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Die stolze Mailänderin Stella tobt vor Wut. Der Schweizer Milliardär Nicolas Christen bestellte die begabte Herrenausstatterin in seine Villa in den Luganoer Bergen. Sein profitabler Auftrag war nur ein Vorwand, um sie zu einem unmoralischen Deal zu verführen. Der Zweitname Lucifer ist bei diesem Mann Passion. Das rufen sämtliche Spatzen von den Dächern. Mit dem besitzergreifenden und selbstverliebten Macho um die Welt jetten und mit ihm erotische Stunden verbringen – wie käme eine echte De Luca dazu? Gäbe es da nicht die befürchteten Leichen in ihrem Keller. Jede betrogene Braut würde sich von ihrem Verlobten einfach trennen. Nicht die Tochter eines mächtigen Don. Nur ein Anruf – dann fehlte von Michele und der Rothaarigen in seinen Armen jede Spur. Ein Trip an die schönsten Metropolen der Welt, dazu die dunkle Ausstrahlung des unverschämt gutaussehenden Mannes und vielversprechende Geschäfte könnten ihr die Zeit verschaffen, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Angesichts seiner dreisten Erwartung ist ihr Betrug akzeptabel – oder nicht? Bei all ihren Plänen vergisst Stella die Liebe. Denn nur ein Blick, eine Berührung genügen und beide schlittern in den erotischsten Zweikampf ihres Lebens.
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Seitenzahl: 523
Veröffentlichungsjahr: 2024
Deal der Versuchung - Just for me
Heike Gehlhaar
© 2025 Heike Gehlhaar
Heike Gehlhaar c/o COCENTER Koppoldstr. 1 86551 Aichach
ISBN Softcover: 978-3-384-45739-4
ISBN eBook: 978-3-384-45740-0
© Cover-und Umschlaggestaltung: Florin Sayer-Gabor – www.100covers4you.com
Unter Verwendung von Grafiken von Adobe Stock: Jade, DRN Studio, Factory Graphica, vege, Lightfield Studios, macroby
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Autorin
Durch einen Schicksalsschlag entdeckte Heike Gehlhaar die Lust am Schreiben. Um sich zu beschäftigen, schrieb sie ihren ersten Roman.
Inzwischen entführt sie ihre LeserInnen in die faszinierenden Welten ihrer Geschichten. Geboren und aufgewachsen im grünen Herzen Deutschlands, hat sie seit frühester Kindheit eine Leidenschaft für Literatur entwickelt.
In ihren Büchern verschmelzen Realität und Fantasie auf einzigartige Weise. Sie sind gespickt mit Sinnlichkeit, die Heike als prickelnde Spielwiese der Worte betrachtet. Diese bietet den LeserInnen einen willkommenen Ausgleich. Mit jeder Seite erlebt ihre Leserschaft neue Abenteuer, in denen Träume Wirklichkeit werden und Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen.
Heute ist Schreiben für Heike eine Leidenschaft, die sich nicht aufhalten lässt.
Zitat einer ihrer Leserinnen:
„Die Autorin schreibt wunderschöne Romane, die neben der Geschichte in der Nebenhandlung eine spannende Story bieten. Der ruhige erzählerische Ton, mit dem sich die Handlungen entfalten sowie die nostalgische Art lassen manchmal vergessen, dass sie in der Gegenwart spielen. Wer eine Alltagsflucht sucht, findet sie mit Heikes Romanen auf jeden Fall.“
Besuchen Sie die Autorin und entdecken Sie ihre Welt.
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Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.
Bereits erschienen
Heike Gehlhaar
Belletristik
Warum ein Hase aus der Trabent-Tür schaute
Thriller
Niemand hört dich schreien
Liebesromane
Florentina - Liebe fragt nicht
Darkromanze
The Black Rose – Verlangen - Teil 1 - Trilogie Rosensaga
The Black Rose – Sehnsucht - Teil 2 - Trilogie Rosensaga
The Black Rose – Liebe - Teil 3 - Trilogie Rosensaga
Pseudonym: Zoe Violett
Spice- Novellen - Reihe - Fire and Night
Fire and Night - Pia
Fire and Night - Lisa-Marie
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Danksagung
Weitere Bücher
Cover
Titelblatt
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Kapitel 1
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Kapitel 1
Mailand, 23. Januar
Ein letztes Aufglimmen unter der Decke und das blasse Neonlicht erlosch. Nur ein kurzer Kontrollblick zurück, dann huschte Stella vorbei an zwei knallroten flachen Sesseln, durch den hellen Flur zur Tür.
»Milano bei Nacht, ich liebe diese Stadt«, raunte sie.
Die goldenen Fassaden des menschenleeren Straßenzuges spiegelten sich im Glanz ihrer dunklen Augen. Durch die Häuserflucht der hohen engen Gasse strahlten sternförmige Lichter. Spontan erinnerte sie der Anblick an den Stern von Betlehem, jedes Mal ein ehrfürchtiger Gänsehautmoment.
Dabei lag sie in Gedanken schon jetzt in seinen Armen. Genau dreiundzwanzig Tage war es her, dass ihr Vater, Andrea De Luca, anlässlich des Jahreswechsels die Verlobung seiner Tochter Stella Maria mit Michele Paci bekanntgegeben hatte. Der Beginn eines neuen Jahres war hierfür ein sehr passender Augenblick. Schmunzelnd dachte sie an die warmen Worte des mächtigen Mannes. Ein einzigartiger Augenblick, nie zuvor war sie stolzer, seine Tochter zu sein.
Der Weg zu ihrem Apartment im Zentrum der pulsierenden Stadt war kurz. Natürlich hatte es Andrea ausgesucht.
»Ich möchte dich nicht bevormunden«, hatte er erklärt. Stella wusste, so etwas lag ihrem Vater fern. »Meine Wahl ist nur zu deinem Schutz gedacht und obendrein sehr praktisch.« Die Erinnerung an sein warmes Lächeln schummelte sich in ihr Herz. »Schau Stella, weniger als fünfzehn Minuten brauchst du zu Fuß durch die Altstadt, um deine Büro- und Geschäftsräume zu erreichen.«
Ihre silbernen Stiefeletten klapperten über die Steine des rechteckigen Pflasters. Im Glas der riesigen Schaufenster glänzten die Schatten der vor jeder Tür stehenden Zitronenbäume. Noch ein letztes Geschäft und sie wurde von Mailands gedämpftem nächtlichen Lärm empfangen.
Ein weitläufiger Platz, verkehrsberuhigt und von restaurierten Geschäftshäusern gesäumt, den musste sie noch überqueren. Mit jedem Schritt, den sie Michele näherkam, wurde der Schwarm bunter Schmetterlinge in ihrem Bauch wilder. Sie hatte ihm kurzerhand eine Nachricht geschrieben. Dass er ihr bis eben nicht geantwortet hatte, war nicht ungewöhnlich.
Michele Paci war ihr Top-Model und somit ein viel beschäftigter Mann. Außerdem hatte sie es nicht mehr ausgehalten und ihn deshalb gebeten, früher ins Apartment zu kommen. Wenigstens drei Stunden hätte sie noch gebraucht, um den Auftrag abzuwickeln - so war ihr Plan heute Morgen.
Ein tiefer Seufzer und alle Pläne waren nichtig. Gegen ihren aufmüpfigen Körper war sie machtlos. Wie so oft hatte ihr Blick hingerissen an seinem heißen Gesicht geklebt. Unzählige Plakate, Fotos und Aufsteller von dem sehr attraktiven Fünfundzwanzigjährigen zierten die Wände ihrer Büros.
Das verschmitzte Lächeln auf ihrem Schreibtisch galt jedoch nur ihr. Zumindest heute Abend wollte sie seine kristallblauen Augen für sich allein haben und in ihnen atemlos versinken.
Das luxuriöse Apartmentviertel begann direkt hinter den hellen Torbögen der historischen Altstadt.
»Buona sera Stella«, quietschte ihr Nachbar Mattes, der mit Pekinese ’Principessa’ Gassi ging.
Hässlich, aber mit blauem Blut, dachte Stella grienend. Eben wie ihr Herrchen. Augenblicklich zog ein strahlendes Lächeln über die eingefallenen Wangen des betagten Mannes.
»Grazie, Mattes. Dir auch einen schönen Abend.« Sie zwinkerte ihm frech zu wie immer, wenn sie ihm begegnete. »Buona Notte!«
Von sehnsüchtiger Vorfreude gepackt, drehte sie sich um. Ihr schneller klimpernder Gang vervielfältigte sich unter dem fünf Meter hohen Gewölbe. Gehalten von acht Säulen, im Durchmesser von einem halben Meter, trennte es den Villenzugang von der belebten Straße. Neben dem Weg erzeugten kugelförmige Lampen gelbes Licht. Dessen helle Punkte schimmerten matt im Glas der Empfangsveranda mitten im grünen Innenhof.
Als Stella das Foyer betrat, befand sich ihr Finger quasi schon auf dem runden Knopf, um den Fahrstuhl zu holen. Rote schmale Teppiche, die Geräusche dämmend zu Fahrstühlen und Treppenhaus führten, verschluckten den hektischen Schritt. Nervös verfolgten ihre Augen die Anzeige zwischen den Liften.
»Verdammt, komm schon«, nörgelte sie ungeduldig.
Dabei standen ihr vier Lifte zur Verfügung. Getrennt von drei Meter hohen sandgelben Wänden, befanden sie sich links wie rechts. Bernsteinfarbenes leuchtendes Holz verlieh dem Foyer Klasse. Die ungewöhnliche Maserung passte hervorragend zu dem graugesprenkelten Weiß der riesigen Bodenfliesen.
»Ping«, vernahm sie und verließ den Fahrstuhl. Wenige Augenblicke, nachdem sie die Apartmenttür geöffnet hatte, fror ihr das Lächeln auf den Lippen ein.
Hinter der zweiflügligen Eingangstür befand sich ein offener Wohnbereich. Bei der Erhaltung der Stuckdecken und ihren einzigartigen Blütenornamenten hatte der Architekt ein sicheres Händchen bewiesen. Deshalb hatte er, mit Ausnahme des später hinzugefügten Bades, auf geschlossene Räume verzichtet. Ein einziger wandbreiter Durchlass trennte die Diele vom Wohnzimmer.
Kein Geräusch aus dem Innern entging ihr. Ihr wacher Verstand wusste sofort, was sie nur Sekunden später zu sehen bekam.
Instinktiv verschwanden ihre verräterischen Stiefeletten von den Füßen. Wie eine Raubkatze bewegte sie sich über einen persischen Teppich hinweg, an den minzgrünen Wänden entlang und durch das verspielte Esszimmer hindurch dem gedämpften Stöhnen entgegen.
Ihr Schlafzimmer verfügte über einen ähnlich offenen Grundriss, wie das restliche Apartment. Einfallendes Mondlicht der milden Winternacht schien durch ein schmales Fenster und warf seltsame Schatten auf zwei Figuren vor ihrem Bett.
Der markante Hintern, auf den das einfallende Licht indirekt fiel, gehörte zu Michele, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Der längliche schmale Raum, dessen einziges Fenster, im Gegensatz zu den Übrigen im Haus, etwas mickrig ausfiel, machte aus Stella einen unsichtbaren Zaungast.
Vor der linken Wand stand hinter einer flachen Kommode ein breites Boxspringbett mit abgestepptem geschweiftem Polster am Kopfende. Ihre Lieblingsfarben Gelb und Violett durchzogen den Raum. Zitronengelb strahlten Gardinen, Kissen und Tagesdecke. Nach dem violetten Ton des Stoffes um den Bettkubus hatte sie lange suchen müssen. Nur ein Blick auf die zerwühlten Kissen genügte ihr um zu wissen, dass das Treiben schon eine Weile im Gange war.
Michele stand nackt neben dem Bett. Am Fußende hockte auf dem karierten Polster ihres Lieblingshockers der nackte Hintern einer Rothaarigen. Jede einzelne Schweißperle auf der makellosen braungebrannten Haut ihres Verlobten konnte Stella erkennen. Von der Frau sah sie außer dem roten Haarschopf nur Umrisse.
Lange feingliedrige Hände der offenbar großen schlanken Frau strichen auffordernd über seine Seiten. Michele keuchte. Beim Klang des ruchlosen Tones, der seine Kehle verließ, wich Stella zurück in den dunklen Schatten der Wand.
»… mach ihn weit auf, komm schon Baby«, forderte er ungeduldig.
Die Frau stöhnte und tat, was er verlangte. Seine gestählten Oberarmmuskeln spannte er an, damit er ihre roten Haarsträhnen um seine Faust wickeln und ihren Kopf mit einem einzigen Ruck heranziehen konnte. Gierig umschloss sie ihn mit den Lippen. Der stämmige Kerl erschauerte förmlich, während sich sein straffer Gesäßmuskel weiter anspannte.
Der perfekte Männerkörper wirkte angestrengt vom kleinen Zeh bis unter den jetzt feuchten schwarzen Haaransatz. Seine sonst bis aufs einzelne Haar gestylte Frisur verwandelte sich zu einer wilden Mähne.
Würde dein praller Schwanz nicht gerade in dem gierigen Schlund dieser rothaarigen Schlampe stecken, dachte Stella und vergaß jeden weiteren Gedanken.
Sie bemerkte, wie sehr sie dieser Anblick erregte, und stand noch immer zur Salzsäule erstarrt, unfähig, irgendeine Reaktion zu zeigen. Ihr gegenüber hatte sich Michele nie so dominant gezeigt. Sie wusste, wie sehr sie ihn dafür geliebt hätte. Auch wenn sie ihn oft genug dazu aufgefordert hatte. Seine sanfte Liebelei langweilte sie und nicht selten blieb sie unzufrieden zurück. Während er anderswo nicht müde wurde, den Bad Boy zu geben, hatte er Stellas Lust förmlich verhungern lassen. Nun stand sie, verborgen im Halbdunkel, und erlebte die Liebe ihres Lebens in einem heißen Live-Porno und das in ihrem Schlafzimmer.
Heftig, beinahe unkontrolliert schob er sich zwischen die Lippen der Frau. Stella konnte sie um Atem ringen hören.
Ja, gut so, ersticke das Miststück!, feuerte ihn ihr gekränkter Stolz an.
Gefangen im Rausch der unglaublichen Bilder und ihrem Entsetzen, stand Stella steif auf dem Holzparkett und spürte, wie jede ihrer Zehen versuchte zu verhindern, dass sie sich vom Tatort entfernte.
»Das gefällt dir?«, tönte Michele heiser und schob sein Becken noch schneller und begieriger zu ihrem Mund. Inzwischen musste eine seiner kräftigen Hände sich förmlich an ihrer schmalen Schulter festkrallen, um sie nicht vom Hocker zu schieben.
Für diese Hingabe hätte Stella ihm einfach alles gegeben. Stattdessen hatte sie ihn nur zurückhaltend erlebt. Ihr Betteln und Fluchen hatte er nur mit einem mitleidigen Lächeln bedacht.
»Kannst du mich nicht wenigstens einmal hart rannehmen?«
Irritiert hatte er sie angesehen. Sein Kommentar: »Stella, eine Frau in deinen Kreisen sollte lernen, ihr Temperament zu zügeln«, hatte sie unsagbar wütend gemacht.
Mit einer Größe von einem Meter zweiundsechzig verfügte sie nicht gerade über Modelmaße. Trotzdem war ihr proportional perfekter Körper schlank und sportlich gebaut. Außerdem erlaubte ihr die explosive Mischung ihres italienischen und zugleich rumänischen Blutes eine Leidenschaft, von der er bis zu dieser Nacht kaum Gebrauch gemacht hatte.
Dann entzog er sich der Rothaarigen. Sein glänzender Penis wippte prall und nass. Micheles Gespielin protestierte energisch.
»Knie dich aufs Bett«, raunte er dunkel.
Sie kicherte vergnügt und leckte seinen Geschmack von den geschwollenen Lippen. Folgsam und unverschämt grinsend reckte sie ihm ihren Hintern entgegen. Michele trat hinter sie, griff nach seinem zum bersten angeschwollenen Glied und neckte ihren nassen Eingang.
Zwischen Ekel mischte sich Neid. Wie in Trance betrachtete Stella den auf- und abfedernden Schwanz, den er vor Ungeduld zwischen seiner harten Faust rieb.
Während ihre bescheuerte, der Realität vollkommen entrückte Libido zwischen ihren Beinen einen feuchten Veitstanz veranstaltete, leuchtete seine Haut im Schatten des Mondes. Sie wusste, wie sich jetzt seine Nasenlöcher aufblähten. Beim Anblick seiner atemberaubenden Erektion zog sich in ihr alles zusammen. Sie wollte nur noch schreien: Ich bringe euch um!
Hoch aufragend presste er sich wüst und unersättlich in die Rothaarige. Mit spitzem Aufschrei und wie elektrisiert, flehte sie um zunehmende Härte.
»Baby, was meinst du …«, knurrte Michele verrucht, »… ob ich meinen Prachtschwengel in deinen rosigen Hintern schiebe?«
»Das wirst du nicht«, kicherte sie hysterisch.
Dennoch reckte sie sich ihm zügellos entgegen, sah dabei mit fiebrigem Blick zwischen ihren Schenkeln hindurch nach hinten und leckte lüstern über ihre Lippen. Vermutlich war sie ganz scharf darauf.
Angewidert drehte sich Stella weg. Das Bild, wie er sich aus ihr zurückzog, seine hektischen Finger ihre Nässe zwischen den bebenden Backen verteilten und er sich dann mit nur einem Stoß vollständig in sie schob, verfolgte sie bis zur Apartmenttür. Noch im Flur und Treppenhaus, bis sich die Fahrstuhltür endgültig vor ihrem heißen Gesicht verschloss, hörte Stella die von Schmerz und Lust erfüllten Schreie.
Die, und Micheles animalischen Akt vor Augen, begleiteten sie auf dem Weg durch das in wunderschönen Farben leuchtende nächtliche Mailand zurück in ihr Büro. Ihr Stolz erlaubte es ihr, dem Instinkt zu folgen. Mit starrem Blick eilte sie vorbei an bummelnden Paaren, die sich küssend an den Händen hielten.
Mit leerem Kopf, den Blick stur auf den Weg gerichtet, überquerte sie die alte steinerne Brücke. Der darunter in bunten Facetten funkelnde Strom plätscherte in argloser Stille vor sich hin. Ohne ihm Beachtung zu schenken, bog sie in die Designergasse ein. Nur einen Atemzug später betrat sie den hoch aufragenden Altbau.
Kapitel 2
Mailand
Scheppernd flog die Tür ins Schloss. Ein Handgriff und unter jeder Decke zuckten Neonröhren auf. Ähnlich wie im Foyer des Apartments oder zuvor auf dem Straßenpflaster folgte jedem ihrer Schritte ein müdes ‚Plong‘.
Stella betrat ihr Büro, warf die Schlüssel auf die Ablage und fläzte Sekunden später fluchend in einem voluminösen Ledersessel hinter ihrem Schreibtisch. Wie gebannt hingen ihre Augen an Micheles Porträt an der Wand. Sein Anblick bohrte sich wie ein Pflock in ihr trommelndes Herz.
Ihr Brustkorb hingegen hob und senkte sich geradezu unbeteiligt. Augen eines Raubtiers versprühten giftige Blicke auf das sonnengebräunte Antlitz hinter entspiegeltem Glas. Der Sessel knarrte, als sie die Beine auf dem Schreibtisch verschränkte. Eine Angewohnheit, die sie mit Andrea teilte.
Papa, dachte sie stöhnend und legte ihren Kopf auf dem ockerfarbenen Lederrand ab.
Den Ausdruck in seinem vielsagenden Gesicht fürchtete sie jetzt schon. Dabei war nicht zu erwarten, dass er die Situation mit nur einem Wort kommentieren würde. Für eventuelle Repressalien des Familienoberhauptes konnte sie allerdings keine Hand ins Feuer legen. Was ihr im Augenblick komplett egal war.
Andrea De Luca war so stolz auf seine Tochter gewesen. Er hatte es vorgezogen, am Gründungstag von ‚Milano Moda De Luca – Herrenausstatter / Europa‘, im Hintergrund zu bleiben. Zwei Jahre war das jetzt her. Genauso lange gehörte Michele zu ihrem Leben. Auch wenn Andrea darauf bestanden hatte, die Karriere seiner Tochter zu finanzieren, hielt er sich strikt aus ihren Geschäften und Privatangelegenheiten heraus. Es sei denn, sie bat ihn darum.
Ein erfolgreicher Start mit dem Namen De Luca und allem, was damit in Verbindung stand, war vorprogrammiert gewesen. Andrea hatte nur so viel Erfahrung in das Mode- und Designergeschäft einfließen lassen, wie es Stella akzeptieren konnte.
»Jeder, der in Mailand das Licht der Welt erblickt, hat das Mode-Gen.«
Das war sein Lieblingssatz. Dass sich Stella frühzeitig für Stoffe und Farben interessierte, hatte sein Herz mit Freude erfüllt. Trotzdem kannte er das Haifischbecken, dem sich seine geliebte Tochter bereit war auszusetzen. Die Idee, sich auf kleine und exklusive Kundenwünsche abseits der etablierten Marken zu konzentrieren, hatte Andrea schmunzelnd als clever bezeichnet.
»Ich werde sämtliche Geschäftspartner bitten, sich von Kopf bis Fuß deinem Geschmack unterzuordnen.«
Eine echte De Luca empfand bei derartigen Abmachungen keinerlei Skrupel. Im Gegenteil, sie hielt sie für fair und loyal gegenüber ihrem erfolgreichen Vater. Darüber hinaus hätte es niemand gewagt, den Wünschen des Patriarchen nicht zu entsprechen und am wenigsten Stella. Das machte ihr keine Kopfschmerzen, schließlich profitierte sie von seiner Macht.
Illusorische Fantastereien, wenn es um Geschäfte ging, dafür hatte sie nichts übrig. Da dachte sie ähnlich realistisch wie ihr Vater. Möglicherweise war sie mit dem, was sie tat, um ein Vielfaches berechnender als Andrea De Luca. Er hatte ihr in ihren sechsundzwanzig Lebensjahren nie etwas anderes vorgelebt.
Trotzdem unterschied er sich durchaus von anderen Oberhäuptern alteingesessener italienischer Familien. Einigen von denen war sie seit frühester Kindheit in Gegenwart des Vaters begegnet. Andrea akzeptierte die Wünsche, Meinungen und Entscheidungen seiner Frau und Tochter. Ein Verhalten, das in den üblichen Kreisen gern belächelt wurde. Natürlich nur hinter vorgehaltener Hand. Offen hätte es wohl niemand gewagt, davon war sie überzeugt.
Als sie ihm die Liebe zu Michele Paci offenbarte und sich tiefe Falten um seine Augenbrauen zogen, hatte sie erwartet, dass er die Verbindung verbieten würde.
Er hatte sie sanft zu sich gezogen, ihr tief in die Augen geblickt und lächelnd gesagt: »Liebe kann man nicht verbieten, das weiß ich. Deinem Glück stehe ich nicht im Weg, auch wenn ich Zweifel habe.«
Damit hatte Michele praktisch zur Familie gehört. Der Gedanke, wie schnell sie in den Bann dieser kristallblauen Augen geraten war, ließ sie jetzt vor Wut kaum noch atmen. Michele Paci war ihr empfohlen worden. Er brachte alles mit, was ein so innovatives Unternehmen wie ihres erforderte. Das hatte, abseits alter Strukturen, so manch namhaftes Model abgeschreckt.
Sie waren nicht bereit, eine Newcomerin zu unterstützen. Der Name De Luca, der Stella einiges in ihrem Leben einfacher machte, stellte die Suche nach einem passenden Model vor ein Problem. Keiner der Etablierten wollte seinen Namen wirklich im Zusammenhang mit der Familie De Luca genannt wissen - selbstverständlich nicht offiziell. Stella hätte Andrea bitten können, in seinem Umfeld zu suchen. Das verfügte mit Sicherheit über einen geeigneten Kandidaten, wenngleich der ihrer Familie in irgendeiner Form verpflichtet gewesen wäre.
Zunächst kühl und präzise nachdenkend klopfte sie unentwegt mit einem Bleistift auf die Tischkante. Das italienische sowie rumänische Blut in ihren Adern brodelte wie Lava kurz vor dem Ausbruch. Die Mischung von Stolz und Rache, die in ihrem Inneren tobte, war einer De Luca mehr als würdig und bedeutete für einen potenziellen Feind eine unermessliche Gefahr.
Nach kurzer Überlegung griff Stella zum Telefon. Sie wählte eine Nummer, die sie bei sich trug, solange sie denken konnte. Die hatte sie noch nie zuvor genutzt. Bisher fürchtete sie mögliche Folgen, sollte sie jemals von einem solchen Anruf Gebrauch machen.
Der unsichtbare Schutz für sie und ihre Mutter war ihr bis heute bewusst. Zunächst hatte sie nichts hinterfragt, was sie in ihrer Kindheit erlebte. Es gehörte zu ihrem Alltag. Das hatte sich schlagartig geändert, als sie in die Pubertät kam. Sie rebellierte wie alle Teenager. Andrea hatte diese Phase mild lächelnd und gelassen zur Kenntnis genommen, sie beobachtet, Fragen, soweit es ihm möglich war, beantwortet und jeden Wutausbruch mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen lassen, dabei ihr explosives Temperament mit Stolz betrachtet.
Naiv war sie der Meinung gewesen, dass alles, was man sich von alten Familien und ihrer Vergangenheit erzählte, auf ihr Leben keinerlei Einfluss nahm. Bis zu dem Tag, als sie nur knapp einem Überfall entgangen war. Nur Sekunden, nachdem sie die vier Typen eingekreist hatten, kam aus dem Dunkel die Rettung. Wie aus dem Nichts war plötzlich in der schäbigen Gasse hinter dem Club, in dem sie an diesem Abend ohne Erlaubnis mit ihren Freunden feierte, eine schwarze Limousine aufgetaucht.
Die Männer in schwarzen Anzügen hatten die Angelegenheit schnell, geräusch- und spurlos geregelt. Für Andrea war der Vorfall mit seinem glücklichen Ausgang kein Thema, worüber er mit Stella sprechen wollte. Von nun an leugnete sie weder, dass jeder ihrer Schritte begleitet wurde, noch deren absolute Notwendigkeit.
Wie ein Schatten folgten ihr die Schutzengel. So nannte Andrea ihre Leibwächter, ganz egal, wo oder wann, sie waren meist unauffällig, aber immer in unmittelbarer Nähe. Stella begriff im schlimmsten Moment ihres Lebens, warum der Punkt Sicherheit mit Andrea nicht verhandelbar war.
»Mario?«
Stille.
»Si, Signora.«
Die kratzige, raue Stimme ließ Stella zittern. »Ich habe einen Auftrag für Sie.« Erneut war kein Ton zu hören. »Sie kennen meinen Verlobten Michele Paci?«
»Si …«
Die Leitung knisterte leise. Ihr Atem rauschte in den Ohren. »Ich möchte, dass er aus meinem Leben verschwindet. Haben Sie mich verstanden?«
»Si …«
Die emotionslose Stille machte sie rasend. Dennoch versuchte sie, möglichst rational zu klingen. »Gut, Sie haben eine Stunde.«
»Si, Signora.«
Dann war die Leitung tot. Als sie auflegte, zitterten ihre Hände. Einmal tief durchatmen, dann machte sich ganz langsam Genugtuung breit. Sie hob erneut ihre Beine auf die Tischplatte und ballte ihre Fäuste. Ihr wurde klar, dass ihr bisheriges Leben und alle Pläne, die so sicher schienen, unwiderruflich in Scherben lagen. Stella schloss die Augen. Sofort holten sie die glücklichsten Momente mit Michele ein.
Wenige Tage, nachdem er ihr zum ersten Mal gegenüber gesessen hatte, lud sie ihn in ihr Apartment ein. Michele empfahl sich allein schon wegen seines prächtigen Körperbaus für eine exklusive Nacht. Dass sie sich in diesen attraktiven Mann verliebte, war damals keine Option gewesen. Trotzdem war der sonst wilden und den Männern sehr zugetanen Stella genau das passiert.
»Nur ein einziges Mal hast du mir eine ähnlich aufregende und intensive Aufmerksamkeit entgegengebracht.« Ihr Blick bohrte sich in die stummen Augen des Bildes auf ihrem Schreibtisch.
Als sein wohlgeformter Schaft urplötzlich in ihrer Erinnerung auftauchte, erschien vor ihren Augen das widerliche Rot. Unsagbare Wut schoss erneut in ihre Brust. Der Bleistift endete an der Wand und aus ihrem Mund quoll ein Schrei hervor, der vermutlich durch das gesamte Geschäftsgebäude hallte.
Das Schrillen des Telefons riss Stella aus ihren Erinnerungen. Starr vor Schreck hing ihr Blick an dem nervtötenden Metall. Wie in Trance bewegte sich ihre Hand. Der kalte, distanzierte Ton erlaubte ihr die Rückkehr zur Emotionslosigkeit. Offenbar war die Stunde vorüber. In nur zwei Sätzen teilte ihr Mario die Erfüllung des Auftrages mit und erklärte, dass sie in einer Stunde wieder in ihr Apartment zurückkehren konnte. Was auch immer in ihr vorging, sie war nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu analysieren, geschweige denn, sich mit den Konsequenzen ihres Anrufes auseinanderzusetzen.
Stella machte sich auf den Heimweg. Vorsichtig schloss sie die Tür auf und das Erste, was sie wahrnahm, war ein angenehmer Blütenduft. Wieder im Dunklen schlich sie durch die Diele in Richtung Schlafzimmer. Dort blieb sie zunächst unschlüssig stehen. Mit rasendem Puls tastete sie nach dem Lichtschalter.
»Oh, mein Gott«, murmelte sie erstarrt. »Was habe ich getan?«
Das verspielte Zitronengelb hatten Marios Männer durch graue und schwarze Töne ersetzt. Nichts von dem, was sich zuvor in ihrem Schlafzimmer befand, war noch zu sehen.
Möbel, die Teppiche, Gardinen, Lampen, einfach alles war verschwunden. Hinter dem neuen Bett erstreckte sich ein flaches Polster in einem bedeckten Anthrazit. Die Wände schimmerten grün, jedoch matt und einem Grau ähnlich. Schwarze, bodenlange Schals umrahmten das schmale Fenster. Rechts und links auf der flachen Ablage neben den weißen Kissen standen kugelförmige Lampen. Letztendlich fehlte kein Möbelstück, selbst ein Hocker lehnte an der hinteren Wand.
Jetzt überzog ihren Körper ein empfindliches Frösteln. Der Anblick dieser Endgültigkeit ließen ihre Augen nervös zucken. Dabei passte jedes noch so kleine Detail zu der Art ihres Auftrages. Plötzlich bemerkte sie eine unglaubliche Erschöpfung. Hilflos ihren Gefühlen ausgesetzt, warf sie sich in die weiße sterile Bettwäsche.
Die Wut, die sie bis eben kalt und rational handeln ließ, um möglichst emotionslos zu agieren, war verschwunden. Tiefe Sorgenfalten bildeten sich über ihrer Stirn. Frierend zog sie sich die Decke über ihren Körper. Ohne sich auszuziehen und das Licht zu löschen, fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
Kapitel 3
Mailand
»Schiebe deinen entzückenden Hintern auf meinen Schwanz! Oh, ja Baby, das machst du fabelhaft …«
Mit einem Schrei fuhr Stellas Oberkörper hoch. Unfähig, zu erkennen wo sie war und ob sie diese Worte nur geträumt hatte, versuchte ihr von Endorphinen vernebeltes Gehirn krampfhaft für Klarheit zu sorgen. Ein eigenartiges Bild bot sich ihren entsetzten Augen. An ihrem Körper hing das zerknüllte Kleid aus Satin, das sie gestern Abend getragen hatte. Neben dem Bett brannte Licht, obwohl sich die Sonne in hellen Streifen an den rabenschwarzen Schals vorbeimogelte. Stöhnend setzte sie sich auf die Bettkante. Plötzlich überkam sie das Gefühl, ihr Gehirn marschierte durch einen Alptraum. Um dem zu entkommen, stand sie auf, löschte das Licht und stolperte verstört ins Wohnzimmer.
»Gott sei Dank«, murmelte sie erleichtert.
Offenbar befand sie sich doch in ihrem Apartment. Auf dem Weg ins Bad entledigte sie sich ihres Kleides. Die unverschämt aufreizenden Dessous, die an ihrem verschwitzten Leib klebten, warf sie angewidert in den Müll.
Das helle, großzügige Bad zeigte ihren extravaganten Stil. Große achteckige Fliesen, die an bester Stelle durch runde Spiegel unterbrochen wurden, schmückten die Wände. Zwei ovale ockerfarbene Becken, eingefasst in bernsteinfarbenen Marmor, nahmen die gesamte Mitte des Bades ein. Jede Armatur, der riesige Duschkopf und sämtliche Handtuchhalter an, über und neben der runden Whirlpool Badewanne leuchteten golden unter den dezenten Deckenstrahlern.
»Kind, du musst nur danach fragen«, hatte Andrea schmunzelnd ihre empörte Miene kommentiert.
Der hintere Teil des Bades entsprach tatsächlich ihren Vorstellungen, um ihre natürlichen Gesichtszüge hervorzuheben. Eine breite Fensterfront erlaubte ihr stets die Betrachtung ihres braungebrannten Teints unter schmeichelnder Sonne, die ihre Ausstrahlung unterstützte. Schlichte Holzregale trennten das Bad in zwei Hälften. In ihnen standen die teuersten Parfüms, die Europa zu bieten hatte. Stella war süchtig nach den ausgefallensten Flacons. Mit glänzenden Augen verlor sie sich in den Auslagen der Top-Designer.
Auch wenn sie kaum gesteigerten Wert auf Luxus legte, kam sie, egal wo sie sich befand, an keinem noch so extravagantem Duft vorbei. Allerdings waren das die einzigen Gelegenheiten, wo für sie der Preis zweitrangig war.
Andrea meinte: »Für uns sind Geldsorgen ein Fremdwort, was nicht bedeutet, dass du es, ohne darüber nachzudenken, hinauswerfen sollst. Privilegiertes Leben ist keine Selbstverständlichkeit.«
Er hatte ihr von Kindesbeinen an gezeigt, dass Wohlstand, selbst in ihrer Umgebung, ein gewisses Maß an Fleiß erforderte. Vor einigen Jahren hatte er damit begonnen, sie zu manchen Geschäftstreffen mitzunehmen. Die absolute Voraussetzung, um sich im Big Business auszukennen.
Bis zu einem gewissen Punkt hatte Andrea keinerlei Geheimnisse vor seiner Familie. Diverse Treffen waren Ausgesuchte, trotzdem völlig untypisch für die maskuline Welt, in der Stella aufgewachsen war.
Den verächtlichen Blicken und verstörten Hinweisen der Anwesenden begegnete er damals mit Gelassenheit und Ironie. Er duldete ohnehin keinen Widerspruch. Anderenfalls hätten sie sich auch gleich um neue Geschäftsbeziehungen bemühen können.
Heißes Wasser aus sprudelnden Düsen massierten mit einem angenehmen Druck ihre Haut. Langsam entspannte sie. Plötzlich erinnerte sie sich an ihr letztes Bad mit Michele. Sie schloss die Augen und versuchte zu ergründen, was sie mit ihm verloren hatte.
»Verdammt«, knurrte sie abermals vor Wut schäumend. »Wo hat es der Mistkerl mit der Rothaarigen noch überall getrieben? Vielleicht sollte ich ausziehen?«
Dass es im gesamten Apartment nichts mehr gab, das in irgendeiner Form an Michele erinnerte, stand außer Frage. Im Beseitigen waren Mario und seine Leute unübertroffen. Schon schickte sie ihren Blick suchend in die Runde.
Nach einer Stunde verließ sie das Bad und schlurfte in die Küche. Selbst hier, keine Spur von ihrem Verlobten.
»Die haben nicht nur sein Lieblingsmüsli entfernt. Die bunte Keramikschale gleich mit.«
Als Stella beschlossen hatte, über eine Affäre hinaus mit Michele ihr Leben zu teilen, war eines sicher: Sie würden ihn komplett auseinandernehmen.
»Jede noch so kleine seiner Gewohnheiten haben sie damals durchleuchtet. Somit ist es auch nicht schwer, seine Anwesenheit innerhalb so kurzer Zeit vollständig auszuradieren«, sinnierte sie.
Seufzend zuckte sie mit den Schultern. Auch für ihre Verhältnisse geradezu unheimlich, aber der Preis für ein Leben abseits des behüteten Schoßes ihrer Familie. Angewidert und mit riesiger Gänsehaut schüttelte sie sich.
Verspielt und in einem dezenten Violett gestrichen, versorgte sie der Anblick ihrer Lieblingsoase mit ein wenig Entspannung. Hier gab es, außer modernster Küchentechnik, nichts Extravagantes - zumindest nicht auf den ersten Blick. Als Stella zum ersten Mal das Apartment besichtigt hatte, veranlasste sie umgehend, die in glänzendem Stahl eingerichtete Küche in einen schrägen WG-Look zu verwandeln. Wenn sie sich umsah, war das mehr als gelungen.
Minuten später saß sie auf ihrem Hochstuhl und rührte in einem inzwischen abgekühlten Cappuccino. Mit jedem Gedanken, der sich in ihr Gehirn fraß, wurde die Panik größer. Am meisten quälte sie die Ungewissheit darüber, in welcher Form Marios Truppe ihre Anweisungen umgesetzt hatte. Die Konsequenzen dieses Auftrages schrien förmlich danach, Hilfe zu suchen. Noch immer abwesend, wählte sie Martas Nummer.
»Guten Morgen Süße, na, wie war deine Nacht?« Weil Stella nicht sofort Laut gab, zwitscherte Marta fröhlich und ungeniert weiter. »Müssen ja anstrengende Stunden gewesen sein. He, du solltest deinen Supermann mal aus dem Bett lassen. Falls du es vergessen hast, Michele hat schließlich, im Gegensatz zu dir, auch am Samstag Termine.« Noch immer sagte Stella kein Wort. »Stella, was ist los?«
Der Klang Martas Stimme veränderte sich binnen Sekunden. Ein tiefer Seufzer entfloh Stellas Brust. Mit starrem Blick begann sie zu erzählen.
Marta Cantu war ihre engste Freundin, Vertraute und persönliche Assistentin. Die temperamentvolle, kluge und sieben Jahre ältere Marta kannte Stella, solange ihre Erinnerungen zurückreichten. Geboren in Mexiko-Stadt, war ihre Familie auf Bitten der De Lucas ein Jahr später nach Mailand ausgewandert. Seitdem waren beide Sippen aufs Engste geschäftlich sowie auch privat miteinander verbunden. So waren Stella und Marta praktisch wie Geschwister aufgewachsen.
Sie war die erste und wichtigste Angestellte des neu gegründeten Unternehmens. Flexibel handelnd, außerdem mit einem todsicheren Gespür für gute Geschäftsideen gesegnet, wurde sie binnen kurzer Zeit für Stellas Geschäfte unersetzbar. Martas Meinung vertraute sie uneingeschränkt und folgte ausnahmslos ihrem unschlagbaren Instinkt.
In den vergangenen zwei Jahren arbeitete sie nicht nur als Beraterin. Sie kümmerte sich um eine reibungslose Planung und die Organisation von Stellas Geschäftsalltag. Dabei verlor sie nie die Finanzen aus dem Auge. Martas umsichtiges Handeln hielt ihr den Rücken frei. Für die war das nichts Ungewöhnliches. Schließlich lebten sie wie Geschwister.
»Oh ha, was willst du jetzt tun?«, fragte Marta mit leisem Ton. »Scheiße, du musst mit Andrea darüber reden. Oder?«
Die einzige Antwort, die von Stella kam, war ein hilfloses Stöhnen. »Marta, sag mir, dass Marios Männer Michele nicht umgebracht haben.«
»Schätzchen, das weiß ich nicht. Ich könnte jetzt sagen, daran hättest du früher denken sollen. Aber in Anbetracht deines Sinti-Blutes kann der Mistkerl zufrieden sein, dass du ihn und seine rothaarige Nutte nicht eigenhändig ins Jenseits befördert hast.«
»So etwas traust du mir zu?« Stirnrunzelnd hing ihr Blick am Messerblock gegenüber. »Vielleicht hast du recht. Gut, ich mache mich auf den Weg. Ich versuche es Papa zu beichten. Kümmerst du dich ums Geschäft?«
Marta hörte die Freundin seufzen. »Überlasse alles mir. Zunächst halten wir die Informationen zu Micheles Verschwinden zurück. Darüber reden wir am Montag. Du fährst jetzt nach Hause. Und Stella, ich glaube, du solltest die Angelegenheit erst einmal mit Raluca besprechen. Hast du verstanden?«
»Ja«, flüsterte sie.
»Alles wird gut, vertrau mir. Und trauere dem Mistkerl bloß nicht nach. Meine Mama pflegte immer zu sagen: Wenn sich ein Engel zum Teufel mausert, braucht es nicht lange, um an gleicher Stelle einen neuen zu finden. Also, Kopf hoch, Liebes. Addio!«
Dann legte sie auf. Stella fühlte sich tatsächlich ein wenig besser. Über ihre letzte Bemerkung erlaubte sie sich sogar ein zartes Schmunzeln. Schließlich wartete Marta nach einer Enttäuschung noch immer auf ihren Märchenprinzen. Für ihre zurückhaltende Libido wurde sie von ihr ständig geneckt. Insgeheim wusste Stella, ein Prinz schien inzwischen zum Greifen nahe zu sein.
Vielleicht sollte ich die Kerle behandeln, wie Marta es tut, dachte sie und atmete tief durch.
Sie kehrte ins Schlafzimmer zurück und drehte sich in ihrem begehbaren Kleiderschrank. Durch einen durchsichtigen Seidenstoff abgetrennt war der so groß, wie ihre gesamte Küche. Sie liebte diesen ganz speziellen Ort. Ausgehend vom deckenhohen Fenster am Ende des Zimmers erstreckten sich über alle Wände, vom Parkett bis hinauf zur Decke, offene Regale, Kleiderstangen und diverse Ablagen. Dior, Gucci, Prada und Valentino …, dachte sie zufrieden und ließ ihre Finger über Kleider, Röcke, Mäntel, Pullover und Blusen wandern.
Eine einzigartige Ausstattung, sortiert nach Marke und Farben. Nach jeder heißen und sündhaft teuren Shopping-Tour erklärte Marta grinsend: »Bei einer Frau mit derart extravaganter Herrenkundschaft und ebensolchem Geschmack braucht es schließlich die perfekte Arbeitskleidung.«
An der gegenüberliegenden Wand stand ein ausladender ovaler Spiegel. Andrea legte auf eine tadellose Erscheinung seiner Tochter besonderen Wert. Deshalb entschied sie sich für einen braunen Bleistiftrock aus feinstem Leder und eine zartgelbe Seidenbluse. Zusammen mit den dunkelbraunen halbhohen eng anliegenden Stiefeln und dem hochgesteckten schwarzen Haar fühlte sie sich für den strengen Blick des Patriarchen einigermaßen gewappnet.
In ihrem zitronenfarbenen MINI Cabrio verließ sie die Tiefgarage. Für Samstagmittag war der Verkehr gerade noch erträglich. Touristen aus aller Welt würden, sollte die Sonne weiterhin vom azurblauen Himmel strahlen, das geschichtsträchtige Viertel mit der zweitgrößten Kirche von Mailand, der Santa Maria della Passione, und jedes noch so kleine Denkmal förmlich überrennen.
»Kind, Porta Vittoria ist das Zentrum Mailands moderner Geschichte«, hatte Andrea damals geschwärmt.
Stella hatte es nicht unbedingt ins Zentrum der Stadt gezogen. Inzwischen war sie jedoch froh darüber, sich dem Wunsch ihres Vaters gebeugt zu haben.
Herausführend vom Zentrum ihrer Lieblings-Einkaufsmeile mit seiner wundervollen Piazza Chique Girante entfernte sich der Wagen. Im Rückspiegel glitt ihr Blick noch kurz die Straße hinunter zum Justizpalast. Er war Schauplatz des berühmten Korruptionsprozesses, der die Nation in den neunziger Jahren fest im Griff hatte.
Bereits auf der Stadtautobahn in Richtung Westen überkam sie Unruhe. Trotz des angenehmen Fahrtwindes, der um ihr Seidenkopftuch wuselte, bildete sich auf ihrer hohen Stirn ein feiner Schweißfilm.
Als das erste Grün der langgezogenen Allee vor ihrem nervösen Blick auftauchte, beruhigte sie sich. Einige Meter weiter blitzte im gleißenden Sonnenschein das Weiß des De Luca Anwesens auf. In einem weiten Bogen zog sich das großzügige Außengelände entlang der Straße. Ein blickdichter Zaun, der wegen seines immergrünen Bewuchses das Innere zuverlässig vor fremden Augen verbarg, empfing Stella mit derben dunkelgrünen Blättern.
Vor der breiten Einfahrt stand die Limousine ihres Vaters. Davor erkannte sie Breda Lupei, den Chef des Sicherheitsteams. Der Gedanke an den stattlichen Rumänen überzog ihre Haut abrupt mit einer Gänsehaut. Nicht verwunderlich, denn immerhin verband beide seit fast acht Jahren ein erotisches Geheimnis. Diese eine spezielle Nacht, in der Breda weit mehr für sie getan hatte, als jeden ihrer Schritte zu verfolgen, verbarg sie tief in ihrem Herzen. Wie in einem Rausch und jenseits jeglicher Vernunft hatten sie sich einer Leidenschaft hingegeben, deren Konsequenzen bei Entdeckung für Breda unermesslich gewesen wären.
Obwohl eine solche Verbindung mit der Tochter eines so mächtigen Mannes keiner angestrebten Realität entsprochen hatte, wusste Breda die Erinnerung daran für die Zukunft zu bewahren. Wenn sie in seine Augen sah, erkannte sie den Stolz darüber, dass sie ihn als ersten Mann in ihrem Leben gewählt hatte. Breda öffnete ihr die Tür, reichte ihr die Hand und als er ihr sanft einen Kuss auf den Haaransatz hauchte, betrachtete er sie erschrocken.
»Was ist passiert?« Sein bohrender und aufmerksamer Blick verursachte einen Kloß in ihrem Hals.
»Ich habe einen fürchterlichen Fehler gemacht«, brach es aus ihr heraus. Tränen brannten in ihren Augen.
Breda schaute sich kurz um, nahm sie behutsam zur Seite und murmelte angestrengt. »Raus damit, Stella, nur die Kurzversion!«
Kurze Zeit später war es ihm gelungen, ihr die größte Angst zu nehmen. Dass er sie bis heute verehrte und mit seinem Leben verteidigen würde, lag nicht nur an ihrer Loyalität. Inzwischen wusste sie aber, dass sich Breda erneut verliebte.
»Irgendwann …«, murmelte sie erleichtert. »… werde ich dafür sorgen, dass diese Liebe ein Happy End bekommt.«
Die Erkenntnis, dass ausgerechnet Marta heimlich Gefallen an ihrer ersten männlichen Eroberung zeigte, hatte sie bis heute für sich behalten. Doch als sie mit Bredas beruhigenden Worten: »Entspanne dich und überlass die Angelegenheit mir. Ich kümmere mich darum«, den Weg zur Villa hinaufschritt, beschloss sie, mit Andrea über die beiden zu reden.
Weite Wiesen und uralte Laubbäume säumten den breiten Weg zum Eingangsportal. Jetzt, am Mittag, war der Platz vor dem mehrstöckigen und majestätisch wirkenden Gemäuer menschenleer. Siesta war nicht nur eine Tradition, sondern auch Pflicht in den Augen ihres Vaters. Demzufolge versetzte das sonst geschäftige Personal die Villa stets zwischen halb eins und vier Uhr am Nachmittag in einen tiefen Schlaf. Besuche waren dem ebenfalls untergeordnet. Das gab Stella die Garantie, zunächst mit ihrer Mutter sprechen zu können, ehe sie sich dem Patriarchen stellen musste.
Mit heftigem Herzklopfen betrat sie die weiträumige Halle. Verspielt eingerichtet und über zwei Etagen reichend, spiegelte sich das einfallende Sonnenlicht in den zahlreichen Vitrinen. Dank der breiten farbenfrohen Teppiche über den Bodenfliesen verhallten ihre Schritte gedämpft.
Unsicher peilten ihre Augen die Lage. Doch ähnlich, wie vor der Tür, konnte sie außer den eigenen heftigen Atemstößen nichts hören. Zielsicher durchquerte sie die Halle, schlich die Treppe hinauf und verschwand in einem der oberen Flure.
Für die Schönheit dieses Hauses fehlte ihr im Augenblick die Muße. Die Furcht, die sich trotz Bredas Versicherung wie ein eisernes Band um ihren Brustkorb spannte, wurde mit jeder Minute fester.
Ein hastiger Blick auf die geöffnete Balkontür lenkte ihre Schritte hinaus auf die Dachterrasse. Die Mittagssonne wärmte ungewöhnlich früh in diesem Jahr die Luft. In einem Korbstuhl, die Augen geschlossen und mit einem Buch auf dem Schoß, saß ihre Mutter Raluca. Sie musste das Gehör einer Katze haben, denn kaum, dass sich Stella ihr näherte, sah sie auf.
Das liebevolle Strahlen, das ihr ebenmäßiges Gesicht umspielte, versetzte sie zurück in längst vergessene Kindertage. Egal, was sie auch angestellt hatte, Raluca brachte nichts aus der Ruhe. Schließlich floss in ihren Adern das Blut ihrer rumänischen Vorfahren. So sehr es sich Andrea auch gewünscht hatte, dass es bei ihr nicht zum Vorschein kommen würde – vergebens.
»Gegen die Gene ist selbst der Mächtigste hilflos«, hatte Raluca dann auf den Lippen gelegen.
Seit Andrea der einen Meter fünfundsiebzig großen, schlanken und stolzen Schönheit zum ersten Mal gegenübergestanden hatte, war er ihrer Ausstrahlung rettungslos verfallen. Ralucas schwarze große Augen hatten den gutaussehenden Mann zwar neugierig gemustert, aber für eine stolze Sinti-Frau musste ein Bewerber schon einiges mehr zu bieten haben, als eine tadellose Erscheinung. Stella war sich sicher, dass die Begegnung mit ihrer Mutter und die Tatsache, dass Andrea zum ersten Mal in seinem Leben nicht sofort bekam, wonach er verlangte, sein Wesen und die Einstellung zur Lebensart seiner Vorfahren unwiderruflich verändert hatten.
Raluca richtete sich auf und zog ihre Tochter zu sich. Sie streichelte ihr Gesicht und plötzlich schlichen sich fragende Fältchen um ihren Mund.
»Stella, du siehst müde aus. Gibt es etwas, das ich wissen sollte?«
Stella schluckte schwer, fesselte den fragenden Blick ihrer Mutter und ließ sich seufzend neben ihr nieder. Mit leisen Worten und den Tränen nahe, berichtete sie ihr von den Ereignissen der vergangenen Nacht.
Raluca hörte geduldig zu, ohne erkennen zu lassen, was sie fühlte oder dachte. Nur ihre Hand, die ab und an fahrig durch die wilde schwarze Lockenmähne fuhr, verriet, was sie im Inneren bewegte. So ein Verhalten war typisch für sie. Vielleicht war es ihr so gelungen, in der besitzergreifenden Welt ihres Mannes die eigene Persönlichkeit zu bewahren.
Mit strengem Ton, dennoch mit einem Lächeln, sagte sie: »Du wirst mit deinem Vater darüber reden müssen.«
Erschrocken zuckte Stella zusammen. Dann spürte sie die warme Hand ihrer Mutter, die ihre zärtlich drückte. Mit einem verwegenen Grinsen murmelte sie: »Zumindest sollte er wissen, dass du Michele aus deinem Leben entfernt hast. Über das ’Wie’ empfehle ich zunächst zu schweigen. Das warten wir einfach mal ab. Ich werde meine Augen und Ohren offenhalten. Mal sehen, was der Buschfunk so verlauten lässt.«
»Das hat Breda auch gesagt«, murmelte Stella erleichtert.
Geschockt über die spontan hochschnellenden Augenbrauen ihrer Mutter stockte ihr der Atem. So unbedarft hatte sie ihr gegenüber noch niemals den Namen des Sicherheitschefs erwähnt. Raluca nahm ihr erhitztes Gesicht zwischen ihre Hände und küsste sie auf die Stirn.
»Keine Panik. Euer gut gehütetes Geheimnis ist bei mir sicher. Du solltest immer daran denken, wo unsere Wurzeln sind. Sinti-Frauen lassen sich bei der Wahl ihres Liebhabers nicht reinreden. Besonders dann nicht, wenn es sich um den Ersten handelt. Dabei hat ein mailändischer selbstverliebter Macho wohl kaum etwas zu melden. Meinst du denn, ich hätte deine Entscheidung, eine Frau zu werden, nicht bemerkt? Aber beruhige dich. Männern wie deinem Vater muss man eine solche Tatsache direkt unter die Nase halten. Ich war damals sehr stolz gewesen auf deine Wahl und den Umgang damit. Du weißt dich und andere mit Klugheit zu schützen. Und so ganz nebenbei hatte deine Vorliebe für diesen Mann eine durchaus praktische Seite.«
Dass Stella ihre Mutter mit riesigen Augen anstarrte, kommentierte diese mit einem wissenden Nicken.
»Mama, ich muss mit dir über Marta und Breda reden.«
»So, warum denn?«
Die Gelassenheit auf dem makellosen Antlitz der Neunundvierzigjährigen verunsicherte sie. »Darüber habe ich längst mit deinem Vater gesprochen. Wenn beide bereit sind zueinander zu stehen und dafür auch einen Rüffel riskieren, dann haben sie seinen Segen. Du solltest dich schon mal mit dem Gedanken anfreunden, in naher Zukunft Brautjungfer zu werden. Im Übrigen ist selbst Andrea inzwischen der Meinung, dass es für Marta allmählich Zeit wird, unter die Haube zu kommen. Mit Breda Lupei bekommt sie einen anständigen und zuverlässigen Mann an ihre Seite.«
»Wieso hat Papa zugestimmt?«, fragte Stella grübelnd.
Eigentlich war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass zwischen Angestellten und Familienmitgliedern eine Beziehung unmöglich war.
»Erstens habe ich ihm gar keine andere Wahl gelassen.« Raluca lachte. »Meinen Einfluss auf ihn nutze ich selten. Aber wenn es nötig ist, durchaus energisch. Anderseits überzeugte ihn die Tatsache, dass eure Freundschaft und die damit verbundene Nähe zu Breda einer Lebensversicherung für euch beide gleichkäme.«
Stella fühlte sich unendlich erschöpft und verletzbar. Abwesend ruhte ihr Blick auf der wunderschönen Aussicht, die sich hinter dem schmalen grünen Geländer verbarg.
»Isabella, könnten Sie uns bitte eine Erfrischung bringen?«
»Si, natürlich, sofort«, antwortete die junge Frau in einem schmucken Hosenanzug. Sie verneigte sich kurz und verschwand so leise, wie sie auf die Terrasse getreten war.
»Hör auf zu grübeln. Es ist nun mal geschehen. Du wirst mit deiner Entscheidung leben müssen. Dabei hätte es schlimmer kommen können. Sollte ich deinen Vater jemals in einer ähnlichen Situation ertappen, kommt ihm sein bestes Stück schneller abhanden, als er es erneut nutzen kann. Das nächstbeste Messer sollte dafür genügen.«
Mit einem schallenden Gelächter zwinkerte Raluca der verdatterten Tochter zu und fuhr fort. »So betrachtet, hat Michele noch Glück gehabt. Deine kühle Berechnung ist typisch für die De Lucas. Noch ein Grund mehr, warum Andrea die Angelegenheit wohl eher mit Stolz, als mit Wut aufnehmen wird.«
»Du würdest Papa …«, den Rest schluckte sie beim Blick auf Ralucas entschlossene Mimik sofort herunter.
Es war nicht zu leugnen. Sie kannte ihre Mutter nicht wirklich. Die nickte lächelnd. »Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, dir von deinen Vorfahren zu erzählen?«
»Wieso, was meinst du?« Stella konnte ihr nicht folgen.
»Ich denke, du bist dem Alter entwachsen, um in deinem Vater nur den Märchenprinzen zu sehen.«
Zwar hatte sie die Geschichte über das Kennenlernen ihrer Eltern schon mehrfach gehört, aber natürlich mit der romantischen Verklärung eines Mannes, der der Liebe seines Lebens noch immer hoffnungslos verfallen war. Das wiederum ermöglichte Raluca ein normales Leben in der speziellen Atmosphäre, die das Oberhaupt des Familien-Clans umgab. Mit wenigen Sätzen erzählte Raluca von Stellas Groß- und Urgroßeltern.
Anni Voicu, ihre Großmutter, ebenso Lydia Rosa, ihre Urgroßmutter, lebten seinerzeit noch als Sinti ein Leben mit strengen Traditionen. Als Anni ihren Großvater Eugen Voicu, der keinem Sintioder Roma-Volk angehörte, geheiratet hatte, verbot er ihr nach der Hochzeit jegliche Verbindung zu den alten Wurzeln. Dennoch war es ihr gelungen, ihrer Tochter Raluca die Geschichte und Traditionen der alten Sinti-Familie nahezubringen.
Nachdem Raluca dem Mailänder Andrea De Luca das Ja-Wort gegeben hatte, verlor sich dieses Wissen weitgehend. Sie führte nun schon fast drei Jahrzehnte lang ein freies und selbstbestimmtes Leben an der Seite des besitzergreifenden Italieners. Eine kluge und stolze Frau wie Raluca ließ sich nicht zähmen und verstand es bis heute, Andrea mit nur einem Blick für sich einzunehmen. Ihr zuliebe war aus einem knallharten Geschäftsmann und kompromisslosen Clanoberhaupt ein liebevoller Vater und Ehemann geworden. Warum Raluca nun doch das ihr verbliebene Wissen weitergab, konnte sich Stella nicht erklären. Vielleicht würde diese Tatsache ohnehin inzwischen keine so große Rolle mehr spielen wie einst.
Manchmal beneidete sie ihre Mutter um ihr wildes, aufbrausendes Gemüt. Als erfolgreiche Schmuckdesignerin mit eigenem Geschäft in der Innenstadt war sie in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Andrea genoss die Unabhängigkeit seiner Frau. Das machte sie weniger angreifbar.
Raluca liebte es schrill und bunt. Ihr Schmuck, bestehend aus mehrfarbigen langen Ketten mit Kristallen durchzogen, spiegelte den Geschmack einer Sinti-Frau wider. Stella kannte ihre Mutter nur mit den eigenen Schmuckstücken. Selbst das wilde Haar, das ihr bis zur schmalen Hüfte reichte und an einigen Stellen durch gekräuselte graue Strähnen unterbrochen wurde, durchzogen die funkelnden Kristalle.
»Mama, kannst du mir sagen, ob Michele noch lebt?«, fragte sie schließlich. Ihre Verzweiflung war kaum zu übersehen.
»Ich wünschte, ich könnte dir eine Antwort geben. Leider kenne ich die Männer, die deinem Vater zu absolutem Gehorsam verpflichtet sind. Noch vor zehn Jahren hättest du mit diesem Auftrag das Schicksal des Mannes besiegelt. Aber ich glaube, nein ich hoffe, dass diese Zeiten inzwischen vorbei sind.« Raluca konnte die Angst, die sich in Stellas Wangen eingrub, nicht verwischen.
»Warum habe ich das getan? Noch vor vierundzwanzig Stunden habe ich Michele über alles geliebt.«
Wie ein Dampfhammer traf sie die Tragweite ihrer überstürzten Reaktion. Es war schlimm genug, seinen Betrug ertragen zu müssen. Doch der Schock über ihr eigenes Handeln ließ sie kaum noch atmen. Ohne ein weiteres Wort zog Raluca ihren Kopf an die Brust und wartete geduldig, bis sie sich langsam beruhigte.
Eine Stunde später betrat Stella die Bibliothek. Andrea saß an seinem Lieblingsplatz. Der halbrunde Erker wirkte mit seinen drei hohen Fenstern, getrennt von gerafften grünen Vorhängen, offen und weit. Auf antiken Tischchen, verteilt unter Steinfensterbänken, stapelten sich Zeitschriften und Andreas Lieblingsbücher.
Hoch erfreut, sie zu sehen, sprang der Mann auf und schloss sie in seine Arme. Genau wie es ihre Mutter prophezeit hatte, konnte sie im Gesicht des Vaters keinerlei Zögern erkennen. Jeder, dem sie auf dem Anwesen bisher begegnet war, hatte ihren Kummer sofort bemerkt. Man musste ihm tatsächlich Gefühle sehr deutlich zeigen.
»Stella, lass dich ansehen!«, überschlug sich seine Stimme. »Hast du schon gegessen?« Der fast zwei Meter große kräftige Mann drückte seine Tochter, als hätte er sie seit Wochen nicht mehr gesehen. »Du siehst deiner Mutter jeden Tag ähnlicher. Das gefällt mir.«
Stella schluckte und verlor die Farbe im Gesicht. Endlich wurde ihm bewusst, dass heute etwas anders war. Der Gedanke, dass er als knallharter Vollstrecker seiner Anweisungen galt, ließ ihre Knie versagen.
Andrea führte sie besorgt zu dem kleinen Erker und platzierte sie unter einem der großen Fenster. Mit ernster Miene forderte er sie auf zu erzählen, was los war. Sie hatte keine Wahl. Stotternd versuchte sie ihm klarzumachen, was sich zugetragen hatte. Es kostete einige Mühe, ihm ihren fatalen Fehler vorzuenthalten.
Wie zu erwarten und kaum zu übersehen, mit welchem Zorn ihn seine Gefühle beinahe übermannten, begegnete er den unschönen Neuigkeiten. Effizient und ohne Gnade handelnd, wenn es um den Schutz und die Ehre der Familie ging, nutzte Andrea seine Erfahrung, um Gegnern immer voraus zu sein. Ähnlich, wie zuvor bei ihrer Mutter, bewegte sich seine große Hand durch die grauen Strähnen des sonst kräftigen schwarzen Haares.
Die tiefe Falte, die sich zwischen den dunklen Augen spontan bildete, versetzte Stella in eine noch größere Panik, als seine leisen Worte. Das gewohnte liebevolle Lächeln verschwand und über die ebenmäßigen Gesichtszüge des fast Sechzigjährigen huschte ein dunkler gefährlicher Schatten.
Sein strenger Blick, der nur eines bedeutete: »Ich habe dich vor ihm gewarnt«, ließ sie zusammenzucken. »Wenn du mir versprichst, dass du dich in Zukunft erst einmal deinem Geschäft widmest, anstatt auf Männerjagd zu gehen, werden wir den Vorfall einfach vergessen.« Abwartend beobachtete er sie und dann erkannte er das zögernde und verstörte Nicken. Damit war für ihn die Angelegenheit zunächst erledigt. »Komm, lass uns etwas essen«, betonte er auffällig ruhig.
Irritiert glaubte Stella, der Situation noch etwas hinzufügen zu müssen. Doch sie kannte ihren Vater, hatte ihn oft in ähnlicher Situation erlebt, sodass sie dankbar seinem Vorschlag folgte.
Sie verließen den Erker und gingen an einer weißen Ledersofa-Oase und dem abgewetzten Schaukelstuhl vorbei, der perfekt vor einem riesigen Heimkino ausgerichtet stand. Sie konnte sich noch sehr gut erinnern, wie sie auf seinem Schoß gesessen hatte und er ihr säuselnd Schlaflieder ins Ohr summte.
Ähnlich wie in ihrem Apartment, verzichtete man auch im Familiensitz auf geschlossene Räume. Kunststück, schließlich trug ihr eigenes Heim dieselbe architektonische Handschrift. Die Familienküche war seit jeher Treffpunkt und Diskussionsort der De Lucas gewesen. Mit ihrer länglichen Form und mit Durchgängen vom Flur zum Wohnbereich bot sie Platz für eine komplette Fußballmannschaft.
Auf die musste Andrea seit der Geburt von Stella verzichten. Damals war es zu Komplikationen gekommen, bei denen er neben ihr auch seine heißgeliebte Frau hätte verlieren können. Anschließend war er nicht mehr bereit gewesen, Raluca durch eine weitere Schwangerschaft in Gefahr zu bringen.
An den weißen Wänden hingen zauberhafte Landschaftsbilder. Unter einer niedrigen Holzdecke sorgten ovale Kristallleuchter für Helligkeit und alle Füße standen auf den wertvollsten Teppichen, die man für Geld kaufen konnte.
»Dekadent und dann noch in einer Küche«, hatte sie damals nicht verstehend die Nase gerümpft.
Andrea wusste um ihre Ablehnung von der zur Schaustellung vorhandenem Reichtums. Er machte sich mit einer diebischen Freude einen Spaß daraus, wenn er sie mit seiner Vorliebe zum Geldausgeben konfrontieren konnte. Wobei er nie in seinem Leben eine andere Art kennengelernt hatte, als durch das Präsentieren von entsprechendem Wohlstand Macht zu demonstrieren. Immerhin erklärte er somit den Anspruch eines anführenden Clan-Patriarchen.
Der große, zehn Mann platzbietende Esstisch brach beinahe zusammen unter der Last der Speisen, die er zu tragen hatte. Ein Anblick, den Stella nicht anders kannte. Es dauerte nicht lange und den Raum erfüllte aufgeregtes Geschnatter. Sobald sich die kräftigen Sicherheitsleute ihres Vaters um den Tisch versammelten, zog eine wohlige Atmosphäre durchs Haus. Das war für jeden am Tisch selbstverständlich und gehörte zum Alltag. Sie glaubte fest daran, dass Andrea mit dem immer vollen Küchentisch seine Sehnsucht nach einer größeren Kinderschar befriedigen wollte.
Raluca trat an der Seite Bredas an den Tisch und ließ sich vergnügt nieder. In beiden Gesichtern stand geschrieben, dass Stellas nächtliche Aktion Gesprächsthema gewesen war. Eine spürbare Röte zog über ihre Wangen. Breda lächelte zärtlich und strich ihr mit dem Fuß unterm Tisch beruhigend über die Wade. Dann zwinkerte er ihr grinsend zu. »Alles in Butter.«
Warum beruhigt mich das nicht?, dachte sie und stöhnte leise vor sich hin.
Als Andrea an der Tafel Platz nahm und seinen prüfenden Blick über die Anwesenden schickte, war es ihr zum Glück gelungen, ihre Mimik wieder in den Griff zu bekommen. Jede ihrer frühsten Erinnerungen an die Kindheit war geprägt von Liebe und Fürsorge sowie Freiheit und Stolz. Ihr Herz quoll über vor Wärme.
Die Geschichte der Familie De Luca als Teil der Mafia Mailands zu sehen, hatte ihr nie wirklich gelingen wollen. Nichtsdestoweniger musste sie sich in Anbetracht der neusten Ereignisse unweigerlich damit befassen. Auch wenn sie sich nur zu gern einredete, keine Wahl gehabt zu haben und trotz besseren Wissens erneut Wut und Stolz in ihr aufbrodelten, entschuldigten ihre Familienbande niemals eine kaltblütige Rache. Wenngleich die bei einer echten De Luca nahe lag. Beinahe wollte sie sich ihrem Vater anvertrauen. Nur ein Blick in die Runde genügte, und sie schreckte im letzten Moment davor zurück.
Als sie die Villa verließ, erklärte sie sich ihre Unsicherheit mit dem Verlust ihrer Hochzeitspläne. Neben dem Versprechen, sich in naher Zukunft nur um ihr Unternehmen zu kümmern, war sie fest entschlossen, Andrea die verschwiegenen Tatsachen so schnell wie möglich zu beichten.
Kapitel 4
Lugano - Februar
Nicolas Lucifer Christen saß in einer Besprechung. Er war verärgert über den Stand der Verhandlungen. Gereizt und ungehalten wusste er, dass er sich dringend entspannen musste. Die Konferenz in einer kritischen Phase und sich noch weit von seinen Wünschen entfernt zu sehen, hasste er beinahe genauso, wie die leeren Gesichter an dem zwanzigtausend Schweizer Franken teuren Verhandlungstisch.
Frustriert ballte er seine Fäuste. Dabei presste er seine Finger derart zusammen, dass die Knöchel verräterisch knackten. Von dem gebräunten Ton seiner Haut war nur noch ein hässliches Weiß erkennbar. Seine stahlblauen Augen, die langsam in schmale gefährliche Schlitze übergingen, wanderten fixierend von einem zum anderen.
Niemand der Anwesenden war seinem Intellekt gewachsen. Zur Vorbereitung der bevorstehenden Frühjahrstour hatte er wider seinen Gewohnheiten alle Beteiligten zu einer kurzfristigen Sitzung in seine Privatvilla oberhalb des Luganer Sees gebeten. Auf jedem Gesicht der sieben Männer am Tisch, die sein eisiger Blick beobachtete, zeigte sich binnen Sekunden Unbehagen und Furcht. Eine unweigerliche Reaktion auf Nicolas knallharte Geschäftspraktiken.
Dem grauhaarigen Engländer gegenüber, dessen schwarzgemusterte Krawatte allmählich zu eng wurde, durchbohrte er das Antlitz. Seine Augen verloren sich hinter ihm in der azurblauen Aussicht durch wandbreites Glas. Seine Gedanken schweiften über das kristallklare Wasser des beheizten Außenpools ein Stockwerk unter ihnen hinweg, bis hinunter zum siebenhundert Meter tiefer gelegenen Luganer See. Dann kehrten sie über das Immergrün der Wälder am Hang gegenüber zurück auf das aufwendig geschliffene Glas der Tischplatte.
Als der Mann nervös mit den Füßen über das glänzende Parkett scharrte, bedachte ihn Nicolas mit einem Ausdruck im Gesicht, der dessen blasse Wangen den Farbton einer drei Tage alten Leiche annehmen ließen. Die gespenstische Stille des großen Tagungsbüros durchbrach er, in dem er den rothaarigen Iren am Ende der Tafel aufforderte, seinen Geschäftsbericht zu verlesen.
Darauf hoffend, endlich etwas Erfreuliches zu erfahren, widmete ihm Nicolas seine gesamte Aufmerksamkeit. Die verwandelte den übergewichtigen kleingewachsenen Mann in ein stammelndes Kind. Genervt verdrehte Nicolas die Augen und tippte eilig eine Mail in seinen Laptop.
»Hochverehrte Frau Stamper, ich wünsche eine meiner bevorzugten Damen gegen ein Uhr auf dem Gelände der Stammvilla Christen vorzufinden. Hierfür schicke ich Ihnen kostenfrei den Helikopter zum vereinbarten Ort. Bitte umgehend um Bestätigung. Lucifer Christen«
Wann immer er seinen Zweitnamen nutzte, begann seine Haut angenehm zu prickeln. Es versetzte seinen Körper in einen rauschartigen Zustand. Den Namen Lucifer hatten ihm seine Eltern aus Protest gegen die Kirche in den kleinen Bergdörfern gegeben.
Zufrieden über seine Entscheidung räusperte er sich merklich. Dabei war ihm vollkommen egal, dass er den Bericht des Rothaarigen brüsk unterbrach.
»Meine Herren! Auf Grund einer nicht vorhersehbaren Angelegenheit werden wir die geplante Pause vorziehen. Ich begebe mich hierfür zwischen eins und zwei in meine Bibliothek. Während meiner Abwesenheit stehen Ihnen entsprechende Erfrischungen zur Verfügung. Darüber hinaus erwarte ich von jedem Einzelnen eine nochmalige Überarbeitung seiner Vorträge. Ich bin keinesfalls inspiriert von dem bisher Gehörten.«
Mit einem erneut auffordernden Augenaufschlag ermahnte Nicolas den von ihm unterbrochenen Mann, seinen Bericht fortzusetzen. Als man ihm seine Anfrage positiv bestätigte, beruhigte er sich.
Nur wenige Meter hinter der Tür des Sitzungssaals wurden Nicolas Schritte schneller. Die Erwartung seines Körpers auf die nächste Stunde zeichnete sich bereits frühzeitig ab und verursachte einen schmerzhaften Druck zwischen seinen stämmigen Schenkeln. Sein durchtrainierter, muskulöser Körper, den er täglich im eigenen Fitnesscenter und mit Hilfe eines Personaltrainers stählte, vibrierte förmlich vor Verlangen.