Der deutsche Durst Methyologische Skizzen der deutschen Kulturgeschichte - Bauer, Max - kostenlos E-Book

Der deutsche Durst Methyologische Skizzen der deutschen Kulturgeschichte E-Book

Max, Bauer

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The Project Gutenberg eBook, Der deutsche Durst, by Max Bauer

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Title: Der deutsche Durst

Methyologische Skizzen der deutschen Kulturgeschichte

Author: Max Bauer

Release Date: January 31, 2015 [eBook #48120]

Language: German

Character set encoding: UTF-8

***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER DEUTSCHE DURST***

E-text prepared by Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team (http://www.pgdp.net)

Hinweise zur Transkription

Im Original gesperrter Text ist so gekennzeichnet.

Der Text enthält akzentuierte griechische Buchstaben und das Pfundzeichen, die nicht mit jedem Font korrekt angezeigt werden.

Weitere Anmerkungen finden sich am Ende des Buches.

Der deutsche Durst

Methyologische Skizzen aus der deutschen Kulturgeschichte

von

Max Bauer

Das Trinken lernt der Mensch zuerst,Viel später dann das Essen.Drum sollst du dankbar noch als GreisDas Trinken nicht vergessen!
Raimund Hankel (Prag)

Leipzig

Hermann Seemann Nachfolger

Von demselben Verfasser ist ferner im Verlag von Hermann Seemann Nachfolger in Leipzig erschienen:

Das Geschlechtsleben in der deutschen Vergangenheit

Preis br. M. 4.–; geb. M. 5.50

Alle Rechte vom Verleger vorbehalten

Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig

INHALT:

I. Was man trank!

Seite

1. Met

9

2. Bier

21

3. Bierhumor, Biermedizin und Bierpoesie

86

4. Wein

106

5. Schnaps

159

II. Wo man trank!

1. Wirtshäuser und Herbergen

165

2. Ein nordischer Ratskeller

186

3. Trinkstuben und Klubs

192

4. Trinkgelegenheiten, Fest- und Feiertage

206

5. Der Lübecker Martensmann

234

6. Altdeutsche Schlaftrünke

245

III. Wie man trank!

1. Allgemeines

255

2. Adel und Bürger

285

3. Hans von Schweinichen

309

4. Adelige Abstinenzler

320

5. Der geistliche Durst

327

6. Das schwache Geschlecht

348

7. Studenten, Professoren und Gelehrte

358

8. Zech- und Saufrecht

385

Einleitung.

Folg diesem Buch wirdt dir nit leidtHierinn findest du rechten Bescheidt.
v. Obsopeius (1537).

Dieses Buch, das Resultat langer und mitunter recht mühsamer Vorarbeiten, ist nicht für die Fachgelehrten geschrieben. Nur dem Laien sollen die nachfolgenden Zeilen ein nicht uninteressantes Kapitel aus der deutschen Kulturgeschichte entrollen, das zugleich unterhalten und – vielleicht auch – das Wissen bereichern soll.

Meine Arbeit ist die erste ihrer Art, die also keinen Vorgänger hat, hoffentlich aber viele Nachfolger haben dürfte, die es besser machen werden als ich. Ich will aber beileibe damit nicht sagen, daß der deutsche Durst vor mir in der Litteratur noch nicht behandelt worden sei. Im Gegenteil! Eine ziemlich große Bibliothek läßt sich mit all den Werkchen und Werken füllen, die alle das gleiche Thema mehr oder weniger ausführlich behandeln. Schon die von mir benutzten Bücher, die ich zur Nachprüfung meiner Zitate genau anführte, repräsentieren einen ganz stattlichen Bücherschatz, und welche Anzahl von Schriftwerken mag mir noch entgangen sein – all unser Wissen ist leider ja doch nur Stückwerk!

Trotz dieses »gelehrten« Hinweises möge sich aber niemand abhalten lassen, mein Büchlein zu lesen. Ich habe mich redlich bemüht, den, wenn auch Trinkbares behandelnden, doch mitunter recht »trockenen« »Stoff« möglichst flüssig zu gestalten. An »geistiger« Anregung habe ich es dabei nicht fehlen lassen, denn ich halte dafür, daß man in einer ungeheizten Dachkammer, wenn die Schneeflocken an die schlecht verwahrten Fenster klopfen, kein gutes Frühlingsgedicht machen kann.

Immerhin habe ich es nicht so bunt getrieben, wie das durstige Schreiberlein im fünfzehnten Jahrhundert, das als Schluß auf ein mit Mühe und Not zusammen gebrachtes Manuskript den Stoßseufzer setzte:

Ach ich armer gesell!Der lon ist aller vertan:Umb wein ist er gegeben,Der tat mir sanfft auf meiner Leber.O Maria. Jesus Maria hilff.

Berlin W., März 1903.

Max Bauer.

I. Was man trank!

1. Der Met.

Für durst mac niht bezzers sîndan wazzer, bier, mete oder wîn.
Freidank (Bescheidenheit).

Der bleigraue nordische Himmel in seiner ganzen Schwere liegt über der Landschaft. Die Sonne will zur Rüste gehen und dunkle Wolkenberge türmen sich zwischen ihre letzten Strahlen und die Erde.

Weite Moore mit reichem, nun dem Welken nahen Graswuchs, durchsetzt von Wiesen und Tümpeln, deren Rand kaum Raum genug für die ausgetretenen Fußpfade bietet, ziehen sich bis zu dem im scharfen Herbstwinde wogenden Blättermeer des Waldes hin, in dessen Dickicht sich das Wild und das Raubzeug birgt, vom Meister Petz bis zum listigen Reinecke herab. Odins geheiligte Vögel durchkreisen die Luft, mit heiserem Gekrächze nach Beute spähend, die in dem Grase Unterschlupf vor den nimmersatten schwarzen Gesellen sucht.

Hart am Waldesrand, inmitten regellos umhergestreuter Steinblöcke, die einst, als Wanen und Asen die Erde mit ihrem Kampfgetümmel erfüllt, den Streitenden zur letzten Waffe gedient, liegt ein Gehöft. Aus schweren Stämmen zusammengefügt, die Ritzen gegen den rauhen Gesellen, der vom unfernen Meere nadelscharf herüberstreicht, mit Moos und Erde gesichert, das schilfgedeckte Dach geziert mit dem mächtigen Geweih des Ur, des Herrn der Wälder, den die römischen Fremdlinge mit einem Sagenkranz umgeben, so überragt das stattliche Haus die umliegenden Baulichkeiten, in denen der Herr das Besitztum an Sklaven und Nahrungsmitteln bewahrt.

Ein Wall lose aufeinander geschichteter Steine schützt den Edeling und sein Eigen vor den Einfall beutegieriger Tiere und räuberischer Gesellen.

Aus dem Innern der fensterlosen Halle dringt mit dem Rauche des Herdfeuers und der Kienspäne, deren Lichter sich in den die Wände zierenden Metallwaffen funkelnd und gleißend spiegeln, Stimmgewirr ins Freie.

Die Frauen, die dem Mahle beigewohnt, waren in ihr Gemach zurückgekehrt und hatten den Männern das Feld zum Zechgelage geräumt.[1] Ein Barde, das Haar von der Zahl und den Stürmen der Jahre gebleicht, die kurze Harfe an die Brust gedrückt, singt und sagt von den Kämpfen der Vorfahren zu Wasser und zu Land, von Walhall und ihren Freuden, von Donar, »dem Schirmer der Erde, dem Freund der Menschen«, den ein grausames Geschick fern von der heißgeliebten Heimat festhält – und ehrfurchtsvoll lauschen die ernstblickenden, auf dem fellbelegten Estrich lagernden Männer den zündenden Worten, die in Begeisterung ihre Wangen erglühen lassen. Gemurmel des Beifalls unterbricht und lohnt den Sänger, als er sein Lied beendet. Aus des Hausherrn Hand empfängt der Alte den frischgefüllten Becher – vielleicht den Schädel eines erschlagenen Feindes,[2] wie Gudrun aus den Schädeln ihrer ermordeten Söhne »mit Gold und Silber« Trinkgefäße machen ließ, aus denen sie ihrem Mann Met darreichte[3] – des Hausherrn liebsten Pokal, um in langen Zügen die trocken gewordene Kehle zu laben. Gewaltige Büffelhörner, am Rande mit Silber beschlagen,[4] und ahorne Becher mit goldgelbem Met gefüllt umkreisen die Tafel, die durstigen Lippen der Zechgenossen zu netzen.

Hin und her wogt die Rede von Krieg und Jagd, von dem und jenem, in ungefügen, schwerfälligen Worten, die jäh verstummen, denn eine Jünglingsschar betritt die Halle.

Mit raschem Schwung werfen sie die Felle von den Schultern; ihre kräftigen Glieder recken und strecken sich, die Muskeln strammen sich, gilt es doch vor den scharfprüfenden Augen der Männer in gefährlichem Spiele zu bestehen.

Die Griffe der haarscharfen Schwerter sind in die Erde gesteckt und, erst ruhig und gemessen, dann immer verwegener und tollkühner durchspringen die Jünglinge die Reihen der todbringenden Waffen. Die Augen sprühen in Leidenschaft, die gewölbte Brust wogt stürmisch, die Pulse fliegen, die Körper röten sich, und wilde Kampfeslust ergreift Tänzer und Zuschauer.

Kaum vermögen die kurzhaarigen Sklaven rasch genug den immer ungestümer begehrten Trunk herbeizuschaffen, und wie erst einer, dann immer mehr der Jünglinge erschöpft zu Boden sinken, so lichtet auch das Übermaß des berauschenden Getränks die Reihen der Zecher. Stundenlang schon währt das Gelage, und Stunden werden noch vergehen, ehe der letzte der trinkfesten Mannen, vom Met bezwungen, den schweren Kopf vom Schlaf überwältigt zur Brust senkt. Noch ist es nicht so weit. Die Stimmen werden immer lauter, die Töne rauher.

Da greift einer der Genossen, vom bösen Geist des Met aufgestachelt, zum Schwerte, das ihm ein Besonnener entwindet, denn »die unter Berauschten natürlich häufigen Zänkereien enden selten bloß mit Schimpfworten, häufiger mit Mord und Blutvergießen«.[5]

Dort spielt eine Männergruppe. Haus, Hof und Herden, selbst die eigene Person gelten als Einsatz, und der Verlierende verläßt als Knecht seines Gewinners die Halle, die er stolz und frei betrat.[6]

Denn Spiel und Trunksucht waren die hervorstechendsten, vielleicht die einzigen Laster jenes mannlichen Volkes, in denen aber auch oftmals ihre Tugenden untergingen. Denn das Getränk ließ sie nach Ansicht ihrer römischen Schilderer ihre Biederkeit, ihr natürliches Rechtsgefühl, ihre Keuschheit, ihre Gastfreundschaft, selbst ihre Treue vergessen. Sei dem, wie ihm wolle, jedenfalls schien dem vollkräftigen Germanen der Trunk die größte Lebensfreude neben der Jagd und dem Kriege, und einer dieser drei Nationalleidenschaften lag er sicher ob, wenn ihn nicht Siechtum an das Haus fesselte.

Mit Leib und Seele gab er sich den Trinkgenüssen hin, die ihm eine Vorbereitung für die dereinst im Jenseits winkenden Freuden waren, ihm, der schon hienieden mit leisen Wonneschauern von dem ewig währenden Trinkgelage in Odins Heim, dem goldglänzenden Walhall, träumte. »Speerschafte bilden die Balken, Schilde das Dach, mit Brustpanzern ist das Innere geschmückt, die Schneiden glänzender Schwerter erleuchten den Saal.« Um die Halle zieht sich die heilige Mauer, Walgrind, vor dem Eingang tost der Fluß, das letzte Hindernis für die Einlaß begehrenden Helden. Auf dem Dache Walhalls weidet der Hirsch Eiksyrnier und Heidrun, die Ziege, deren Euter unversiegbar der köstliche Met entströmt, in dessen Genuß die Helden Walhalls schwelgen.[7]

So ward durch den Glauben der Trank geheiligt, und heilig war auch der Gastfreund, der an dem Tische des Hausherrn den Becher leerte. Der Feind wurde am häuslichen Herd zum Genossen. Italus, der Cheruskerherzog, der in römischer Zucht deutschen Geist und deutsche Treue vergessen, ward beim Zechgelage, aber nur bei diesem, von seinen ihm mißtrauenden Leuten mit althergebrachter Freundlichkeit behandelt.[8]

Darum galt das Zechgelage den Germanen unzertrennlich von allen wichtigen Handlungen des öffentlichen und privaten Lebens. »Über Aussöhnung von Feinden, Verschwörungen, Häuptlingswahlen, ja über Krieg und Frieden ratschlagten sie meistenteils bei Gastgelagen, als ob zu keiner Zeit so sehr das Herz für aufrichtige Gesinnung empfänglich, für erhabene begeisterungsfähig sei.«[9] Das Getränk löste ihre Zungen, machte die sonst wortkargen Männer beredt, weshalb Jul. Caesar Scaliger – nach Roth – nicht ganz unberechtigt sagen konnte: »Der Germane zeigt mehr Verstand, wenn er angezecht, als wenn er nüchtern ist.«

Das den Göttern wohlgefällige Getränk wurde auch für würdig erachtet, den Überirdischen dargebracht zu werden.

Im heiligen Haine beim Scheine des Vollmondes hob man die vollen Becher durch das Feuer des Altars und leerte sie unter andächtigen Gefühlen. Den ersten brachte man Odin dar, den zweiten Njödr und Freyr, den dritten, den Bragibecher, den heimgegangenen Helden, den vierten, den Minnebecher, den dahingeschiedenen Freunden. »Man trank den Vollbecher seiner Blutsfreunde, solcher, die preisenswert gewesen waren, und das nannte man Minne.«

»Die Sitte, die Minne der Götter zu trinken, war allen deutschen Stämmen gemeinsam und so sehr im Volke eingewurzelt, daß man auch nach der Bekehrung zum Christentum des althergebrachten Gedächtnistrunkes bei festlichen Gelagen nicht entraten konnte. Nur trank man jetzt nicht mehr ›der Teufel‹ Minne, sondern die Minne Christi und seiner Heiligen. Als der heilige Olaf Norwegen zu christianisieren beschlossen hatte, erschien ihm in der Nacht vor der entscheidenden Volksversammlung der heilige Bischof Martinus von Tours und trug ihm auf, die im Lande herrschende Sitte, dem Odin oder den anderen Göttern bei den Gastmählern Minne zu geben, dahin zu ändern, daß von nun an ihm, dem hl. Martinus, bei den Gelagen Minnung getan werde. Wo das Christentum noch nicht ganz festen Boden gefaßt hatte, kam es nicht selten vor, daß das Volk neben der Minne Christi auch noch die Minne der alten Heidengötter trank.«[10]

Am häufigsten trank man St. Gertrudis, St. Stephans- und zu Weihnacht St. Johannis-Minne.

Die alten Sachsen feierten auf den Gräbern Gelage zu Ehren der Manen ihrer Verstorbenen. Sie besprengten die Gräber mit dem Trank, wie es auch die Mainzer Frauen am 29. November 1318 taten, als sie den Sänger Heinrich Frauenlob zur ewigen Ruhe brachten.

Wie im sonnigen Süden Nektar der Göttertrank gewesen, so galt dem Norden der von einzelnen glücklichen Seefahrern aus endlos entfernten Ländern zu den heimischen Gestaden hin und wieder gebrachte Wein als seltene, daher nur des deutschen Zeus würdige Labe.

Doch Odin erfreute sich noch eines anderen, nationalen Trankes, einer Metart, deren Grundstoffe statt der hergebrachten Stoffe, Honig und Wasser, an Stelle des Wassers aus dem ganz besonderen Saft, dem Blut, bestanden. Mimi, der Riese, besaß den Kessel Odrerier, der eine wundersame Flüssigkeit barg.

Zwei Zwerge, Fjalar und Galar, sollen einst aus Honig und dem Blute Kwasirs den Trank bereitet haben; Kwasir, der weiseste der Männer, der dadurch entstand, daß die Asen und Wanen, die feindlichen Göttergeschlechter, den Friedensschluß durch gemeinschaftliches – Spucken in ein großes Gefäß besiegelten. Aus diesem Speichel erstand jener Kwasir, der auf alle Fragen die lösende Antwort wußte. Als er auf der Erde umherzog, die Menschen seine Weisheit zu lehren, erschlugen ihn die beiden Zwerge, um sein Blut zu erlangen.

Die rettende Wirkung und die weisheitsvolle Kraft des wundersamen Trankes erweckten Odins heißeste Begierden, den Kessel samt seinem Inhalt in seinen Besitz zu bekommen. Doch, der Hüter des Schatzes, Suttungr, ließ ihn im Felsen Hnitbjorg Tag und Nacht von seiner Tochter Gunnlod bewachen.

Unter dem Namen Bolverker besuchte Odin den Suttungr, ohne ihn zur Hergabe eines Trunkes aus dem Odrerier bewegen zu können, darum nahm der Gott seine Zuflucht zur List. In Schlangengestalt bohrte sich Odin einen Weg durch Hnitbjorg zu Gunnlod, die er betört, und in deren Armen er drei Tage ruht, ehe er in mächtigen Schlücken den ganzen Kessel austrinkt. Mit dem Wundertrank im Leibe wandelt er sich in einen Adler, fliegt zur Himmelshöhe auf, um im Assgardr, seiner Wohnung, den Inhalt des Ordrerier in einen Kessel zu spucken, der fortan in der heiligen Burg der Götter verwahrt wird.[11] Odin ist übrigens wie sein hellenischer und römischer Götterkollege ein Schwerenöter ärgster Sorte, der Herzen bricht und die armen Mädels dann einfach gewissenlos sitzen läßt. So machte er es auch mit der armen Gunnlod und ihrem Söhnchen Bragi. Das, was sie bewachen sollte, war sie los, dafür hatte sie ein Kind am Halse. Ja, so sind die Götter und die – Mädchen!

Durch den Wundertrank erlangte Odin göttliche Allwissenheit und ewiges Gedächtnis – im Gegensatz zu dem antiken Lethe, dem Trank des Vergessens.

Ja, der altgermanische Met war ein Tränkchen, dessen Vollgenuß man nicht so leicht vergaß. Wer den braunen, reichlich süßen Saft einmal zu sich genommen, z. B. in jenem uralten Metkeller Wiens, dem »süßen Löch'l«, der erinnert sich, auch nach Jahren noch, mit recht geteilten Gefühlen der bittersüßen Nachwirkungen, die sich mild aber doppelt äußern, ehe sie als geradezu unverwüstlicher Kater ausklingen. Brrrr!

Der Germane kannte anfänglich nur den Wassermet, eine Zusammensetzung von zwölf Teilen Wasser mit einem Teil Honig, während die Römer auch Wein- und Mostmet bereiteten.[12] In späterer Zeit setzte man dem Met auch Gewürze zu.[13] Solch gewürzten Met nannte man Bonglerastie oder Borgerast.

Nur im germanischen Altertum und im frühesten Mittelalter besaß der Met die bevorzugte Stellung unter den Getränken. Im elften und zwölften Jahrhundert war nach Freidank[14] die Stufenfolge der trinkbaren Flüssigkeiten »Wasser, Bier, Met, Wein«. »Der Met verschwand nach und nach ganz, und einer glücklicheren Zeit blieb es vorbehalten, dieses edle Viergespann durch den Branntwein wieder zu ergänzen.«

Wenn man den Met nun auch im dreizehnten Jahrhundert noch viel trank, so hatte er doch in dieser Zeit längst aufgehört, der Haupttrunk zu sein. Seine Süßigkeit – Suez als ein honic mete[15] – mochte hauptsächlich daran schuld sein, daß man ihm die herzhafteren Getränke, Bier und Wein, vorzog. Immerhin verschwand er erst gegen Ausgang des Mittelalters gänzlich von der Tafel; bis dahin erschien er noch sporadisch neben seinen Rivalen. »Die Knappen liezen tragen dar mete, win und lûtern trank«, heißt es im »Irregang und Girregar«.[16] Nur im deutschen Norden bewahrt man dem Met die alte Anhänglichkeit. Der Haidehonig dazu wurde durch die Zeidler, eine Genossenschaft mit merkwürdigen Bräuchen, gesammelt. Die Stadt Aachen, die der Metbereitung besondere Pflege angedeihen ließ, spendete ihn alljährlich als besondere Delikatesse an Fürsten, Bischöfe und andere Vornehme, so im Jahre 1385 mehr als neunundzwanzig Ohm im Werte von 1068 Mark, nach heutigem Goldkurse etwa das fünffache; der Met war demnach ein sehr kostbares Getränk geworden.

Im späteren Verlauf des Mittelalters, als die Zünfte erstanden, wurde die Meterzeugung eine Obliegenheit der Wachszieher, die bis spät in das neunzehnte Jahrhundert hinein Kerzen erzeugten, Honigkuchen buken und Met brauten, der überall noch Liebhaber, besonders aber Liebhaberinnen fand, wie jene »Methe von Trunkenheit« beweist, das »Bisamstinckige Frawenzimmer«, das Johannes Fischart im »podagrammischen Trostbüchlein« als im Gefolge der »gliederkrampfigen Fußkitzlerin« Frau Podagra befindlich aufzählt.

2. Das Bier.

Gott schenkt nicht jedem Landden Wachstum derer Reben,Woraus der Menschenfleiß denedlen Wein erpreßt,Doch weil Er anderwärts dieGerste wachsen läßt,So weiß des Menschen Kunstuns daraus Bier zu geben.So Wein als Bier sind gut, wennman sie braucht in Schranken.Und nicht vergißt, davor denlieben Gott zu danken.
Theodor Schöpfer.
(Traktat vom Bierbraurecht 1732.)

Der edle Gerstensaft, der im Zeitenlauf den urdeutschen Met gänzlich verdrängt und dem Wein als Volksgetränk nur ein räumlich sehr beschränktes Feld überlassen hat, um geradezu zum Wahrzeichen aller Völker deutscher Zunge zu werden, besaß im Altertum einen ungleich größeren Verbreitungskreis als heutzutage, trotz des Siegeslaufes des deutschen und deutschböhmischen Bieres durch die Welt.

Wo zur Zeit das Bier selbst dem Namen nach vollständig vergessen ist, war es in der Vorzeit allbekannt und allbeliebt.

Vom alten Pharaonenland am Nil erzählt Herodot, der Vater der Geschichte: »Wein bereiteten sie sich aus Gerste, denn Reben wachsen in ihrem Lande nicht«.[17] Nach Diodor von Sizilien soll Osiris, der oberste der Götter, nachdem er alle Teile der bewohnten Erde besucht, um die Nährfrüchte aller Völker kennen zu lernen, seinem Heimatlande dort, wo der Anbau des Weinstockes auf Hindernisse stieß, einen Trank bereiten gelehrt haben, »der aus Gerste gebraut wird, und nicht viel zurücksteht hinter dem Wohlgeruch und der Kraft des Weines«.[18]

Etwa 25 n. Chr. Geb., als der große Geograph und Kompilator Strabo wirkte, trank man in Alexandrien diesen, wie Theophrast zuerst angibt ζῦθος (züdos) genannten Trank allgemein.[19] »Die Ägypter«, sagt der Akademiker Dio bei Athenäus,[20] »ein sehr zum Trinken geneigtes Volk, haben für alle, die zu arm sind, sich Wein zu schaffen, einen Ersatz erfunden, nämlich den Wein aus Gerste. Wenn sie diesen zu sich nehmen, sind sie lustig, singen und tanzen, kurz benehmen sich, als wären sie süßen Weines voll.«[21]

Im ältesten Ägypten warnte einst ein bejahrter Schreiber seinen jüngeren Kollegen vor allzuhäufigem Genuß des »Heg« oder »Hag«, dem auf den Bilderschriften so häufig wiederkehrenden Namen des Bieres, und vor dem häßlichen Geruch der Bierkneipen.

Von den oberhalb Ägyptens hausenden Äthiopiern berichtet Strabo: »Sie leben von Hirse und Gerste, von der sie sich ein Getränk bereiten.«[22]

Aber auch im alten Spanien war bei den sich genealogisch und kulturell verwandten iberischen Stämmen das Bier seit unvordenklichen Zeiten heimisch.[23]

Plinius schätzte Spanien als vorzügliches Bierland, dem sogar die Kunst nicht fremd war, Bier aufzubewahren und durch Alter zu veredeln. Strabo hingegen meldet von den Bergbewohnern Iberiens, daß sie Bier mit Vorliebe, Wein hingegen nur selten tranken und ihn, sobald sie ihn erhielten, sofort verbrauchten. Hieraus läßt sich meines Erachtens mehr auf die Seltenheit des Weines, aber weniger auf seine Zurücksetzung gegenüber dem Bier schließen, wie einige Kommentatoren glauben. Jedenfalls aber war das Bier im heutigen Land des Südweins Nationalgetränk, was auch aus einer Erzählung des Polybius[24] von einem halb gräcisierten iberischen König hervorgeht, der in der Mitte seines Palastes goldene und silberne Gefäße aufgestellt hatte, die edler Gerstensaft bis zum Rande füllte.

Den Namen des altklassischen Bieres gibt Plinius mit Celia und Ceria für Spanien, und mit Cerevisia für Gallien und »die anderen Provinzen« an.

Hecatäus, ein von Athenäus zitierter, sonst unbekannt gebliebener Gelehrter erzählt von dem βρῦτον (Bryton), dem Gerstenwein und dem παραβίη (Parabié), dem Hirsenwein der Thrakier, daß sie diese Getränke durch Zusatz des Würzkrautes κονύζη (Konyze) trinkbarer, vielleicht auch haltbar machten.

Xenophon teilt in seiner Anabasis von dem berauschenden Gerstensaft der Armenier mit, daß sie diesen mittels Strohhalmen aus den Gefäßen sogen, um die in der Flüssigkeit herumschwimmenden Getreidekörner nicht als unwillkommene Zugabe mitschlucken zu müssen.

Äußerst bemerkenswert ist die Tatsache, wie derartige Nationalgetränke und die Art ihres Gebrauches bei abseits von den Kulturstraßen seßhaften Völkern hunderte von Generationen überdauern, denn in Niebuhrs »Beschreibung von Arabien«[26] findet sich folgende Notiz: »Man hat ein weißes und dickes Getränk, Busa, welches aus Mehl bereitet wird … In Armenien ist es ein allgemeiner Trank, daselbst wird es in großen Töpfen in der Erde aufbehalten und gemeiniglich aus denselben vermittelst eines Rohres getrunken.«

Westlich und nördlich von den Thrakern fand sich Bier als sabaya, als sabayum, bei den ihnen stammverwandten Illyriern und Pannoniern, allerdings nur als Getränk der niederen Volksschichten, da Sabaiarius, etwa Biersaufer, ein scharfes Schimpfwort gewesen zu sein scheint. Von den Pannoniern im heutigen Ungarn weiß übrigens Cassius Dio, der sie aus eigener Anschauung kennt, zu berichten, »Gerste und Hirse ist ihnen Speise zugleich und Trank«.[27]

Etwa zwei Jahrhunderte nach Cassius Dio, um das Jahr 446, durchzog ein Byzantiner als Mitglied einer oströmischen Gesandtschaft Pannonien, um an den Hof König Attilas zu gelangen. Der Bericht, von dem nur Bruchstücke sich erhalten haben, die Gustav Freytag in meisterhafter Übersetzung der Vergessenheit entrissen hat,[28] ergeht sich in anschaulichen Bildern der Sitten und Gebräuche jener halbwilden Asiaten und des Hofes, dessen Mittelpunkt die Gottesgeißel Attila, der machtvolle Hunnenkönig, ist. Hier interessiert uns besonders die Bier behandelnde Stelle der Reisebeschreibung. »In den Dörfern wurden uns Lebensmittel geliefert« schreibt Priscus, »statt des Weizens Hirse, statt des (ihm gewohnten) Weines Met; auch die Knechte, die uns folgten, wurden durch Hirse ernährt und erhielten ein Gerstengetränk geliefert, die Barbaren nennen es Kamum (κάμον).«

In fast allen der bisher genannten Länder und in manchen anderen, wie auf der nördlichen Hälfte der griechischen Halbinsel, in Phrygien, im westlichen Kleinasien und in Armenien ist heute das selbstgebraute Bier vollständig vergessen.

Von dem Bier der Völker Mittel- und Nordeuropas berichtet als erster der kühne Seefahrer und Geograph des dritten Jahrhunderts v. Chr. Gb. Pytheas von Massilia. Auf seiner Fahrt nach dem fernen Thule beobachtete er bei den Küstenvölkern gemäßigter Landstriche: »wo Getreide und Honig gewonnen wird, da macht man auch Getränk davon« – also Bier und Met.[29]

Den Winter der Scythen als Type der Nordvölker, ihre Pelzkleidung, ihre unterirdischen Höhlenwohnungen, das gegohrene Getränk an Stelle des Weines schildert in der Georgica[30] Virgil, vielleicht vom Hörensagen oder nach uns verloren gegangenen Quellen, vielleicht auch nach der Phantasie, die bei echten Dichtern so merkwürdig oft nie Geschautes richtig ahnt und zeichnet.

Im mittleren Frankreich war zu Anfang des letzten Jahrhunderts v. Chr. Gb. das Bier Volkstrank, während sich die Vornehmen bereits des eingeführten massaliotischen Weines erfreuten. Dieses keltische Bier, Korma benannt, erhielt sich in Nordfrankreich, Belgien und England bis zur Gegenwart. Kaiser Julianus Apostata (331–363) mochte einst dieses Bier gekostet haben, wofür er sich durch das Epigramm rächte:

Du willst der Sohn des Zeus, willst Bachus sein?Was hat der Nektar duftende gemeinMit dir, dem Bockigen? Des Kelten Hand,Dem keine Traube reift im kalten Land,Hat aus des Ackers Früchten dich gebrannt.So heiße denn auf Dionysos nicht,Der ist geboren aus des Himmels Licht,Der Fenemgott, der Geist'ge, Fröhlich-Laute,Du bist der Sohn des Malzes – der Gebraute.

Der Fortsetzer des Tacitus, Ammianus Marcellinus, kennt die Gallier als Trinker, die sich in Ermangelung von Wein mit Surrogaten, dem Cider und Bier, behalfen.

Die Germanen begannen von der Zeit an, in der sie sich dem Ackerbau zuwandten, der Bierliebhaberei zu fröhnen. Cäsar weiß noch nichts von Bier bei den ihm bekannten Völkerschaften Germaniens, wohl aber der anderthalb Jahrhundert spätere Tacitus und nach ihm Diodor. Den nordgermanischen Stämmen war das Bier seit in nebelgraue Ferne entrückter Vergangenheit, und nicht eine Sorte allein, bekannt. Im Alvîßmâl, dem Fragelied der Edda, will Donner, der Götterkönig, von dem Zwerge Alwiß erfahren:

So sag' mir denn Alwiß – ich seh's ja voraus,Du weißt aller Wesen Geschichte:Wie mag wohl das Ael, das man überall trinktIn der Welten jedweder genannt sein?

Alwiß:

Ael, – bei den Menschen. Bei Asen Bier (bior);Die Wasen reden von Rauschtrunk,Der Hella ist Met und Hellflut bei Riesen,Bei Suftungs Söhnen – Gesöff![31]

Die mitteldeutschen, bis zu den gallischen Grenzen vorgeschobenen und die an der Niederdonau angesiedelten Germanenstämme dürften von ihren Nachbarn in der Braukunst unterwiesen worden sein, wie ja bekanntlich alle Naturvölker als erste Gaben fortgeschrittener fremder Völker die beiden Danaidengeschenke, berauschende Getränke und Geschlechtskrankheiten, empfangen. So war es einst im alten Germanien, im fünfzehnten Jahrhundert in Amerika, im achtzehnten auf den Südseeinseln, so ist es noch heute in allen »der Civilisation eroberten« Landstrichen.

Das Bier faßte aber so festen Fuß bei den Deutschen, daß es auch in jenen Gegenden, wo schon der Weinstock trefflich gedieh, so am Rhein und an der Mosel, bis zum zwölften und dreizehnten Jahrhundert der Volks- und Haustrunk blieb, während der vornehme Wein nur zu Festgelegenheiten aufgetischt wurde. Schon der Umstand, daß der Rebensaft hoch im Werte stand und meist gekauft werden mußte, während man das Bier selbst herstellte und seine Zutaten keine nennenswerten Ausgaben verursachten, dürfte dem allgemeinen Gebrauch des Weines hinderlich gewesen sein.

Außerdem mochte manchem patriotisch denkenden und fühlenden Mann der Wein, als ein von den verhaßten Römern eingeführtes Getränk, unsympathisch gewesen sein, so daß er, schon aus Trotz, bei seinem vaterländischen Gerstensaft blieb. »Zu diesen gehörte wahrscheinlich der Franke Hozinus, der Heide geblieben war, obgleich der König und der größere Teil des fränkischen Volkes bereits die Taufe empfangen hatten. Als er einmal den König Chlotar († 561) mit seinem Gefolge, worunter der Bischof Vedastus von Arras war, zu einem Gelage geladen hatte, fanden die Gäste in dem Saale »volle Fässer mit Bier dastehen, wie es bei den Heiden Sitte ist«. Der für die Christen bestimmte Trunk wurde getrennt von dem »den heidnischen Göttern geweihten Bier dargereicht.«[32]

Dieser spezifisch heidnische Charakter des Bieres geriet mit dem Verschwinden des Heidentums in Vergessenheit, und das Bier wurde zum Alltagsgetränk, dessen Vorhandensein man überall voraussetzte. Noch 819 bestimmte ein Edikt Ludwigs des Frommen bei Einlagerung eines Bischofs als königlichen Gesandten, diesem zu verabfolgen: vierzig Brode, ein Schwein, drei Frischlinge, drei Hühner, fünfzehn Eier und drei Tonnen Bier. Vom Wein ist erst in einer späteren Verordnung Ludwigs die Rede, und da verlangt er für seinen Bevollmächtigten die verschwindend kleine Menge von neunzehn Sextarien.[33]

Nur in Süddeutschland, dem heutigen Dorado des Gerstensaftes, schlug im Mittelalter der billige Wein das Bier aus dem Felde, woran freilich die geringe Haltbarkeit des Bieres selbst Schuld trug.

Aber auch in diesen Weinländern wurde den Knechten und der Dienerschaft Bier gereicht. Wenn in einem vornehmen Haus der Weinvorrat einmal zu Ende ging, machte man es wohl ebenso wie die heilige Äbtissin Salaberga von Laon († ca. 665) die, als kein Salerner mehr im Keller war, »Bier sieden ließ«.[34]

Der Stoff des Mittelalters war wesentlich von dem unsrigen verschieden.

Als erste Bierwürzen dürften Eichenrinde, Wachholderbeeren, Baumblätter, bittere Wurzeln und Kräuter gedient haben, ehe der vermutlich aus Finnland oder einem anderen Teil des heutigen Rußland eingeführte Hopfen bekannt wurde und Verbreitung fand. Der Zeitpunkt der Einwanderung des Hopfens, »das Salz des Bieres« nennt ihn der alte Tabernaemontanus, läßt sich nur annähernd bestimmen. Im neunten Jahrhundert sind schon manche Hopfengärten nachweisbar. Die heil. Hildegard, Äbtissin zu Ruppertsberg, führt ihn in einer Handschrift vom Jahre 1179 an, ebenso gedenkt Albertus Magnus, Albert, Graf von Bollstädt (1193 bis 1280), des Hopfens als Kulturpflanze. Als Zinsabgabe in den Urkundenbüchern des frühen Mittelalters spielt der Hopfen vielfach eine Rolle, besonders in Brandenburg und Mecklenburg. Im elften und zwölften Saeculum breitet sich der Hopfenbau über Bayern, Franken und Niedersachsen aus; in Schlesien jedoch wird er 1224 zum erstenmal erwähnt. Das dreizehnte Jahrhundert schätzte den Hopfen geradezu als vegetabilisches Kleinod, für das die ältesten erhaltenen Rechtsbücher, der Sachsen- und der Schwabenspiegel, energisch in die Schranken treten.[35] In Schweden stand er ein Jahrhundert später unter Königsfrieden, d.h. direktem Schutz des Königs, der den Friedensbrecher mit dem Tode bestrafte. In den böhmischen Stadtrechten, einer Verschmelzung des Brünner, Prager und Magdeburger Rechtes vom Jahre 1579 heißt es: »Einem Beschädiger der Weinberge, Gärten oder Hoppegärten sollen die Augen ausgegraben werden; geschiet es aber bey nächtlicher Weile, so soll er den Hals verlieren.«[36] Die Hochachtung für den Hopfen spricht auch folgendes altes Sprüchlein aus:

Der Hopfen ist ein brau Gewürz,Ein Kunigslob nur ihm gebürts.Der Braue thut ihm in die PannDrinn wacker Bier er kochen kann.O wüßtest Du, Mensch und ChristWas Bier dem sündhafft Leibe ist!!!

Mit dem Entstehen der Klöster auf rheinischem Boden hebt ein neues Kulturzeitalter, das christkatholisch-germanische, für Deutschland an. So wie die Mönche den Laien in der Viehzucht, der Obstkultur und anderen Verbesserungen der althergebrachten Landwirtschaft als Vorbilder dienten, so waren sie auch die Meister im Keltern und Behandeln der Weine wie im Bierbrauen.[37] Die Kleriker hatten Muße genug, die Brauarten durchzuproben, bis sie das ihrem verwöhnten Gaumen zusagende Gemisch zu stande brachten, das freilich nur ihnen selbst und gewissen Gästen zu Gute kam. Für sonstige Sterbliche stellten sie den Kovent her, dessen Würze durch Aufguß von Wasser auf die durch das erstgebraute Mönchsbier schon ausgelaugten Treber gewonnen wurde. Dieses Kovent war so dünn, daß es gar nicht als Bier galt, denn vom Pommernherzog Barnim wird in der Chronik gesagt: »Barnim ist ein sehr messiger Fürst gewest von Essen und Trinken; dan man hat ine ny ein Halbs oder Gantz trincken sehen, viel weiniger (!) ime ful gesehn; hat selten Bier getruncken, und Wein hat er nymmer getruncken on an seinem Ostertag; sunst ist sein Getrencke Covent gewest oder, wo er den nicht gehabt, gut frisch Wasser.«[38]

Das Mönchsbier behielt seinen Ruf, bis der Wein seinen Stiefbruder aus der Gunst der Klerisei verdrängt hatte.

Der Grundstoff des Bieres war für alle Zeit das aus der Gerste gebraute Malz.

Bereits 1290 befahl die freie Reichsstadt Nürnberg den alleinigen Gebrauch der Gerste zu Brauzwecken und untersagte strengstens den Absud von Hafer, Korn, Dinkel, Roggen oder Weizen.

Litt schon das Gerstenbier nicht an übermäßiger Stärke, so war dies bei den anderen Getreidebieren noch weniger der Fall, sonst hätte auch der edle Hartmann von der Aue, der Dichter des Iwein, Armen Heinrich und anderer Perlen der mittelhochdeutschen Poesie, schwerlich zu behaupten gewagt, daß in einem Becher Wein mehr Kraft enthalten sei als in vierundvierzig Bechern Bier oder Wasser.[39] Schon die Zusammenstellung von Bier und Wasser gibt zu denken. Auch sein Wohlgeschmack dürfte nicht gerade überwältigend gewesen sein, denn in höheren, besonders höfischen Kreisen galt, wie bereits erwähnt, das Bier nur dann etwas, wenn an Wein Mangel herrschte.

Ja, jetzt war gern ich Söldner hier,Denn jetzund trinkt nicht Einer Bier,Da Überfluß an Speis' und Wein …

heißt es im Parzival.[40]

So lange das gute Klosterbier ein begehrter Artikel war, wußten die Mönche, niemals faul, wenn es etwas einzuheimsen galt, aus dem Klosterbräu möglichst großen Nutzen zu ziehen. Ebenso wie sie ihr prächtiges Vieh für den Verkauf zogen und schlachteten, Getreide im Lohn mahlten und Brot buken, so gaben sie ihr Bier gern an zahlungsfähige Liebhaber ab. Zu diesem Zweck hielten sie vielfach entweder offene Schenken, wie dies schon im zwölften Jahrhundert vorkam, in denen, wie in Corvey, die Frauen der Hörigen das Bier feilboten,[41] oder sie verkauften mit den anderen Erzeugnissen der »Camba«, dies der Gesamtname für die klösterliche Großküche, Schlacht-, Back- und Braustuben, auch das Bier in größeren Mengen.

In Nürnberg setzte ein Kloster jährlich viertausendfünfhundert Eimer Bier ab. Jeder Bettler, der seine Bierstube betrat, erhielt einen Pfennig als Almosen, aber das Bier wurde ihm nur für Geld und zwar für zehn Pfennige verkauft.[42]

In vielen Gegenden schmeckte der aus dem Biervertrieb erzielte große Verdienst den geistlichen Herren derart, daß sie jede Konkurrenz vernichteten, indem sie sich das alleinige Recht zur Ausübung der Genuß- und Nahrungsmittelindustrie im Umkreis einer gewissen Landstrecke, den Bannofen, auch Bierbann und Meilenrecht genannt, zu sichern wußten. Den Klerikern machten dies natürlich sofort die weltlichen Machthaber nach, die für derartige gewinnbringende Erfindungen stets zu haben waren. Sie gingen noch einen Schritt weiter, monopolisierten die Mühlen und die Mahlgerechtigkeit, als deren untrennbare Bestandteile sie die Viehmast, Schlächterei, Bäckerei und Brauerei erklärten. Die brandenburgischen Fürsten besaßen noch im dreizehnten Jahrhundert diese Gerechtigkeiten, die sie als Lehen oder in Pacht weitergaben.

Als die Städte wuchsen und zu einer gewissen Macht gelangten, nahmen sie das Meilenrecht in ihre Privilegien auf. »Manche Städte trugen auch kein Bedenken, die Biermeile eigenmächtig zu vergrößern, indem sie behaupteten, nicht von ihren Toren, sondern von dem Grenzstein ihres Weichbildes ab könne die Bannmeile erst gerechnet werden. Wer dieser Zunftgewalt nicht eine noch größere entgegensetzen konnte, war gezwungen, sich ihr ruhig zu ergeben, so ungerecht auch diese Maßregel war.« Dieses im dreizehnten Jahrhundert seinen Ursprung nehmende Meilenrecht erhielt sich allgemein bis in das fünfzehnte Jahrhundert; ja man findet sogar noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, namentlich in kleineren thüringischen Städten, Spuren davon. Unter dieses Biermonopol fiel auch das Verbot, fremde Biere in die Stadt selbst einzuführen, was nur dem Rat gestattet war, wenn er ein solches Bräu in seinem Ratskeller ausschenken wollte.

Eine Formel für dieses Meilenrecht, dem alten Stadtrecht von Weißensee a. D. 1263 entnommen, lautete: »Auch haben wir fürstliche Verschreibungen, das Nymand off den Dorffen die an eyner nid weges zu legin sint, kein Tabern (Taverne, Schenke) nicht haben sullen, nach (noch) keyne fremden biher (Biere) schenken ny werde Im denen ober onser fürstliche Briffe zoerkannt, dorch Ihre onser orkunth offbracht.«

Da die Stadtbiere nun nicht immer nach jedermanns Geschmack waren, und auch Ratsherren sich hin und wieder an fremdem Bier gütlich tun wollten, so half man sich durch die Accise, über die noch zu sprechen sein wird.

Allerdings dehnte sich, wenigstens anfänglich noch, das Brauverbot in der Bannmeile nur auf das nicht für den eigenen Gebrauch bestimmte Bier aus. Der Haustrunk durfte nach wie vor im Hause hergestellt und mußte davon an die Herrschaft geliefert werden. So hatten die Nonnen von Falkenhorst vom Jahre 1090 ab von Allerheiligen bis Ostern »altes Bier« zu beanspruchen, jedenfalls eine Art Metbier, aus Gerste mit Honigzusatz, das sich nur in der kälteren Jahreszeit bewahren ließ.

Besonders der Bauer ließ es sich nicht nehmen, sich an seinem Eigenbräu zu erfreuen, das aber leider großenteils in die unrechte Kehle, nämlich die seiner Herrschaft, lief. Außer der Lieferung dieses Bieres hatten die »Grundholden«, die Hörigen, an gewissen Tagen auf dem Fronhofe zu erscheinen, um dort die Öfen zu heizen, in der Hofküche zu kochen, Brot zu backen, zu schlachten, Getränke zu bereiten und Bier zu brauen. Ihren Ehefrauen lag es ob, im Hause Malz zu sieden, das sie der Grundherrschaft abzuliefern hatten.[43] Erst das Zeitalter des dreißigjährigen Krieges hob diese Lasten teilweise auf, und bei dem neuerlichen Erstarken der Feudalwirtschaft kam sie fast gänzlich in Wegfall, da auch die Herrschaft meist lieber zünftig gebrautes Bier als eigenes verbrauchte.

Wo die Herrschaft die Braugerechtigkeit nicht selbst ausübte, sondern sie der Stadtgemeinde überlassen hatte, baute sich diese in der Regel ein eigenes Brauhaus, aus dem die Bürger ihr flüssiges Brod zu holen gehalten waren. Gewöhnlich aber war das Braurecht nicht an die Stadtobrigkeit, sondern an eine Anzahl von Bürgern vergeben, die nun das Recht in bestimmter Reihenfolge in ihrem eigenen Hause allwöchentlich ein- oder mehrmals, je nachdem Braubürger vorhanden waren, ausübten und meist durch einen berufsmäßigen Brauer Bier sieden ließen.[44] In Zittau hatte von altersher der Schützenkönig das Recht, sogenanntes Königsbier brauen zu dürfen und, falls er dieses Recht nicht selbst auszuüben gewillt war, das Privilegium käuflich an einen andern abzutreten. 1674 entspann sich darüber ein Streit, den ein Jahr später der Kurfürst von Sachsen entscheiden mußte.[45] Immerhin war nach dem Sachsenspiegel den Stadtobrigkeiten das Recht eingeräumt, das Anlegen von Brauhäusern und Malzdörren jedem zu verbieten, dem das Recht nicht zweifellos zukam.

Wurde in einem dieser brauberechtigten Häuser »ein Bier aufgetan«, so eilt der Brauer in eigener Person durch die Straßen und verkündete laut die willkommene Nachricht,[46] wie der Bader den frischgeheizten Ofen anzeigte. Diese Braubürger gründeten Braubürgerschaften, lange bevor der Zunftzwang und das Gildenwesen allgemein wurden. Diese Vereine wachten ängstlich über die Pflichten jedes einzelnen Mitgliedes, wie sie seine Rechte, wenn es sein mußte mit der Waffe in der Hand, vertraten.

Da dies an die Urzeit gemahnende Bierkochen in den einzelnen Häusern mancherlei Unbequemlichkeiten im Gefolge haben mochte, so wich dieses Brauen im Umherziehen gar bald überall den bürgerlichen Brauhäusern, die mit der Läuterung des Geschmackes immer vollkommenere Einrichtungen erhielten, und deren Bedienung sich, als das Zunftwesen entstand, auch als Gilde zusammentat.

Mit der Begründung der Brauerinnungen fällt in den Städten auch die Selbstbereitung des Hausbieres weg, das die zünftigen Brauer als Eingriff in ihr Handwerk betrachteten und als »Bönhasentum« verfolgten. Mit dem Jahre 1558 hörten im allgemeinen alle Privat- und Winkelbrauereien auf, und dort, wo sich keine Brauhäuser befanden, durften sich die brauberechtigten Bürger, aber nur diese, der sogenannten »Kruppbrüder«, d. h. Kleinbrüder der Brauerinnung,[47] bedienen. Diesen Kruppbrüdern, nicht vollberechtigten Innungsangehörigen, oder wandernden Brauknechten, in Bayern »Schrollen« genannt, war es gestattet im Lohn zu brauen, sich ihren Haustrunk herzustellen, bisweilen sogar drei bis vier Faß mehr, die sie mit ausdrücklicher Genehmigung des hohen Rates verschänken durften.

Mit dem Entstehen der Brauerinnungen beginnen auch schon die Klagen über Bierverfälschungen. In Verordnungen, die fast in allen Städten auftauchen, wurde gegen die Bierpanscher gewettert, ja sogar mitunter der Henker gegen diese »Nahrungsfälscher« in Tätigkeit gesetzt. In Halle a. d. S. wurde 1497 ein Braumeister verbrannt, weil er zwei Gebräu hallisches Bier verdorben hatte. In einer Philippika, die ein Dr. Mengering zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gehalten hat, zetert er: »Die Bierbrauer oder Schankwirthe lassen Kofent oder frisch Brunnenwasser in die Fässer mit einspringen und wenn es in die Keller kommet, wird noch einmal geplantzschert und das Bier verderbet, daß es in den Körpern sitzen bleibet. Und wenn das Bier sommerenzend und sauer wird, wissen sie mit Kreide und anderen Dingen demselben einen lieblichen Geschmack zu geben. Sie nehmen Trebrich mit unter das Malz oder hängen Kukuks-Körner ins Faß, daß die Köpfe desto eher wüste und dumm werden. Schlechte Biere und Gauche heben sie auf, bis Feiertage oder Gelage sind, wo das Volk zuläuft; da wird Alles getrunken.«

Ein anderer Gewährsmann aus dem fünfzehnten Jahrhundert führt als weitere vielgebrauchte Verfälschungsmittel an: »Die wendische Prank, eine Art Trespe; sie nimmt den Kopf ein«; »die Trunkenbeeren, eine Art, ähnlich den schwarzen oder blauen Besingen (Heidelbeeren, Vaccinum), sowie der Pest, ein Staudengewächs, dem Rosmarin nicht ungleich; sie machen das Bier stark, bereiten aber Wehetage.« Die Pest, der wilde Rosmarin, Schweinporst, Sumpfporst (Ledum palustre) war der Hauptzusatz des Straßburger, Schweineporst genannten Bieres. Weniger gegen die Erzeuger dieses – nomina sunt odiosa – Bieres, als gegen Bierfälscher überhaupt, ist »Der Stadt Straszburg ernewerte Biersieder Ordnung« vom 15. Septembris 1665 gerichtet.

Außer durch derartige »Ordnungen«, die erfahrungsgemäß gar nichts, oder nur so lange halfen, bis sie wieder in Vergessenheit gerieten, suchte der wohlweise Magistrat das trinkende Publikum durch ein weiteres und viel radikaleres Mittel zu schützen. Er veranstaltete – so eine Art Vorahnung des Reichsgesundheitsamtes – übrigens ein sehr hübsches Wort, – Bierprüfungen. Nach dem alten Historiographen Beckmann ging es dabei in Bernau in der Mark ebenso wie in vielen Städten Bayerns folgendermaßen zu:

Der Bürgermeister und die bei der Brauerei angestellten Personen verfügten sich mit dem Marktmeister und Vogte zu dem Brauer, dessen Bier untersucht werden sollte; vorher zogen sie sich jedoch sämtlich die Bierprobehosen an, die aus starkem, gelben Leder bestanden. Der Brauer empfing sie mit gebührender Hochachtung, stellte ihnen eine feste Bank hin und brachte einige Krüge voll schäumenden Bieres. Hiervon nahm der Marktmeister einen und schüttete ihn auf die Bank aus, während der Vogt diese gleichmäßig damit benetzte. Die Herrschaften setzten sich nun mit ihren gelbledernen Hosen darauf und zechten nach einer Sanduhr drei Stunden lang. Die Wirkung des Bieres im Kopfe erstens, das Quantum, welches sie getrunken zweitens und drittens die Kraft, die sie anwenden mußten, um ihre ledernen Hosen von der Bank loszureißen, auf der sie festgeklebt waren, bestimmten die Güte des Bieres.[48]

Das Bier mußte kleben, das war die Anschauung der Vergangenheit. Nur dann war es gut, wenn es »so malzreich wäre, daß es einem ganz zwischen den Fingern klebte und schmeckte auch wie lauter Zucker so süß, so daß, wer von demselben Bier nur ein Nößel getrunken hatte, hernachmals flugs danach predigen könnte«, sagt Schelmuffsky in seiner berühmten Reisebeschreibung.[49]

Gleich der Qualität des Bieres unterlag auch dessen Preisbestimmung der obrigkeitlichen Genehmigung. Der Stadtrat des Mittelalters mischte sich eben in alles, was innerhalb des Weichbildes vorging. Wie sie sich um die unbedeutendsten und sogar intimsten Dinge der Frauenhäuser kümmerten, so ließen sie sich natürlich auch das Recht nicht nehmen, den Brauern und Wirten Preise zu diktieren. Übrigens nahmen sich auch ab und zu die Landesherren solcher Angelegenheiten an, wie der sogenannte braunschweigische Bierbefehl beweist.

In den letzten Jahren des siebzehnten Jahrhunderts hatte infolge von Mißernten im Harz und an der oberen Weser eine Teuerung geherrscht, die natürlich auch nicht ohne Einfluß auf die Bierpreise geblieben war. Die Brauer hatten infolge dessen den Bierpreis erhöht und wollten diese höheren Bierpreise auch beibehalten, nachdem der Preis des Getreides wieder gesunken war. Da hatten sie aber die Rechnung ohne die damaligen Herzöge von Braunschweig gemacht, welche folgende Verordnung erließen: »Von Gottes Gnaden, wir Rudolph August und Anton Ulrich, Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg, fügen hiermit zu wissen: Was massen wir glaubwürdig, wiewohl zu unsern höchsten ungnädigen Mißfallen, berichtet worden, ob solte an denen meisten Orten des Hartz- und Weserdistricts, das Bier annoch in dem erhöhten Preise, als solches in denen letztern theuren Jahren zugeben verstattet worden, verkauffet werden. Ob Wir nun wohl der Allerhöchste wiederumb wohlfeile Zeiten beschehret, sich von selbsten der Billigkeit beschieden, und das Bier umb den gewöhnlichen Preiß wieder hingegeben haben: Nachdem jedoch das Gegentheil, und daß ihrer viele bei dem erhöhten Kauf geblieben sein sollen, beständig verlauten will, Wir aber ein solch unbillig und unchristlich Beginnen zu dulden keines Weges gemeynet seyn; So ist mit Vorbehalt schwerer Ahndung gegen diejenige, so sich dieses unzulässigen Vortheils gegen unsere gnädigste Concession gebrauchet, Unser ernstlicher Befehl hiermit, daß das halbe Stübichen Breyhan, gleich hier schon geraume Zeit her geschehen, weiter nicht höher als vor zehn Pfennige, inclusive der doppelten Bier-Steuer, und so auch nach Proportion in Faß-Zahl verkauffet werden solle, bei unnachlässiger harter Straffe, so Jemand dagegen ferner zu handeln sich gelüsten lassen mögte. Geben in Unser Vestung Wolffenbüttel den 24. Julii Anno 1702.« Jedenfalls ist das Bestreben dieser Landesväter, ihren Untertanen einen billigen Tropfen zu verschaffen, auch heute noch, nach zweihundert Jahren, anzuerkennen.

Die Brauer mußten natürlich, sowie sie sich zu fühlen begannen, ebenso wie jede andere Innung, ihren Schutzpatron haben, und ihre Wahl fiel denn je nach der Gegend, auf den heil. Martin, den heil. Leonhard, den heil. Adrian, bei den Kölner Brauern auf den heil. Peter von Mailand, den heil. Anton, den heil. Magnus. Aber alle Bierbrauergilden hatten einen Oberheiligen, den sie zwar nicht anbeteten wie die anderen Patrone, dem sie aber ehrfurchts- und hochachtungsvoll manches Trankopfer weihten – den heiligen Gambrinus!

Von diesem sonderbaren Heiligen heißt es in einer alten Chronik: »Zu Jacobs Zeiten habe in Deutschland der König Gambrinus regiert, welcher auf deutsch Gampor oder Knüpfer genannt worden sei, weil er ein stattlicher Kriegsmann gewesen und seine Feinde aufgeknüpft haben soll. Gampor sei auch ein tüchtiger deutscher Hausvater gewesen, der das Bier zu brauen verstanden und den Deutschen diese Kunst gelehrt habe.[50]«

Dieser edle König Gambrivius oder Gambrinus hat weder gelebt, noch den Deutschen das Bierbrauen gelehrt. Sein Name ist eine Verballhornung von Jan Primus, was übrigens nicht, wie vielfach angenommen wird, erst durch neuere Forschungen erwiesen wurde, sondern schon Hans Sachs bekannt war. Eines seiner Gedichte:

Wer erstlich hat erfunden das BierUnd der vollen Brüder Turnier

beginnt:

Jamprimus ein kühner HeldIn Flandern und Brabant erwählt,Ein König streng, gerecht und frumm,Regiert in seinem Königtum usw.

Von diesem Jan Primus, Jan I., Herzog von Brabant, geboren 1251, erzählt die Überlieferung, wie er ein gar ritterlicher Herr und Bürgerfreund gewesen, der sich auch als Minnesänger in französischer und vlämischer Sprache hervorgetan und als Held 1292 in einem Turnier zu Bar zu Tode getroffen wurde. Mit der Bierbrauerei wurde er durch einen Zufall in Verbindung gebracht. Er war wegen seiner Leutseligkeit ein sehr volkstümlicher und allbeliebter Fürst und so kam es, daß ihm außer anderweitigen Ehrungen auch die Ehrenmitgliedschaft der Brüsseler Brauereigilde angeboten wurde. Herzog Jan nahm diese Auszeichnung auch dankbar an, was ihm in Anbetracht jener ritterstolzen Zeit besonders hoch angerechnet werden muß. Die Brauer von Brüssel aber waren über diese Gnade und Huld ihres Fürsten hoch entzückt und gaben ihrer Dankbarkeit dadurch beredten Ausdruck, daß sie das Bild ihres volksfreundlichen Fürsten in ihrem Gildenhause öffentlich aushängten. Daß man dem Herzog im Bilde den schäumenden Becher in die Hand gab, war natürlich; wollten doch die Bierbrauer nicht allein den Fürsten, sondern zugleich auch ihr Gewerbe ehren!

Später, als der brave Jan samt seinem Geschlecht längst im Grabe ruhte und der Schleier der Jahre sich über die Vergangenheit und ihre Ereignisse breitete, entstand aus »Jan Primus« »Gambrinus«; zugleich gab der etwas ungewöhnliche Standort des Bildes im Gildenhause, sowie der Umstand, daß auf ihm der schäumende Bierkrug sichtbar war, einem phantasievollen Kopf Veranlassung, dem farbigen Jan Primus alias Gambrinus die Biererfindung anzuhängen, eine Sage, die sich im Volksmund fortpflanzte und schnell allgemeinen Anklang fand. Doch halten wir ihn in Ehren, den wackeren Gambrinus, wenngleich er ebensowenig das Bier, wie etwa das Pulver erfunden hat; war er doch ein ritterlicher Herr und minniglicher Sänger, ein kräftiger Streiter und besonders, was ihm die Bierbrauer nicht vergessen werden – ein fröhlicher Zecher.[51]

»Jedenfalls war Gambrinus nicht bloß einst der mächtigste König der ganzen Welt, denn seine Herrschaft geht heute noch von Aufgang bis Niedergang, kein König hat ein größeres Reich, keiner zählt mehr Untertanen; er wird von den Studenten noch heute ceremoniell canonisiert, ihm zu Ehren stiftete man Orden, Feste und Feiertage, sein Name ist unsterblich, seine Erfindung unvergänglich!«[52]

Von Gambrinus sind zahllose Bilder, natürlich alle aus späterer Zeit erhalten, deren ältestes wohl das in Aventins Baierischer Chronik (Frankfurt a. M. 1580) enthaltene sein dürfte. In römischer Rittertracht, den einen Arm eingestemmt, hält der Brabanter in der Hand einen Helm mit einer Krone. Auf dem Haupt trägt er einen Ährenkranz. Links mähen Bauern Korn, rechts wird eine große Biertonne gewälzt. Der Hauptunterschied zwischen diesem ältesten und den späteren Darstellungen besteht in der dem Gambrinus zugewiesenen Kleidung, denn fast alle diese bilden ihn in einem nur leise an die vlämische Rittertracht erinnerndem Phantasiekostüm, in der Hand den Pokal voll schäumenden Bieres ab. Unter dem ältesten Bild befinden sich folgende Verse, die der Geschichtsschreiber des Bieres, Dr. Grässe, dem Herausgeber der Aventinschen Chronik, Nicolaus Cisner, zuschreibt.

Gambrivius, genannt der Gämpffer,Ein kühner Held und starker Kämpffer,Gleich wie er geboren von Edlem BlutHatt er ein Adelichen Mut,Er war gantz streng vnd ernst von Sitten,Kein Unricht ward bei ihm gelitten,Alle Freffel er gar kleinlich strafft,Die Frauen schützt und Frieden schafft,Wie wol man nicht beschrieben sind,Wo er vnd nachmals seine Kind,Nach ihm regiert han vnd geherrscht,So hat man dennoch das erforscht,Daß im Tornacher Stifft ein Statt,Gambrv[53] von jm den Namen hat.Darbey man wol abnemmen kann,Daß er daselbst regiert muß han.Er hat aus Gersten Malz gemachtVnd das Bierbräuen erst erdacht.Wie er solches von OsiridaGelehrnet hat, vnd von Isida.[54]Vnd hatt gelebt der Kämpffer Kuhn,Wie die Historie zeigen thun,Da Belocho dem zehend KönigAssyrien war unterthänig.

Natürlich fehlte es auch dem Biere nicht an Feinden; denn wo die Menschen an etwas Freuden haben, finden sich sofort die Nörgler ein, die alles aufbieten, mit ihrem Geifer diese Freude zu vergällen. Im ersten Jahrtausend nach Christi Geburt predigte schon der verbissene Preußenapostel, der heilige Adalbert, gegen das Bier; 1039 verhängte Bischof Severus den Bann über alle Bierwirte und so geht es weiter. Ein Scribent, der 1515 in Erfurt ein Büchlein »De generibus obriosorum et ebrietate vitanda« herausgab, schreibt, daß in Polen, Rußland, Lithauen, Lievland, Masovien, Preußen, Pommern, Rügen, Stettin und der Mark Brandenburg das Bier Eingang gefunden hätte, besonders aber in Sachsen. »In diesen Gegenden