Geyer und das Obererzgebirge in Sage und Geschichte - Grohmann, Max; Lungwitz, Hermann - kostenlos E-Book

Geyer und das Obererzgebirge in Sage und Geschichte E-Book

Max, Hermann, Grohmann, Lungwitz

0,0
0,00 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gratis E-Book downloaden und überzeugen wie bequem das Lesen mit Legimi ist.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 375

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



The Project Gutenberg EBook of Geyer und das Obererzgebirge in Sage undGeschichte, by Max Grohmann and Hermann LungwitzThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.org/licenseTitle: Geyer und das Obererzgebirge in Sage und GeschichteAuthor: Max Grohmann        Hermann LungwitzRelease Date: August 28, 2016 [EBook #52916]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK GEYER UND DAS OBERERZGEBIRGE ***Produced by The Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net (This file was produced from imagesgenerously made available by SLUB: SächsischeLandesbibliothek - Staats - und UniversitätsbibliothekDresden at http://www.slub-dresden.de )

Anmerkungen zur Transkription

Das Original ist in Fraktur gesetzt.

Im Original in Fraktur gesetzter Text ist so ausgezeichnet.

Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet.

Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.

Geyer und das Obererzgebirge

Das Obererzgebirge.

Heimatkundliche Geschichtsbilder

für

Haus und Schule

von

Max Grohmann,

Schuldirektor.

Zweite veränderte und erweiterte Auflage.

Annaberg 1900. Graser'sche Buchhandlung (Richard Liesche). Verlag.

Geyer

Geyer.

Heimatkundliche Geschichtsbilder

für

Haus und Schule

von

H. Lungwitz,

Oberlehrer.

Geyer. Buchhandlung von Otto Stopp.

Inhaltsverzeichnis.

Geyer:

1. Gründung und Wappen der Stadt Geyer.2. Die große Glocke in Geyer.3. Hieronymus Lotter.4. Geyer während des 30jährigen Krieges.5. Salzburger Emigranten ziehen durch Geyer.6. Evan Evans, der erste Baumwollspinner Sachsens.7. Die Binge auf dem Geyersberge bei Geyer.8. Das Steinkreuz auf dem Ziegelsberg in Geyer.9. Sage: Die Geyerschen Stadtpfeifer werden vom Greifenstein beschenkt.10. Kurzer Abriß der Geschichte des Rittergutes Geyersberg.

Das Obererzgebirge:

Erster Abschnitt: Die Landschaft des Obererzgebirges.Zweiter Abschnitt: Das Volkstum des Obererzgebirges.Dritter Abschnitt: Die Besiedelung des Obererzgebirges.Vierter Abschnitt: Die Kriegszeiten des Obererzgebirges.Fünfter Abschnitt: Das Wirtschaftsleben des Obererzgebirges.

Ausführliches Inhaltsverzeichnis befindet sich am Schlusse des Buches.

1. Gründung und Wappen der Stadt Geyer.

Zweifellos ist die alte Bergstadt Geyer nach den Geiern benannt worden, jenen Raubvögeln, die früher in dem waldreichen Erzgebirge häufig nisteten. Die Sage schreibt ihnen die Veranlassung zur Gründung der Stadt zu. Sie berichtet:

»Einst hatten Geier dem Hühnerhofe des Rittergutes Tannenberg argen Schaden zugefügt. Da bestieg der geschädigte Edelmann sein Jagdroß, um den Raubvögeln nachzuspüren. Das Gestrüpp der bewaldeten Höhe hinderte ihn am weiteren Vordringen; er band daher sein Pferd an einen Baum, schritt zu Fuß weiter und fand den Horst der Geier auf, zerstörte das Nest und erlegte auch die alten Vögel. Als er zu seinem Rosse zurückkam, hatte es mit seinen Hufen Zinnstein entblößt. Der Edelmann steckte einige Erzstücke zu sich, zeigte sie Kundigen, und auf deren Anraten schlug man an dieser Fundstelle ein. So wurde der Geyersberg fündig. Es geschah dies zu Anfang des 14. Jahrhunderts.«

So entstand das Bergwerk im Geyersberge, dessen Größe wir noch erkennen und bewundern, wenn wir am Rande der gewaltigen Binge stehen, welche durch den Einsturz dieses Bergwerkes entstanden ist.

Die Bergleute siedelten sich im Thale des Geyerbaches am Fuße des Berges an, und immer mehr zogen herzu. Es bildete sich nach und nach eine Stadt. Diese wurde Geyer genannt, weil Geier die Entdeckung des Erzes und somit die Gründung der Stadt veranlaßt hatten.

Eine andere Überlieferung sagt, im Neste der Geier seien Zinngraupen gewesen, das habe die Bergleute angeregt, in der Nähe zu schürfen, und so seien die Erzschätze entdeckt worden.

So verdankt die Stadt Geyer der Sage nach Gründung und Namen den Geiern. Der Name der Stadt ließe sich jedoch auch erklären, wenn jene Gründungssagen nicht auf Wahrheit beruhten. Manche Stadt ist nach einem nahen Berge benannt worden, man denke an Scheibenberg oder Schneeberg. Geyer liegt an einem Berge, der früher mit undurchdringlichem Waldgestrüpp und Felsblöcken bedeckt war, sodaß er einen Zufluchtsort für die Geier bot und darum wohl schon in ältester Zeit »der Geyersberg« genannt wurde. Geyer kann demnach den Namen auch von dem nahen Geyersberge erhalten haben.

Da nun die Stadt Geyer ihren Namen, wenn nicht sogar ihre Entstehung, den Geiern verdankt, führt sie diese Vögel auch in ihrem Wappen. Drei Geierköpfe sind darauf zu sehen. Leider wissen wir nicht genau, wie das Stadtwappen von Geyer ursprünglich aussah. In der Handschrift von Tschran (1775 beendet) heißt es:

»Was das Wappen der Stadt anlanget, so ist darüber kein Document ausfindig zu machen. Am Rathause befindet sich das Stadtwappen, nach alter Bildhauer- und Wappenart in Stein gehauen, welches 3 Geyersköpfe in einem besonderen Schilde hat, darüber ein offener Helm mit 3 Spriegeln, und darauf ein Geyer befindlich, unter demselben aber die Jahreszahl 1496 in Mönchsschrift stehet.«

Das hier geschilderte Wappen ist noch erhalten, freilich arg beschädigt. Der Verfasser dieses Abschnittes giebt auf der Bildertafel die Zeichnung davon. Er hat darauf die fehlenden Teile ergänzt, soweit sich ihre einstige Gestalt aus den Resten erkennen ließ. Es fehlten das oberste Stück des Wappens mit dem Kopfe des Geiers auf dem Helme, sowie fast alle Verzierungen um Helm und Schild. Gut erhalten ist der Stein mit der Jahreszahl: Anno dm (= domini) MCCCCXCVI.

Im Jahre 1496, zur Zeit der Gründung Annabergs, hat demnach Geyer schon ein großes Rathaus besessen. Dasselbe ist aber 1844 durch ein neues ersetzt worden, wobei das Wappen entfernt wurde. Es steht zu erwarten, daß dieses nächstens wieder vervollständigt und an einen ihm gebührenden Platz gebracht wird. Noch ist zu erkennen, daß das Wappen vergoldet war und blauen Grund hatte.

Tschran berichtet weiter, daß in der Hauptkirche über dem Ratschore ein hölzernes Wappen in verändertem Aussehen angebracht gewesen sei. Leider konnten wir dieses nicht ausfindig machen. Es wird folgendermaßen beschrieben:

»Im Schilde siehet man einen viereckigten Thurm im blauen Felde, mit offnem Thore, daran ein Schild mit 3 Geyersköpfen hängt. Der Helm darüber ist offen, mit einer goldnen Crone, und oben darauf ein Rittelgeyer befindlich.«

Auch das größere und kleinere Stadtsiegel, sowie das Bergamtsiegel werden geschildert. Aus ersterem hat sich fast ohne Veränderung das heutige Stadtwappen entwickelt. (Siehe die Bildertafel!) Die Farben sind folgendermaßen angegeben: Der Turm im blauen Felde ist rötlich. Auf jeder Seite stehen sieben goldene Sterne. Das Dach ist schieferfarben und trägt zwei goldene Knöpfe mit Fähnlein. Der Schild ist silbern und zeigt drei Geierköpfe in ihrer natürlichen Farbe.

Das Wappen von Geyer ist außerdem noch auf dem sogenannten Dreilagensteine zu finden. Dieser ist ein uralter Grenzstein. Auf ihm sieht man das Wappen von Geyer, das des Abtes von Grünhain und dasjenige der Herren von Schönburg. Das Wappen von Geyer besteht darauf nur aus drei Geierköpfen.

Albert Major.

2. Die große Glocke in Geyer.

Schon in früher Morgenstunde nach der Nacht, in welcher Kunz von Kaufungen die Prinzen geraubt hatte, begann die allgemeine Verfolgung der Räuber. Da erklang auch vom Turm der Niklaskirche zu Geyer die große Glocke, laut das geschehene Unheil kündend. Die Glocke zersprang. Urban, der Neffe von Georg Schmidt, welcher zu dieser Zeit in Geyer anwesend war, teilte bei seiner Rückkehr seinem Oheim das Ereignis mit.

»Im Walde dort wert Cunz ertapt,Da wollt he Beeren naschen«

berichtet der uralte Berg-Reihen weiter. Der Kurfürst aber ließ später aus Dankbarkeit gegen Gott für die glückliche Errettung seiner Söhne auf seine Kosten die große Glocke in Geyer umgießen. Ungefähr in dieser Weise wird in der landläufigen Art bei der Erzählung des Prinzenraubes der Geyerschen Glocke gedacht.

Zunächst muß festgestellt werden, daß weder die Nikolaikirche, noch die bald nach dem Prinzenraub umgegossene Glocke zur Zeit noch vorhanden sind. Die große Nikolaikirche, welche östlich von der Stadt, links von der Ehrenfriedersdorferstraße – die Pflugschar durchschneidet jetzt das Land – stand, wird bereits 1491 urkundlich als nicht mehr vorhanden bezeichnet, wahrscheinlich war sie durch Brand zerstört worden. Bezüglich des Glockengusses fehlen allerdings gleichzeitige Nachrichten; auch ist in dem bekannten Manifest, welches der Kurfürst am Jakobitage (26. Juli) 1455 erließ, vom Glockenläuten nicht die Rede. Peter Albinus ist der älteste bekannte Chronist, der den Prinzenraub ausführlich erzählt, und er sagt in seiner Neuen Meißnischen Chronik (1580): »Es haben sich die Hofleute nicht gesäumet, sondern von Stund an in alle Gegenden geschickt und sind zum Teil selbst ausgeritten, den Sturmschlag in allen Städten und Dörfern angehen lassen, daß also das ganze Land rege wurde.« Albinus, als geborner Schneeberger, kannte die Gebräuche des Erzgebirges; er wird wohl nicht ohne Grund vom Sturmläuten berichtet haben.

Das wichtigste Zeugnis giebt uns der um die Geschichtsforschung in Geyer so hochverdiente Pastor Blüher, der der Prinzenglocke eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat und der den Umguß der Glocke auf Kosten des Kurfürsten für wahr hält. Nach demselben waren auf der einen Seite der Glocke die Bildnisse der beiden jungen Fürsten angebracht, auf der andern Seite sah man Kunz auf der Erde liegend und das Pferd am Zügel haltend, daneben den Fürsten Albrecht und den Köhler. Oben um die Glocke stand der Vers:

Filios Curt abripiebat Saxonis: ErgoRedditionem hoc aes Christiparae memorat.

und unten:

Aufugiente Ducum plagiario rupta, sed AlmiEnsiferi sumtu sum reparata Patris.A. MCCCCLVI.

Blüher hat beide Distichen in folgender Übersetzung wiedergegeben:

Kurt entführte die fürstlichen Prinzen, die himmlische Jungfrau –Diese Glocke bezeugt's – gab sie uns gnädig zurück.Ob des fliehenden Räubers der Prinzen laut stürmend zersprang ich,Doch aus fürstlichem Schatz ward ich wieder verjüngt.

Im Jahre 1580 besichtigte Herzog Albrecht die Prinzenglocke. Sie wurde nach der Zerstörung der St. Niklaskirche im Turme der Lorenzkirche aufgehängt. Die Freude über die schöne Glocke ist nicht von langer Dauer gewesen, schon 1535 ist sie abermals zersprungen. Der Umguß der neuen großen Glocke hat im Jahre 1539 stattgefunden, ob mit Beisteuer Heinrichs des Frommen, wie vermutet wird, ist nicht erwiesen, er geschah jedoch unzweifelhaft in der berühmten Hilligerschen Gießhütte in Freiberg. Die große Glocke ist 1,60 m hoch, ihr Durchmesser beträgt 1,80 m, ihr Ton gilt allgemein als ausgezeichnet. In dem breiten Laubwerkfries, das sie umgiebt, sind kleine Medaillons angebracht, die Karl V., Ferdinand I. nebst Gemahlinnen etc. darstellen. Vorzüglich gelungen ist das Rundbildnis Heinrichs des Frommen, wovon wir auf der Bildertafel eine Abbildung bringen. Außerdem ist noch der Bibelspruch Johannes 3: Also hat Gott die Welt etc. und die Jahreszahl 1539 auf der Glocke angebracht. Die Angaben über die Schwere der Glocke sind schwankend, ein Glockengießer versicherte mir, daß sie über 100 Zentner wiegen müsse. Sei dem, wie ihm wolle, die Geyersche Gemeinde hängt mit großer Liebe an ihrer Glocke. Dies zeigte sich besonders im Jahre 1839, als die dreihundertjährige Geburtstagsfeier derselben feierlich begangen wurde. Und noch heute ruft der eherne Mund der großen Prinzenglocke die Gemeinde zum Gotteshause und begleitet mit ihrem Schwunge des Lebens wechselvolle Stunden!

Hermann Lungwitz.

3. Hieronymus Lotter.

Von den Bildern, welche die Brüstung der Empore der St. Annenkirche in Annaberg zieren, trug das 28. Bild, Kains Brudermord darstellend, die Inschrift der Stifter »Michael Lotter und Barbara, dessen Ehefrau«. Dies waren die Eltern des berühmten kurfürstlichen Baumeisters Hieronymus Lotter. Michael Lotter war mit seiner Familie 1509 von Nürnberg nach dem rasch emporblühenden Annaberg eingewandert und hatte es hier durch seine Rührigkeit zu Ansehen und Wohlstand gebracht, sodaß ihm seine Mitbürger das Amt eines Bürgermeisters übertrugen. Sein Sohn Hieronymus hatte sich dem Baufach gewidmet und Leipzig als Schauplatz seiner Thätigkeit gewählt. Hier baute er das Kornhaus auf dem Brühl, das Badstubenhaus am Ranstädter Thor, erhöhte den Nikolaikirchturm und versah ihn mit einer Wächterwohnung, brach das alte Rathaus ab und vollendete den Neubau bis zur Bewohnbarkeit innerhalb 9 Monaten. Fremde Kaufleute, die zur Ostermesse den Anfang des Neubaues mit angesehen hatten, waren, als sie zur Michaelismesse wiederkehrten, »mit Verwunderung über so unverhofften Fortgang fast erstarret«. Kurfürst Moritz übertrug dem Baumeister Lotter, die Pleißenburg als Schloß und Festungsbau neu herzustellen. Sein Nachfolger, Kurfürst Vater August, ehrte seinen Baumeister auch dadurch, daß er, so oft er in Leipzig allein oder in Begleitung seiner Gemahlin erschien, in Lotters Behausung abstieg. Die Leipziger Bürger wählten den hervorragenden Baumeister zu ihrem Bürgermeister.

Mit dem Jahre 1560 finden wir Hieronymus Lotter in der Bergstadt Geyer. Er kaufte den Preußerhof, einen mit »Gerichten über Hals und Hand« versehenen Freihof. Der Freihof stand an der Stelle, an welcher sich die frühere Bürgerschule, die jetzige Posamentenfabrik des Herrn Hermann Dietzsch, befindet. Später erwarb Lotter das Rittergut Geyersberg mit etlichen nahestehenden Bürgerhäusern, die er zum Teil abtrug, als er sein Wohnhaus von Grund aus neu aufführte. Dieses Wohnhaus steht heute noch und befindet sich im Besitz des Herrn C. M. Schürer. Überhaupt begann mit Lotter in Geyer ein neues Leben. Durch seine Kunstfertigkeit zur Baulust angeregt, ließ der Rat die beiden damals vorhandenen Brauhäuser und den Rathausturm neu herstellen, den Wachtturm mit einer Türmerwohnung und mit Glocken versehen. Letztere waren besonders dazu bestimmt, die Bergleute nach achtstündiger Schicht zum Gebet und zur Arbeit zu rufen. Lotter unterhielt allein 300 Bergleute; denn er besaß den größten Teil des Geyerschen Zinnbergbaues nebst 8 Pochwerken, die teils in der Stadt, teils am Greifenbache lagen.

Wie in Leipzig, so war auch auf dem Lotterhofe, so hieß das Rittergut von nun an, der Kurfürst nebst Gemahlin, so oft sie im Gebirge weilten, Lotters Gast. Hier im kleinen Schreibstüblein suchte Kurfürst August seinen Baumeister zu bestimmen, ihm auf dem Schellenberge ein Schloß, die spätere Augustusburg, zu erbauen. Als ob Lotter geahnt hätte, wie viel Beschwerlichkeit, Kümmernis und Undank gerade dieser Bau ihm einbringen werde, ging er anfangs nicht auf den Plan ein, sondern schob sein hohes Alter – er stand damals in seinem 69. Lebensjahre – vor. Erst durch die Kurfürstin ließ Lotter sich bestimmen, ihrem Herrn und Gemahl die Bitte nicht abzuschlagen.

Lotter hat den größten und schwierigsten Bau seines Lebens nicht vollendet. Es wurde ihm die schmerzliche Demütigung, daß man den Bau kurz vor seiner Vollendung dem Grafen Rochus von Linar übertrug. Dem ungeduldigen und äußerst sparsamen Kurfürsten ging der Bau zu langsam und verschlang zu große Summen. Dazu mag noch gekommen sein, daß Neider dem Kurfürsten ins Ohr flüsterten, Lotter bereichere sich an den Baugeldern, während es doch Thatsache ist, daß er von der kurfürstlichen Kasse 15 000 Gulden zu fordern hatte, die ihm nie ausgezahlt worden sind, und ferner Thatsache ist, daß der reiche Leipziger Bürgermeister und Bauherr wenige Jahre nach der Vollendung der Augustusburg ein armer Mann war.

Tiefgekränkt zog sich Lotter auf seinen Geyersbergischen Hof zurück. Aber auch hier erwartete ihn wenig Freude. Die bergmännischen Unternehmungen waren mißglückt, die Seinigen drängten ihn um Herausgabe des Erbes, kurz, der 82jährige Greis sah nur trübe Tage. Am 24. Juli 1580 legte er sein müdes Haupt für immer zur Ruhe. Auf dem Altarplatz der St. Lorenzkirche zu Geyer ist Lotter begraben worden.

Und heute!

Eine der schönsten Straßen Geyers führt nach dem kurfürstlichen Baumeister den Namen: Hieronymus Lotter-Straße. Am 8. Oktober 1893 brachte der Verein der Leipziger Architekten an Lotters Sterbehause, das ist das von ihm erbaute Wohnhaus des Rittergutes, eine Gedenktafel an, welche folgende Inschrift trägt:

In diesem Hause starb Leipzigs großer Baumeister Hieronymus Lotter im 83. Lebensjahre 1580. Dem alten Meister zu seinem Gedächtnis Leipzigs Architekten 1893.

Hermann Lungwitz.

4. Geyer während des dreißigjährigen Krieges.

Mit dem Jahre 1632 begann der dreißigjährige Krieg auch seine Schrecknisse in unser sächsisches Erzgebirge zu verbreiten. Während die kurfürstlichen Truppen in der Lausitz und in Schlesien standen, sandte der kaiserliche Feldherr Wallenstein den General Holk mit seinen raub- und blutgierigen Banden über Eger und Neudeck ab, um das sächsische Land für die Verbindung seines Fürsten mit den Schweden zu strafen. Alles auf das Wildeste verheerend, breiteten sie sich im August des Jahres 1632 von Schneeberg durch den sogenannten Grund kommend auch in der Umgegend von Annaberg aus. Das Geyersche Rittergut wurde in dieser Zeit zweimal ausgeplündert und alles Vieh hinweggetrieben; drei Jahre lang, nämlich bis zum Jahre 1635, mußte es in wüstem Zustande und die Felder unbestellt bleiben. Ludwig Lotter, der damalige Besitzer des Gutes und Enkel des großen kurfürstlichen Baumeisters und Bürgermeisters zu Leipzig, Hieronymus Lotter, ward – wie späterhin seine Erben in ihrem Belehnungsgesuch vom 31. August 1649 dem Kurfürsten klagen – auf seinem Rittergute öfter »mit unerhörten Schlägen traktiert, mit Stricken um Kopf und Hals gelegt gerädelt und so henkermäßig gepeinigt, daß sein Leben mehr als einmal nur an einem Faden hing«.

Fehlen auch leider die genaueren Zeitangaben jener Erlebnisse, so hat man doch besondere Nachrichten über die Schicksale der Stadt in diesen schrecklichen Zeiten, welche zur Aufhellung und Bestätigung des obigen mitgeteilt zu werden verdienen.

Als General Holk im August 1632, um sich den Paß nach Böhmen zu erhalten, Schwarzenberg durch den Hauptmann Ullersdorf mit seinen Kroaten hatte besetzen lassen, schickte sie dieser in der Umgegend weit und breit zu Kriegsforderungen, Brandschatzungen und Plünderungen aus. Die Orte, welche das geforderte Geld nicht brachten oder aus Armut nicht bringen konnten, ließ er pfänden, Vieh und Menschen wegführen, jenes wurde wieder verhandelt oder nach Böhmen getrieben, die gefangenen Personen aber bis zur Erlangung eines stattlichen Lösegeldes behalten. So verfuhr man zu Hermannsdorf, Thum, Ehrenfriedersdorf u. s. w., so auch zu Geyer. Hier fielen die Kroaten am 23. August 1633 ein, brandschatzten und plünderten noch überdies, wobei sie große Grausamkeiten verübten. Ein zweiundachtzigjähriger Greis, der Zehntner Elias Hammann, mußte viel Schläge und Martern erdulden; der Viertelsmeister Puzscher ward vor seiner Hausthüre erschossen. Ein gleicher Überfall erfolgte am 25. November. Bereits war die Stadt bei den Durchmärschen total ausplündert und die Bewohner zu entfliehen genötigt worden, sodaß Geyer fast wüste stand und nichts liefern konnte. Doch hatte Hauptmann Ullersdorf durch seinen Schreiber Samuel Metzler ausgekundschaftet, wenn die Entflohenen in ihre Wohnungen zurückkehrten. So ließ er am 25. November früh 7 Uhr eine Abteilung Kroaten in Geyer einfallen und 3 Personen gefänglich wegführen, den Stadtrichter Georg Klauß, den Pfarrer Johann Andrä (einen Flüchtling aus Kaden) und einen schottischen Bergherrn Paul Northofen, ließ sie nach Schwarzenberg bringen, um für erstere beide 1000 Thaler Lösegeld zu erpressen, letzteren aber, weil er auf einen über Kroaten gesetzten Leutnant geschossen haben sollte, mit einem schmählichen Tod bedrohen. Der Pfarrer löste sich mit Geld und Geschmeide von 400 Thaler an Wert, die beiden anderen wurden gerettet durch sächsische Truppen, die unter Oberst von Taube über Chemnitz anrückten, in Verbindung mit dem in Zwickau liegenden Bosenschen Regimente das Schwarzenberger Schloß eroberten und die Besatzung nebst ihrem Kommandanten Ullersdorf gefangen nahmen. Dies geschah am 4. Dezember 1633.

Die Taubeschen und Bosenschen Regimenter besetzten nun auch die hiesige Umgegend, in Annaberg blieben bis August 1634 4 Kompanien Reiter unter Oberst Bodenhausen. Doch dauerten die feindlichen Streifzüge von Böhmen aus fort, und endlich, nach dem Sieg bei Nördlingen über die Schweden, erhielten die Kaiserlichen völlig die Oberhand in unserm Gebirge, während die sächsischen Truppen sich auf Zschopau zurückziehen mußten. Namentlich wiederholte der kaiserliche Oberstleutnant Schütz von Schützky seinen schon im Mai versuchten Einfall am 28. September, wobei er Annaberg und Umgebung mit unbarmherzigen Brandschatzungen und Plünderungen heimsuchte, bis er, den Hauptmann Kurt Reinicke von Kallenberg mit 30 Reitern zurücklassend, den 14. Oktober nach Zwickau abzog. Dieser Hauptmann ließ Geyer von der angedrohten Plünderung mit 230 Thaler loskaufen und nachher dennoch plündern. Am 27. Oktober erfolgte der Durchmarsch des kaiserlichen Obersten Schönickel, der, mit 5000 Mann auf seinem Rückzuge von Zwickau über Annaberg nach Böhmen begriffen, in Geyer den Stadtrichter wegführen ließ und erst freigab, als die Stadt ihn mit 37 Thaler eingelöst hatte. Diese letztere Nachricht fand sich in einer hiesigen Gemeinderechnung; wie viel Not und Jammer aber dabei verbreitet worden, läßt sich vermuten, wenn man weiß, daß Schönickel, obwohl Chemnitzer von Geburt, doch fern von aller Schonung gegen sein Vaterland war und durch Viehraub, Plünderung, Sengen und Brennen (namentlich bei Zwickau, wo man eines Tages 15 Schadenfeuer zugleich sah) Furcht und Schrecken verbreitete.

Die heißersehnte Ruhe von solchem Ungemach trat für unser Gebirge und das ganze Land erst ein, als der Kurfürst am 24. Juni 1635 Friede mit dem Kaiser schloß und sich somit von den Schweden trennte.

Über die Zeit vom 24. August 1632 bis 25. Juni 1635 bemerkt erwähnte Gemeinderechnung: »An Kontribution, Brandschatzung u. s. w. habe Geyer 2973 Thaler 4 Neugroschen 6 Pfennige aufbringen müssen, außer 200 Stück Rindvieh, das kleine ungerechnet, 24 Pferde, 4 Gebräude Bier, die zunichte gemacht worden.« Zwei Männer und eine Frau seien niedergemacht worden, und wie viele verwundet oder des Ihrigen beraubt worden, sei gar nicht zu ermessen.

Neue Drangsale brachte das Jahr 1639, als die Schweden unter General Baner das Erzgebirge heimsuchten, um mit unmenschlicher Grausamkeit Rache an den Bewohnern für des Kurfürsten Verbindung mit dem Kaiser zu nehmen. Aber auch die kaiserlichen Scharen, die bald als Verfolgende, bald als Verfolgte erschienen, verfuhren nicht viel milder. Damals erlangte Geyer wenigstens bei den schwedischen Truppen Schonung durch den hiesigen Pfarrer Hollenhagen, der denselben, wenn sie einbrechen wollten, entgegen zu reiten pflegte und mit seiner Fürbitte für die Gemeinde um so leichter Gehör fand, da er früher schwedischer Feldprediger gewesen war. Bei Annäherung der Kaiserlichen verbarg er sich mit der Gemeinde im Walde. Nach einer andern Geschichtsquelle wird erzählt, daß dann die Frauen aus Furcht vor dem Feinde auf Bäumen Platz genommen hätten und hier Zäckchen u. s. w. gefertigt hätten. Ein Zeichen, daß auch schon zur Zeit des dreißigjährigen Krieges die Frauen von Geyer durch Handarbeit zum Erlangen des täglichen Brotes beitrugen.

Als die Kaiserlichen von der Saale her durch das Erzgebirge gegen die in Schlesien vordringenden Schweden zogen und die Durchzüge seit Anfang des Februars 4 Monate lang dauerten, waren die Einwohner (wie ein Zeitgenosse, der Scheibenberger Pfarrer Lehmann, in seiner Kriegschronik erzählt) genötigt, von Haus und Hof zu fliehen, wenn sie nicht den übertriebenen Forderungen genügen wollten oder konnten, nämlich sich von Plünderung loskaufen, Salvegarde lösen, Proviant liefern, Wege bessern, Vorspann leisten u. s. w. Bei ihrer Rückkehr fanden die Geflüchteten dann gewöhnlich ihre Häuser niedergebrannt oder ausgeplündert, die Mobilien zerschlagen, die Kirchen erbrochen und für Stallung der Pferde benutzt, die Feldfrüchte teils abgeweidet, teils abgemäht und weggebracht. Menschen und Vieh, wo sich dergleichen treffen ließ, ward mit fortgenommen, ganze Dörfer wurden wüste, so Jahnsbach, Schönfeld, Tannenberg.

Auch Geyer muß damals einen erbarmungswerten Anblick gewährt haben, sagt P. Blüher in seinen Aufzeichnungen, und fährt derselbe in seiner Beschreibung der Stadt, allerdings vor den Bränden in den Jahren 1854, 1862 und 1863 fort:

Wer vom alten Schießhausplatz aus über die Schützenhofgasse herab durch die Badergasse an der Marktschmiede vorüber bis zum Bergamtshaus ging, der sah zur Linken und vom Bergamtshause bis zur Tannenberger Grenze zu seiner Rechten eine fast ununterbrochene Reihe in Asche liegender Häuser und außerdem waren 8 Brandstätten in der Zinngasse, in der Gegend, in welcher sich der große, freie Platz der ersten aufsteigenden Straße gegenüber sich befindet. Noch im Jahre 1661 zählte man 118 Brandstätten und nur 83 bewohnte Häuser.

Der Friedensschluß, welcher den dreißigjährigen, unerhörten Trübsalen ein Ziel setzte, erfolgte am 14. Oktober 1648 zu Osnabrück. Ganz Deutschland erlangte dadurch die heißersehnte Ruhe. Das Friedensfest wurde zwischen Kaiserlichen und Schweden im großen Saale des Rathauses zu Nürnberg gefeiert. Während die Abgesandten in der hochgewölbten, glänzend erleuchteten Halle ein Fest abhielten, waren für die Armen der Stadt zwei Ochsen geschlachtet und viel Brot ausgeteilt worden, und aus einem Löwenrachen lief sechs Stunden lang weißer und roter Wein herab. Aus einem größeren Löwenrachen waren dreißig Jahre lang im ganzen deutschen Reich Blut und Thränen geflossen!

Hermann Lungwitz.

5. Salzburger Emigranten ziehen durch Geyer.

Als im Jahre 1732 der Erzbischof von Salzburg, Leopold Anton, Graf von Firmian, die religiöse Unduldsamkeit bis auf das Äußerste trieb, wanderten 30 000 friedfertige, arbeitsame Protestanten aus und fanden in dem Lande des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen gastliche Aufnahme. Auf verschiedenen Wegen zogen die Emigranten ihrer neuen Heimat zu, und so geschah es auch, daß ein Trupp Emigranten seinen Weg durch Geyer nahm. Anfangs wollte der Kommissar Balzig die Vertriebenen nicht durch unsere Stadt führen, da dieselbe sich zu dieser Zeit infolge des Niederganges des Bergbaues in mißlichen Verhältnissen befand. Doch, berichtet eine im Besitz des königlich sächsischen Altertumsvereins befindliche Handschrift, gab sich der damalige Geyersche Stadtrichter Neubert selbst die Mühe, am 5. August 1732 nach Zwönitz zu schicken, wo die Vertriebenen ihr Nachtlager hätten und sich den Durchzug von ihnen auszubitten. Als die Bürger Geyers dieses hörten, wurden sie ungemein erfreut, daß sie das Glück genießen sollten, den Salzburgern Gutes zu erweisen. Sie machten sich daraufhin für den kommenden Tag bereit, dieselben mit möglicher Liebe aufzunehmen. Die Schule, der Prediger, der ganze Rat und die Bürgerschaft gingen ihnen entgegen und empfingen sie mit einer Rede. Sie führten die Vertriebenen bei vollem Geläute in die Stadt, wobei dieselben bewegliche Lieder sangen und auf dem Markte Betstunde hielten; verlesen wurde Jerem. Kap. 51, welches von Babels Zerstörung handelt. Nach der Beendigung des Gottesdienstes verschwanden gleichsam die Emigranten, denn die Einwohner nahmen sie in der größten Geschwindigkeit mit sich, daß man auch für Geld keinen mehr bekommen konnte. Der Priester der Stadt war ein wenig abgetreten, um einen kranken Salzburger mit Trost aufzurichten. Er hätte gewiß leer ausgehen müssen, wenn sich nicht der Kommissar über ihn erbarmet und ihm zu zwei Personen geholfen hätte. Nach eingenommenem Mittagsmahle fing man wieder an, mit der großen und weitberühmten Glocke zu läuten. Darauf versammelten sich unsere Emigranten und man führte sie ebenso aus der Stadt, wie man sie eingeholet hatte. Die Abschiedsrede gründete sich auf Offenbarung St. Johannis 2, 10. Dies alles schrieb man in die Kirchenmatricul, damit es zum ewigen Andenken beibehalten würde. Sonntags darauf sammelte man auch hier die Kollekte, welche man in Sachsen für die Salzburger zusammengelegt hatte, sie betrug 19 Thaler 7 Groschen; vorher war keine Kollekte so reichlich, so lange Geyer gestanden hat. Die Emigranten zogen von hier aus nach Wolkenstein weiter.

Hermann Lungwitz.

6. Evan Evans, der erste Baumwollspinner Sachsens.

Unter den Prunkgeräten aus den früheren herzoglichen Schlössern, welche im Museum zu Braunschweig aufbewahrt werden, findet sich auch ein schmuckloses Spinnrad, das von Georg Jürgens, einem Braunschweiger, gefertigt sein soll, der zur Zeit Luthers das Spinnrad erfand und damit die seit Jahrtausenden zum Spinnen dienende Spindel außer Gebrauch setzte. Geyer hätte ebenfalls Ursache, eine Maschinenspindel im Rathaus aufzuhängen, denn Evan Evans, ein Geyerscher Bürger, war es, der das Spinnrad durch das Einführen des Maschinenspinnens in Sachsen verdrängte. Die Maschinenspinnerei ist eine englische Erfindung. Man schreibt sie gewöhnlich Richard Arkwright zu; doch haben spätere Nachforschungen ergeben, daß er wohl ein großer Verbesserer, aber nicht der Urerfinder des Maschinenspinnens gewesen ist. In Sachsen waren in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts kleine Handmaschinen von 10 bis 20 Spulen zum Spinnen der Baumwolle in Gebrauch. Gegen Ende desselben führte Karl Friedrich Bernhard das englische Spinnereisystem in Sachsen ein. Seine Maschinen waren Mulemaschinen; sie wurden in einem dazu errichteten Gebäude in Harthau bei Chemnitz durch einen Engländer, Namens Watson, aufgestellt. Da er aber als bloßer Maschinenbauer die Maschinen nicht in Gang zu bringen wußte, namentlich, wird erzählt, die Trommelschnur nicht aufzuziehen verstand, so wurde ein englischer Spinner, Evan Evans, aus England herübergerufen, der auch alsbald auf den Maschinen Garn spann. Der Vater des sächsischen Maschinenspinnens, besonders der Baumwollspinnerei, ist Evan Evans. Er ist 1765 in New-Wales in England geboren und kam im März 1802 auf erhaltene Veranlassung aus Manchester nach Sachsen. Nachdem er sich in Harthau als Spinnmeister bewährt hatte, ging er nach Dittersdorf, um sich mit Maschinenbauen zu beschäftigen. Mit dem Jahre 1809 siedelte er nach Geyer über und legte drei Jahre später den Grund zu seiner eigenen großen Fabrik im benachbarten Siebenhöfen. Evans zeichnete sich als Erfinder auf dem Gebiete des Maschinenspinnens aus und wurde auch als solcher wiederholt von der sächsischen Regierung ausgezeichnet. Er fertigte die Maschinen für eine Menge neu entstehender Fabriken in Erfenschlag, Wolkenburg, Wegefahrt, Mühlau, Lugau, Plaue, Schlettau etc., auch für viele kleinere Werkstätten im Erzgebirge und im Vogtland, sowie in und um Chemnitz. Evan Evans ist am 9. Dezember 1844 in einem Alter von 79 Jahren gestorben und liegt auf dem Friedhofe bei der Hauptkirche in Geyer begraben. Die Saat aber, die der von groß und klein hochgeachtete Bürger von Geyer gesät hat, grünt und blüht heute noch fort, denn am Geyersbach, der der Zschopau zufließt, hat er seine erste Spinnerei gegründet und längs des Zschopauflusses haben sich die größten Spinnereien des Sachsenlandes angesiedelt.

Hermann Lungwitz.

7. Die Binge auf dem Geyersberge bei Geyer.

Einst hätten, so erzählt die Sage, Geier dem Hühnerhof des Rittergutes Tannenberg argen Schaden zugefügt. Da bestieg der geschädigte Edelmann sein Jagdroß, um den Raubvögeln nachzuspüren. Das Gestrüpp auf der bewaldeten Höhe hinderte ihn am weiteren Vordringen, er band daher sein Pferd an einen Baum, schritt zu Fuß weiter und fand den Horst der Rittelgeier auf, er zerstörte denselben, ebenso gelang es ihm, die alten Vögel zu erlegen. Als er zu seinem Roß zurückkam, hatte es mit seinen Hufen Zwitter und Zinngraupen entblößt. Der Edelmann steckte das Erz zu sich, zeigte es Kundigen und auf deren Anraten schlug man auf derselben Stelle ein. So wurde der Geyersberg fündig. Es geschah dies nach Tschrans Vermutung zu Anfange des 14. Jahrhunderts. Die Ansiedelung aber, welche sich wegen der schon früher aufgefundenen reichen Silber- und Kupfererze in dem Thale gebildet hatte, bekam nach den Raubvögeln den Namen Geyer, und noch heute führt diese Stadt drei Geierköpfe im Wappen.

Die Ausbeute des Geyersberges scheint eine sehr reiche gewesen zu sein, sind doch aus den Gruben nach einer vom Bergamt zu Freiberg gemachten Zusammenstellung von der Auffindung bis zum Jahre 1845 (die Ausbeute nach diesem Jahre ist ohne Belang) im ganzen rund 72 600 Zentner Zinn gefördert worden, die einen Wert von 7 bis 8 Millionen Mark darstellen. Das Werk im Geyersberg wurde Zwitterstockwerk genannt. Unter Zwitter verstand der Bergmann den Zinnstein, ein dem Gneise verwandtes oder mit ihm durch Übergänge verknüpftes Gestein, hauptsächlich aus eisenschüssigen Quarzen, mit Chlorit, Arsenkies und Zinnstein gemengt. Der Zinnstein in Gängen wurde zuweilen, wie Charpentier berichtet, so reich befunden, daß drei Zentner Zinnerz zwei Zentner Zinn beim Schmelzen gaben. Mit dem Bergbau im Geyersberg ist die Geschichte der Stadt auf das Innigste verknüpft, kein Wunder, daß auch die Sage die Erwerbsquelle umrankt wie der Epheu das verfallene Bergschloß. Es berichtet eine alte Handschrift, auf dem Geyersberge hätte sich ein Paar Raben aufgehalten, welche durch ihren hohen oder niederen Flug Anzeichen von einer bevorstehenden Veränderung gaben, bestünde dieselbe entweder in der kommenden teuren Zeit oder auch in einem Unfalle, welcher dem Bergmann im Schoße der Erde zustieße. Das Rabenpaar habe nie ein anderes neben sich geduldet, selbst die eigenen Jungen habe es, sobald der Hafer begann, gegen den Schuß hin gelb zu werden, mit Schnabelhieben davongetrieben. Ob sie auch im Herbst 1704 ein Anzeichen gaben, darüber schweigt die erwähnte Handschrift, wohl aber geschah es, »daß eine große Wand oder Tagklippe niederging, durch welchen Bergfall viel Holz verstürzet und die Häuser im Geyer erschüttert worden, wie von einem Erdbeben«. Es mag eine furchtbare Erschütterung gewesen sein, als die möglicherweise mit nicht allzu großer Vorsicht angelegten Höhlen in sich zusammenbrachen, wodurch der große Tagebruch, die Binge, entstand. Schon nach der ersten Senkung muß die entstandene Vertiefung eine mächtige gewesen sein; denn als im Herbste 1773 der Kurfürst und spätere König Friedrich August sein durch die große Hungersnot heimgesuchtes Gebirge besuchte und auch am 7. September nach Geyer kam, zeigte man demselben den Geyersberg »und bezeugte Ihro Churfürstliche Durchlaucht nicht undeutlich Höchstdero Wohlgefallen an dessen grauen Altertume und Seltenheit«. Leider hatte es mit dem einen Zusammenbruch nicht sein Bewenden, denn der Hauptbruch erfolgte am 11. Mai 1803. Während die Grubenarbeiter bei dem Bruch von 1704 durch vorherige Anzeichen in den Gruben gewarnt und daher geflohen waren, wurden 1803 die beiden Bergleute Christian Gottlieb Schramm und Johann Gotthilf Zimmermann, welche nach der Senkung das Werk untersuchen wollten, ob weiterer Broterwerb möglich sei, verschüttet. Ihre Leichen ruhen noch jetzt im Schoße der Binge. In dem am Neujahrstage 1804 ausgetragenen Zettel klagt der Kirchner Hofmann:

Zum neuen Jahr sei neues Glück,Mein Geyer, dir beschieden;Vergiß das alte Mißgeschick –Nur Stückwerk ist's hienieden!
Der Geyersberg erzeugte zwarUns bittre Thränen-Tage,Und Teurung blieb im alten JahrDer Armen stete Klage.
Ja Kirche, Schule, Rat und Euch,Geliebte Bürger, schützeDer gute Gott, er segne EuchUnd sei der Knappschaft Stütze.

Obwohl der Betrieb des Bergbaues im Stockwerk vorläufig infolge weiterer Brüche eingestellt werden mußte, nahm man ihn später, wenn auch in geringerem Maße, wieder auf, bis mit dem Jahre 1855 das letzte Zinnschmelzen stattfand. Die Förderkosten belaufen sich zu hoch im Vergleich zum Preis des Zinnes, die reichen Gruben des Auslandes gaben zu große Ausbeute.

Etwas Unheimliches über den Geyersberg berichtet M. Metzler in seinen Totennachrichten von 1692. Da heißt es: Den 24. Novembris starb Gregor Schneider, ein Kärner, welchem ein Spectrum am Geyersberge unter die Augen gespeiet, daß ihm das ganze Angesicht verbrannt und das eine Auge durch die Nasen ausgeschworen ist.

Heutzutage fürchtet man kein Gespenst mehr am Geyersberge; die Binge ist vielmehr ein von nah und fern gern besuchter Ausflugspunkt in unserem Erzgebirge. Nachdem der Wanderer sich an der köstlichen Fernsicht geweidet hat, schaut er in die grausige Tiefe; das Werk, welches fleißige Hände im Laufe von Jahrhunderten schufen, ist zusammengestürzt. Da sieht man noch Spuren von früheren Förder- und Abbaugängen, von Strecken etc. Die große Binge ist 70 m tief, gegen 200 m lang und 160 m breit. Aus der Ferne gesehen, gleicht sie einem gewaltigen Krater, das dunkle Gestein ähnelt den Lavablöcken.

8. Das Steinkreuz auf dem Ziegelsberg in Geyer.

An Weichbildsgemarkungen, an Kreuzwegen, an Stadtthoren, vor Kirchthüren, auf Gemeindeplätzen, an Ackerrainen, auf früheren Richtstätten etc. findet man im Sachsenlande hier und da Steinkreuze errichtet, deren Zweck im allgemeinen war, die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen und die Erinnerung der Nachkommen festzuhalten. Kreuze stellte man in alten Zeiten auf Märkten, wo sonst Gericht gehalten wurde, auf zum Zeichen, daß ein jeder hier vor Unrecht und Gewalt gesichert sei und in Frieden wandeln könne, und zur Versicherung des königlichen Willens hing man in den Städten, welchen Weich- oder Stadtfriede gegeben war, des Königs Handschuh daran. Doch nicht allein auf der Stelle, wo der Markt oder Gerichtsplatz war, errichtete man derartige Kreuze, man setzte sie auch, soweit der Gerichtsbezirk des Ortes sich erstreckte; daraus entstanden die unter dem Namen Weichbilder bekannten Grenzsteine. Findet man jedoch an solchen Orten Kreuze, die auf nichts, was zum Amte der weltlichen Obrigkeit gehört, Beziehungen haben, jedoch außerhalb der gewöhnlichen Begräbnisstätten stehen, so sind sie zum Andenken oder zur Förderung der Seelenruhe gemordeter Personen von schuldigen, obgleich nicht vorsätzlichen Totschlägern, die ihre That dadurch mit verbüßen mußten, errichtet worden. Wenn ein Totschlag aus Zorn, Trunkenheit oder auf andere unvorsätzliche Weise erfolgt war, so schloß in alter Zeit der Mörder einen gerichtlichen Vergleich mit der Familie des Ermordeten ab, worin er derselben eine Summe Geldes zu entrichten gelobte, wogegen er das Versprechen erhielt, daß er wegen seiner That keine Verfolgung oder Rache zu fürchten haben solle. Oft mußte sich außerdem der Mörder noch zu einer kirchlichen Bußübung oder zur Errichtung eines Kreuzsteines verpflichten.

Nach Blühers Aufzeichnungen ist in Geyer ein solcher Fall vorgekommen. Im Jahre 1530 ward nämlich am Montag nach Michaelis von Balzer Bach in Gemeinschaft von seinen Geschwistern und nächsten Verwandten Bestimmung über 50 Gulden sogenanntes Blutgeld getroffen, welches sie zur Sühne ihres vor 15 Jahren ermordeten Bruders erhalten hatten. Ob von diesem Gelde auch ein Sühnekreuz errichtet oder ob es vollständig dem »Gestifte unserer lieben Frau« zugewendet wurde, läßt sich aus der beregten Quelle nicht ersehen. Ein Steinkreuz stand früher an der alten Zolltafel, wie sich wohl die ältesten Bewohner der Stadt Geyer erinnern können. Die Zolltafel war an der Ehrenfriedersdorfer Straße aufgestellt, da, wo jetzt rechts der Weg nach der Binge abbiegt.

Ein Sühnekreuz mag aber das im Sommer 1890 zufällig aufgefundene Steinkreuz auf der Verlängerung des Ziegelsberges sein. Wie kommt aber das Richtschwert hinzu, dessen Umrisse ganz deutlich auf der einen Seite des granitnen Kreuzes zu sehen sind? Auf der bekannten Dillichschen Federzeichnung der Stadt Geyer findet sich der Galgen zwar an dem Fußsteige, wo das Kreuz aufgefunden wurde, doch etwas weiter hinauf nach dem Schlegelswald zu. Da jedoch von einer Bebauung mit Häusern auf dem Ziegelsberg auf erwähnter Zeichnung noch keine Andeutung vorhanden ist, da ferner das Steinkreuz in einer vom Silberbergbau herrührenden Halde aufgefunden wurde, so schließt dies durchaus nicht aus, daß an der Fundstelle in Geyers frühester Zeit der Richtplatz zu suchen sei, und daß derselbe nur erst infolge des Bergbaues und der Bebauung des Ziegelsberges weiter dem Walde zu angelegt worden ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach stand vielmehr das Kreuz auf der alten Richtstätte; das darauf gemeißelte Richtschwert deutete an, daß der Mörder eigentlich an dieser Stelle sein Grab habe finden müssen; denn bekanntlich wurden in früheren Zeiten die Gerichteten an Ort und Stelle verscharrt.

Der hiesige Verschönerungsverein hat unter der Leitung des Herrn Kaufmann Max Päßler das alte Steinkreuz wieder aufrichten und im Grunde befestigen lassen. Es ist dies wohl das einzige in unserer Amtshauptmannschaft, wenigstens führt Dr. R. Steche in seiner »Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen«, viertes Heft, keins auf, während in anderen Amtshauptmannschaften verschiedene erwähnt werden und 1885 bei Ausgabe des Heftes noch das Geyersche nicht bloßgelegt war. Der Verschönerungsverein fühlt sich übrigens den beiden Herren Gustav Morgenstern und Karl Einenkel zum Dank verpflichtet, da ersterer das Kreuz, welches auf seinem Grund und Boden gefunden wurde, bereitwilligst dem Verein übergab und letzterer die Aufstellung auf seinem Eigentume gestattete.

Ein ähnliches Kreuz liegt umgestürzt und vergessen am Fußwege, welcher von der Ehrenfriedersdorfer Hauptstraße links von der Großschen Wirtschaft im Grunde des Greifenbaches abzweigt, einige hundert Schritte oberhalb des Röhrgrabens. Der rührige Verschönerungsverein unserer Nachbarstadt wird hoffentlich dieses Denkmal aus vergangenen Tagen vor Überackerung und Einsinken schützen.

Hermann Lungwitz.

9. Sage. Die Geyerschen Stadtpfeifer werden vom Greifenstein beschenkt.

Einst hatten die Geyerschen Stadtpfeifer den Tanzenden im Thumer Ratssaale bis tief in die Nacht hinein aufgespielt und traten, nachdem der Reigen geendet, den Heimweg über den Greifenstein an. Als sie in die Nähe der alten Felsen kamen, schien es ihnen, als ob dieselben in einem besonderen Lichte erglänzten. Ein Spielmann machte den Vorschlag, zu Ehren des Greifensteins eine muntere Weise zu blasen. Wie gesagt, so gethan. Beim Abstieg nach Geyer sahen die Stadtpfeifer im Scheine des Mondes große Zinnstufen am Wege liegen, sie meinten, der letzte heftige Gewitterregen habe sie ausgewaschen. Ohne Säumen hoben sie die Stufen auf und steckten sie in ihren Rucksack. Als die Frauen und Kinder am andern Morgen die Rucksäcke nach einem Wurstzipfel oder sonst einer Gabe durchsuchten, wurden sie die Stufen gewahr und brachten sie zum Schmelzmeister. Der erkannte sie als reines Silber und lohnte die Frauen reichlich. Nutzen hingegen habe die reiche Spende des Greifensteins den Stadtpfeifern nicht gebracht, es sei alles wieder durch die Musikantenkehle geflossen.

Hermann Lungwitz.

10. Kurzer Abriß der Geschichte des Rittergutes Geyersberg.

Bereits mit dem Jahre 1510 erscheint im Erbbuch der Stadt Geyer das Besitztum Kaspar Thieles als ein ansehnliches Gut aufgeführt. Nachdem das Gut im Jahre 1535 in den Besitz Christoph Schnees übergegangen war, ließ es derselbe mit Genehmigung des Herzogs Heinrich zu einem Ritterlehen oder sogenannten Freihof erheben, um es dadurch der Stadtobrigkeit zu entziehen. Überhaupt scheint Schnee infolge seines hochfahrenden und willkürlichen Wesens zu dem Stadtrat von Geyer in sehr gespanntem Verhältnis gestanden zu haben, was aus den vielen Streitigkeiten hervorgeht. Nach dem im Jahre 1556 erfolgten Tode Schnees gestalteten sich die Verhältnisse des Freihofs »aufm Geyer« insofern ungünstig, als der nunmehrige Besitzer desselben, Heinrich von Etzdorf, als Amtmann von Koburg genötigt war, einen Verwalter, Lorenz von Wolnitz, auf dem Gute einzusetzen, der so wenig Aufsicht führte, daß der Rat in einem Schreiben vom Jahre 1564 über die durch unvorsichtige Gebaren der Gutsinsassen verursachte Feuersgefahr sich beschwerte und zugleich das Gemeindekapital von 247 fl. kündigte. Darauf sahen sich Schnees Erben nach einem Käufer um, den sie im Jahre 1565 in dem kurfürstlichen Landbaumeister Hieronymus Lotter fanden. Unter Lotters Verwaltung erreichte nicht nur das Rittergut seine Blütezeit, sondern es begann überhaupt in Geyer ein neues Leben, da Lotter den größten Teil des Geyerschen Zinnbergbaues besaß, den er schwunghaft betrieb. Von ihm erhielt das Gut den Namen »Geyersbergscher Hof« oder »Rittergut Geyersberg«, wie er es auch durch kurfürstlichen Lehnbrief vom Jahre 1569 erlangte, daß dasselbe auch auf die weibliche Linie forterben durfte. Doch trotz aller Erfolge sollte er gegen Ende seines Lebend noch in eine recht traurige Lage geraten, da er bei seinem Landesfürsten in Ungnade fiel und durch unglückliche Unternehmungen sein ganzes Vermögen verlor. Nach vierjährigem Elende starb er 1580 und hinterließ seinen 3 Söhnen ein zerrüttetes Erbe. Sie verkauften das Gut nach achtjährigem Besitze an ihren Hauptgläubiger Philipp Bruck, und dieser überließ es bereits 1590 für 1300 fl. an Paul Tanner und dessen Schwägerin Anna Buchner, die bereits vorher den Zinnhandel und Bergbau um Geyer in ihre Hände gebracht hatten. Da aber seit dem Jahre 1599, in welchem der letzte Sohn Lotters gestorben war, die Enkel des alten Lotter wieder Erbansprüche auf das großväterliche Gut erhoben, so kam es zu einem recht langwierigen Streit zwischen ihnen und den Tannerschen und Buchnerschen Erben, woraus der häufige Wechsel der Besitzer des Geyersberges erklärlich wird. Es folgten nämlich auf die Anna Buchner im Jahre 1615 zunächst deren Erben bis 1617, dann Paul Tanner auf Neunhof, von welchem es im Jahre 1619 der Hauptmann und Bergrat Samson von Hohenwald in Preßnitz kaufte. Letzterer suchte besonders durch Bierbrauerei und Holzverkauf Nutzen aus dem Rittergute zu ziehen, obwohl er die Kaufsumme für das Gut nie erlegte, sondern nur ein Angeld von 600 fl. an Tanner entrichtet hatte. Inzwischen wußten die Enkel des alten Lotter durch kurfürstlichen Bescheid den Kauf des genannten Hohenwald rückgängig zu machen und verglichen sich bald darauf mit den Tannerschen und Buchnerschen Erben, sodaß das Rittergut samt Zinnbergwerk im Jahre 1627 in den Besitz Ludwig Lotters gegen Zahlung von 5000 fl. überging. Alle Bemühungen des neuen Besitzers um Hebung des arg vernachlässigten Gutes waren erfolglos in der Schreckenszeit des 30jährigen Krieges; denn zweimal wurde der Geyersberg geplündert, sodaß er 3 Jahre lang im wüsten Zustande blieb. Lotter selbst wurde öfter von den Feinden mißhandelt und gepeinigt. Als er kurz nach dem Friedensschlusse aus dem Leben schied, hatte der Besitz des Gutes so wenig Verlockendes für seine Erben, daß das Gut bereits 1652 an einen böhmischen Exulanten, Edeslaw von Stampach, verkauft wurde, der bereits das benachbarte Rittergut Tannenberg besaß. Er erlebte ruhigere Zeiten bis zu seinem Tode im Jahre 1666. Seine beiden Töchter verkaufen schon 1669 das väterliche Erbe an den Obersten Heinrich von Bünau für 1000 Mfl., welchem aber nur eine zehnmonatliche Verwaltung desselben beschieden war. Auch seine Erben, 2 Töchter, dachten bald wieder an Veräußerung des Gutes und verkauften es 1678 für 1200 Mfl. an den böhmischen Exulanten und damaligen Besitzer des Rittergutes Tannenberg, Felix Friedrich Hruschka von Briexen. Auch dieser konnte in 26jähriger Bewirtschaftung das Gut nicht heben, sondern hinterließ es bei seinem Tode 1704 in ganz verfallenem und trostlosem Zustande, sodaß seine 4 Töchter das Kaufgebot des Georg Erasmus von Hartitzsch in Lichtenberg bei Freiberg gern annahmen. Da aber das Gut mit großen Schulden belastet und in schwere Händel mit dem Stadtrat verflochten war, wurde von den Gläubigern und vom Rate Einspruch gegen den Kauf erhoben. So geschah es, daß Erasmus von Hartitzsch 1709 starb, ohne überhaupt in den Besitz des Geyersbergs gelangt zu sein. Erst der nächste Kauf des Oberstleutnants von Haß wurde rechtskräftig. Haß, »ein Ordnung und Frieden liebender Mann«, vermochte den Stadtrat zur Ausfertigung einer Urkunde über Gerechtsame und Grenzen des Rittergutes, in welcher als Zubehör desselben genannt werden: ein Brauhaus, ein Malzhaus, die 2 Türme der Kirchhofmauer und ein überbautes Erbbegräbnis mit Kirchenchor. Trotz eines Testamentes entstanden nach dem Tode des alten Haß 1736 Streitigkeiten unter den Erbberechtigten, wobei sich gelegentlich der Erörterungen über die eigentümlichen Verhältnisse des Gutes ergab, daß es seit 1602 auf Bitten der Anna Buchner in ein Erbgut – doch mit Vorbehalt der Lehensfolge – verwandelt, demnach unter dem Namen eines Erblehngutes fortgeführt worden sei. Das Gut ward nunmehr 1744 einem Erben des letzten Besitzers, dem Hauptmann von Reitzenstein, verlehnt. Unter seiner Verwaltung steigerte sich der Wert desselben dergestalt, daß er es im Jahre 1754 für 3700 Thaler an Julius Heinrich von Schütz auf Thum, Hauptmann der Ämter Stollberg, Wolkenstein, Lauterstein und Frauenstein, verkaufen konnte. Bald aber begannen die Leiden und Drangsale des 7jährigen Krieges, während dessen Stadt und Rittergut Geyer durch Einquartierung und Kontributionen stark litten. Amtshauptmann von Schütz starb in der Zeit, da der Notstand seine höchste Stufe erreicht hatte, Anfang des Jahres 1763. Seine Witwe verkaufte das Gut für 3400 Thaler an den Oberstleutnant Friedrich Theodor von Peterkowsky. Der neue Besitzer hatte noch unter den schweren Folgen des Krieges zu leiden, welche durch die Teurung und Hungersnot der Jahre 1771 und 1772 noch verschlimmert wurden. Als er 1781 starb, hinterließ er seinen Erben das Gut mit einer schweren Schuldenlast. Mit Mühe behaupteten sich die Erben 6 Jahre im Besitz, worauf Konkurs ausbrach. Bei der hierauf folgenden öffentlichen Versteigerung wurde es dem Posamentiermeister und Handelsmann Johann Georg Thierfelder aus Thum für 3520 Thaler zugesprochen. Er hätte es am liebsten bald wieder veräußert, wenn sich ein Käufer gefunden hätte. So aber bewirtschaftete er es bis zu seinem im Jahre 1813 erfolgten Tode. Erbin war seine einzige Tochter Frau Schulz, welche wieder schwerere Zeiten erlebte, infolge deren sie Teile ihres Grundstückes an den Tannenberger Rittergutsbesitzer, Kaufmann Hänel in Annaberg, verkaufte. Unter ihrem Sohne und Nachfolger Friedrich August Schulz gingen die mit dem Lehngute von jeher verbundenen Ober- und Niedergerichte auf den Staat