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Wie weit würdest du für deinen Ehemann gehen? Ich habe meinen Mann Corey seit Wochen kaum zu Gesicht bekommen. Meine Anrufe ignoriert er, nach Hause kommt er auch nicht und als er unser gemeinsames Konto leer räumt, habe ich mir längst einen Scheidungsanwalt gesucht. Dann taucht Corey unerwartet mitten in der Nacht wieder auf – zwei Schläger im Schlepptau, die gelassen zusehen, wie mein Mann alles von Wert in unserem gemeinsamen Haus hastig in eine Reisetasche wirft. Doch mein Schmuck ist nicht das Einzige, was Corey verpfändet hat … Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.
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Seitenzahl: 220
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Copyright: Mia Kingsley, 2022, Deutschland.
Covergestaltung: Mia Kingsley
Korrektorat: http://www.korrekturservice-bingel.de
ISBN: 978-3-910412-11-8
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.
Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Black Umbrella Publishing
www.blackumbrellapublishing.com
Delicate Goods
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Epilog
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Über Mia Kingsley
Wie weit würdest du für deinen Ehemann gehen?
Ich habe meinen Mann Corey seit Wochen kaum zu Gesicht bekommen. Meine Anrufe ignoriert er, nach Hause kommt er auch nicht und als er unser gemeinsames Konto leer räumt, habe ich mir längst einen Scheidungsanwalt gesucht.
Dann taucht Corey unerwartet mitten in der Nacht wieder auf – zwei Schläger im Schlepptau, die gelassen zusehen, wie mein Mann alles von Wert in unserem gemeinsamen Haus hastig in eine Reisetasche wirft. Doch mein Schmuck ist nicht das Einzige, was Corey verpfändet hat …
Dark Romance. Düstere Themen. Eindeutige Szenen. Deutliche Sprache. In sich abgeschlossen.
Als ich die Bürotür öffnete, um Rita die Akten zu bringen, was ich beinahe vergessen hatte, stolperte ich förmlich in sie.
Rita lachte, trat einen Schritt zurück und streckte die Hand aus. »Wir müssen aufhören, so gleich zu denken.«
»Wieso? Manchmal hat es offensichtlich Vorteile.« Ich reichte ihr die Akten und tippte dann auf den kleinen Notizzettel, den ich auf das oberste Blatt geklebt hatte. »Das scheint ein Referenzfall aus dem Jahr 1978 zu sein. Ich hoffe, das taugt was.«
Rita drückte meine Schulter. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
»Kein Problem.« Ich behielt mein Lächeln bei, obwohl ich nur noch nach Hause wollte. Der Tag heute hatte mich ausgelaugt, von den letzten Wochen und Monaten ganz zu schweigen.
»Und? Hast du was Besonderes für morgen geplant? Entführt Corey dich vielleicht wieder auf die Bahamas?« Rita sah mich gespannt an.
»Ich …« Meine Stimme verlor sich, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Rita konnte nicht ahnen, dass es zwischen Corey und mir alles andere als gut lief. Mit jedem verstreichenden Tag schienen wir mehr auseinanderzudriften. Es war Jahre her, dass Corey solche Extravaganzen für meinen Geburtstag betrieben hatte, und Wochen, dass wir überhaupt ein vernünftiges Gespräch geführt hatten. Ich wagte stark zu bezweifeln, dass sich dieser Umstand über Nacht auf magische Weise ändern würde. Denn ein Gespräch setzte voraus, dass ich meinen Mann überhaupt zu Gesicht bekam.
Die Suche nach einer unverbindlichen Antwort wurde unterbrochen, als sich die Tür zum Büro unseres Bosses öffnete.
Dr. Daugherty trat zur Seite, um einen attraktiven Mann durchzulassen – den attraktivsten Mann, den ich seit Langem gesehen hatte.
Rita seufzte leise und presste den Aktenstapel gegen ihre Brust. »Sexy, oder?«, wisperte sie.
Ich konnte bloß nicken. Der Mann war groß, mit breiten Schultern unter dem perfekt sitzenden Jackett und braunem Haar, das er nach hinten gestylt trug.
»Das ist Gibson Barnes – superreich, superarrogant und supersexy. Oh, und ein extrem wichtiger Klient. Ihm gehört praktisch halb Downtown mit unzähligen Klubs, Immobilien und Restaurants. Der Boss versucht bereits seit Wochen, Barnes regelrecht zu verführen.«
Gibson Barnes. Der Name schien seiner beeindruckenden Persönlichkeit kaum gerecht zu werden. Eigentlich war mein Boss die imposanteste Führungspersönlichkeit, die ich kannte, aber Gibson Barnes’ dominantes Auftreten stellte alles in den Schatten. Dabei hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie ich zu dieser Schlussfolgerung kam, denn er hatte bisher weder gesprochen noch sonst etwas getan – ich leitete all dies bloß von der Art ab, wie er durch den Flur ging.
Der Boss rief den Aufzug und in dem Moment drehte Gibson Barnes den Kopf. Unsere Blicke trafen sich. Seine Augen waren tiefgrün und durchdringend, sein Kiefer markant und energisch, das Kinn mit einem tiefen Grübchen versehen. Er musterte mich schnell, aber eindringlich, und ich war mir aus einem mir nicht erklärlichen Grund sicher, dass ihm kein Detail entging. Ich widerstand dem Impuls, meinen Rücken durchzudrücken, mein Haar aufzuschütteln und mein Kostüm glatt zu streichen. Lächerlich. Ich war eine verheiratete Frau und keine Neunzehnjährige vor ihrem ersten Date mit dem sehr viel älteren Studenten, den sie in der Orientierungswoche kennengelernt hatte.
Gibson Barnes betrat den Aufzug und Dr. Daugherty folgte ihm. Die Türen schlossen sich, als Barnes etwas zu unserem Boss sagte, der daraufhin in meine Richtung schaute. Er nickte und Gibson Barnes lächelte. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Dann verschwanden die beiden hinter den breiten Türen.
Trotzdem hielt die Wirkung noch einige Sekunden an, bis auch Rita kurz den Kopf schüttelte, als müsste sie einen unangenehmen Gedanken vertreiben. »Wo waren wir?«
»Du wolltest in dein Büro gehen, die Akten weglegen und Feierabend machen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass deine Kinder dich vermissen.«
Ein Strahlen breitete sich auf Ritas Gesicht aus und ich war froh, dass ich die Unterhaltung von mir weggelenkt hatte. Dass ich dabei einen Hauch Wehmut verspürte, konnte ich getrost ignorieren. Es war lang her, dass Corey und ich das Thema Kinder angeschnitten hatten. Um ehrlich zu sein, hatte bloß ich das Thema angeschnitten, aber Corey hatte sich dermaßen schnell wie ein Aal aus der Unterhaltung gewunden, dass meine Motivation einen herben Dämpfer erlitten hatte. Ich hätte nicht überrascht sein sollen – ein weiteres Versprechen, das mein Mann nicht gehalten hatte.
Und so wie die Dinge mittlerweile zwischen uns standen, hielt ich es nicht für eine gute Idee, ein Baby in die Beziehung zu holen, unabhängig davon, wie gern ich ein Kind wollte.
Rita verabschiedete sich und ich kam zu dem Schluss, dass ich wahrscheinlich auch nach Hause gehen sollte. Dass ich heute Abend allein essen und allein in unserem großen Bett liegen würde, ließ sich nicht vermeiden. Außerdem würde Dr. Daugherty mich wahrscheinlich erwürgen, wenn ich noch mehr Überstunden ansammelte.
Mit einem Seufzen ging ich in mein Büro, suchte meine Sachen zusammen und schaltete das Licht aus. Im Aufzug auf dem Weg nach unten in die Tiefgarage warf ich aus reiner Gewohnheit einen Blick auf mein Handy, obwohl ich wusste, dass ich keine verpassten Anrufe hatte. Nicht einmal eine Textnachricht hatte ich in den letzten Tagen von meinem Mann bekommen.
Wenn ich ihn nicht anrief, hörte ich gar nichts mehr von ihm. Angeblich war er auf einer Tagung oder einer Geschäftsreise oder welche Ausrede auch immer er dieses Mal benutzt hatte. Ich hatte mich damit abgefunden, dass er vermutlich eine Geliebte hatte, doch lang würde ich nicht mehr die Augen verschließen können. Sobald Corey das nächste Mal nach Hause kam, würden wir uns unterhalten müssen.
Ich stieg in meinen Wagen, wartete, bis sich mein Handy verbunden hatte, wählte die Kate-Bush-Playlist aus und startete den Wagen. Den ganzen Weg bis nach Hause summte ich mit und dachte über Gibson Barnes nach, weil der Name mir so bekannt vorkam. Zumindest redete ich mir das ein. In Wahrheit dachte ich über ihn nach, weil er so unglaublich attraktiv war.
Obwohl ich es besser hätte wissen müssen, flackerte in mir Hoffnung auf, als ich in die Einfahrt bog und mit dem Drücker das Garagentor öffnete. Es glitt langsam nach oben. Ich wartete gespannt. Meine Hoffnung fiel in sich zusammen, denn die Garage war leer.
Ich parkte trotzdem rechts, ließ das Tor wieder herunter, nahm meine Tasche und ging ins Haus.
»Hallo?« Ich war offensichtlich unverbesserlich.
Keine Antwort.
Mein erster Gang führte mich in die Küche. Ich holte die offene Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank und studierte die Kartons mit den Resten. Da ich nicht wusste, wann und ob Corey nach Hause kommen würde, bestellte ich in der Regel zwei Portionen – nur um an den darauffolgenden Tagen die Reste zu essen.
Wollte ich indisch, chinesisch oder mexikanisch? Ich trank einen großen Schluck Wein, während ich nachdachte.
Nachdem ich mich für mexikanisch entschieden hatte, stellte ich den Styroporcontainer in die Mikrowelle und löste den strengen Knoten aus meinen Haaren, bevor ich aus meinen Schuhen stieg.
Es war pervers, dass ich mich fast daran gewöhnt hatte, allein in dem großen Haus zu sein.
Neid nagte an mir, als ich mich fragte, wie es wohl für Rita war, nach Hause zu kommen. Sie hatte bloß ein Kind gewollt, aber Drillinge bekommen. Drei entzückende Mädchen, die bereits acht Jahre waren. Dazu hatte Rita einen liebevollen Mann und einen alten Golden Retriever. Mir war klar, dass ihr Leben vermutlich auch nicht perfekt war, doch sie stand wahrscheinlich gerade nicht allein und barfuß vor dem Kühlschrank, wartete auf die Mikrowelle, um anschließend etwas zu essen, was stellenweise die Temperatur von Lava und stellenweise die von Eis hatte, während sie ihre Lebensentscheidungen überdachte.
Morgen war mein zweiunddreißigster Geburtstag. Es war noch nicht zu spät, um …
Ich schluckte und zwang mich, an etwas anderes zu denken. Doch ich hatte die Büchse der Pandora bereits geöffnet und dachte an Scheidungen, andere Männer und … Kinder.
Entschlossen stellte ich das Glas weg und nahm mein Handy in die Hand. Ich würde Corey anrufen und ihn bitten, nach Hause zu kommen. Er musste doch einsehen, dass es auf diese Weise nicht weitergehen konnte. Ich jedenfalls wollte mehr als dieses einsame Leben.
Ich wählte seine Nummer und lauschte mit klopfendem Herzen. Es klingelte einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal, ehe eine Automatenstimme mich informierte, dass mein Gesprächspartner nicht zu erreichen war, ich aber gern eine Nachricht hinterlassen konnte.
Tränen brannten in meinen Augen und ich hätte beinahe geheult, wenn die Mikrowelle in diesem Moment nicht mit ihrem penetranten Piepen begonnen hätte.
Es schmeckte nicht so übel, wie ich gedacht hatte, und als ich fertig war, räumte ich den Teller und das leere Weinglas in die Spülmaschine und stellte sie an.
Mit den Schuhen in der Hand stieg ich über die Treppe nach oben, warf einen letzten Blick übers Geländer, aber ich hatte das Licht gelöscht und die Alarmanlage war angeschaltet.
Ich nahm ein Bad und schaute mir auf dem Tablet eine Folge Downton Abbey an, obwohl ich sie inzwischen beinahe auswendig konnte. Dann kroch ich ins Bett und debattierte, ob ich noch eine Folge schauen wollte oder besser schlafen gehen sollte.
Stattdessen nahm ich das Tablet und tippte »Gibson Barnes« bei Google ein.
Wenig überraschend fand ich Hunderte, Tausende Ergebnisse. Von seinen Geschäften über seine Klubs bis zu seinen Frauen war Gibson Barnes offensichtlich eines der Lieblingsthemen der Klatschpresse. Ich überflog mäßig interessiert ein paar der Schlagzeilen, ehe ich die Ergebnisse der Bildersuche anschaute.
Er war einfach unglaublich attraktiv und sehr fotogen. Ich blätterte durch die Seiten, wenig überrascht, dass er praktisch auf jedem Foto eine andere Frau am Arm hatte … oder zwei.
Die Gerüchteküche überschlug sich, weil kaum jemand wusste, wen Gibson nun tatsächlich datete und wie lang er mit den Frauen zusammenblieb, aber er war bekannt dafür, großzügige Geschenke zu machen.
Ich dachte an meinen morgigen Geburtstag und meinen verschollenen Ehemann und wie Gibson im Gegensatz dazu vermutlich einen Assistenten brauchte, bloß um Geschenke für seine ganzen Geliebten zu kaufen. Sein Assistent vergaß mit Sicherheit nie einen Geburtstag.
Entschlossen tastete ich nach meinem Handy und wählte Coreys Nummer. Dieses Mal gab ich nicht so leicht auf. Viermal hintereinander rief ich an, was offenbar reichte, um meinen Mann genug zu nerven.
»Was ist, Jess?«, fragte er ungehalten.
Im ersten Moment verstand ich ihn kaum, weil im Hintergrund ohrenbetäubend laute Musik dröhnte. »Wo bist du?«
»Ich bin beschäftigt. Ist etwas passiert?«
»Wann kommst du nach Hause?«
Corey seufzte. »Jess … ich …«
»Es ist Wochen her, dass wir uns gesehen haben.« Ich hatte unwillkürlich die Stimme gehoben – zum Teil, weil die Lautstärke mich automatisch lauter sprechen ließ, und zum anderen, weil meine Emotionen überzukochen drohten.
»Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.«
Es klickte in der Leitung, als Corey auflegte. Ich ließ das Handy sinken und blickte es wie betäubt an.
Das Ganze fühlte sich sehr endgültig an. Ich kam mir vor wie eine Idiotin, dass ich hier saß und auf ihn wartete, während er … sich vermutlich in Stripklubs oder wo auch immer herumtrieb. Am Abend vor meinem Geburtstag. Ich hatte mir schon nicht einmal mehr die Mühe gemacht, meinen Mann darauf hinzuweisen, dass ich morgen Geburtstag hatte.
Wahrscheinlich sollte ich mir einen Anwalt suchen. Melissa Robertson aus unserer Kanzlei war auf Scheidungsrecht spezialisiert, aber ich wollte keine Kollegin mit in die Sache ziehen.
Morgen. Morgen würde ich mir einen Anwalt nehmen und den Prozess einleiten. Das hatte doch alles keinen Sinn mehr.
Ich legte mein Handy und das Tablet weg, schaltete das Licht aus und streckte mich auf dem Bett aus. Unter der Decke fröstelte ich, doch ich war zu faul, mir eine zweite zu holen.
In den frühen Morgenstunden fielen mir endlich die Augen zu.
»Wo ist Corey?«, wollte ich von Josh wissen.
Er zuckte mit den Achseln und sah fragend zu Eric.
»Ich glaube, ich habe ihn vor der Bühne gesehen.« Eric kratzte sich am Hinterkopf.
»Einen Moment«, sagte ich zu Stanley Collins, als hätte er eine Wahl und wäre nicht geknebelt und an einen Stuhl gefesselt gewesen.
Ich seufzte auf dem Weg nach draußen. Mein Vater hatte wirklich recht gehabt. Wenn man wollte, dass etwas ordentlich gemacht wurde, dann musste man es selbst machen.
Als ich die schwere Metalltür öffnete, die den privaten Bereich vom Rest des Stripklubs trennte, wusste ich im ersten Moment nicht, ob ich das flackernde Licht oder die hämmernde Musik schlimmer fand.
Die Kellnerinnen strahlten mich an und die Tänzerinnen schoben sich auf dem Weg nach hinten enger als nötig an mir vorbei. Die wilde Mischung aus Parfüm, dem Geruch von Haarspray und Bodyglitter sorgte dabei beinahe für tränende Augen meinerseits. Abgesehen vom Finanziellen hatte ich nicht viel für Stripperinnen übrig, aber das wussten meine Tänzerinnen nicht. Sie waren wesentlich umgänglicher, solange sie dachten, in meinem Bett wäre potenziell ein Plätzchen frei.
Corey hockte tatsächlich in der ersten Reihe und starrte wie ein hypnotisiertes Kaninchen zu dem Paar Titten, das gerade über die Bühne tanzte. Er zuckte zusammen, als meine Hand auf seiner Schulter landete.
»Boss«, formten seine Lippen. Hören konnte ich ihn aufgrund der Lautstärke nicht. Ich nickte in Richtung Büro und er stand sofort auf, um mir zu folgen.
Erleichterung machte sich in mir breit, als die schwere Metalltür hinter mir ins Schloss fiel und die Musik abrupt verstummte. Vielleicht wurde ich langsam zu alt für diese Art der Arbeit. Allerdings hatte mein Job viele Facetten, die ich nicht missen wollte.
Ich ließ Corey den Vortritt und wie ich erwartet hatte, erstarrte er, als er Stanley auf dem Stuhl sitzen saß. Stanley brüllte hektisch in den Knebel.
Corey war ein smarter Mann – oder zumindest smart genug, um den Anblick richtig zu interpretieren. Stanley war nass geschwitzt und von seiner rechten Hand war nicht mehr viel übrig, was auch den strengen Blutgeruch erklärte.
»Ist was?«, fragte ich lauernd.
Corey musste sich erst räuspern, ehe er antworten konnte. »Nein.«
»Gut.« Ich ging an ihm vorbei und setzte mich hinter den Schreibtisch. Eric und Josh standen in der Nähe der Wand und mochten auf den ersten Blick vielleicht entspannt wirken, aber ich wusste, dass sie jederzeit einsatzbereit waren.
Ich deutete auf den freien Stuhl neben Stanley. Corey zögerte, ehe er sich gehorsam setzte und dabei sorgfältig vermied, zu lang in Stanleys Richtung zu sehen.
Nachdem ich meine Ellbogen auf die Schreibtischplatte gestützt hatte, faltete ich die Hände. »Ich wusste, dass Stanley sehr gründlich war, als er dir beigebracht hat, wie die Arbeit für mich funktioniert. Mir war nur nicht klar, dass er dir auch gezeigt hat, wie er sich an meinem Geld bedient hat. Ich verfolge euer Treiben schon seit einer Weile, weil ich nicht genau abschätzen konnte, wer von euch beiden das größere Problem ist. Ist das Klischee vom Buchhalter mit der Hand in der Kasse nicht langsam ein wenig veraltet?«
Corey warf einen verstohlenen Blick auf Stanleys rechtes Handgelenk und schluckte schwer.
»Von den knapp zwei Millionen, die mir fehlen, habe ich dank Stanleys … Kooperation fast alles wieder auftreiben können. Momentan vermisse ich noch dreihunderttausend. Hast du eine Ahnung, wo sie sein könnten? Ich meine, uns ist beiden klar, dass du letztens exakt die gleiche Summe hier im Tempest gelassen hast, aber vielleicht ist das ein Zufall?«
Stanley schrie in seinen Knebel und zerrte an den Fesseln, obwohl es ihm große Schmerzen bereiten musste.
Corey knickte sofort ein. »Es tut mir leid, Gibson. Wirklich.«
Josh stieß sich prompt von der Wand ab, um Corey, den neueren meiner zwei Buchhalter, zu packen, aber ich hob meine Hand.
»Stanley hat keinen Nutzen mehr für mich, aber du, Corey, du kannst bestimmt noch nützlich sein, oder?«
Corey nickte eilig. »Ja, ich kann das Geld wieder auftreiben.«
»Die dreihunderttausend?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
Er leckte sich über die Unterlippe und schaute zu Stanley. »Mehr. Mit Zinsen, meine ich. Immerhin war es nur eine … großzügige Leihgabe?«
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Wenigstens war Corey nicht ganz so blöd wie Stanley. Außerdem bewunderte ich ihn fast für seine Dreistigkeit. Mir dreihunderttausend zu stehlen und sie in einem meiner Klubs direkt wieder auszugeben, war beinahe … poetisch. Dumm, aber poetisch. Allerdings hatte er das Geld für Pussys ausgegeben, also überwog doch die Dummheit.
Während ich langsam nickte, bedeutete ich Josh, dass er sich um Stanley kümmern sollte.
Corey fuhr zusammen und ließ ein leises Wimmern hören, als Stanleys warmes Blut auf seine rechte Körperseite spritzte.
»Wir sind uns einig, dass du mein Geld schnell wieder auftreiben wirst, richtig?«
»Natürlich, natürlich.« Corey fuhr sich mit dem Finger unter seinen Hemdkragen und zerrte daran.
»Gut. Ich habe heute nämlich deine Frau gesehen. Jessica ist ihr Name, nicht wahr?«
»Ja.« Corey starrte auf Stanleys Leiche, ehe er mich ansah. »Du kannst sie haben.«
»Bitte?« Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm folgen konnte.
»Jessica – wenn du willst, kannst du sie haben, als Wiedergutmachung.«
»Eigentlich lautet dein Text: ›Oh nein, nicht meine Frau, bitte nicht, ich mache alles, was du sagst.‹ Hast du überhaupt nachgedacht, bevor die Worte aus deinem Mund gekommen sind? Was machst du denn, wenn ich darauf eingehe?« Irritiert hob ich eine Augenbraue.
»Ich werde alles machen, was du sagst. Ich dachte nur, das würde beweisen, wie ernst ich es meine.«
»Das beweist eigentlich nur, wie leichtfertig du Versprechen gibst, die du vermutlich nicht halten kannst. Jessica wäre vermutlich nicht unbedingt begeistert von deinem großzügigen Angebot, wenn sie dich hören könnte.«
»Sie muss es ja nicht wissen. Abgesehen davon ist sie nicht gerade stark, sodass du eigentlich keine Probleme haben solltest, sie zu überwältigen.«
Ich sah zu Eric. »Bringt ihn weg, bevor er sich um Kopf und Kragen redet.«
»Sorry, Boss«, stammelte Corey. »Ich dachte, das wäre dein Ding.«
Meine Augen wurden schmal, doch da packten Eric und Josh meinen verbliebenen Buchhalter glücklicherweise schon und zerrten ihn aus dem Büro.
Trotz des strengen Blutgeruchs atmete ich tief durch. Coreys Vorschlag war gleichermaßen abstoßend wie erregend.
Ich dachte an Jessica Briggs’ Blick, als wir uns in der Anwaltskanzlei begegnet waren. Unter anderen Umständen wäre ich wahrscheinlich stehen geblieben, um mit ihr zu reden, doch so hatte ich direkt gewusst, dass sie eine verheiratete Frau war. Ich hatte für die Frauen anderer Männer nichts übrig. Oder zumindest hatte ich das gedacht, bis die Worte aus Coreys Mund gekommen waren.
Vielleicht sollte ich Jessica einen Besuch abstatten und dann eine Entscheidung treffen.
Oder ich zog Corey direkt die Haut ab – ungeachtet der Tatsache, dass er mir noch dreihunderttausend schuldete. Damit sollte er sich lieber beschäftigen, statt den Aushilfszuhälter zu spielen.
Abgesehen davon ist sie nicht gerade stark, sodass du eigentlich keine Probleme haben solltest, sie zu überwältigen.
Fuck. Ich seufzte und nahm das Telefon in die Hand, um einen neuen Termin in der Kanzlei zu vereinbaren.
Für gewöhnlich vergaß ich morgens immer, direkt nach dem Aufwachen, dass sich Corey bereits seit einer Ewigkeit nicht mehr hatte blicken lassen, und streckte die Hand nach ihm aus.
Sobald ich ihn auf der anderen Bettseite nicht ertastete, wachte ich ganz auf und spürte einen leichten Hauch von Schmerz. Der Schmerz war im Laufe der Zeit weniger geworden, weil man sich irgendwie an alles gewöhnte.
Mit einem Seufzen drehte ich mich um und warf einen Blick auf meinen Wecker. Ich hatte noch eine gute Viertelstunde, bis ich unter die Dusche musste.
Aus Gewohnheit und weil ich offenbar doch eine unverbesserliche Optimistin war, berührte ich das Display meines Handys, damit es zum Leben erwachte.
Nichts. Keine Nachrichten, keine Anrufe. Kein Ton von meinem Ehemann. Dafür starrte mir das heutige Datum geradewegs ins Gesicht.
Es war mein Geburtstag.
Mein Geburtstag, und ich lag allein im Bett. Früher hatte Corey mich an meinem Geburtstag mit seinem Mund zwischen meinen Beinen geweckt und mir danach Frühstück gebracht. Die Erinnerung ließ mich lächeln, obwohl sie mich im gleichen Moment mit Wehmut füllte.
Körperliches Verlangen erfasste mich, weil ich schon nicht mehr wusste, wann ich zum letzten Mal berührt worden war – ganz zu schweigen von sexuell stimuliert. Wenn ich die Sache nicht im wahrsten Sinne des Wortes selbst in die Hand nahm, dann …
Ich seufzte erneut und presste meine Schenkel zusammen. War es erbärmlich, wenn ich an meinem Geburtstag selbst Hand anlegte? Ich biss mir auf die Unterlippe und kam zu dem Schluss, dass ich eine erwachsene Frau war, die machen konnte, was sie wollte.
Da ich noch genug Zeit hatte, mir selbst ein paar Minuten zu gönnen, nahm ich mein Handy und durchsuchte die Lese-App nach dem Buch, das mir letztens so gut gefallen hatte, weil es randvoll mit extrem erregenden Sexszenen war.
Ich fand es und klickte durch die Lesezeichen, die ich mir gesetzt hatte, bis ich an der Stelle angekommen war, die mich so angetörnt hatte. Sie war aus der Sicht des Mannes geschrieben, der über seine völlig hilflose Geliebte hergefallen war – im wahrsten Sinne des Wortes. Er hatte sich Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft, sie gepackt und mit dem Gesicht nach unten über ihren Küchentisch gebeugt. Ihr Betteln und Flehen blieb unerhört, während er ihrem geschundenen Körper einen Orgasmus nach dem anderen abrang, ehe er sie mit brutal harten Stößen fickte.
Meine Finger kreisten beim Lesen um meine Klit. Ich saugte jedes einzelne Wort in mich auf und spürte beinahe selbst den harten Griff des Mannes an meinen Handgelenken. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich zurück, mein Handy rutschte mir aus der Hand und meine Finger zogen immer kleinere Kreise.
Wie es wohl war, auf eine solche Art und Weise angefasst zu werden? Ich stellte mir vor, wie es sich anfühlen würde, und krümmte die Zehen. Ich war so nah davor.
Normalerweise stellte ich mir keinen speziellen Mann vor, nicht einmal Corey – ich fantasierte eher über Berührungen, Gesten und Gefühle. Wie es war, wenn ein harter Schwanz in meine nasse Pussy glitt oder wenn ein Mund sich über meine Nippel hermachte.
Doch heute lief in meinem Kopf die Szene aus dem Buch mit minimalen Variationen ab. Der Mann packte mich, riss mir förmlich die Kleidung vom Leib und packte mein Kinn. Sein Griff war fest, schon fast schmerzhaft, aber die Vorstellung erregte mich.
Ich kam, die Hand zwischen meine Beine gepresst, als sich der Mann in meiner Fantasie mit einem harten Stoß bis zum Anschlag in mir versenkte. Dabei sah er mir geradewegs in die Augen.
Es war Gibson Barnes. Ich hatte beim Masturbieren an Gibson Barnes gedacht.
Ertappt setzte ich mich auf und strich meine Haare nach hinten. Mein Herz klopfte laut, was natürlich absolut übertrieben war. Niemand war hier oder wusste gar, woran ich gerade gedacht hatte. Es war bloß eine Fantasie gewesen, weil ich gestern seinen intensiven Blick gesehen hatte.
Trotzdem fühlte ich mich irgendwie … schäbig, schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Es war sowieso Zeit für die Dusche, wenn ich pünktlich im Büro sein wollte.
* * *
Ich hatte es fast bis zum Feierabend geschafft, als es knapp an meine Bürotür klopfte.
»Herein«, rief ich und krümmte mich innerlich zusammen. Dabei hatte ich es beinahe ohne peinliche Glückwünsche und Fragen nach Corey überstanden.
Die Tür schwang nach innen auf und Dr. Daugherty lächelte mich an. »Mrs Briggs, Sie haben gerade noch Kapazitäten für einen neuen Klienten, habe ich gesehen?«
Zwar formulierte er es der Höflichkeit halber wie eine Frage, aber mir war klar, dass es bloß eine einzige richtige Antwort gab, wenn der Boss persönlich auftauchte, um mir einen neuen Klienten zu bringen.
»Das ist richtig.« Ich zwang meine Mundwinkel nach oben, obwohl mir eher nach Heulen zumute war. So viel zu meinem Plan, etwas früher Feierabend zu machen und mich davonzuschleichen, um meine Trauer in Alkohol zu ertränken.
»Wunderbar.« Dr. Daugherty kam herein und machte damit Platz für den ominösen neuen Klienten.
Nur mit Mühe konnte ich mein Gesicht davon abhalten, die Farbe einer überreifen Tomate anzunehmen, als ausgerechnet Gibson Barnes mein Büro betrat. Die Erinnerung, wie ich mit der Hand zwischen meinen Schenkeln gekommen war – ausgerechnet mit seinem Gesicht vor Augen –, ließ mich schwer schlucken.
Du meine Güte! War der Türrahmen geschrumpft oder Gibsons Schultern tatsächlich dermaßen breit?
»Mrs Briggs, das ist Gibson Barnes. Ich möchte, dass Sie ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen.«
Ich zwang mich aufzustehen und gab vor, meinen Rock glatt zu streichen, dabei wollte ich in Wahrheit nur sichergehen, dass meine Handflächen nicht schweißnass waren. Gibson Barnes kam mir entgegen, ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Angenehm, Miss Briggs.« Er hielt mir die Hand hin.
»Mrs Briggs«, korrigierte ich mit sanfter Stimme und ergriff die dargebotene Hand.
»Natürlich«, sagte er und klang nicht ansatzweise, als würde er es ernst meinen. Wenig überraschend war sein Griff fest und er hielt meine Finger zwei, drei Sekunden länger, als nötig war.
»Ich bin in meinem Büro, sollte noch etwas sein.« Dr. Daugherty rauschte raus und schloss die Tür hinter sich, was dafür sorgte, dass der Raum mit Gibson darin sich noch kleiner anfühlte.
»Was kann ich für Sie tun, Mr Barnes?«
»Gibson.« Seine grünen Augen leuchteten auf.
Seine tiefe Stimme stellte merkwürdige Dinge mit meinem Magen an. Dinge, die ich schon verdammt lang nicht mehr gespürt hatte. Ich musste mich zusammenreißen und zwang mich, nach unten zu sehen. Auf meinen Ehering, der sich noch an meinem Finger befand. Noch. Einen Termin in einer renommierten Kanzlei, die auf Scheidungsrecht spezialisiert war, hatte ich bereits vereinbart.
»Was kann ich für Sie tun, Gibson?«