Das verlorene Lachen zur Zeitenwende - Bodo Pipping - E-Book

Das verlorene Lachen zur Zeitenwende E-Book

Bodo Pipping

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Beschreibung

Wohin entschwand das Lachen? Im 3. Jahr der Pandemie wird daraus ein Zangenangriff. Wuchtige Worte fallen wie "Zeitenwende" und "Bruch der Zivilisation". Aber es muss überleben: das Lachen, die Freude, der schöne Götterfunken. Die Suche selbst ist das Geheimnis.

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Inhaltsverzeichnis

Vor der Zeitenwende

1.Vorab

Verlustanzeige

Spurensuche bei Robert

Grundausstattung fürs Lachen

Meine Helden

Todesstrafe und Freispruch

Anatomie eines Mordes

Kalenderspruch

Das größte Schlitzohr

Keine Mail zum Löschen

Am Tatort ohne FFP2

Ein Stadion als Trauma

Am Elbe-Seitenkanal

Die Spinne der Angst

Kommissare ohne Masken

Allergie-Schock bei Tagesschau

Tom und kein Happy End

Von R2D2 zu Tom

Kassandra und neue Töne

Das Kind und die Wissenden

Game over mit Ken Follett

Weg zum Paradies

Das Sansibar meines Lebens

Nach der Zeitenwende

2. Vorab

Zivilisationsbruch

Tränen und Lachen

Der Sportpalast-Moment

Über der Schwelle

Am Ende ist der Anfang

Nichts bringt schneller zu Fall als in Gewissheit einer weiteren Stufe den Fuß ins Nichts zu setzen. Da liegen wir, gestrauchelt , und können froh sein, wenn wir uns nicht nachhaltig verwandelt haben.

Ist es ein Trost, dass wir alle es waren, denen mit dem Beginn des Ukraine-Krieges der Himmel einstürzte? Es nimmt uns nicht die Kränkung, unbedachte Narren gewesen zu sein ohne die überlebenswichtige Vorsicht. Sogar die Zahl derer, die schon immer alles wussten, ist klein.

Das Ich dieses Buches erlebt den Verlust des Lachens als Zangenangriff. Begonnen im dritten Jahr der Pandemie war es schlimm genug, was im Zeichen der Chiffre „Corona“ war. Nach dem 24. Februar 2022 war das allgegenwärtige Wort wie von Zauberhand gelöscht. Die Hybris eines Menschen, der sich mit der Macht der Bomben berufen fühlte, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, bestimmte fortan.

Aber eines scheint doch gewiss: wenn wir es nicht wiederfinden, das Lachen, die Freude, den schönen Götterfunken, sind wir ohne Zukunft.

Dies hier lädt ein, an den Wirren einer Suche nach Verlorenem Anteil zu nehmen. Mit einem Anflug von Märchen. Ohne die Gewissheit, die alle Märchen am Ende haben.

Diese Geschichte begann im dritten Jahr der Pandemie, als die Seuche ewig zu werden drohte. Als wir glaubten, dies sei die Weltkatastrophe. Wir kauerten im Schatten von „Corona“. Das Genie der Menschheit war herausgefordert: wie geht Überleben? Die Wissenschaft ging ans Werk. Die Politik fand keine gute Antworten.

Nun lebt man ja nicht im täglichen Apokalypse-Now - Modus. Sondern ganz praktisch als einer, der sich so durchschlägt. Der sich, unter der Maske, um seine Impftermine kümmert und dem Leben ein Dennoch abringt. Da spalteten sich die Menschen auf in die Geduldigen, die Aufbegehrenden, die Einsichtigen und die anderen. Wie immer.

Das Ich dieser Geschichte gehört zu denen, die im dritten Jahr einer planetaren Heimsuchung ohne absehbares Ende zu verzweifeln begannen. Es war Zeit für eine schonungslose Selbstdiagnose. Was war geschehen? Und was war da zu machen?

Ganz oben auf dem Zettel: Verlust der Zuversicht, nach vorn zu leben. Verlust des Lachens. Und zwar ohne jedes Gegengeschäft. So ein Typ wie Timm Thaler (erdacht von James Krüss) bekam ja vom Teufel (Baron de Lefuet) für den Verkauf seines ansteckenden Lachens die Fähigkeit, jede Wette zu gewinnen. Da gab es nichts Vergleichbares.

Es war einfach so weg. Das, was ich so brauchte als den Brennstoff des Lebens: Zuversicht, Gewissheit, Freude. Ich bündelte das alles in dem Wort „Lachen“. Wo zum Teufel war es hin?

Was macht man, wenn man etwas verloren hat? Man geht zu einer Behörde und macht eine Anzeige. Das konnte ja nur bei Franz Kafka landen.

Wann hatten Sie es denn zuletzt? Wann ging es denn, Ihrer Meinung nach, verlustig? So So. Sie meinen, es sei Ihr lebenslanger Begleiter gewesen und ohne die verlustige Sache, das Lachen, sei alles nichts mehr wert? Kommen Sie wieder, wenn Sie eine genaue Beschreibung machen können. Sonst sehen wir schwarz für Ihren Fall, für den es noch nicht einmal eine Rubrik gibt. Oder besser: Kommen Sie nicht wieder. Denn die Zeiten sind so hart, dass wir uns nur sehr schweren und konkreten Fällen zuwenden können.

Das machte mich wütend. Die Unterstellung, ich sei ein Querulant, der mit einer Klage belästigt, deren Sinn nicht einsichtig sei.

Was macht man weiter in einer solchen Lage mit dem Etikett: hoffnungslos, aber nicht ernst? Man geht im Netz auf Spurensuche.

Wenn die Sache einen Namen hat, ein eingängiges Etikett, ist man der geforderten Rubrik schon ein Stück näher. Offensichtlich litt ich unter einem neuerdings weit verbreiteten Zusammenbruch der „Resilienz“. Teufel auch. Es war jedenfalls ein Leiden an und mit den Zeitläuften, das sich gegen die Gesundheit im engeren und weiteren Sinn kehrte.

Das Wort ist ein feminines Substantiv. Man muss sie haben, die R., die Kraft zum Widerstand gegen alles, was niederdrückt. Man muss innere Türhüter haben.

Da ich nun das Etikett für meinen Fall hatte, konnte ich mich nun an die Beschreibung machen: was ging verlustig? Der Humor?

Da konnte ich mich an die Spuren eines lebenslangen Praktikers des Lachens heften: an Robert Gernhardt. Als guter Deutscher hat er nach den vielen Jahren praktischer Ausübung des Humor-Gewerbes eine 600 Seiten starke Abhandlung geschrieben mit den wuchtigen Titeln „Kritik der Komiker“, „Kritik der Kritiker“ und „Kritik der Komik“. Kant lässt grüßen. Es ist nicht verbürgt, dass Immanuel jemals in seinem Leben gelacht hat.

Nichts hielt Robert Gernhardt davon ab, mit der Gabe der Lesbarkeit die Tiefen dessen auszuloten, was uns lachen macht. Wobei auf der einen Wippe das Anarchische ist, auf der anderen so etwas Wunderbares wie das Lachen als Lösung von aller Erdenschwere. Konnte man ja auch erwarten von einem Mann, der sich so an seinen Schöpfer wandte:

Lieber Gott, nimm es hin, daß ich was Besond'res bin. Und gib ruhig einmal zu, daß ich klüger bin als du. Preise künftig meinen Namen, denn sonst setzt es was, Amen.

Komik, lese ich da, spielt mit den Möglichkeiten des Lebens. Ist grundsätzlich anarchisch, im Widerspruch zu Normen und Regeln. Als ich dann bei Robert las, wie er die Ursprünge erklärt, spürte ich eine erste Linderung. Ein Schmunzeln. Fast schon ein Lächeln.

Denn bei der anarchischen Komik steht ihm ein Urahn vor Augen, den er „Bobo den Buckligen“ oder auch „Bobo den Puper“ nennt. Das geht so:

Es ist alles gerichtet. Die Urhorde ist versammelt zur Anbetung der Wildkuh. Die Triebe gilt es zu sublimieren. Der Schamane hebt den Taktstock zum Anstimmen des großen Lobgesangs auf die Gottheit Kuh. Mitten in dieser heiligen Handlung entlässt einer einen Furz von kolossalen Ausmaßen. Wer war das? Bobo der Bucklige. Bobo der Puper.

Erste Verwarnung durch den Häuptling. Noch einmal, und Bobo wird von einem Feuerstein erschlagen. Solche Geschichten folgen einem zeitgeheiligten Ablauf. Ein zweites Mal: der Furz. Bobo sieht sich auch noch scheinheilig um und kalauert: „Wer fahr das?“. Das Weitere ist vorhersehbar. Bobo wird erschlagen. Aber seine Saat der anarchischen Komik ist für alle Zeiten ausgebracht. Da hilft kein Drohen des Schamanen: die Menge lacht, verstohlen, aber alles untergrabend.

Am Anfang ist nicht das niveauvolle Lachen. Es ist lustbetonte, anarchische Komik, mit unserer Verfassung von allen Zeiten an unauflösbar verbunden. Eines Tages greift ein Sigmund-Freud-Epigone zu seinem Notebook und schreibt „Letzte Anmerkungen zu einer untergegangenen Spezies namens Homo Sapiens“. Darin das Kapitel: „Lachen als Widerspruch zur Logik der Künstlichen Intelligenz“.

Soweit bisher die Suche nach meinem verschollenen Lachen. Das Komische als Widerspiel zu drückenden Normen und Lasten, als derber Reflex, als Entladung (ein treffendes Wort).

Wie steht es aber um das Lachen, das alle Erdenschwere hinter sich lässt? Sich gleichsam neben Gott stellt und einen archimedischen Hebel hat, die Welt aus den Angeln zu heben – zumindest für den befreienden Moment?

War es nicht das, was mir abhanden gekommen war? Weshalb ich der Mann ohne Lachen wurde? Es galt, mit kriminalistischen Methoden der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei musste ich autobiografisch vorgehen. Wie hat mich das Reich des Lachens begleitet? Wie war ich früher gehalten durch ein Netzwerk des Lachens, aus dem ich nun gefallen war?

Was mich mein ganzes Leben lang begleitete war Jerome Klapka Jeromes Büchlein „Drei Mann in einem Boot (vom Hunde ganz zu schweigen)“. Da verbinden sich meine Erinnerungen mit der Forderung, darüber nachzudenken, wann mir das Lachen abhanden kam. Spurensuche:

Es ist ein heißer Sommer. Unser Vater begleitet uns zum Müggelsee, damit wir baden konnten. Der Vater hat schwere Sorgen. Seine Zahnarztpraxis am Alexanderplatz muss sozialistischer Umgestaltung weichen. Da war die ewige Frage: fliehen aus der DDR und am Nullpunkt des Lebens im Westen beginnen?

An diesem Bade-Tag sagte unser Vater: Geht Ihr nur ins Wasser. Ich habe hier ein Buch, für das ich ein kleines Lexikon „Englisch/Deutsch“ brauche. Das reicht mir.