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Dorothy Parker verkörpert alles, was man gemeinhin mit New York in Verbindung bringt: Rastlosigkeit und Moderne, Esprit und Erfolg, aber auch Härte, Grausamkeit und Einsamkeit. Dorothy Parker ist die New Yorker Schriftstellerin schlechthin. Dorothy Parkers Gedichte sind stets ein Zusammenspiel aus Witz und Melancholie, aus Trauer und Scherz, aus Pathos und Spott. Ebenso wie ihre Erzählungen zeichnet sich ihre Lyrik durch einen charakteristischen Mix aus Selbstmitleid und Zynismus aus. Ein Abgleiten in Kitsch vermeidet sie durch Schnoddrigkeit und Ironie.
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Seitenzahl: 126
Dorothy Parker
Denn mein Herz ist frisch gebrochen
Gedichte
Ins Deutsche übertragenvon Ulrich Blumenbachund mit einem Nachwort vonMaria Hummitzsch
DÖRLEMANN
Die vorliegende Ausgabe folgt der Ausgabe »Complete Poems«, erschienen bei Penguin Classics in New York City, enthält jedoch nur die zu Lebzeiten Dorothy Parkers in Buchform erschienenen Gedichte. (This edition published by arrangement with Penguin Classics, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC) eBook-Ausgabe 2017 Alle Rechte vorbehalten © The National Association for the Advancement of Colored People (naacp) © 2017 Dörlemann Verlag AG, Zürich Umschlaggestaltung: Mike Bierwolf unter Verwendung einer Zeichnung von Ken Fallin Satz und eBook-Umsetzung: Dörlemann-Satz, Lemförde ISBN 978-3-03820-944-7www.doerlemann.com
Für Elinor Wylie
Auch wenn süß der Flieder blüht,
Ist mein Herz gebrochen.
Wenn ich’s durch die Straße tret,
Wird es dann noch pochen?
Wenn nun einer nähm Reißaus,
Würd ich was vermissen?
Tränenlippen, so sieht’s aus,
Will ein jeder küssen.
Hat man traurig durchgewacht,
Strahlt das Auge greller;
Arme in der dunklen Nacht
sind gewöhnlich heller.
Wehre ich dem Gast die Lust,
Trage Schwarz beflissen,
Bloß weil’s heißt, die leere Brust
Sei das weichre Kissen?
Bloß weil’s Herz beim Brechen klirrt,
Hört’s nicht auf zu stammeln.
Jeder Gockel unbeirrt
Will die Scherben sammeln.
Pfeift wer beim Vorübergehn,
Würd’s den Schlaf mir rauben?
Halb soll er mich lügen sehn –
Halb soll er mir glauben.
Mein leises Lied erklingt nicht mehr,
Und wach lieg ich und schau
Ins Schwarz, wart auf die Wiederkehr
Vom altbewährten Grau.
Oh, traurig ist die Winternacht
Und traurig dumm das Lied;
Und traurig weiß man, wenn man wacht,
Dass neu ein Tag erblüht.
Sie streichelten mich sanft und mild.
Sie kannten eine Kur:
»Die Zeit heilt Schmerz, tobt er auch wild,
Die Zeit dämpft einen Schwur.«
Sie waren lieb und gut und still
Und flüsterten dabei:
»Wenn dir das Herz bricht im April,
Erholt es sich im Mai.«
Sie kannten manch erholtes Herz,
Sie waren alt und klug.
Doch ich erkannte auch im Schmerz,
Das war nur Lug und Trug.
Das dumme Zeug vom Monat Mai,
Hab bitter ich quittiert;
Auch Juni war schon fast vorbei,
Bevor mein Herz kuriert.
Der Tod ist mein Liebster, ihn hab ich erkoren,
So launisch und stürmisch und wild, wie er ist.
Er bricht mir das Herz, und dann lässt er mich schmoren –
Der Tod, jung und froh, der hat mich nicht vermisst.
Sie hören mich klappern beim rastlosen Hasten.
Von mir bekam niemand sonst je einen Kuss.
In Samt und in Seide wollt ich bei ihm rasten –
Der Tod, jung und falsch, machte kurzerhand Schluss.
Längst träge das Blut, das einst stürmisch und hitzig,
Erkaltet und glatt meines Bräutigams Bett;
Geduldig sein Pfeifen erwartend, so sitz ich –
Der Tod, jung und stolz, übersieht mich komplett.
Ich muss wohl mit Hängebrust hier auf ihn lauern,
Ich muss mich gedulden, bis bucklig ich bin,
Ich muss wohl im Schaukelstuhl elend versauern:
Der Tod ritt von dannen – was hin ist, ist hin.
Mein Herz hängt am Streuner, der will mich nicht stützen.
Er war nur ein Meister im schäkernden Spiel –
Er küsste, versprach viel und ließ mich dann sitzen,
Ritt fort mit der Maid, die ihm besser gefiel.
Einst – ich war noch jung und treu –
Blieb traurig ich und leer;
Einer brach mein Herz entzwei,
Und das war wirklich schwer.
Liebe ist ein Griff ins Klo.
Liebe lässt uns leerer.
Einst brach ich ein Herz so roh;
Das wiegt wohl noch schwerer.
Im April, im April
Kam meine Liebe des Weges,
Und ich lief über meinen Hügel
Auf den Spuren seines Liedes.
Die Augen so hart wie Porphyr
Vom Blick auf das Grauen im Land,
Strich seine Stimm über mich her
Als schreckliche Silberhand.
Wir gingen zu zweit in geheimer Gass,
Durchstreiften die murmelnde Stadt.
Ich trug auf der Brust auf Samt und Strass
Mein Herz als ein feuchtrotes Blatt.
Im April, im April
Ging er pfeifend seiner Wege,
Und ich stolperte auf meinen Hügel
Auf den Spuren einer Lüge.
Was hab ich denn jetzt noch in Aussicht?
Ich sitze und zähle die Stunden.
Und spritze mir Wasser ins Gesicht
Und reime mich über die Runden.
Wie heul ich über das, was nicht zum Weinen?
Die Liebe ist von hinnen, ach, was nun?
Ich kann nicht schlafen, aber ich muss träumen:
Falls Liebe wiederkehrt, was soll ich tun?
Was ist, wenn ich ihn auf der Straße sehe?
Er kann merken, dass mich das nicht schert.
Er kommt des Wegs – ich geh, wohin ich gehe,
Trällere ein Lied und mach nicht kehrt.
Was, wenn er abends unter Aschenhimmeln
Kalkweiß vor Sehnsucht dasteht als Besuch?
Mit trocknen Wimpern würd ich ihn abwimmeln.
Er soll still sein, und ich les ein Buch.
Jetzt bin ich ohne ihn schon weit gediehen.
Soll er kommen und mich lachen sehn.
Mein Gott! Ich würd ihn in die Arme ziehen:
»Liebster! Bleib doch nicht hier draußen stehn!«
Jeder, der ihn kannte,
Fand, ich tät nicht gut,
Denn uns beide bannte
Unsrer Ahnen Blut.
Da war er, entsprossen
Frommen, die voll Spott
Schicken unverdrossen
Hexen aufs Schafott.
Pflanzen die Schalotten,
Trennen Korn und Spreu,
Ernten die Karotten,
Schichten brav das Heu.
Stören Frühlingsfeiern,
Schreien Hüh und Hott,
Frömmeln alte Leiern
Ihrem Griesgramgott.
Da war ich, vom Samen
Der aus Schlamm und Flamm,
Dankte meinen Namen
Namenlosem Stamm.
Über Bergesrücken
streifte mein Geschlecht;
Und man wrang an Brücken
Wäsche kunstgerecht.
Luzifers Mätressen
Geben sich kokett,
Fiedeln für ein Essen,
Küssen für ein Bett.
Meiner Sippe Schande
Wurde mein Verstoß.
Ach, Familienbande
Lassen keinen los.
Himmel konnt ich sehen,
Ich, die nicht mehr wirbt –
Hass lässt mich bestehen,
Die an Liebe stirbt.
Beim ersten Tod ging ich meiner Wege;
Die hinkenden Tage verfolgte ich rege.
Ich hielt mich gerade, den Kopf hoch erhoben,
Nur wagt ich den Blick nicht zum Neumond hoch droben.
Ich wagte den Blick nicht in lieblichen Regen
Und spürte im Brustkorb ein stechendes Sägen.
Beim nächsten Tod begrub man mich tief,
Salbaderte ölig, dass selig ich schlief.
Man wand mir Girlanden, ins Grab warf man Blüten,
Die Urne aus Marmor sollt schwer mich behüten.
Und ich liege hier warm und trocken und frei.
Und Wurmvolk kriecht vorbei, vorbei.
Spaß blieb mir eine Nacht
Schön, frei und jugendlich.
Und mit des Morgens Pracht
Verließ er mich.
Darauf kam Gram zu mir
Und lag mir schwer am Herz.
Er blieb auch tags allhier
Und brachte Schmerz.
Ich tauge nicht zur Braut,
Doch keusch werd ich nicht alt.
Und jetzt ist Stolz mir traut –
Im Bett so kalt.
Es wäre ihm verhasst,
Ich hoff, er merkt es nie,
Dass Gram mir bleibt als Gast.
Und wie. Und wie.
Liebe machte sich vom Acker.
Hat fast nichts gemacht;
Trotz Verlust schlag ich mich wacker,
Wäre doch gelacht.
Lust war hier und ist gegangen.
Hat fast Tradition;
Trotzig werd ich neu anfangen –
Andre schaffen’s schon.
Legt mich in die schmale Kiste,
Einsam werd ich ruhn.
Tot sind, die voll Hass ich küsste,
Und was bleibt mir nun?
Die Nadel sticht, die Nadel näht,
Die Nadel steppt den Rand.
Der beste Mann wird schnell verschmäht
Für ein Satingewand.
Hier wölben sich die Fäden vor
Am raffinierten Saum.
So feiner, stilvoller Dekor
Ist jeder Dame Traum.
Der Lüstling trägt Brokat zur Jagd
Und Taft die Braut im Kreis;
Gingan schmückt die verlobte Magd –
Satin – der Freien Preis!
Mit Wolle tarnt der Geizhals Frust;
Der Flor ziert Greise schon;
Der Samt verhüllt die kalte Brust.
Satin – der Kühnen Lohn!
Batist ist Päpsten zugedacht,
Und Leinen trägt die Nonn’;
Satin ist auch des Schlaukopfs Tracht –
Ach hätt ich’s Kleid doch schon!
Satin erglänzt im Kerzenlicht;
Satin – der Stolzen Fluch.
Wer sowas in der Nacht sieht, spricht:
»Welch ein Leichentuch!«
Das ist, was ich schwör:
All mein Herz sei ewig sein,
Unser Schlaf sei süß und rein
Ewig wie bisher.
Sand im Glas verrinnt so dreist;
Solche Liebe nie vereist;
Er und ich sind fest verschweißt:
Das ist, was ich schwör.
Das ist, was ich bet:
Lass ihn hierorts zärtlich mir,
Lass ihn stolz betonen: »Wir!«,
Da die Welt besteht.
Lass mich ruhn vom Kummer schwer;
Dass das Glück schwind nimmermehr,
Lieb ich lieber weniger:
Das ist, was ich bet.
Das ist, was ich weiß:
Liebesschwur kann mickrig sein;
Liebe sorgt doch stets für Pein –
Das ist nun der Preis!
Allzeit ist mein Herz entflammt,
All mein Lieben ist verdammt;
Männer fliehen allesamt:
Das ist, was ich weiß.
Ich schwieg nur starr, als Liebe war.
Er gähnte, wand sich ab;
Jetzt nistet Gram im Alltagskram,
Ich red und nicht zu knapp.
Zeit war Sand, zeigt ihr das Ende,
Kringel, windverwehter Tand.
Warm rann sie ihr durch die Hände,
Wurde nur zur Burg am Strand.
All die sommerschönen Tage
Warf sie fort als bunte Posse.
Weggeschnipst ganz ohne Klage,
Landeten sie in der Gosse.
Legt aufs Grab die rote Rose,
Geht nur, euer Mitleid spart;
Glücklich weiß die Sorgenlose:
Selbst ihr Staub ist sehr apart.
Die Tage tanz- und tapsen
Im Kreis zur Tarantell’.
Und du musst weiter japsen –
Mich hütet längst die Höll’.
Wie kalte Neujahrswinde,
So beißt und sticht die Zeit,
Die bange Herzensrinde
Umhüllt vom Knochenkleid.
Dein körperlicher Liebreiz
Vertrocknet, bricht und knickt.
Die Ursach Deines Herzleids
Aus jedem Auge blickt.
Das Rheuma lässt dich wachen.
Hinweg ist all der Schneid.
Die Kehle bricht beim Lachen,
Du flennst wie nicht gescheit.
Du müffelst und gehst unter,
Schielst bloß nach altem Glanz,
Doch ich spring jung und munter
Beim wilden Totentanz.
Stürmisch seine Liebe ist,
Wenn du so bist, wie du bist.
Stürzt dein Herz im wilden Lauf,
Bückt er sich und hebt es auf.
Träumst du Fäden, webt er sie
Dir zu Mustern voll Esprit.
Mehr als seine Leidenschaft
Hat die deine Saft und Kraft.
Dank dem Herrn fürs Weltgetriebe:
So bist du – so ist die Liebe.
Kümmernis dein Schicksal ist,
Wenn du so bleibst, wie du bist.
Träumst du Fäden, zupft er sie
Ungeniert vom Hosenknie.
Pocht dein Herz vor Liebeslust,
Schnippt er es von seiner Brust.
Liebte er dich noch so sehr,