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ACHTUNG: "Der Code der Zikaden" ist die Neuauflage des Romans "EWIGKEIT - Ein neuer Zyklus" . Sie unterscheiden sich nur durch den Titel. Die Inhalte sind identisch!!! Mit diesem Roman führt Thomas H. Huber seine Leser an den Rand des Universums und zurück, in eine längst vergessene, mystische Zeit. "Die ideale Lektüre für Kreta-Urlauber!" - denn die größte griechische Insel steht bei der fantasievollen Geschichte im strahlenden Mittelpunkt. Die Story: Samuel und Sarah Kramer wollen eigentlich nur einen entspannten Strandurlaub auf Kreta verbringen. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft geraten sie in einen Albtraum, der sie an die Grenze ihres Verstandes führt. Auslöser ist ein kurzes Urlaubsvideo, welches Sam seinem Freund Jack Stern per Whatsapp schickt. Auf dem Film sieht man Sarah, wie sie vom höchsten Punkt der Gebirgsstraße hinunter auf die Südküste blickt. Im Hintergrund ist nur der Wind und das Zirpen tausender Zikaden zu hören. Stern, ein Verschlüsselungsexperte der US-Army glaubt, im Zirpen der Zikaden einen Code entdeckt zu haben. Damit rufen sie den mysteriösen William Sutherford auf den Plan, der einen Zusammenhang zwischen dem Code der Zikaden und dem Schicksal der Menschheit sieht. Sam, seine Frau Sarah, und zehn weitere Personen, begeben sich gemeinsam mit ihm in ein bizarres Abenteuer. "Wer glaubst du ist es, der dich bedingungslos liebt? Das kann nur einer sein, du selbst!! Niemand wird dich jemals lieben, dir vertrauen und dich anerkennen, wenn du selbst dies nicht kannst. Alles ist eins, eins ist alles! Die ganze Matrix gibt es nur deshalb, weil du nicht glauben kannst, dass du alles bist, das existiert! Denke tiefer, als du jemals gedacht hast. Dann wirst du das Licht am Ende des Tunnels nicht nur sehen, du wirst es sein!" (Thomas H. Huber) religiös esoterisch Liebe Mystery Kreta Fantasy, Avatar, Schöpfung, Gott, Krimi, Spannung, Kreta. www.thomas-h-huber.de
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Seitenzahl: 533
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HINWEIS: Dies ist eine Neuauflage des
Romans "Ewigkeit – Ein neuer Zyklus“.
Der Inhalt ist identisch.
09.01.2023
Das Buch widme ich
meiner Frau Anja
und unseren Kindern
Helen
Jan
Denise
Bennet
Len
„Es ist schön, dass es Euch gibt“.
Cover-Grafik: iStock- by Getty Images
Fotos: Daniel Schneider, Bielefeld
PROLOG
ÄGYPTEN, 2600 JAHRE V. CHR.
TAG 1: ANKUNFT AUF KRETA
TAG 2: KRETA
NOAH TEIL 1
30. APRIL 1789
VOR WENIGEN MONATEN
1982
„TOP-SECRET. FOR GENERAL BAXTERS EYES ONLY “
TAG 2: KRETA
2010 ÄGYPTEN, IN DER NÄHE VON GIZEH
TAG 3: KRETA
2010 WILLIAM SUTHERFORD
TAG 4: Kreta
1999: LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK?
TAG 5: KRETA
2000 SAMUEL
2000 SARAH
TAG 6: KRETA
2010
Juli 2009
2001
NOAH TEIL 2
TAG 7: KRETA
2001
TAG 8: BÜRO VON JACK STERN
1988
TAG 8: KRETA
MÄRZ 2002
TAG 9 BÜRO VON RONALD GILES, VIRGINIA
TAG 9 TERRASSE VON JACK STERN
2004
TAG 10 KRETA
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 1
TAG 9 BÜRO VON RONALD GILES, VIRGINIA
1968
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 2
TAG 11, KRETA
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 3
TAG 12 KRETA
TAG 12 SCHWEIZ
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 4
TAG 10 HAUS VON JACK STERN
TAG 13 KRETA, SÜDKÜSTE, CHORA SFAKION
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 5
TAG 13 NEW YORK
TAG 14 FIDES - DER TREUE DIENER
TAG 13 CHORA SFAKION
TAG 13: BÜRO VON RONALD GILES, VIRGINIA
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 6
TAG 13 CHORA SFAKION
TAG 11 JACK STERN, HAMMERFEST
DIE GENESIS-EINHEIT
TAG 13, CHORA SFAKION
TAG 12 HAMMERFEST
VOR EINEM JAHR, DEUTSCHLAND, TEIL 7
TAG 14 CHORA SFAKION
NOAH TEIL 3
TAG 14 CHORA SFAKION
NOAH TEIL 4: DER TRAUM
DIE NEUE HEIMAT
TAG 14 HAMMERFEST
TAG 14 AGIA MARINA
TAG 14 HAMMERFEST
NOAH TEIL 5
TAG 14 AGIA MARINA
TAG 14, BÜRO VON RONALD GILES, VIRGINIA
TAG 14 NORDKÜSTE
TAG 15 NEUANKÖMMLINGE
NOAH TEIL 6
TAG 15 ANTWORTEN
TAG 15 ÄGYPTEN, CHEOPS PYRAMIDE
TAG 15 KRETA
TAG 15 ÄGYPTEN, CHEOPS PYRAMIDE
TAG 15, EINGANG ZUR SAMARIA SCHLUCHT
15. TAG, VOR DEM NÄCHSTEN ZYKLUS
ÄGYPTEN, 2510 V. CHR. CHEOPS PYRAMIDE
15. TAG, DAS ENDE DES ZYKLUS, MITTERNACHT
TAG 16. DAS ENDE DES ZYKLUS
TAG 1 DER ANFANG DES NEUEN ZYKLUS
TAG 1, DAS ERWACHEN
TAG 1 AUF DEM BERG OHNE NAMEN
EPILOG
ZWEI JAHRE SPÄTER
DER SEELEN-POOL
ZURÜCK IM NEUEN LEBEN
Unsere Welt scheint vom Grundsatz her für alle Menschen gleich zu sein, obwohl sie von jedem einzelnen anders wahrgenommen wird. Was der eine als unabänderliche Tatsache akzeptiert, lehnt ein anderer möglicherweise ab. Die Frage, woher wir kommen und wohin wir nach unserem weltlichen Dasein gehen, bleibt ein unlösbares Rätsel, bis sich uns eines Tages der tiefere Sinn des Ganzen offenbart und wir verstehen, dass wir mehr sind, als die Hülle aus Fleisch und Knochen, die wir täglich im Spiegel sehen.
„Ich bin Anubis, der Gott deiner Vergangenheit, deiner Gegenwart und deiner Zukunft. Was ich hier in meiner Hand halte, ist ein ganz besonderes Geschenk für dich, großer Pharao“, hallte eine sehr tiefe Stimme durch die Eingangshalle des königlichen Palastes. Sie kam der eines Bären gleich und gehörte zu einem riesenhaften Wesen in Mönchskutte, dessen Antlitz durch eine weit vorstehende Kapuze verdeckt war. Dann rollte das Wesen ein großes Pergament auf dem Steinboden aus und wandte sich dem Pharao zu: „Das wird dich unsterblich machen, mein König“. „Was ist das, mächtiger Anubis, Sohn von Re?“ Der Gott richtete sich neben dem Pharao zu seiner vollen Größe auf, sah mit leicht geneigtem Kopf auf ihn herab, und erwiderte: „Das ist deine Ewigkeit und mein Pfand. Es soll dir gehören und mir dienen“. Der Pharao betrachtete die Zeichnung mit fragenden Augen und seine Erregung war ihm deutlich anzusehen. Er war der unumstrittene Herrscher Ägyptens, doch vor Anubis, dem Gott der Schattenwelt, dessen Macht über alles Weltliche hinausreichte, hatte er großen Respekt, weshalb er nur sehr zögerlich zu fragen wagte: „Erkläre mir bitte, großer Anubis, was ist das für ein Gebilde?“ Anubis beugte sich über die Zeichnung und sprach: „Das ist ein gewaltiges Oktaeder. Eine Schenkellänge beträgt am Grund 439 Meh-nesut“, was in der modernen Sprache etwa 230 Meter bedeutete, „es wird das größte Bauwerk, das die Welt je gesehen hat. Es besteht aus zwei Teilen, wovon nur der obere sichtbar sein wird. Dieser Teil soll deine Grabstätte werden. Hinter seinen Mauern wirst du Unsterblichkeit erlangen und ewig leben. Der untere Teil bleibt in der Erde verborgen und wird für immer mir gehören“. Cheops betrachtete das Bauwerk voller Verwunderung, nicht ahnend, dass die nach ihm benannte Pyramide der Menschheit auch noch in Jahrtausenden ein Rätsel aufgeben würde.
Sam und Sarah Kramer verbrachten ihren fünften Urlaub in Folge auf Kreta. Sie fühlten sich dort so wohl, dass kein anderer Ort der Welt eine größere Anziehung auf sie ausüben konnte. Manchmal flogen sie über die Winterzeit auch auf eine der Kanarischen Inseln, doch nie fanden sie dort die gleiche Erholung wie auf Kreta. Eine objektive Erklärung hatten sie dafür nicht, schließlich konnten sie sich sogar besser auf Spanisch verständlich machen als auf Griechisch, weil ihnen der romanische Sprachschatz einfach näherlag, als der kyrillische. Allein aus diesem Grund wäre Spanien die bequemere Wahl für sie gewesen. Doch sie entschieden sich auch in diesem Sommer wieder für die größte griechische Insel und ahnten zu Beginn ihrer Reise nicht, dass der wahre Grund dieser magischen Anziehungskraft sich ihnen diesmal offenbaren würde. Wie schon in den Jahren zuvor, buchten sie sich in der Nähe des kleinen Fischerortes Georgioupolis an der Nordküste ein. Georgioupolis gehört zur Präfektur Chania und liegt etwa hundert Kilometer westlich von Heraklion, der Inselhauptstadt. Am 25. Juni landeten sie um 16:30 Uhr mit der Small Planet Airline auf dem Flughafen Kazantzakis bei Heraklion. Nachdem Sam ihre Koffer vom Gepäckband genommen hatte, gingen sie zum Schalter der Mietwagenfirma Autocandia und nahmen ihr Auto in Empfang. Diesmal war es ein weißer Fiat Panda und Sam freute sich schon darauf, mit dem kleinen Schaltwagen über die Insel zu zuckeln. Er empfand es als abwechslungsreichen Ausgleich zu dem Automatikwagen, den er zuhause fuhr. Er war immer wieder erstaunt darüber, dass es ihm sofort gelang, sich von Automatik- auf Schaltgetriebe umzustellen, sobald er den Zündschlüssel umgedreht hatte und der kleine Motor hustend ansprang. Als er sich kurz mit dem Fahrzeug vertraut gemacht hatte, ging es dann auch schon los. Sie verließen den Abstellplatz des Autoverleihers und erreichten nach zweimaligem Abbiegen die New Road, die Hauptverkehrsader Kretas, die den östlichen mit dem westlichen Teil verbindet. Nach etwa eineinhalb Stunden Fahrzeit erreichten sie ihre Unterkunft und wurden dabei vom lauten Geschrei der Zikaden in Empfang genommen. „Ist das nicht eine unglaubliche Geräuschkulisse?“, strahlte Sam. Und als er merkte wie laut er sprechen musste, um diese Insekten zu übertönen, lachte er: „Kaum zu glauben, dass man diese Viecher auch Zirpen nennt. Das kann wohl nichts mit dem Lärm zu tun haben, den sie hier veranstalten. Klingt schon fast nach einer landestypischen Ruhestörung“. Dann zog er mit einem fröhlichen Seufzer die Koffer aus dem Heck des Pandas: „Endlich wieder Zuhause“. Nachdem sie sich an der Rezeption des kleinen, familiengeführten Hotels angemeldet hatten, nahmen sie auf der Hotelterrasse das dort übliche Empfangsgetränk ein. In diesem Jahr entschieden sich beide spontan für ein frisch gezapftes Mythos Bier. „Lecker“, bemerkte Sam glücklich, während er sich den Schaum von der Oberlippe leckte und seinen Blick über die Gipfel der Lefka Ori, die Weißen Berge, schweifen ließ. Warum man das zweithöchste kretische Gebirge so nannte, lag auf der Hand. Im Winter sorgten schneebedeckte Gipfel für einen weißen Glanz und in den Sommermonaten die besonders helle Beschaffenheit der Felsen. Sarah beobachtete ihn und lächelte, weil sie genau wusste, wie sehr er sich auf diesen Sommerurlaub gefreut hatte. Sie selbst konnte es kaum erwarten, mit ihm über die Insel zu kutschieren, obwohl sie in Deutschland eher nervös auf dem Beifahrersitz herumrutschte, wenn Sam mal wieder ihre vereinbarte Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h überschritt, oder der Verkehr sehr dicht war und die Straße dadurch viel enger erschien, als sie in Wirklichkeit war. „Ich weiß, ich bin eine schreckliche Beifahrerin. Das tut mir wirklich leid“, bedauerte sie dann meist, „aber ich kann einfach nicht anders“. Auf Kreta jedoch, fuhren sie niemals schneller als 100 km/h. Es war eher ein sanftes Dahingleiten und kein aggressives Testosteron-Rennen, wie sie es von den deutschen Autobahnen kannten. Selbst ein Überholmanöver lief hier im gegenseitigen Einvernehmen und vollkommen stressfrei ab. War ein Wagen schneller als sein Vordermann hupte der schnellere kurz, damit der langsame ihn bemerkte und danach an den rechten Fahrbahnrand fahren konnte, um ihn vorbeizulassen. Es schien gerade so, als hätten die meisten Fahrer ihr Ego zuhause gelassen und würden sich nicht über die PS-Zahl ihres Autos definieren, sondern das Vehikel eher als zweckdienlich betrachten. Sarah genoss besonders die Fahrten hinüber zur Südküste, wovon jede einzigartig war. Mal hingen dicke Wolken an den Gipfeln der Weißen Berge, und sie wurden von kräftigen Regenschauern überrascht, mal blockierten aufgebrachte Ziegen meckernd die Straße und Sam schlug lachend mit der flachen Hand auf die Hupe, um mit dem blechernen Getröte die Tiere zu vertreiben. Wenn die Ziegen und Schafe zu stur waren, kam es auch schon einmal vor, dass er ausstieg und die Tiere entweder sanft anschob, oder sie behutsam bei den Hörnern von der Straße zog. Meist gaben sie dann den Weg frei, auch wenn sie dabei mürrisch dreinschauten und danach noch lauter meckerten als zuvor. Am schönsten war der letzte Abschnitt der Bergtour, wenn sie plötzlich von weit oben auf die Südküste und das Libysche Meer hinabblicken konnten. Auch wenn sie diese Tour in jedem Urlaub mehrfach absolvierten und dabei die leistungsschwachen Motoren ihrer Mietwagen an ihre Belastungsgrenze führten, waren sie beide immer wieder von neuem entzückt, wie wundervoll die Welt hier oben doch war. Der Geruch der Zedern, des Thymians und der Salbeibüsche, offenbarte sich als olfaktorischer Hochgenuss. Genau wie das strahlend helle Blau des Himmels, das tiefdunkle Blau des Meeres und die ockerfarbenen Felsen, sich hier zu einer einzigartigen Farbkomposition verbanden. Die Sinne wurden an diesem Ort auf eine unfassbar intensive Weise überflutet. Leider erinnerten Sam und Sarah sich dabei aber auch jedes Mal an einen sehr ungewöhnlichen Zwischenfall während ihres zweiten gemeinsamen Kreta Urlaubs. Damals fuhren sie ebenfalls über den Bergkamm, als Sarah plötzlich eine Art Anfall erlitt. Sie unterhielten sich gerade über ihre neuesten Erkenntnisse zum Thema „Essen ohne Reue“, im Nachhinein betrachtet war dies ein ideales Thema für jeden Urlaub, als bei Sarah plötzlich Sprachstörungen auftraten. Sie starrte durch die Frontscheibe und rang verzweifelt nach Worten: „Ich, ich, habe……. Ich, ich, habe äh, Wort…äh, ich habe Wortfindungsstörungen“. Im ersten Moment lachte Sam und antwortete: „Was, du und Wortfindungsstörungen? Das wäre das erste Mal“. Doch als er sie ansah wurde ihm sofort klar, dass ihr Zustand ernst zunehmen war. Sie sah ihn mit weit aufgerissenen, angsterfüllten Augen an. So hatte er sie noch nie zuvor gesehen. Tränen liefen über ihre Wangen und sie machte keinerlei Anstalten, diese wegzuwischen. Er trat auf die Bremse und brachte den Panda auf dem Seitenstreifen zum Stehen. „Was ist mit dir, Sarah? Mein Engel, sag doch etwas“. Doch Sarah sah ihn nur apathisch an. Schweißtropfen traten auf ihre Stirn und sie schien vor Angst stumm zu schreien. „Ich fahre dich ins Krankenhaus nach Chania“, schlug Sam vor, doch Sarah umfasste in diesem Moment sein Handgelenk mit festem Griff, und stammelte zitternd: „Nein! Aufschreiben! Worte! Aufschreiben“. Sam machte sich große Sorgen um den Gesundheitszustand seiner Frau. Was war mit ihr los? Ein Schlaganfall vielleicht? Er widersprach ihr: „Schatz, das halte ich für gefährlich. Was, wenn du etwas Ernsthaftes hast? Ich würde mir ewig Vorwürfe machen, wenn ich mit dir hier oben im Gebirge bleiben würde, ohne ärztliche Hilfe zu holen“. Sarah suchte erneut nach Worten und verdrehte dabei die Augen, so als wollte sie ihren Mann beruhigen und gleichzeitig ihrem Verstand sagen, er solle still sein und ihr gefälligst die notwendigen Buchstaben liefern. Dann sprach sie leise: „Nichts Schlimmes! Vertrau mir! Hol Stift, Blatt!“. Sam sah sie gleichermaßen verwirrt und sorgenvoll an und startete wieder den Wagen. Er fuhr, so schnell es der kleine Panda vermochte, die Serpentinen hinunter in Richtung Frankokastello und hoffte, auf dem Weg einen Supermarkt zu finden, in dem er die benötigten Schreibutensilien kaufen konnte. Währenddessen fiel Sarah in einen Zustand, den Sam als sehr erschreckend empfand. Wie in Trance beugte sie ihren Oberkörper nach vorn über das Armaturenbrett und ließ ihn dann wieder nach hinten in die Sitzlehne fallen, wobei ihr Kopf ziemlich hart auf der Kopfstütze aufschlug. Dabei sprach sie meist unverständliche Worte, die Sam auch mit größter Mühe nicht verstehen konnte. Es war ein Gemisch von einzelnen Vokalen und sehr archaisch klingenden Lauten. Nur hin und wieder sagte sie etwas, das zumindest nach einer Sprache klang, wie zum Beispiel die Worte „Neo Paphos“ oder „Okumani“. Endlich sah er auf der rechten Straßenseite einen Supermarkt, in dem er tatsächlich ein paar Stifte und einen Schreibblock fand. Nachdem er einen zehn Euroschein auf die Kassentheke geworfen hatte rannte er schnell zurück zu seiner Frau, ohne auf das Restgeld zu warten. Die Verkäuferin sah ihm kopfschüttelnd nach, als er aus ihrem Laden stürmte: „Verrückte Touristen“. Sarah saß noch immer auf dem Beifahrersitz und pendelte mit dem Oberkörper vor und zurück und gab dabei unverständliche Dinge von sich. Sam geriet schon fast in Panik, weil er von ihr den Auftrag erhalten hatte mitzuschreiben, und er nun nicht wusste, was er überhaupt schreiben sollte. Wie kann man etwas Schreiben, das man nicht versteht? Wie fasst man etwas in Worte, das nicht einmal ansatzweise nach einer Sprache klingt? Er beschloss, zunächst einmal die beiden Worte aufzuschreiben, die er sich zuvor im Gedächtnis behalten hatte. Während er schrieb, sprach er sich die Worte laut vor: „Nea Paphos oder Neo Paphos?“, Er entschied sich für Neo Paphos, das klang irgendwie runder, angenehmer. Dann schrieb er „Okumani“. In diesem Moment hörte Sarah damit auf, ihren Oberkörper hin und her zu werfen und sah schweigend zu ihm hinüber. Ihr Blick war nun vollkommen verändert und Sam schluckte mühsam mit trockener Kehle. Ihre Augäpfel drehten sich nach oben, bis nur noch das Weiße sichtbar war. Was geschah da gerade mit ihr? War sie vielleicht von einem Dämon besessen? „Quatsch“, sagte er sich, tue einfach das, was sie von dir erwartet. Kaum, dass er sich ihr wieder voller Vertrauen und Liebe zuwandte, veränderte sich ihr Wesen erneut und nach wenigen Sekunden erschien sie klar und vollkommen normal zu sein. Sie sagte: „Alles ist gut. Hör einfach zu und schreibe auf, was ich zu sagen habe“. Dann begann sie zu diktieren und er schrieb so schnell er konnte, auch wenn er nicht wusste was die Worte bedeuteten. Das Blatt mit seinen Aufzeichnungen trug sie von diesem Moment an immer mit sich herum, auch in diesem Urlaub, stets mit der Angst, und zugegebenermaßen auch mit einer gewissen Hoffnung, nochmal in diesen Zustand zu gelangen. Selbst wenn es ein sehr erschreckendes Erlebnis war, so war es doch auch spannend und ergreifend. Auf alle Fälle ärgerte Sam sich darüber, dass er in seiner Panik nicht daran gedacht hatte, einfach alles mit seinem Handy aufzunehmen. Deshalb legten sie von da an bei jeder Autofahrt eines ihrer Smartphones gut erreichbar in die Mittelkonsole des Wagens. Aber alles blieb still. Nie wieder empfing Sarah neue Botschaften von der unbekannten Quelle. Es gab allerdings auch noch etwas anderes, das Sam und Sarah bislang nur bei ihren Urlauben auf Kreta erlebt hatten, und das bezeichnete Sarah als „Paternosterträume“. Diese Träume hatten beide seltsamerweise immer nur am Strand, niemals am Swimmingpool oder im Hotelbett. Sarah gab den Träumen diesen Namen, weil sie das Gefühl hatte, beim Einschlafen mehrere Ebenen zu überwinden, wie in einem Paternoster, aus dem heraus man in jede Etage ungehindert hineinsehen konnte, bevor er sich weiter durch die Geschossdecke nach oben bewegte. Als sie Sam zum ersten Mal davon berichtete erinnerte er sich daran, dass er diese Träume vor 15 Jahren auch hatte, als er hier mit seiner ersten Frau und den Kindern Urlaub machte. Damals glaubte er den Verstand zu verlieren, weil es ihm nur schwer gelang, aus einem solchen Traumzustand herauszukommen. Während er träumte, war er sich vollkommen darüber bewusst, dass es ein Traum war, und immer dann, wenn er versuchte aufzuwachen, rutschte er in den nächsten Traum hinein. Wie lange er sich in diesem Zustand befand konnte er nie genau sagen, doch er empfand es als unangenehm und gleichermaßen als äußerst spannende Angelegenheit. Da seine damalige Frau dafür kein Verständnis hatte, und seine Beschreibungen als esoterischen Schwachsinn bezeichnete, schwieg er von da an und hoffte still und leise, dass die Träume nicht wiederkommen würden, was sie letztlich auch taten. Das hatte aber nichts damit zu tun, dass dieses Phänomen als solches einfach aufhörte zu existieren, sondern daran, dass sie die darauffolgenden Urlaube nicht mehr auf Kreta verbrachten. Nachdem die Träume ausblieben, verblasste die Erinnerung an sie und zum damaligen Zeitpunkt vermutete er einfach nicht, dass es an der Insel gelegen haben könnte. Wie auch immer, er entschied irgendwann, einfach nicht mehr über mögliche spirituelle Erscheinungen zu sprechen. Erst als er Sarah kennenlernte öffnete er sich diesem Thema wieder und sprach über Dinge, die er bislang unter den Teppich gekehrt hatte. Mit ihr war es anders, sie war empfänglich für die andere Welt, aber gleichermaßen rational und intelligent genug, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er war der Überzeugung, dass gerade ihre Spiritualität einer der Gründe war, weshalb sie sich ineinander verliebten, und dies beruhte auf Gegenseitigkeit. Sarah fand es wundervoll, dass Sam in der Lage war einen sehr bodenständigen Job auszuführen und trotzdem seine feinstoffliche Seite zuzulassen. Für einen Mann, der sich berufsmäßig mit Terroristen und Staatsfeinden herumschlug, war das durchaus bemerkenswert. Auf jeden Fall standen die Paternosterträume für die beiden in unmittelbarer Verbindung mit dem anderen Erlebnis, das Sarah während ihres zweiten Urlaubs auf Kreta hatte und sie waren sich sicher, dass die Insel selbst etwas damit zu tun haben musste, denn schließlich machten sie auf Gran Canaria oder in anderen Ländern keine Erfahrungen dieser Art. Fast immer spielten bei den Träumen irgendwelche Fabelwesen eine Rolle. Mal kam darin ein Zentaur vor, mal eine Sirene, die mit ihrem Gesang versuchte, Herr über des Träumers Geist zu werden. Zumindest aber ging es in Sarahs Träumen meist um etwas Sagenumwobenes und Rätselhaftes. Sie reiste darin entweder in die Vergangenheit oder in die Zukunft, während Sam eher zeitlos träumte. Allerdings gab es dabei schon eine Gemeinsamkeit, sie hatten während des Traums beide das Gefühl, gelähmt zu sein. Ihr Verstand war wohl wach, hatte jedoch keinen Einfluss mehr auf ihren Körper. So lag sie nun bewegungslos auf der Liege, während ihre Seele durch die Zeit des minoischen Reiches wanderte. Es fühlte sich geradezu so an, als wäre sie in einer Zeitmaschine und besuchte Orte in längst vergangenen Epochen oder durchlebte Szenarien in einer fernen Zukunft. Anfänglich gelang es ihr praktisch nie, willentlich aus dem Traum auszusteigen, sondern wachte immer nur aus purer Erschöpfung auf. Sobald sie während einer Szene den Entschluss fasste aufzuwachen, durchbrach der Paternoster eine weitere Ebene, die für sie in diesem Moment tatsächlich aussah wie die Geschossdecke eines Hauses, und führte sie in die nächste Realität, womit der Traum seine Fortsetzung und nicht sein Ende ankündigte. Erst mit der Zeit fand sie einen Weg, diesen Traumzustand zu beenden, wann immer sie es wollte. Sie verstand jedoch nie wirklich, was es mit diesen Träumen auf sich hatte und so beschlossen sie beide irgendwann, es einfach hinzunehmen und dem Ganzen keine Bedeutung mehr zuzuschreiben. Obwohl sich Sam während seiner Dienstzeit als leitender Offizier einer Spezialeinheit der US-Army, auch mit geheimen und rätselhaften Fällen auseinandersetzen musste, sprach er niemals mit einem Kollegen über ihre Erlebnisse auf Kreta, selbst nicht mit seinem langjährigen Kollegen und Freund, Jack Stern. Mit ihm ist er auch nach Beendigung seines Dienstes in Kontakt geblieben und Jack wäre sicherlich in der Lage gewesen, Sams Erlebnisse zu verstehen, wenn nicht sogar eine Begründung dafür zu finden, aber irgendwie ging diese Männerfreundschaft nie wirklich über den, für die meisten Kerle üblichen, Smalltalk hinaus. Vielleicht hätte man diesen verbalen Austausch von Informationen auch als gesteigerten Smalltalk bezeichnen können, doch das wäre wohl das höchste aller Gefühle. Natürlich redeten sie hin und wieder über kleine Probleme im Job oder innerhalb der Familie, doch Dinge, die nur den geringsten Anschein hatten, eventuell psychischer Natur zu sein, fanden darin keinen Platz. Deshalb schickte Sam seinem Freund auch nur eine völlig unverfängliche WhatsApp Nachricht von ihrer diesjährigen Fahrt zur Südküste, als er am Abend danach mit Sarah auf dem Balkon ihres Apartments saß. Es war ein kurzer Videoclip, den er auf dem Bergrücken gemacht hatte und seinem Freund einen wundervollen Rundblick auf das Meer und die dahinterliegenden Berge bot. Natürlich war auch Sarah, Sams unumstrittenes Lieblingsmotiv, darauf zu sehen. Sie lächelte winkend in die Kamera und rief Jack liebe Grüße zu. Sonst waren darauf nur der Wind und eine Milliarde schreiender Zikaden zu hören. Kurz darauf kam eine Sprachnachricht von Jack zurück: „Hey, Ihr Urlauber, genießt die Sonne, das Meer und den griechischen Wein. Bis bald“.
Sam stand unter der Dusche und sang lautstark den Song von Mungo Jerry aus den 70ern: „In the summertime, when the weather is fine“, während Sarah auf dem Balkon in der Sonne saß und ihr noch nasses Haar trocknen ließ. Es war erst 8:30 Uhr, doch die Sonne brannte schon so stark vom Himmel herab, wie sie es in Deutschland nicht einmal in der Mittagszeit tat. Aber es war eine angenehme, trockene Hitze und deshalb für sie gut verträglich. Sarah wurde sehr schnell braun und obwohl ihre Haut schon am ersten Tag etwas Farbe angenommen hatte, wollte sie es dennoch nicht übertreiben und ging nach wenigen Minuten wieder zurück ins Apartment. Dabei sah sie auf Sams Handy eine Nachricht von Jack aufleuchten. Gerade als sie rufen wollte, „Jack hat dir noch eine SMS geschickt“, kam Sam aus dem Bad und wickelte sich ein Handtuch um die Hüften. „Das kann warten, Mrs. Kramer“, sagte er zwinkernd und ließ das Handtuch wieder fallen, „wir haben doch Urlaub, oder etwa nicht?“ Sarah liebte seine spontane Art und lächelte ihm zu, während sie sich gespielt keck über die Lippen leckte und hauchte: „Hm, nicht schlecht, was ich da sehe“. Und irgendwie stimmte das sogar. Sam war 58 und Sarah 55 Jahre alt, doch beide waren körperlich noch gut in Schuss. Bei Sam lag es wohl am jahrzehntelange Karatetraining und bei Sarah an der guten Ernährung und ihrer sorgfältigen Körperpflege, dass man ihnen ihr wahres Alter nicht ansah. Sams graues Haar, das bereits in seinen Dreißigern die Dominanz übernahm, zeigte natürlich schon, dass er in die Jahre gekommen war, aber seine leuchtenden Augen und sein dynamisches Auftreten machten es Fremden schwer, ihn richtig einzuschätzen. Sarah wurde oft für fünfunddreißig, maximal fünfundvierzig Jahre gehalten, weshalb Sam hin und wieder scherzhaft bemerkte: „Die denken bestimmt alle – „was will der alte Sack mit dem jungen Ding an seiner Seite?““. Doch was er im Scherz sagte, dachte er manchmal wirklich. Für ihn war Sarah die schönste Frau der Welt. Er schätzte es sehr, dass sie in seinem Alter war, und die gleichen Erinnerungen an das Zeitgeschehen seiner Generation hatte, während sie immer noch attraktiv und jung aussah. Ein früherer Bekannter von Sam heiratete mit 50 Jahren eine 25-Jährige und beklagte sich während einer Grillparty, und nach dem Genuss von unzähligen Bieren, ziemlich ausführlich bei ihm: „Stell dir vor, Sam, wir lagen kürzlich im Bett und ich wollte von ihr wissen, ob ihr das Lied „Yesterday,“ von den Beatles gefällt? Und sie fragte mit großen Augen: „Wer sind denn die Beatles?“ Da habe ich mich schlagartig richtig einsam gefühlt und mir von Herzen gewünscht, ich hätte mich nie von Sonja scheiden lassen“. Nun lagen Sam und Sarah nach ihrem morgendlichen Intermezzo nebeneinander auf dem Bett und starrten an die Decke. „Was wollen wir heute unternehmen?“, fragte er, nachdem sich sein Atem wieder etwas beruhigt hatte. „Hm, Strand vielleicht?“, antwortete Sarah kurz. „Strand ist gut“, gab Sam zurück, schwang sich aus dem Bett und holte seine Badehose aus der Kommode. Wenige Minuten später verließen sie das Apartment und stiegen in den Panda, in dem schon eine Gluthitze herrschte. Als sie nach einer zehn minütigen Fahrt den Strand erreichten, lag das Meer ruhig und glitzernd vor ihnen. Nur eine leichte Brandung rollte knisternd über den heißen Sand und zog sich dann schäumend zurück, um mit der nächsten Welle noch weiter das Land zu erobern. Sam rückte Sarahs Strandliege zurecht, „damit du die günstigste Position zur Sonne hast“, zwinkerte er. Sie lächelte, weil er ihr es immer recht machen wollte und sie das sehr schätzte. Er hingegen warf nur schnell sein Handtuch auf seine Liege und lief zum Meer. Das Wasser war warm, doch ab und zu kam eine kalte Strömung, die dann allerdings schon fast schmerzte, so eisig war sie. Während er sich an die ständig wechselnde Wassertemperatur gewöhnte, stand er im hüfthohen Wasser und blickte zum Horizont, wo das helle Blau des Himmels auf das dunkle Blau des Meeres stieß. „Derart viele Blautöne gibt es nur hier“, rief er Sarah zu, die aufgrund der Distanz wohl nicht verstand was er sagte, ihm aber trotzdem freundlich zuwinkte. Dann warf er sich vornüber ins Wasser und tauchte mit offenen Augen am Grund entlang, auch wenn er ohne Taucherbrille nichts sehen konnte. Aber das spielte in diesem Moment keine Rolle für ihn, er hatte das Salzwasser vermisst und wollte nun möglichst schnell alle positiven Emotionen, die er damit verband, in wenigen Sekunden in sich aufnehmen. Nachdem er genug hatte, warf er sich fröhlich seufzend auf seine Strandliege und sagte zu Sarah: „Ist das nicht schön, mein Schatz? Wenn ich hier bin stelle ich immer wieder fest, wie wenig ich eigentlich zum Leben brauche“. Der Tag am Strand raste geradezu seinem Ende entgegen. Sam sprang alle paar Minuten ins Wasser, um sich abzukühlen und Sarah widmete sich ihrer Leidenschaft, dem Lesen. Erst als sie am Abend zurück ins Hotel kamen fiel Sam auf, dass er sein Handy im Zimmer vergessen hatte. Beim Blick auf das Display stellte er fest, dass Jack ihm fünf Nachrichten geschickt und sechsmal versucht hatte, ihn telefonisch zu erreichen. In der ersten WhatsApp Nachricht stand: „Ruf mich bitte mal an“. Die zweite war ähnlich: „Ruf mich bitte mal wegen deinem Urlaubsvideo an“. Die dritte Nachricht wurde etwas ungehaltener: „Verdammt, melde dich doch endlich“. In der vierten schrieb Jack: „Zur Hölle, wo bist du? Was ist das für ein Geräusch im Hintergrund?“ Die fünfte und letzte Nachricht klang schon fast verzweifelt: „Bitte melde dich bei mir. Ist wirklich wichtig“. „Ich ruf mal kurz bei Jack an. Der ist total aus dem Häuschen. Gehst du zuerst unter die Dusche?“ Noch bevor Sarah antworten konnte, wählte er Jacks Nummer. Schon nach dem ersten Klingelton nahm sein Freund ab und stöhnte: „Endlich, wird aber auch Zeit“. „Ich bin gerade mal zwei Tage weg und du hältst es ohne mich nicht aus. Was ist denn los mit dir?“ Jack ging jedoch nicht auf Sams Ironie ein, sondern reagierte mit einer Gegenfrage: „Was zum Geier ist das für ein Geräusch im Hintergrund“. „Wovon sprichst du?“ „Na, von dem Film, den du mir geschickt hast“. Sam kratzte sich am Kopf und überlegte, welches Geräusch sein Freund wohl meinen könnte: „Keine Ahnung, vielleicht der Wind, oder die Zikaden? Meinst du das Zirpen?“ „Wow, wie ein Zirpen hört sich das für mich nicht gerade an“, antwortete Jack, ohne zu wissen, dass Sam die gleiche Ausdrucksweise benutzte, als er mit Sarah am Hotel angekommen war. „Das sind meine Worte. Wie kommst du darauf und warum bist du nur so aufgeregt?“ Dann folgte ein längeres Schweigen, welches so lang war, dass Sam schon befürchtete, das Gespräch sei unterbrochen worden: „Jack, bist du noch dran?“ Wieder herrschte Stille, bis Jack endlich antwortete: „Sam, du weißt doch, dass ich mich früher mit dem Entschlüsseln von militärischen Codes befasst habe und mein Gehör dadurch sehr geschult ist, nicht wahr?“ Ohne Sams Antwort abzuwarten sprach er weiter: „Als ich gestern das Filmchen ansah habe ich zunächst nichts bemerkt, zumindest nicht sofort.
Aber kurz darauf lief das Hintergrundgeräusch wie ein Ohrwurm in meinem Schädel ab, wieder und wieder. Es gab da einen bestimmten Rhythmus, wie bei einem Morsecode. Ich ließ den Film daraufhin erneut abspielen und versuchte, etwas herauszuhören, doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Das ließ mir keine Ruhe und so setzte ich mich letzte Nacht an meinen Computer und filterte das Geräusch von allen anderen Umweltgeräuschen heraus, in der Hoffnung, mehr Klarheit zu erhalten“. Dann schwieg Jack erneut und Sam überbrückte die Gesprächspause: „Was willst du mir damit sagen? Was ist so besonders an dem Gekreische?“ „Du wirst es nicht glauben, die Zikaden senden einen Code“. Jetzt schwieg Sam für einen Moment. Sarah kam aus dem Bad und sah auf ihren Mann, der mit aufgerissenen Augen und dem Handy am Ohr dastand, so als hätte er gerade einen Geist gesehen. „Alles klar, Sam?“, fragte sie ihn und ging einen Schritt auf ihn zu. Dann sprach er plötzlich wieder, so als wäre er aus einem Traum erwacht, ohne zu registrieren, dass Sarah in angesprochen hatte: „Was sagst du da, Jack? Die Zikaden…?“ „Ja, Sam. Mir kam dieses Geräusch irgendwie bekannt vor, auch wenn es eine Weile dauerte, bis bei mir der Groschen gefallen war. Ich ließ daraufhin das Geräusch langsamer abspielen und meine Erinnerung kam zurück. Dann habe ich es noch weiter verlangsamt und …“. Wieder schwieg er, und Sam stand mit offenem Mund da, bis er erneut das Wort ergriff: „Sprichst du von einem militärischen Code? Willst du behaupten, die Zikaden sind in Wahrheit keine Insekten, sondern Krieger? Das erscheint mir aber sehr weit hergeholt, oder etwa nicht?“
„Ich spreche nicht von einem militärischen Code, Samuel, sondern nur von einem Code“, erwiderte Jack, hörbar verletzt durch den zweifelnden Tonfall seines Freundes. „Was sich genau dahinter verbirgt kann ich noch nicht sagen, aber ich verspreche dir, dass ich es herausfinden werde. Ich schicke dir nachher meine bearbeitete Sounddatei, dann wirst du verstehen was ich meine. In der verlangsamten Version nimmst du nicht mehr das Zirpen wahr, sondern nur noch eine Abfolge von Tönen, eine Melodie, die sich niemals wiederholt, zumindest nicht auf diesem kurzen Ausschnitt. Versteh doch, Sam, das ist eine Botschaft. Die Zikaden wollen uns ganz offensichtlich etwas mitteilen“.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden, Mr. President“, sagte ein Mann mit tiefer Stimme zu George Washington, der nach seiner Inaugurationsrede gerade unter tosendem Applaus seines Volkes vom Balkon der Federal Hall zurück ins Gebäude schritt. Der Mann, mit der fast unmenschlichen Stimme, war überdurchschnittlich groß und trug eine dunkelbraune Mönchskutte mit Kapuze, die sein Gesicht verbarg. Washington begriff wohl nicht, was der unbekannte Mann von ihm wollte, folgte ihm aber trotzdem, immer noch berauscht von seinem jüngsten Wahlsieg. Er war gerade zum ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt worden und stand somit am Anfang seiner machtvollen Karriere. Als er dem Mönch in eines der Zimmer im Erdgeschoss folgte, traf er auf weitere Männer in braunen Kutten. Insgesamt zählte er dreizehn und sie alle waren deutlich größer als er. Es waren geradezu hünenhafte Gestalten von mindestens zwei Metern Körperlänge. Sie standen im Kreis und in ihrer Mitte befand sich ein massiver Holztisch und ein Stuhl. Auf dem Tisch lag eine braune Ledermappe, in die ein goldenes Hexagramm geprägt war. Daneben stand ein Tintenfass mit einer Schreibfeder. „Bitte setzen Sie sich“, sagte der Mönch, mit dem er vor wenigen Sekunden das Zimmer betreten hatte, worauf die zwölf anderen Männer den Kreis öffneten und dem Präsidenten den Weg ins Innere wiesen. George Washington sah sich fragend um und blickte in die Gesichter der Fremden, die mittlerweile ihre Kapuzen vom Kopf genommen hatten. Noch immer glänzten seine Augen aufgrund der soeben abgehaltenen Siegesrede. Doch das Glänzen machte nach und nach einem Ausdruck vollkommener Ahnungslosigkeit Platz. So sehr er sich auch bemühte, er fand nicht die geringste Erklärung für dieses sakrale Zusammentreffen. Sein Blick suchte in den Augen der schweigenden Männer nach Antworten, doch stattdessen warfen sich immer mehr Fragen auf, denn alle hatten smaragdgrüne Augen, die sehr unnatürlich wirkten. Wie konnte das sein? In diesem Moment kam sein Begleiter einen Schritt auf ihn zu und bat ihn, sich zu setzen und ihm zuzuhören. Mit verständnisloser Miene folgte Washington der Aufforderung des Fremden und wartete darauf, eine Erklärung für diese dubiose Situation zu erhalten. Dann sprach der Mönch, wobei seine Stimme nun noch tiefer klang, gerade so, als käme sie direkt aus seinem Bauch heraus. Sein Gesicht war ausdruckslos und auf seinem gesamten Kopf war kein einziges Haar zu sehen, weder Bart, noch Augenbrauen oder Wimpern. Seine Haut war matt und belegte sein Gesicht mit einem seidenen Schimmer, als wäre es von Puder überdeckt.: „Mister President, als guter Christ wissen Sie selbstverständlich was in der Bibel steht. Doch Sie wissen nicht, was es mit dem berühmtesten Buch der Welt tatsächlich auf sich hat“. Washington sah den Mönch mit zusammengekniffenen Augen an und antwortete: „Was soll das? Was ist Ihr Begehr?“ Doch ohne auf die Frage des Präsidenten einzugehen, sprach der Mönch unbeirrt weiter: „Man nennt mich Noah. Mein Name ist Ihnen natürlich vertraut, doch meine wahre Aufgabe blieb Ihnen bis jetzt verborgen. Und das sind meine treuen Gefährten, deren Namen Sie ebenfalls kennen. Trotzdem stelle ich Sie Ihnen noch einmal vor“. Der Mönch machte eine Pause und zeigte mit ausgestreckter Hand auf einen seiner Brüder. „Das ist Petrus“. Petrus trat einen Schritt nach vorne und verneigte sich würdevoll vor dem Präsidenten. Danach reihte er sich wieder in den Kreis ein und Noah sprach weiter: „Das ist Matthäus“. Doch bevor Matthäus sich bewegen konnte, sprang Washington mit hochrotem Kopf auf und brüllte wutentbrannt: „Sind Sie des Wahnsinns? Wissen Sie denn nicht, mit wem Sie es hier zu tun haben? Was ist das für eine Posse, die Sie hier treiben?“ Er machte Anstalten zur Tür zu gehen, aber Noah packte ihn mit seiner kräftigen rechten Hand an der Schulter und drückte ihn zurück auf den Stuhl. Washington spürte sofort, dass er dem Mönch kräftemäßig weit unterlegen war und zog es deshalb vor, zu gehorchen. „Sie hören mir jetzt zu, ohne weitere Störung, haben Sie mich verstanden?“, brummte Noah mit tiefem, zornigem Bass. Washington nickte, aber man merkte ihm deutlich an, dass er brüskiert war. Wie konnte ein Fremder es wagen, so mit ihm zu reden, dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten? Doch er erkannte, dass er sich nicht durchsetzen konnte und besann sich darauf, endgültig zu schweigen. „Mr. Washington, darf ich jetzt weitermachen?“ Washington nickte, auch wenn ihm die informelle Ansprache des Fremden missfiel. Noah fuhr unbeirrt mit der Vorstellung der Mönche fort und nannte nacheinander alle zwölf Namen der Apostel und jeder einzelne verneigte sich respektvoll vor dem Präsidenten. Offenbar besänftigte diese zwölffache Ehrerbietung Washingtons erregtes Gemüt, denn er kam mehr und mehr zur Ruhe. Schon bald saß er entspannt in seinem Stuhl und lauschte aufmerksam. „Wir sind älter als die Zeit und begleiten die Spezies Mensch seit Anbeginn der Schöpfung. Wir kreieren das, was der Mensch als seine Realität betrachtet. Aber sehen Sie selbst, dann werden Sie verstehen, worum es uns geht“. Noah hob seine rechte Hand und im Raum formte sich ein dreidimensionales Bild der Erde, ein Hologramm von etwa zwei Metern Durchmesser. Die Projektion schien aus den Augen der Mönche zu kommen. Man hatte den Eindruck, als würden sie von innen heraus mit einer Kerze beleuchtet. Durch das strahlende Licht changierte das Smaragdgrün ihrer Augen von einem hellen Gelb bis hin zu einem dunklen Braun und ein weißer Lichtkegel trat nach außen, in dessen Schein ein dreidimensionales Abbild der Erde kreiste. Washington traute seinen Augen nicht und rieb sich mit den Handflächen über sein Gesicht. Doch das Bild vor seinen Augen blieb unverändert. Die Erde drehte sich langsam vor ihm, so als würde er vom Weltall auf sie herabblicken. Als er ungläubig nach ihr griff fühlte er, wie seine Finger die Atmosphäre durchdrangen. Unwillkürlich zog er die Hand zurück, offenbar erschrocken darüber, wie realistisch diese Berührung sich anfühlte. Mit großen fragenden Augen sah er auf Noah, der in diesem Moment einen Schritt auf die Erde zuging und sie auf eine Art berührte, die Washington noch verblüffter dreinschauen ließ. Noah legte dabei die Finger seiner rechten Hand auf den Daumen, berührte dann mit den Fingerspitzen die Erdkugel und zog sogleich die Finger auseinander. Auf wundersame Weise rückte dabei die Erdoberfläche näher heran. Noah wiederholte diese Bewegung noch ein paar Mal, bis sämtliche Details sichtbar wurden. Washington saß mit offenem Mund auf seinem Stuhl und brachte kein Wort heraus, obwohl ihm unendlich viele Fragen auf der Seele brannten. Noah strich dann mit der Handfläche über den Planeten und drehte ihn vorwärts und rückwärts, rauf und runter, bis er erneut mit seinen Fingern die zuvor gemachte Geste wiederholte. Dabei rückte die Oberfläche noch deutlicher in den Vordergrund. „Hier sind wir, exakt in diesem Moment, sehen Sie?“ Und tatsächlich sah man die Federal Hall in verblüffender Detailtreue von oben und die noch immer jubelnde Menschenmenge vor ihrem Eingangsbereich. „Eindeutig Zauberei“, dachte Washington. Dann schob und rollte Noah die Erde erneut, bis er wieder mit dem Finger darauf deutete: „Und das ist das Weiße Haus in Washington im Jahr 2018, der künftige Amtssitz nachfolgender Präsidenten. Zu dieser Zeit ist Donald Trump im Amt. Er wird am 20. Januar 2017 zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt“. Washington wurde blass und der Ausdruck in seinen Augen noch leerer. Der Mönch sprach gerade von einem Ereignis, welches in einer fernen Zukunft stattfinden sollte. Wie konnte das sein? Das einzige, was ihn in diesem Moment beruhigte war die Tatsache, dass es Amerika bis ins Jahr 2018 schaffen würde, und das möglicherweise durch sein Zutun als Gründungsmitglied der Vereinigten Staaten. Er realisierte voller Stolz, dass sein Name einmal in den Geschichtsbüchern stehen würde. Das war Balsam für seinen gestressten Verstand und brachte ihn wieder zurück in die Realität. Während er gerade wieder aus seiner Gedankenwelt auftauchte, drehte Noah die Erde ein weiteres Mal und sprach: „Hier sehen wir den sechszehnten Präsidenten, Abraham Lincoln, wie er am Abend des 15. April 1865 während einer Theatervorstellung von einem Schauspieler erschossen wird, den wir zuvor mit dem Mord beauftragt hatten“. Erneut schossen Washington Gedanken durch den Kopf: „Jetzt spricht er auch noch über ein künftiges Ereignis in der Vergangenheitsform. Wer zum Teufel sind diese Menschen? Und was berechtigt sie zum Mord rechtschaffener Männer?“ Noah sprach indes weiter: „Der Öffentlichkeit blieben die wahren Gründe natürlich verborgen, weshalb das Volk den Mann betrauerte, der die Sklaven befreit und damit die Rassen vereint hatte. Sie konnten allerdings nicht ahnen was passiert wäre, wenn wir Lincoln nicht beseitigt hätten“. Noah bemerkte in diesem Moment Washingtons verängstigten Blick, als er von der Ermordung eines seiner Nachfolger hörte. So fügte er noch hinzu: „Wäre Lincoln am Leben geblieben, hätte er eigenmächtig entschieden, den Schwarzen, Lester Glover, in sein Regierungskabinett aufzunehmen, was dessen farbige Anhänger ermutigt hätte, sich endgültig gegen weiße Rassisten aufzulehnen. Dies wäre dann wiederum in einem Blutbad mit epochalen Ausmaßen geendet und hätte sämtliche bisherigen Errungenschaften, die weiße und schwarze Bevölkerung zu vereinen, zunichtegemacht. Viele künftige Generationen hätten darunter gelitten und die Menschheit in einen grausamen Krieg der Rassen gestürzt. Auch wenn Lincoln ein großartiger und friedvoller Präsident war, so war er aber auch ein sehr störrischer Mann, der sich uns aus reinem Trotz widersetzte, und das wieder und wieder. Sein Stolz ließ es einfach nicht zu, unsere Funktion und Absicht anzuerkennen. Deshalb blieb uns nichts Anderes übrig, als ihn zum Wohle aller zu beseitigen“. Wieder vollzog Noah ein paar magische Bewegungen mit seiner Hand und setzte die Erde wirkungsvoll in Szene. Sie reisten innerhalb von Sekunden durch die Jahrhunderte, von einem Ort zum anderen, von einer glorreichen Erfindung der Menschen zur nächsten. Auf einem Bildschirm sah man Neil Armstrong, während er als erster seiner Spezies die Treppe der Mondkapsel herabstieg, und seinen Fuß auf die Oberfläche des Erdtrabanten setzte. Sie sahen Atompilze, Raketen, Kriegs- und Kreuzfahrtschiffe. Dann kam Noahs Zeigefinger plötzlich auf einem Punkt zum Stillstand und sein Ausdruck wurde sehr ernst: „Und hier sehen Sie die Erde im Jahr 2121, oder besser gesagt das, was von ihr dann noch übrig ist“. Zu sehen war ein brauner Ball mit nur wenigen blauen Flächen. Offenbar waren die meisten Meere ausgetrocknet. George Washington folgte bis zu diesem Moment aufmerksam dem Geschehen vor seinen Augen und durchlebte dabei ein Gefühlspektrum, das er noch nie zuvor empfunden hatte. Von Trauer bis Stolz, von Scham bis Wut, es war von allem etwas dabei. Doch es begann auch eine ganz besondere Flamme in ihm zu lodern, die schon bald in einem großen Feuer endete. Es war stärker als alles andere das er während dieser Exkursion bislang gefühlt hatte, es war der Wunsch nach Fürsorge und Verantwortung. Er, der erste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, fühlte sich schlagartig nicht nur für sein eigenes Volk, sondern auch für seinen kompletten Heimatplaneten verantwortlich. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass das letzte Szenario der sterbenden Erde nicht der Wahrheit entsprach, sondern lediglich von Noah projiziert wurde, um Washington für seine Sache zu gewinnen. Der Präsident sah in Noahs Augen und fragte mit zitternder Stimme: „Warum zeigen Sie mir das alles?“ Noah betrachtete den Präsidenten nun wieder mit klaren, smaragdgrünen Augen: „Das Schicksal der Erde steht nicht fest, aber der Plan, den wir für sie haben, muss eingehalten werden. Warum wir Ihnen alles zeigen ist ganz einfach zu beantworten: Weil wir Sie brauchen. Sie stehen als mächtiges Oberhaupt einer Regierung am Anfang einer Kultur, die nur sehr schwer zu steuern sein wird. Wie Sie gesehen haben, ist das Weltgeschehen eine äußerst komplexe Angelegenheit, und ein einzelner Mensch wird niemals dazu in der Lage sein, sämtliche Konsequenzen seiner Handlungen und Entscheidungen überblicken zu können. Doch wir“, er zeigte mit einer ausladenden Handbewegung auf die anderen Mönche, „sind dazu fähig. Allerdings wissen wir auch, dass mächtige Menschen ihre Macht gern für ihre Zwecke und zum Nachteil aller anderen missbrauchen. Deshalb arbeiten sämtliche Regenten aller Länder unter unserer Obhut. Diese Zusammenarbeit ist jedoch geheim und niemals soll irgendjemand etwas davon erfahren“. Nun schlug Noah die Ledermappe auf dem Tisch auf. „Hier ist ein Vertrag, den sie nun unterschreiben werden, genau wie alle ihre Nachfolger es getan haben“. Noah bemerkte in diesem Moment, dass es Washington schwerfiel, über zukünftige Dinge zu reden als seien sie schon geschehen, und fügte deshalb schnell hinzu: „Wie alle ihre Nachfolger es tun werden“. Als Washington kopfnickend sein Verständnis erklärte, fuhr Noah fort: „Darin steht, dass Sie mit ihrem Leben bezahlen, falls Sie die Geheimhaltung missachten und Entscheidungen ohne unsere Zustimmung treffen. Außerdem werden Sie von uns auserwählte Menschen in Positionen erheben, in denen sie die maximalen Ergebnisse für die Einhaltung unseres Plans erwirken können“. Washington starrte für ein paar Sekunden ins Leere. Gerade war er zum Präsidenten gewählt worden und schon sollte er seine Macht teilen und sich zum Erfüllungsgehilfen degradieren lassen. Das gefiel ihm nicht wirklich. Doch dann dachte er an die Komplexität des Ganzen und an die Ermordung seiner abtrünnigen Nachfolger und griff zur Feder, tauchte sie kurz ins Tintenfass und unterschrieb die Vereinbarung, deren Überschrift –Die Präsidentenakte- lautete.
In einem kühlen Gewölbe, tief unter der Erdoberfläche, saßen die Zwölf Apostel nun um einen großen, ovalen Tisch herum, auf dem unzählige Kerzen standen. Ihr flackerndes Licht wurde von der Decke und den Wänden reflektiert und hüllte den Raum in einen mystischen Schleier. Wenn man genauer hinsah stellte man allerdings fest, dass es keineswegs unzählige Kerzen waren, sondern exakt 144, die, von oben betrachtet, ein Hexagramm darstellten. Die dunkelbraunen Kutten der Mönche und die weit ausladenden Kapuzen, verliehen ihrem Anblick etwas Düsteres und Dämonisches, aber gleichzeitig auch etwas Reines und Heiliges. Vom Inneren der Erde ging ein tiefes Brummen aus, das sich mit dem gebetsartigen Murmeln der Mönche vermischte, und daraus eine Vibration entstehen ließ, die sämtliche Materie sanft zum Schwingen brachte. Es war ein magischer und mächtiger Ort, der mit nichts Irdischem zu vergleichen war. Die Vibrationen ließen plötzlich nach als sich Noah erhob, die Kapuze auf den Rücken schob, und schweigend in die Runde blickte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und dabei verschwanden seine Hände in den Ärmeln seiner Kutte. Er stand am Kopfende des Tisches und sah zu dem leeren Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite, als seine großen grünen Augen jetzt wieder bernsteinfarben zu leuchten begannen. Dann legten die anderen Mönche ebenfalls ihre Kapuzen in den Nacken und sahen zu ihm auf, während nun auch ihre Augen anfingen zu strahlen. Allerdings änderte sich die Farbe ihrer Augen nicht, sondern sie blieben smaragdgrün und alle hatten dunkelbraunes, mit grauen Strähnen durchzogenes Haar, Wimpern und Augenbrauen. Auch wenn sie so groß wie Noah waren, sahen sie damit insgesamt menschlicher aus. Nach ein paar Sekunden andächtigen Schweigens erfüllte seine gewaltige Stimme das Gewölbe: „Brüder“, er deutete mit dem Kinn auf den leeren Stuhl, „wie ihr wisst, ist unser Bruder, Simon Petrus, abtrünnig geworden und will das Schicksal der Welt auf seine Weise in die Hand nehmen. Allerdings kollidieren seine Absichten mit unserem Plan, weshalb wir ihn stoppen müssen, bevor er einen irreparablen Schaden anrichtet. Wie ich erfahren habe, ist er seit kurzem im Besitz einer Genesis-Einheit und somit zu einer ernstzunehmenden Gefahr für uns geworden. Was er damit alles zerstören kann muss ich euch nicht sagen. Bittet eure Helfer darum, ihn aufzuhalten“. Nun standen auch die elf Mönche auf, legten ihre rechte Hand auf die Brust und antworteten im Chor: „Unser Plan ist unser Sein“.
„Sie sind Lieutenant Samuel Kramer?“ „Yes Sir, Colonel, Sir“. „Gut, kommen Sie rein“, sagte Colonel Nowak, während er die Haustür weit öffnete und den Besucher an sich vorbeiließ. Gleichzeitig scannte er mit argwöhnischem Blick die Straße nach unliebsamen Fremden. Dann standen die beiden uniformierten Männer in der engen Diele des kleinen Einfamilienhauses, inmitten einer piefigen Hamburger Vorstadtidylle. Nichts wies bei dem unscheinbaren Häuschen von außen daraufhin, dass es sich um einen militärischen Stützpunkt handelte. Sam Kramer war in mehrfacher Hinsicht verwundert. Zum einen erschien es ihm merkwürdig, dass er so weit fahren musste, um etwas für seinen Vorgesetzten abzuholen, das sicherlich auch mit der Post hätte verschickt werden können, und zum anderen war er erstaunt, dass das Ziel seiner Reise einen derart zivilen Charakter hatte. Doch nun war er hier, in einer offensichtlich geheimen Einrichtung, knapp 600 Kilometer entfernt von seiner Dienststelle in Heidelberg. Nachdem der Colonel die Eingangstür mit mehreren Riegeln gesichert hatte, wies er seinem Besucher den Weg in den Keller. Die Treppe zum Untergeschoss war schmal und steil, was durchaus zur restlichen Bauweise des Hauses passte. Nur zwei Meter von der untersten Stufe entfernt stießen sie auf eine weitere Tür, die allerdings verschlossen war. Der Colonel drückte auf eine Taste neben dem Türrahmen, worauf es kurz summte und die Tür aufsprang. Dann folgten weitere Treppenstufen. Diesmal war es ein sehr langer und breiter Treppenabgang. An der Decke hingen Leuchtstoffröhren und verbreiteten ein helles, leicht flackerndes Licht. Sam sah sich beeindruckt um, denn die Dimension dieser Treppenanlage stand im krassen Gegensatz zu der vorherigen. Seiner Schätzung nach mussten sie sich bereits weit außerhalb der Grundstücksgrenze befinden. Doch auch wenn seine Neugier geweckt war, verbot ihm seine militärische Ausbildung jedoch ausdrücklich, Fragen zu stellen oder irgendeine Anmerkung zu machen. Nach unzähligen Stufen standen sie erneut vor einem sehr großen, massiven Stahltor. Wieder musste der Colonel zunächst klingeln, bevor sich die Verriegelung mit einem lauten Klick öffnete. Danach wurde das Tor durch drei Hydraulikarme aufgedrückt und dem Second Lieutenant fiel vor Überraschung nun endgültig die Kinnlade auf die Brust. Er traute seinen Augen nicht und rieb sich bei geschlossenen Lidern mit dem Handrücken über die Stirn, um sicherzugehen, dass er nicht träumte. Als er seine Augenlider wieder öffnete war jedoch alles wie zuvor und er schluckte ein paarmal schwer, um diesen gewaltigen Eindruck zu verdauen. Sie standen in einem riesigen Kellergewölbe. Von seinem jetzigen Standpunkt aus konnte er nicht das andere Ende des Raumes erkennen. Sam erschien die Halle so groß wie ein Footballfeld. Mindestens hundert, wenn nicht sogar zweihundert Bildschirme, standen dort auf grünen Metallkonsolen und hinter jedem der Bildschirme saß ein Mann mit grauen Kopfhörern und tippte auf seiner Tastatur herum. Keiner von ihnen schenkte den beiden Besuchern Beachtung. Der Raum war erfüllt vom Klicken hunderter Keyboards und den aufgeregten Stimmen der Operator. Sam erinnerte sich, er hatte so etwas schon einmal gesehen, damals, 1969, als er mit seinem Vater vor dem Fernseher die Mondlandung verfolgte. Dort saßen die Mitarbeiter der NASA, in Cape Canaveral, auch vor solchen Monitoren, auf denen sie jede Bewegung der Rakete auf dem Radar verfolgten und auch die Astronauten in der Raumkapsel beobachteten. „Wahnsinn!“, schoss es ihm nun durch den Kopf. Der Colonel bemerkte das Erstaunen des Soldaten und sagte barsch: „Folgen Sie mir“. Sie durchquerten das riesige Gewölbe und erreichten schließlich in der hintersten Ecke das Büro des Colonels. Auf der Tür stand fett gedruckt: „Restricted Area – Zutritt verboten“. An der Wand hinter dem Schreibtisch hingen unzählige Portraits, jedes davon war eingefasst von einem schweren goldenen Rahmen. Bei näherem Hinsehen zählte Sam vierzig Bilder. Ganz offensichtlich handelte es sich dabei um die Präsidenten der USA, denn er erkannte sofort mindestens acht von ihnen. Darunter waren Abraham Lincoln, Woodrow Wilson, Franklin D. Roosevelt, John F. Kennedy, Richard Nixon, Jimmy Carter, Dwight D. Eisenhower und natürlich das amtierende Staatsoberhaupt, Ronald Reagan. Neben dem schweren Mahagonischreibtisch des Colonels flatterte an einem Messingmast die amerikanische Flagge im Wind eines Tischventilators. Colonel Nowak ging zielstrebig auf das Portrait von Lincoln zu, nahm es von der Wand, und legte einen eingebauten Tresor frei. Er zog einen Schlüssel aus seiner Uniformjacke, steckte ihn in das Schloss der Tresortür und drehte gleichzeitig an einem Stellrad. Sam zählte leise mit: „Dreimal links, zweimal rechts, viermal links und noch einmal rechts“. Dann ging die Tür auf und der Colonel zog einen braunen Umschlag heraus, mit der Aufschrift:
Daraufhin begleitete Colonel Nowak den Second Lieutenant zurück zur Haustür: „Den Umschlag übergeben Sie General Baxter persönlich. Geben Sie ihn keinem anderen außer dem General, haben Sie das verstanden?“ „Yes Sir, Colonel, Sir“, salutierte Sam vorschriftsmäßig. Dann drehte er sich um und ging zu seinem Jeep.
Es war schon später Nachmittag und vor ihm lag eine gut sieben stündige Rückfahrt, weshalb er beim Erreichen der ersten Autobahnraststätte, zunächst einmal ein kleines Nickerchen einlegte. Als er am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang den kleinen Militärflughafen in der Nähe des Hauptquartiers in Heidelberg erreichte, durchlief er zunächst die üblichen Sicherheitskontrollen, um danach zielstrebig auf das Gebäude der Fluglotsen zuzusteuern. In dem Gebäude würde der General ihn bereits erwarten, sagte der Wachposten am Eingang. „Der ist wohl ein Frühaufsteher“, dachte Sam sich und tatsächlich wartete der ranghöchste Offizier des Stützpunktes schon voller Ungeduld vor dem Gebäude auf seinen Boten mit der offenbar brisanten Ware. „Folgen Sie mir,“ sagte der General, jedoch ohne die üblichen militärischen Begrüßungsfloskeln. Sein Tonfall und seine Umgangsformen erinnerten eher an einen Zivilisten, als an einen hochdekorierten General. Sie gingen zu Sams Verwunderung nicht in das Hauptgebäude, sondern in einen gegenüberliegenden Hangar, indem zwei Apache Helikopter und ein Learjet standen.
Auf der einen Seite des Hangars war eine Bodenluke zu sehen, die ganz offensichtlich das Ziel ihres Spaziergangs zu sein schien, denn der General blieb abrupt stehen und nahm Sam den Umschlag aus der Hand. „Warten Sie hier“, sagte Baxter, zog die Luke nach oben, und stieg die darunterliegende Metalltreppe hinab. Sam setzte sich auf den Stuhl, der neben der Bodenluke stand und wartete auf seinen Vorgesetzten.
Dann hörte er Stimmen aus dem Keller nach oben dringen. Eine davon gehörte eindeutig zu Baxter, sie war melodisch, und durch einen starken Südstaatenakzent unverwechselbar. Bei der anderen Stimme war Sam sich nicht sicher. Sie klang eher Britisch als Amerikanisch, was durchaus sein konnte, denn in Deutschland waren ja auch Engländer stationiert. Sam war sehr verblüfft, dass er in diesem, offenbar sehr vertraulichen Gespräch, fast jedes Wort deutlich verstehen konnte, aber da die Blechwände des Hangars und die Metalltreppe wie ein riesiger Resonanzkörper wirkten, ließ sich das nicht einfach nicht vermeiden. Er musste unwillkürlich schmunzeln, denn die Männer unterhielten sich über streng geheime Dinge und waren sich ganz eindeutig nicht darüber im Klaren, dass die Flugzeughalle die Klangqualität eines Amphitheaters zu bieten hatte. Die Stimme des vermeintlichen Engländers schien erregt zu sein. Er verlangte sofortige Aufklärung in Bezug auf ein geheimes Forschungsprojekt, das im Auftrag der US-Regierung und unter Baxters Leitung durchgeführt wurde. Dabei ging es um Bewusstseinskontrolle und um die Verifizierung von Erbschäden, die durch Beeinflussung des Wohnraumes bei gewissen Bevölkerungsschichten hervorgerufen wurden. Sam verstand das alles nicht wirklich, versuchte aber, sich möglichst viel von diesem merkwürdigen Gespräch einzuprägen. Der Engländer sagte, dass der Versuch Mitte der 1930er Jahre begonnen hätte und sich mittlerweile psychische Veränderungen bei den Bewohnern in den Testregionen aufzeigten. Letztlich würden sie erwartungsgemäß in körperlichen Mutationen enden, sofern der Plan aufginge. Er wollte nun von General Baxter konkret wissen, wo die jüngsten Aufzeichnungen darüber verblieben wären. Die Nachricht, die dieser ihm gerade überbracht hatte, zeigte ihm ganz offensichtlich, dass seine Vermutung stimmte. Irgendjemand spielte hier ein falsches Spiel, indem er Testresultate zurückhielt oder vielleicht sogar versuchte, Profit daraus zu schlagen.
„Ich will von Ihnen bis morgen um 10:00 Uhr eine Antwort haben, wer dieser Jemand ist. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“, sagte der Engländer und seine Stimme klang nun so tief, dass die Blechwände des Hangars leicht vibrierten. „Wenn Sie das nicht schaffen, wird das Folgen für Sie haben. Offenbar gibt es in Ihrer Abteilung eine undichte Stelle. Finden Sie den Maulwurf und schließen Sie seinen Bau. Haben Sie das verstanden?“ Dann stapfte General Baxter die Stahltreppe hinauf. Mit hochrotem Kopf ging er auf Sam zu, der gerade aufstand und sich die Uniform zurechtrückte. Sam wunderte sich, wer wohl die Macht hatte, einen hochdekorierten General derart anzugreifen. „Wer war dieser Engländer?“, dachte er und sah dem General fragend in die Augen, dessen Stimme nun hörbar nervös klang und von einem Zittern begleitet wurde. „Kramer, Sie halten sich morgen früh ab 9:00 Uhr für mich bereit. Ab sofort unterstehen Sie meinem persönlichen Kommando“. Ohne Sams „Yes Sir, General, Sir“, anzuhören, ging Baxter hinüber zum Tower, riss wutschnaubend die Tür auf, und verschwand in dessen Inneren.
Als Sam wieder in seinem Jeep saß hallten noch immer Wortfetzen des zuvor gehörten Gesprächs in seinem Gedächtnis nach. „Von welchem Versuch war da die Rede? Und wer war dieser fremde Mann?“ In diesem Moment ahnte er nicht, dass ihn dieser Fall noch viele Jahre verfolgen würde.
„Worum ging es in eurem Gespräch?“, wollte Sarah wissen, doch Sam verspürte in diesem Moment keine Lust, ihr das gesamte Telefonat mit Jack zu wiederholen. „Ich geh erst einmal unter die Dusche und erzähle es dir danach, okay?“ Dann verschwand er. Diesmal hörte Sarah kein Gesang aus dem Badezimmer dringen, nicht einmal der elektrische Rasierer brummte. Wenige Minuten später stand er schon wieder neben ihr, nur mit einer Unterhose bekleidet: „Schön, dass der Balkon auf der Ostseite liegt. In der Abendsonne könnten wir es hier jetzt nicht mehr aushalten. Möchtest du ein Glas Rotwein oder vielleicht ein kühles Mythos-Bier?“, fragte er Sarah. Sie entschied sich für das Bier und Sam schloss sich ihrer Wahl an. Er nahm zwei Dosen aus dem Kühlschrank, öffnete sie mit einem lauten Zischen und reichte eine davon an Sarah weiter: „Yamas“. „Yamas“. Beide nahmen einen Schluck, bevor Sarah drängte: „Nun mach schon, was hat Jack gesagt?“ Sam setzte die Bierdose ein zweites Mal an, bevor er seine Frau ansah und antwortete: „Er sagt, er hat im Geschrei der Zikaden einen Code entdeckt, vielleicht eine Botschaft“. „Was? Ist er da sicher?“ „Na ja, wie du weißt, ist er ein Experte was die Entschlüsselung von Codes betrifft, zumindest war er das früher einmal. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass er sich jemals geirrt hätte“. Sam beendete gerade seinen Satz, als sein Handy erneut vibrierte. Es war die von Jack versprochene Audiodatei. „Jack hat mir gerade eine verlangsamte Version der Originalaufnahme geschickt. Bist du bereit, dir das anzuhören?“ Als sie nickte, spielte er die Datei ab. Was sie da hörten klang tatsächlich nicht nach dem, was sie tagsüber aufgenommen hatten. Es hörte sich an wie ein mechanisches Geräusch, wie das Schaben eines Metalls über einen Granitblock vielleicht, aber keinesfalls wie der Ruf eines Lebewesens. Dann folgte eine weitere Datei mit dem Hinweis, dass es sich dabei um eine nochmal verlangsamte Version handelte. Nachdem Sam auch hier die Starttaste gedrückt hatte, lief den beiden ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wenn das Zirpen der Zikaden im Originalton eine Lagerfeuerstimmung in ihnen weckte, so löste diese Version eine unerklärliche Furcht in ihnen aus. Was sie da hörten klang absolut künstlich, wie die Stimmen außerirdischer Wesen in einem B-Movie. „Das klingt ja schrecklich“, sagte Sarah, und Sam sah angewidert auf sein Handy, bevor er die Sequenz noch einmal abspielte. Er versuchte, ähnliche Geräusche in seinem Gedächtnis hervorzukramen, fand aber nichts was dem gleichkam. Wortlos saßen sie mehrere Minuten auf ihren Stühlen und starrten auf Sams Smartphone, dem Überbringer dieser rätselhaften Botschaft.
Als plötzlich die Klingelmelodie mit dem französischen Klassiker „La Mer“, von Charles Trenet, aus dem Handy erschallte, zuckten beide gleichzeitig zusammen. Es war wieder Jack: „Ja“, empfing Sam seinen Freund mit trockener Kehle, an der auch das Mythos-Bier nichts ändern konnte. „Sam, du musst noch mehr Aufnahmen machen. Fahre an verschiedene Orte und merke dir, wo genau du die Aufnahme gemacht hast, okay?“ „Na klar, kann ich machen“, antwortete er wie in Trance, „ich frage mich nur, wozu? Zikaden sind doch Zikaden, oder etwa nicht?“ „Sicher, ich habe da nur so einen Verdacht. Die Zeichenabfolge erinnert mich an einen Code, den wir mal in Afghanistan benutzten. Es war ein Code, der regional unterschiedlich aussah und praktisch wie ein Navigationssystem funktionierte, damit sich unsere Leute im Gebirge besser orientieren konnten, verstehst du? Der Code wirkte wie ein Magnetfeld und wies ihnen den Weg. Mag sein, dass ich mit meiner Vermutung voll danebenliege, aber ich will es zur Sicherheit einfach mal überprüfen, okay?“ „Gut, verstehe. Wir fahren morgen an die Westküste. Ich schicke dir die Aufnahmen am Abend, wenn wir uns im W-Lan Router des Hotels anmelden können“. „Sehr gut. Ich bin gespannt was wir herausfinden“. „Du hängst das aber nicht an die große Glocke, hörst du?“, insistierte Sam. „Keine Sorge alter Freund, das bleibt unter uns“, erwiderte Jack und legte auf.
„Was meinst du, sollen wir ihm von dem Ereignis von damals erzählen? Vielleicht gibt es ja einen Zusammenhang?“ Sarah überlegte kurz bevor sie antwortete: „Wir werden es ihm erzählen, wenn es sich tatsächlich um einen Code handelt, einverstanden?“ „Ja, so machen wir es“.
Es war eine stockdunkle Neumond-Nacht, weshalb die Sterne besonders intensiv über der Wüste funkelten. Das breite Band der Milchstraße lag behäbig über der Erde und der starke Kontrast zum pechschwarzen Nachthimmel gab dem Betrachter das Gefühl, mittendrin zu sein. Unzählige Sternschnuppen schossen durch die Atmosphäre und sahen aus wie Silvesterraketen. Da es absolut still war hatte man den Eindruck, man könne sie tatsächlich zischen hören, wenn sie mit rotgelbem Schweif am Horizont vorbeihuschten.