbaren Belegschaft des großartigen Nicolás-de-Ovando-Hotels in Santo Domingo, das sich in Ovandos Palast aus dem Jahr 1502 befindet. Joe Moshenska in Cambridge versorgte mich vor meiner Abreise nach Santo Domingo mit wertvollen Informationen. Großzügige Hilfe erhielt ich bei meinem Besuch auf den Kapverdischen Inseln, und zwar dank der begeisterten Unterstützung durch Marie-Louise Sørensen und Chris Evans, Leiter des Archäologenteams aus Cambridge, das in Cidade Velha die älteste europäische Kirche der Tropen ausgräbt. José Silva Lima und Jaylson Monteiro vom dortigen Kulturministerium waren so freundlich, mich durch die Weltkulturerbestätte in Cidade Velha und die Museen in Praia zu führen.
Auf der anderen Seite der Erde, im neuseeländischen Wellington, begrüßte mich A.T.H. (Tony) Smith, und James Kane zeigte mir die Orte, die ich im australischen Sydney sehen musste. Richter William Waung war mir in Hongkong ein wunderbarer Gastgeber und zeigte mir das großartige Maritime Museum, mit dem er eng verbunden ist. Mein herzlicher Dank geht an Arun und Christine Nigam, Anthony Phillips, Paul Serfaty und die Royal Geographical Society in Hongkong. In Singapur führte mich der britische Hochkommissar Antony Phillipson zu den Ausgrabungen am Fort Cannon. John Miksic klärte mich über seine aufregenden Entdeckungen auf. Patricia Welsh bot mir bei meinen beiden Besuchen im Stadtstaat größte Gastfreundschaft. Andrea Nanetti war meine freundliche Gastgeberin an der Nanyang Technological University. In Tokio, Kamakura, Kyoto und Nara genossen meine Frau und ich die grenzenlose Gastlichkeit Hiroshi Takayamas und seiner Kollegen und Studenten, darunter auch Minoru Ozawa, Keizo Asaji und Noriko Yamabe – bei so großzügiger und liebenswürdiger Gastfreundschaft vermag man seiner Dankbarkeit kaum rechten Ausdruck zu verleihen. Dasselbe gilt für meine Gastgeber in Schanghai, Hangzhou und Nanking: Michelle Garnaut und die Crew des Shanghai Literary Festival, Lu Dapeng von der Social Science Academic Press, Dr. Jia Min von der Fundan University, Prof. Zhu Feng und Dr. Chang Na von der Nanjing University und viele andere.
Besonders dankbar bin ich dem Joukowsky Institute unter Peter van Dommelen und der John Carter Brown Library unter Neil Safier für den freundlichen Empfang an der Brown University, Rhode Island, im November und Dezember 2017. Dort konnte ich meine Ergebnisse präsentieren und durfte eine leider allzu kurze Zeit als Fellow an der John Carter Brown Library verbringen, wo ich die ausgezeichnete, in die frühesten Zeiten der europäischen Entdeckung zurückreichende Materialsammlung nutzen durfte. Meine Einladung an die Brown University verdanke ich zwei wunderbaren Gastgebern, Miguel Ángel Cau Ontiveros und Catalina Mas Florit. David González Cruz von der Universität Huelva führte mich und andere während einer betriebsamen Tagung anlässlich des 525. Jahrestags der Ankunft des Kolumbus in der Neuen Welt durch die damit verbundenen Stätten, darunter auch Palos und das Kloster La Rábida. Yasir Suleiman und Paul Anderson vom Centre for Islamic Studies in Cambridge arrangierten eine Reihe von Besuchen einer Forschergruppe aus Cambridge an Universitäten der islamischen Welt. Mein besonderer Dank geht an meine Mitreisende in Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Alice Wilson, heute an der University of Sussex, sowie an meinen Mitreisenden in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Qatar, Yonatan Mendel, damals am Centre for Jewish-Arab Relations des Van Leer Institute in Israel und heute an der University of the Negev.
All das wäre unmöglich gewesen ohne die Unterstützung meines Lektors bei Penguin Books, Stuart Proffitt, meines Lektors bei der Oxford University Press in New York, Tim Bent, wie auch meines Agenten Bill Hamilton von A.M. Heath. Candida Brazil leistete ausgezeichnete Arbeit an meinem Text, desgleichen Mark Handsley, Stephen Ryan und Chris Shaw bei der Redaktion und beim Korrektorat. Dasselbe gilt für meine Bildredakteurin Cecilia Mackay und für Ben Sinyor von Penguin. Ich könnte nicht in besseren Händen sein. Das Buch hätte ich gleichfalls unmöglich schreiben können ohne die einzigartigen Bedingungen in der Cambridge University Library und in der Gonville and Caius College Library. Mein besonderer Dank geht dort an Mark Statham. Inzwischen erträgt Anna den Besuch sämtlicher Schifffahrtsmuseen und Buchhandlungen, auf die wir bei unseren Urlaubsreisen irgendwo im Ausland stoßen. Mein Dank an sie und meine Töchter Bianca und Rosa ist »so grenzenlos wie das Meer«.
David Abulafia
Gonville and Caius College, Cambridge
8. Mai 2019
Zu den Winden siehe F. Fernández-Armesto, »The Indian Ocean in World History«, in A. Disney und E. Booth (Hg.), Vasco da Gama and the Linking of Europe and Asia, New Delhi 2000, S. 14–16; A. Dudden, »The Sea of Japan/Korea’s East Sea«, in D. Armitage, A. Bashford und S. Sivasundaram (Hg.), Oceanic Histories, Cambridge 2018, S. 189–190.
D. Armitage, A. Bashford, S. Sivasundaram, »Writing World Oceanic Histories«, in Armitage u.a., Oceanic Histories, a.a.O., S. 1, 8, 26.
D. Armitage, »Three Concepts of Atlantic History«, in D. Armitage und M. Braddick (Hg.), The British Atlantic World, London und New York 2002, S. 11–27; siehe auch D. Armitage, »Atlantic History«, in Armitage u.a., Oceanic Histories, a.a.O., S. 85–110; R. Blakemore, »The Changing Fortunes of Atlantic History«, English Historical Review131 (2016), S. 851–868.
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Der älteste Ozean: Der Pazifik – 176000 v.u.Z. bis 1350 u.Z.
Der Pazifische Ozean ist bei weitem das größte Weltmeer und bedeckt ein Drittel der Erdoberfläche. Die Entfernung zwischen Sumatra und der Küste Ecuadors beträgt am Äquator etwa 18000 Kilometer. Selbst wenn polynesische Seefahrer ganz vereinzelt an den Küsten Südamerikas gelandet sein sollten, gab es doch keinen regelmäßigen Kontakt zwischen den beiden Küsten, bis die Spanier im 16. Jahrhundert mit ihren Manila-Galeonen eine Verbindung zwischen den Philippinen und Mexiko herstellten. Mitten in diesem Ozean liegen die vielen hundert Inseln und die Dutzenden von Inselgruppen, aus denen Polynesien, Mikronesien und Melanesien bestehen, drei grob umrissene Regionen, deren ethnische Unterschiede von Anthropologen des 19. Jahrhunderts aus diversen Gründen beträchtlich übertrieben wurden. Manche Inseln wie die der Salomonen liegen so nahe beieinander, dass die Bewohner ihre engen Nachbarn sehen oder deren Vorhandensein auf andere Weise bemerken konnten. Andere wie die Osterinsel (Rapa Nui), die Inselkette Hawaii und Neuseeland (Aotearoa) liegen weit außerhalb der Sichtweite der nächstgelegenen Küste und – im Fall der beiden letztgenannten – weit entfernt von den Hauptrouten der polynesischen Seefahrer.
Innerhalb dieses riesigen Raums gibt es jedoch Anzeichen für eine außergewöhnliche Einheit. Captain Cook und der Naturhistoriker Joseph Banks erkundeten in den Jahren um 1770 weite Teile des Pazifiks und stellten erstaunt fest, dass die in Hawaii, Tahiti und Neuseeland gesprochenen Sprachen untereinander verständlich waren und die, wie man heute sagt, »ozeanischen Sprachen« im gesamten Bereich vom Norden bis in den Süden Polynesiens gesprochen wurden. »Es ist außergewöhnlich«, notierte Cook, »dass ein und dieselbe Menschengruppe sich über all die Inseln in diesem riesigen Ozean ausgebreitet … und dabei unterschiedliche Sitten und Gebräuche entwickelt hat. Dennoch wird ein sorgfältiger Beobachter die Verwandtschaft zwischen ihnen rasch bemerken.«[1] Spätere Forschungen haben ergeben, dass diese Sprachen sämtlich mit der heute in Malaysia und Indonesien gesprochenen Sprache und sogar mit dem Malagasy Madagaskars verwandt sind und mit ihnen gemeinsam eine große »austronesische« Sprachenfamilie bilden. Das polynesische Wort für »Kanu«, vaka oder waka, entspricht dem malaiischen wangka. Eine Rekonstruktion der frühen austronesischen Sprache auf der Grundlage eines bemerkenswert reichhaltigen gemeinsamen Wortschatzes zu Schiffen und Schifffahrt zeigt, dass die fernen Vorfahren der Polynesier Seefahrer waren und über Kanus sprachen, die von Kapitänen gesteuert wurden, mit Auslegern, Plattformen, Masten, Segeln oder Rudern und sogar geschnitztem Bug oder Heck.[2] Die märchenhaft schönen Sprachen des Pazifiks spalteten sich vor vielen Jahrtausenden von denen Südostasiens ab, so dass man bei den frühen Siedlern von einem gemeinsamen sprachlichen Ursprung ausgeht. Wichtig ist hier die Einschränkung auf einen »sprachlichen Ursprung«, denn sprachliche und ethnische Ursprünge müssen nicht identisch sein.[3]
Der Pazifik war das erste weit vom Festland entfernte Gebiet, das vor Zehntausenden Jahren von Menschen besiedelt wurde, und zugleich das letzte. Diese Aussage bedarf allerdings der Präzisierung. Einige wenige kleine, unbewohnte Inseln im Atlantischen und Indischen Ozean wurden erst ab dem 15. Jahrhundert besiedelt, so etwa Madeira, Sankt Helena und Mauritius, die, wie wir später noch sehen werden, eine im Vergleich zu ihrer Größe höchst unverhältnismäßig bedeutende Rolle in den maritimen Netzwerken spielten, als die Portugiesen, die Holländer und andere Rivalen sich daranmachten, die Herrschaft über die weltweiten Seewege für sich zu beanspruchen. Die nicht permanent besiedelte Antarktis kann hier außer Betracht bleiben. Doch das letzte größere Territorium, das von Menschen kolonisiert wurde, war Neuseeland, dessen Besiedlung auf die Zeit zwischen 950 und 1350 datiert wird. Obwohl viele der dortigen Ureinwohner zunächst hauptsächlich auf der wärmeren Nordinsel und dort fern der Küste im Binnenland lebten, gibt es bei ihnen zahlreiche Geschichten über die Ankunft der ersten Kanus. Die Maori und die Hawaiianer wussten sehr genau, dass sie Einwanderer waren. Als die Maori sich niedergelassen hatten, verloren sie das Interesse an großen seegängigen Schiffen und beschränkten ihre Schifffahrt auf Boote, die sich eher für die Küstengewässer eigneten. Über den Ort, von dem sie gekommen waren, wussten sie kaum mehr zu sagen, als dass er den nur allzu verbreiteten Namen Hawaiki trug – ein unspezifischer Ausdruck für den »Ort, an dem vor langer Zeit unsere Vorfahren lebten«. Weiter nördlich auf den Inselketten blieb der Verkehr übers Meer weiterhin die Regel. Den Menschen dort war das Meer ähnlich vertraut wie den Tuareg die Sahara oder den Inka die Anden. Es war ein Hindernis, das man mit präzisem Wissen, Entschlossenheit und Zuversicht überwinden konnte.
Über mehrere Jahrtausende entstand eine außergewöhnliche maritime Kultur, weit draußen im Ozean, ganz ohne lange Küstenlinien, große Häfen und lange Flüsse, auf denen Erzeugnisse aus dem Innern eines riesigen Kontinents herangeschafft worden wären. Es handelte sich um eine größtenteils untereinander in Verbindung stehende Welt aus Atollen, Korallenriffen und Vulkaninseln – die in ihrer Vielfalt den dort siedelnden Menschen höchst unterschiedliche Möglichkeiten bot und daher große Anreize zu einem Austausch innerhalb der näheren Umgebung und sogar über große Entfernungen setzte.[4] Den Polynesiern fehlten die ausgeklügelten Hilfsmittel späterer Seefahrer, vor allem die Schrift. Sie gaben ihr Wissen mündlich weiter. Dennoch war ihr Wissen äußerst detailliert, sehr präzise und in vielerlei Hinsicht den Hilfsmitteln der westlichen Seefahrer wie Magellan und Cook überlegen, für die der Pazifik ein Meer voll ständiger Überraschungen und größter Ungewissheit war. Eine einfache Tatsache belegt, wie meisterlich die polynesischen Seefahrer das Meer beherrschten: Abgesehen von einer Nordroute über den Atlantik, die mehrere Jahrhunderte lang von den Wikingern und ihren Nachfahren benutzt wurde, wagten sich westliche Seeleute erst Ende des Mittelalters weiter auf den vor ihren Küsten liegenden Ozean hinaus.
Wie die Besiedlung des pazifischen Raums erfolgte, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Schritt sie von West nach Ost über die im Pazifik gelegenen Inseln voran? Oder müssen wir uns eher eine Reihe spiralförmiger Bewegungen vorstellen, die immer mehr Inseln umfasste und schließlich zu mehreren verschiedenen Siedlungsnetzwerken führte? Wann trafen jeweils die ersten Siedler ein? Nicht einmal für das letzte Territorium, Neuseeland, können wir die Ankunft der ersten Siedler sicher datieren. Noch schwieriger gestaltet sich dieses Bemühen bei kleinen Inseln, auf denen nur gelegentlich archäologische Forschungen betrieben werden, teils eher zufallsbedingt, teils auf der Grundlage sorgfältig geplanter Ausgrabungsprojekte. Welche Boote benutzten die ersten Seefahrer? Im Pazifikraum entwickelten sie mehrere verschiedene Schiffstypen, mit unterschiedlich geformten Segeln (Lateinsegel, Rahsegel, Krebsscherensegel und die auf den Kopf gestellten Dreiecke, die als Sprietsegel bezeichnet werden). Die schwierigste Frage lautet indessen, warum die Seefahrer sich auf die Suche nach weiteren Inseln machten. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass es Phasen der Expansion gab und Phasen, in denen die Expansion zum Stillstand kam. Auch die oft heftigen Kontroversen zwischen den Experten, von denen einige versuchten, ihre Thesen zu beweisen, indem sie das Meer auf Nachbauten polynesischer Schiffe befuhren, machen die Sache nicht einfacher.
Die hier dargestellte Besiedlung der pazifischen Inseln lässt einige große Territorien weitgehend unberücksichtigt, nämlich Japan, Taiwan, die Philippinen und die Inseln Indonesiens. Sie unterhielten enge Beziehungen zum asiatischen Festland und bildeten den äußeren Rand dreier Meere, die man als »kleine Mittelmeere« bezeichnen könnte, des Japanischen und des Gelben Meers im Norden sowie des Südchinesischen Meers im Süden (das schon oft mit dem Mittelmeer verglichen wurde).
Ein weiteres Gebiet, der australische Kontinent, wurde von Menschen bewohnt, die teilweise das Meer als Nahrungsquelle nutzten und größten Respekt davor empfanden, aber, soweit wir wissen, keine Versuche unternahmen, sich auf den Ozean hinauszuwagen, als sie sich erst einmal auf diesem wasserarmen Kontinent niedergelassen hatten. Mein Hauptinteresse gilt hier dem offenen Meer, den über Polynesien, Mikronesien und Melanesien verstreuten Gemeinschaften, die – von Neuseeland einmal abgesehen – auf kleinen Inseln lebten und deren Abgelegenheit in der Regel kein Hindernis für eine lebendige Interaktion über Hunderte und sogar Tausende von Kilometern hinweg darstellte.
Vom großen Alter der Schifffahrt über den Pazifik zeugt bereits die Ankunft des Menschen in Australien. Die Entfernungen dort waren damals kleiner als heute, da der Meeresspiegel im Zeitraum von 140000 bis 16000 v.u.Z. sehr viel niedriger lag, weil große Wassermengen in der nördlichen Eiskappe und in Gletschern gebunden waren. Im Extrem war der Meeresspiegel 100 Meter niedriger als heute, aber innerhalb des genannten Zeitraums stieg und fiel er mehrfach, und es gab Zeiten, in denen er nur 20 Meter unter dem heutigen Niveau lag.[1] In dieser Zeit, dem Pleistozän, umfasste der australische Kontinent ganz Neuguinea und Tasmanien, blieb jedoch vom asiatischen Festland (zu dem auch Java gehörte) durch Streifen offenen Meeres getrennt, die mit zahlreichen Inseln durchsetzt sind – ein Gebiet, das nach Darwins berühmtem Zeitgenossen Wallacea genannt wird. Diese Trennung vor 40 Millionen Jahren sorgte dafür, dass allein in Australien vorkommende Tierarten, vor allem Beuteltiere, sich dort weiter ungestört entwickeln konnten. Es gab eine Art Inselbrücke, die Südostasien (von den Geologen Sunda genannt) mit Sahul (Australien einschließlich Neuguinea) verband und zu der auch die kleine Insel Flores gehörte. Dort stoßen wir auf das erste große Rätsel. Bei Ausgrabungen in einer Höhle auf Flores entdeckten Archäologen die Überreste mehrerer Frühmenschen, die nach sehr groben Schätzungen aus der zweiten Hälfte der Niedrigwasserperiode stammten. Nach neueren Forschungen gelangten andere Frühmenschen bis zu den Philippinen.[2] Diese Menschen waren sehr klein, kaum größer als einen Meter, und ihr Hirnvolumen überstieg nicht das eines Schimpansen. Andere physische Merkmale machen jedoch deutlich, dass es sich um eine Frühform des Menschen handelt. Ihre geringe Größe war höchstwahrscheinlich eine Anpassung an das beschränkte Nahrungsangebot auf der Insel, ähnlich dem Kleinwuchs anderer Spezies in aller Welt, die unter schwierigen Umweltbedingungen leben. Falls das zutrifft (und das ist nur einer von vielen Vorbehalten), stammten sie wahrscheinlich von früheren, größeren Hominiden ab, die vor 100000 Jahren auf die Insel Flores gelangten. Danach wurde die Insel jedoch durch einen Streifen Meer von Sunda und dem asiatischen Festland getrennt. Lässt man einmal Spekulationen von Theoretikern des 19. Jahrhunderts beiseite, wonach die menschlichen Bewohner des Pazifiks gesonderte Schöpfungen Gottes darstellten, sprechen die Funde dafür, dass Frühmenschen das Meer überquerten, und zwar mit Mitteln, über die wir nur spekulieren können. Es gibt auch die These, dass die Flores-Menschen (in der Presse mit dem unfreundlichen Spitznamen »Hobbits« belegt) noch um 12000 v.u.Z. auf der Insel neben modernen Menschen lebten und die Erinnerung an diese kleinen Menschen in volkstümlichen Erzählungen überdauert hat. Doch solche Geschichten finden sich in nahezu jeder Kultur, so dass es schwerfällt, sie für glaubwürdig zu halten. Noch weiter kompliziert wird die Fundlage durch die Tatsache, dass auf Flores und in Teilen der Philippinen bis vor 12000 Jahren das (mit den Elefanten verwandte) Stegodon lebte, das wohl schwimmend über das Meer dorthin gelangte. So bleibt denn Flores ein Mysterium.
Dass der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens) vor mehr als 60000 Jahren noch weiter vordrang, belegen Funde aus Neuguinea, Australien und Tasmanien (das damals mit Australien verbunden war). In Neuguinea fand man Äxte, die 40000 bis 60000 Jahre alt sind.[3] In Australien stießen Archäologen 2017 unter einem Felsüberhang auf Gerätschaften aus der Zeit vor 65000 Jahren und fragten sich, ob es eine Interaktion zwischen den offenbar ersten australischen Vertretern des Homo sapiens und anderen, damals noch in Ostasien lebenden Menschenformen gab, vor allem dem geheimnisvollen Denisova-Menschen, von dem man annimmt, dass er dem europäischen Neandertaler ähnelte, ohne identisch mit ihm zu sein.[4] So kann denn kein Zweifel bestehen, dass die ursprünglichen australischen Ureinwohner (sehr wahrscheinlich die Vorfahren der modernen Aborigines) vor mehr als 60000 Jahren auf dem Kontinent eintrafen. Und dabei müssen sie mehr als 150 Kilometer offenes Meer überquert haben, oft ohne jede Sichtverbindung zum Land.[5] Archäologen zeigen sich gelegentlich erstaunt darüber, dass Frühmenschen vom Typ Homo sapiens sich als Seefahrer betätigt haben könnten. Das ist jedoch keineswegs überraschend. Als Menschen unterschiedlicher Typen Afrika verließen und auf dem Landweg weite Teile der Erde kolonisierten, mussten sie auch Flüsse überqueren. Die dabei erworbenen Fähigkeiten nutzten sie zur Überquerung von Seen. Und als sie gelernt hatten, Seen zu überqueren, stellte das Meer zwar eine Herausforderung dar, aber diese Herausforderung ließ sich meistern. Es ist durchaus denkbar, dass die Menschen auf ihrem Weg aus Afrika weiter Richtung Osten kleinere Meere überquerten, zum Beispiel das Rote Meer in der Nähe von Aden und den Persischen Golf bei Hormuz. Diese Frühmenschen verfügten über ein leistungsfähiges Gehirn, das sie nutzten, um jene außergewöhnliche Meisterschaft im Umgang mit der Natur zu entwickeln, welche die australischen Aborigines heute noch besitzen. Es ist sinnvoller, auf diese Fähigkeit zu verweisen, als über die Bootstypen zu spekulieren, die bei diesen Fahrten benutzt wurden. Bambus, Baumstämme, Rindenboote, Schilfrohrboote und vieles andere werden hier als mögliche Kandidaten genannt, aber dafür hat man keine archäologischen Beweise gefunden, und das kann kaum überraschen. Wenn überhaupt Überreste der frühesten Boote erhalten geblieben sind, liegen sie an den seit langem überfluteten Stränden des Sahul-Kontinents.[6] So lautet denn die beste Antwort, dass sich in 65000 Jahren Seefahrt die Konstruktion der Boote und Schiffe verändert haben muss und diese in jedem Fall an die jeweiligen Bedingungen angepasst wurden. Man wird Segel entwickelt haben, wenn der Wind entscheidend dazu beitrug, ein Ziel erreichen zu können, doch kaum, wenn die Überfahrt zwischen den Inseln in ruhigen Gewässern und bei ständiger Landsicht möglich war.[7]
Wenn wir die Beziehung zwischen den ursprünglichen Bewohnern Australiens und dem Meer betrachten, müssen wir mehrere Überlegungen berücksichtigen. Eine davon besagt, dass die Nahrungsbeschaffung entlang der Küsten, sei es durch Fischfang mit Hilfe von Booten, sei es durch Nahrungssuche am Strand, keinen Beweis für Langstreckenfahrten übers Meer und die Aufnahme von Verbindungen zu anderen Gemeinschaften innerhalb Australiens und auf weit draußen gelegenen Inseln darstellt. Zudem ist es äußerst problematisch, moderne Belege wie die Ansichten der Aborigines über den Charakter des Meeres heranzuziehen, so unvermeidbar dies auch ist. Die Stämme sind in andere Gebiete gewandert, die Umweltbedingungen haben sich gewandelt. Auch die Techniken der Aborigines veränderten sich, da die Menschen sich jeweils an die lokalen Verhältnisse anpassten und der Kontakt mit den Europäern zu einer radikalen (und oft verheerenden) Umgestaltung des alltäglichen Lebens, des überkommenen Wissens und der sozialen Einstellungen führte.
Zu verschiedenen Zeiten war das Innere Australiens lebensfreundlicher als heute. Die frühesten Siedler zogen auf der Suche nach Trinkwasser ins Binnenland. Aborigines-Stämme begannen die Küsten erst viel später zu kolonisieren, nach der gegenwärtigen Fundlage frühstens vor etwa 30000 Jahren. An den Küsten entdeckte man bisher keine archäologischen Funde, die älter als 35000 Jahre wären. Der Kontinent war nur sehr dünn besiedelt. Es gab offenbar keinen Druck, auch die Küstenregion zu besetzen, da man anderswo genügend Nahrung fand. Muschelschalen, die man in weiter landeinwärts liegenden Höhlen fand, belegen, dass Verbindungen zwischen Küstensiedlungen und der Bevölkerung im australischen Binnenland bestanden. Diese Muscheln dienten jedoch höchstwahrscheinlich nicht als Nahrung, sondern als Schmuck. Und frühe küstennahe Ausgrabungsstätten zeigen häufig ein Nahrungsspektrum, das im selben Maße auf Landlebewesen, zum Beispiel Wallabys, basierte wie auf Fisch – und gelegentlich sogar in stärkerem Maße.[8] Das Landesinnere wurde jedoch immer trockener, und damit wuchs die Attraktivität der Küstengebiete. Aus Steinen gebaute Fischfallen im Gebiet um Kimberley an der Nordküste Westaustraliens wurden auf ein Alter von maximal 3500 Jahren geschätzt, aber man hat allen Grund zu der Annahme, dass es sich hier um direkte Abkömmlinge früherer Fischfallen handelt, die an den Küsten Australiens weithin verwendet wurden.[9]
Auf den Torres-Strait-Inseln, der Inselkette zwischen Australien und Neuguinea, gehörten solche Fischfallen zum alltäglichen Leben. Heute ist es in Australien üblich, von »den Aborigines-Völkern« und den »Torres-Strait-Insulanern« zu sprechen und dadurch die Unterschiede in Status, Ursprung und Kultur der auf diesen Inseln lebenden Menschen anzuerkennen, deren Technik lange Zeit weiter fortgeschritten war als die der australischen Aborigines. In ethnischer Hinsicht stehen sie den Menschen Papua-Neuguineas und Melanesiens näher, und zumindest in jüngerer Zeit gab es starke kulturelle Einflüsse aus Neuguinea, darunter Mythen, Rituale und technische Errungenschaften. Auf den Inseln der Torres-Straße fand man Menschen mit ganz unterschiedlichen Wirtschaftsweisen. Manche betrieben eine kleinteilige Landwirtschaft, während andere, die »Salzwasserleute«, stark auf das Meer ausgerichtet waren und in Einbäumen mit Auslegern und Segeln Fahrten zwischen den Inseln wie auch zu den Küsten Neuguineas und Australiens unternahmen.[10] Einige Einflüsse aus dem Norden wurden entlang der Nordostküste Australiens auch an Aborigines-Völker weitergegeben, die am Meer lebten. Masken und Kopfschmuck, wie man sie aus Papua-Neuguinea kannte, waren an dieser Küste verbreitet, als die ersten Europäer das heutige Queensland erkundeten. Auch bei bestimmten Formen von Harpunen und Angelhaken dürfte es sich um entsprechende Anleihen gehandelt haben. In moderner Zeit wurde die Ernährung bei den Torres-Strait-Insulanern nahezu vollständig von Fisch und anderen Meeresbewohnern wie Schildkröten und Seeschweinen dominiert. Das Meer steuerte zwei Drittel Kilogramm pro Kopf und Tag bei. Die »Salzwasserleute« fuhren mit Rindenbooten aufs offene Meer hinaus und fingen Fische, die nahe der Meeresoberfläche leben. Sie entwickelten Handelsbeziehungen zu ihren Nachbarn, die sich mit Sicherheit bis ins Jahr 1650 zurückverfolgen lassen, als indonesische Kaufleute aus Makassar sie regelmäßig besuchten. Allem Anschein nach war diese Verbindung jedoch weitaus älter, so dass wohl auch manche Aborigines-Völker wie die Yolŋu (ausgesprochen: Yol-ngu) dank weiterer Kontakte ein wenig über die Welt jenseits ihrer Küsten wussten.[11]
Auf der in der Torres-Straße gelegenen Insel Mer – die nach der Legende einst ein riesiges Seeschwein war, das sich mitten im Meer hinlegte und zu Land wurde – finden sich zahlreiche Hinweise, dass dieses Gebiet vor 2000 Jahren, aber mit einiger Sicherheit auch schon sehr viel früher, eine Handelsstation im Zentrum eines lebendigen maritimen Handelsnetzes war.[12] Neben den Knochen von Hunden, Ratten, Seeschweinen und Schildkröten wurden auch zahlreiche Fischgräten unterschiedlicher Art gefunden, die belegen, dass man die reichhaltigen Ressourcen des Meeres vollauf nutzte, doch eine auf die Zeit um das Jahr 1 datierte Knochenflöte verweist auf weiterreichende Handelsbeziehungen. Die Insulaner hatten offenbar Auslegerkanus entwickelt, die einen sicheren und regelmäßigen Überseekontakt ermöglichten. Der Baustil ihrer Boote beeinflusste auch die Konstruktion von Kanus an der Küste von Queensland.[13] Die Inseln in der Torres-Straße und ihre auf das Meer ausgerichtete Bevölkerung bildeten also eine Brücke zwischen den Kulturen im prähistorischen Melanesien und denen in Nordaustralien, die dank des Meeres nicht so stark von der Außenwelt abgeschnitten waren, wie häufig angenommen wird. Die Torres-Strait-Insulaner waren wagemutige Seefahrer, während andere im Umgang mit dem offenen Meer weitaus größere Vorsicht an den Tag legten. Nach Ansicht eines Aborigines-Stamms in Australien ist das Meer ein Lebewesen, das in Zorn geraten und Menschen töten kann: »Wenn du auf See bist, darfst du nichts Schlechtes über das Meer sagen. Du darfst es nicht kritisieren. Denn das Meer ist lebendig wie ein Mensch. Darum musst du ihm mit Respekt begegnen.«[14] Auf Croker Island, nicht weit von Darwin an der Küste des Northern Territory, behaupten die Aborigines, die große Regenbogenschlange lebe am Meeresgrund und müsse durch bestimmte Rituale besänftigt werden, da sie sonst das Meer nutze, um Menschen zu verletzen oder zu töten. Die im selben Gebiet lebenden Yanyuwa bezeichnen sich selbst als »Menschen, die aus dem Meer stammen«.[15] Ihre Boote gelten ihnen wie das Meer als lebendig. Die Menschen könnten ihren Booten magische Kraft verleihen, indem sie »Kraftlieder« singen, die das Meer beruhigen, und diese Kraft bleibe in dem Boot, als besäße es eine eigene Seele.[16]
Zu wirklich einschneidenden Veränderungen kam es im Norden Neuguineas durch die Kolonisierung der pazifischen Inseln. Einige vor der Nordküste Neuguineas gelegene Inseln wurden vor 35000 Jahren besiedelt, die Salomonen vor etwa 29000 Jahren, und Seeräuber aus Neuguinea blieben über die Jahrhunderte eine Bedrohung für die dortigen Bewohner.[17] Die Admiralitätsinseln wurden vor 13000 Jahren oder sogar noch früher besiedelt, wozu eine Strecke von mehr als 150 Kilometern über offenes Meer bewältigt werden musste, teilweise ohne jede Sicht auf Land.
Eine Ausgrabungsstätte auf der zu den Salomonen gehörenden Insel Buka erbrachte Hinweise, dass die Nahrung der Siedler vor etwa 28000 Jahren sowohl Fisch und Schalentiere als auch Säugetiere und Eidechsen umfasste.[18] Doch von Fisch allein kann der Mensch nicht leben. Und während das eine verfügbar war, fehlten dafür andere lebenswichtige Güter. Mancherorts gab es keine harten Steine, die sich für die Herstellung von Schneidgeräten eigneten. Dann war es notwendig, Obsidian oder andere geeignete Steine andernorts zu beschaffen. So hat man auf Neuirland Obsidian aus Neubritannien, beide in der Nähe Neuguineas und nicht sonderlich weit voneinander entfernt, gefunden, dessen Bearbeitung man auf eine Zeit vor 20000 Jahren datiert. Allerdings gibt es viele zweifelnde Stimmen. Manche behaupten, gerade in Zeiten mit niedrigem Meeresspiegel bestehe kein Anreiz, übers Meer zu fahren, da es dann mehr Land zur Besiedlung gebe. Wenn der Meeresspiegel steigt, schrumpfe dagegen die Landfläche und die Menschen machten sich auf die Suche nach neuem Land.[19] Doch all das ist Spekulation. Wir wissen es einfach nicht.
Die Kultur, die sich über weite Teile des prähistorischen Pazifiks erstreckte, wird als Lapita-Kultur bezeichnet. Angesichts der zahllosen Spekulationen kann es kaum überraschen, dass dies keine Bezeichnung ist, welche die Menschen für sich selbst verwendet hätten, sondern der Name der Ausgrabungsstätte, in der diese Kultur mit ihren besonderen Kennzeichen erstmals identifiziert wurde. Ein außergewöhnliches Merkmal der Lapita-Kultur ist ihre Verbreitung. Keine andere prähistorische Kultur erstreckte sich über ein geographisch derart großes Gebiet. Es umfasste sowohl die schon sehr früh besiedelten Salomonen als auch weit entfernte Inseln wie Fidschi und Samoa.[1] In ihrer großen Mehrheit waren die Inseln, auf denen Lapita-Siedler eintrafen, jungfräulicher Boden und lagen weit außerhalb der Reichweite der frühesten austronesischen Seefahrer. Das heißt nicht, dass die Lapita-Seefahrer Abkömmlinge der frühesten austronesischen Siedler gewesen wären, die sich Jahrtausende zuvor über Neuguinea hinausgewagt hatten. Die genetische Identität der zur Lapita-Kultur gehörenden Menschen ist ungewiss. Am ehesten könnte man noch sagen, dass es sich um ein Gemisch aus Menschen unterschiedlicher Herkunft handelte, aus dem die verschiedenen Bevölkerungen Polynesiens und weiter Teile Melanesiens hervorgingen. Der Einheitlichkeit ihrer Kultur entsprach nicht notwendig auch ein einheitliches Äußeres. Melanesier mit ihrem krausen und Polynesier mit ihrem glatten Haar (Verallgemeinerungen, die bereits zu weit gehen) hatten Teil an einer einzigen Kultur. Anfangs scheint diese Kultur einen Brennpunkt im westlichen Pazifik besessen zu haben, wahrscheinlich auf Taiwan. Die Sprache der dortigen Ureinwohner ist mit den in Ozeanien gesprochenen Sprachen verwandt. Die spätere Ausbreitung der Kultur ging von anderen, weiter im Pazifik gelegenen Zentren aus, vor allem Samoa. Taiwan war im 3. Jahrtausend v.u.Z. selbst Heimat einer lebendigen prähistorischen Kultur. Auf den Nordmolukken gefundene Keramik besitzt erstaunliche Ähnlichkeit mit der Tonware der Lapita-Kultur und verweist auf sehr alte Verbindungen zu den Bewohnern der Inseln des Malaiischen Archipels. Als Sprecher austronesischer Sprachen sich mit der Bevölkerung an und vor der Küste Neuguineas vermischten, entstand eine ethnisch gemischte Bevölkerung, deren unterschiedliche Ursprünge sich in ihrer DNA zeigen. Der Weg, den diese Menschen über viele Jahrhunderte nahmen, begann im Bismarck-Archipel, bevor sie sich ostwärts über die Salomonen ausbreiteten.[2]
Mit der Lapita-Kultur beschleunigte sich der Ausbreitungsprozess. Bis etwa 1500 v.u.Z. lassen sich lokale Tauschbeziehungen zwischen Inseln leicht durch Bruchstücke von Obsidian nachweisen, einem scharfkantigen vulkanischen Glas, das zwischen den Inseln – im Austausch gegen nur schwer genauer zu bestimmende Güter, wahrscheinlich Nahrungsmittel – gehandelt wurde, wobei der Ausdruck »Handel« nur mit Vorsicht verwendet werden sollte. Möglicherweise fuhren die Menschen lediglich zu Vulkaninseln hinaus und sammelten den Obsidian an den Stränden. Die Angehörigen der Lapita-Kultur brachten Keramik mit – ihre archäologische »Signatur« –, aber auch Tiere, für deren frühere Anwesenheit auf den Inseln keine Befunde vorliegen, vor allem Schweine, Hunde und domestizierte Vögel.[3] Auch Ratten kamen mit ihnen auf die Inseln. Die Knochen dieser blinden Passagiere können fast überall im Pazifik dazu genutzt werden, die Ankunft von Menschen auf einer Insel zu datieren. Auch hier verweisen die Funde deutlich auf eine schrittweise Bewegung von West nach Ost.[4] Grob gesprochen handelte es sich um ein neolithisches (neusteinzeitliches) Volk oder eine Gruppe solcher Völker, die sich mit Ackerbau, Viehzucht und Keramik auskannten.[5] Auf einer Insel nach der anderen veränderte die Landwirtschaft die Umwelt. Durch Rodung gewann man Flächen für den Ackerbau, man jagte einheimische Vogelarten, um sie zu essen, und rottete sie letztlich aus. Das bekannteste Beispiel aus sehr viel späterer Zeit ist der Moa, ein neuseeländischer Laufvogel, aber auch einheimische Krokodile und Riesenleguane vermochten der Eroberung des Landes durch die Menschen nicht zu widerstehen.
Andererseits waren die Siedler erfahrene Landwirte. Sie bereicherten die oft begrenzten Ressourcen der Inseln im »Fernen Ozeanien« (dem Gebiet um Fidschi und Samoa), die so isoliert waren, dass es dort kaum Früchte und keine der Knollenpflanzen gab, die den Kern ihrer Nahrungsversorgung bildeten. Man hat 28 Pflanzenarten identifiziert, die von den Angehörigen der Lapita-Kultur dorthin mitgebracht wurden. Bananen, Brotfrucht, Zuckerrohr, Yams, Kokosnuss, wilder Ingwer und Bambus gehören hier zu den wichtigsten Beispielen, wenngleich verschiedene Inseln sich für verschiedene Pflanzen eigneten – so gedieh Yams am besten in Melanesien. (Ein weiteres Beispiel ist die Kartoffel, die offenbar aus Südamerika kam, was die Frage aufwirft, ob polynesische Seefahrer irgendwann einmal auch die andere Seite des Pazifiks erreichten.) Der von Sprachwissenschaftlern rekonstruierte protoozeanische Wortschatz umfasste Worte für die landwirtschaftlichen Tätigkeiten des Pflanzens, Jätens und Erntens sowie für die kleinen Erdhügel, unter denen man die Yamswurzel anbaute. Auch dieser Befund belegt, dass die Traditionen der Lapita-Kultur in ferne Zeiten zurückreichten, als deren Vorfahren noch auf Taiwan lebten.[6] Die Ankunft neuer Pflanzen aus weiter westlich gelegenen Regionen zeigt, dass es sich tatsächlich um eine Kolonisierung handelte und nicht um zufällige Entdeckungen durch Seefahrer, die auf unbewohnten Inseln strandeten – eine Frage, auf die wir noch einmal zurückkommen werden. Die Bewegung der Lapita-Kultur quer über den Ozean mag nicht als sonderlich schnell erscheinen. Man schätzt, dass es 500 Jahre dauerte, bis sie von Westmelanesien aus das Bismarck-Archipel erreichte. Bedenkt man jedoch, dass dieser Zeitraum nur 25 Generationen umfasste, erscheint diese Expansion als recht schnell und nach den Maßstäben der Prähistoriker geradezu als explosiv.