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Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (Germanistisches Institut der RWTH-Aachen), Sprache: Deutsch, Abstract: Obwohl der Wiener Expressionist und Aktivist Robert Müller (1887-1924) zu den bedeutendsten Autoren seiner Zeit zählt und die Aufmerksamkeit des Literaturhistorikers wie des literarischen Lesers verdient, ist er seltsamerweise heute kaum bekannt, seine Visionen fast vergessen. Seine zahlreichen Essays sowie exotischen, utopistischen und zeitbezogenen Romane fanden unter Zeitgenossen wie Musil, Th. Mann, K. Kraus, Döblin und Flake weitreichende Beachtung. Zum einen zeichnen sie sich durch eine bemerkenswerte sprachliche Virtuosität aus – die erzähltechnischen Raffinessen, mit denen der Autor operiert, und die Passagenweise faszinierende Sprachgewalt waren nicht nur ihrer Zeit weit voraus, sondern entziehen sich literarischen Vergleichen weithin überhaupt. Zum anderen geben Müllers literarische Werke Aufschluss über eine Epoche, die, geprägt von Krieg und Krisen, Umbruch und Zweifel, viele Menschen in den im Zuge der Industrialisierung neu entstandenen grauen Großstädten in Depressionen stürzte und zahlreiche in den Selbstmord trieb. Auch Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften und in der Philosophie – man denke beispielsweise an Sigmund Freud oder Friedrich Nietzsche – trugen zur allgemeinen Verunsicherung bei, da sich mitunter die Frage stellte, ob man überhaupt noch irgend etwas mit Sicherheit feststellen könne. Müllers Werke spiegeln die emotionale Zerrüttung, die Sinnkrise jener als "Expressionistisches Jahrzehnt" bekannten Zeit wider und versuchen gleichzeitig, philosophischen Fragen um das Wesen des Menschen und sein Verhältnis zu der Welt, in der er lebt, auf den Grund zu gehen. Sein bekanntester Roman „Tropen“, der zu den Hauptwerken des Expressionismus gezählt wird, lässt den tragischen Identitätsverlust erkennen, den viele Zeitgenossen empfanden, und vereint zugleich eindrucksvoll die beiden Hauptströmungen des literarischen Expressionismus: jene von Ich-Dissoziation, von der Entzweiung von Ich und Welt geprägten, die Selbstentfremdung des Individuums widerspiegelnde Strömung auf der einen Seite, und auf der anderen jene als „Messianischer Expressionismus“ bekannte Richtung, die prophetisch ein neues Zeitalter ankündigt, das sich aus der Asche des alten erheben wird – den Sturz ins Chaos und den Weg hinaus.
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