Die Höhe des Gefühls Ein Akt - Brod, Max - kostenlos E-Book

Die Höhe des Gefühls Ein Akt E-Book

Brod, Max

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The Project Gutenberg EBook of Die Höhe des Gefühls, by Max BrodThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Die Höhe des Gefühls       Ein AktAuthor: Max BrodRelease Date: September 21, 2014 [EBook #46919]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HÖHE DES GEFÜHLS ***Produced by Jens Sadowski

MAX BROD

DIE HÖHEDES GEFÜHLSEIN AKT

KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG

BÜCHEREI »DER JÜNGSTE TAG« BAND 57 GEDRUCKT BEI DIETSCH & BRÜCKNER IN WEIMAR

Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. — Das Recht der Aufführung ist zu erwerben durch die Vereinigten Bühnenvertriebe des Drei Masken — Georg Müller — Kurt Wolff Verlages, Berlin W 30

WALTER BRUNO ILTZDEM AUSGEZEICHNETEN DARSTELLER DESOROSMIN GEWIDMET

Geschrieben 1911 Erster Druck 1913

PERSONEN

Orosmin, ein edler Jüngling Klügrian, Kunstreich, Maler, Orosmins Freunde Der Schenkwirt Seine Tochter Marie Drei Herren, die nichts zu tun haben Ein Klavierspieler Hofmarschall Zwei livrierte Diener Vorübergehende Leute

Die Szene ist in einem Wirtshaus »zum halbgoldenen Stern«, in beliebiger Zeit und Stadt.

(Gedeckte schattige Veranda vor dem Wirtshaus, eine weinumrankte Gatterwand mit rotbraunen Stangen schließt gegen das Freie ab. In der Mitte der Wand öffnet sich der breite Eingang, von dem mehrere Stufen auf den belebten und sonnigen Platz einer großen Stadt hinabführen. Viele Menschen gehen vorbei. Gebäude, Gassen, Reklamesäulen . . . Rechts und links von der Türe je ein gedeckter Tisch. Links in der Ecke ein altes Klavier. Über der Türe Symbol und Name des Wirtshauses. An dem Tisch rechts spielen drei Herren, die nichts zu tun haben, in Hemdsärmeln Karten. Es ist ein heißer Nachmittag im Sommer.)

OROSMIN (erscheint auf dem Platz, er wendet sich um, ersteigt dann geradeaus mit großen Schritten die Stufen, auf der obersten bleibt er wieder stehn, halb dem Platz zurückgewendet, von der Sonne noch beschienen, an der Grenze des Schattens, — er nimmt seinen kleinen Strohhut vom Kopf und streckt die Hand, in der er ihn hält, weit aus, wie veranlaßt durch ein tiefes Einatmen, in ruhiger Begeisterung. Dann läßt er sie, gleichsam ausatmend, sinken, der Hut berührt mit Geräusch sein Knie, das er vorgebogen hat. Die drei Herren blicken auf.)

EINER VON IHNEN (bewundert Orosmin):

Ein Prachtkerl! — (Sie spielen weiter.)

OROSMIN (hat sie nicht gehört. Er tritt ein, indem er grüßend den Kopf gegen den leeren Tisch links neigt . . . Er nimmt einen Sessel neben dem Eingang und setzt sich so, daß er den Platz im Auge behält. Er spricht mit harmonischer Stimme, langem Atem, nicht leise):

Jetzt bin ich konzentriert. Hier! — Ich überblicke von hier aus den Platz, ich sehe die Gasse, die den Eingang zu ihrem Haus enthält. Es kann mir also nicht entgehn, wenn die Liebe aus dem Haus tritt. Ich werde ihre Schritte verfolgen können, mit denen sie sich mir nähert. Ich weiß es — denn es ist schon einigemal geschehn —, daß sie an jenem Brunnen noch jenseits des Gedränges zum erstenmal sich umschaun wird, um mich zu suchen und um auch auszuforschen, ob kein Störenfried in der Nähe ist. Ob sie heute kommen wird? Es ist nicht sicher. Uns halten so viele Hindernisse voneinander weg. Oft besucht man sie gerade, wenn sie schon mit erhobenen Händen zu mir läuft. Oft verlangt die Mutter schnelle Botengänge, der Vater von ihr, sie solle mit ihrer ausgezeichneten Schrift eine Nota kopieren. Nur eines ist gewiß. Sie liebt mich ebenso innig und treu wie ich sie liebe. Ihr Herz kennt keine Verstellung, keinen Verrat. Mutwillig läßt sie mich nicht warten, und wenn ich manchmal spät abends ungetaner Dinge von hier wegschleichen muß, so weiß ich, es geschieht wider ihren Willen mit derselben Kraft wie gegen den meinen . . . Oh, welch ein Glück ist solch eine gegenseitig erwiderte Leidenschaft!

(Pause. Die Kartenspieler lachen über einen Zwischenfall in ihrer Partie. Der Wirt und seine Tochter kommen von rechts, wo das Wirtshauszimmer und die Küche gedacht sind.)

DER WIRT:

Marie, hier ist er schon wieder . . .

MARIE:

Wer? Der schöne junge Herr mit den rötlichbraunen Augen?

DER WIRT:

Derselbige. Er kommt nur deinethalb, ganz gewiß . . .

MARIE:

Wenn es wahr wäre! . . . Aber es ist gewiß nicht wahr . . .

DER WIRT:

Was denn? Was sonst hätte er hier zu schaffen? . . . Seit einer Woche versitzt er jeden Nachmittag da, ganz allein . . . Meinst du, er ist verrückt? Sieht so ein Verrückter aus?

MARIE (senkt den Kopf):

Nein, das meine ich nicht.

DER WIRT:

Also sei heute einmal freundlich zu ihm, du wirst sehn, daß ich mich nicht täusche.

MARIE (läuft davon, obwohl der Wirt sie am Ärmel festhalten will. Er schüttelt den Kopf und stellt selbst das Glas Wein auf Orosmins Tisch.)

OROSMIN (aufgeschreckt):

. . . Nicht nur den Platz, ich sehe bis in ihre Wohnung. Was mag sie jetzt machen? . . . Sie kleidet sich schon an, um zu mir herunterzukommen, vielleicht nimmt sie gerade aus dem Spiegelschrank jenen Florentiner Hut, der immer so gelbe, wasserhelle Tönung über ihre rosa Wangen legt, und mit zarter Hand bringt sie seine Flächen, die sie zurückbiegt, in ein kleines Schaukeln . . . O komm doch, meine Freundin, es liegt nichts daran, laß den Hut verbogen, dir paßt ja alles . . . Sie ist eitel, ja, sie ist ein wenig eitel . . . (Er lacht leise, für sich.) . . . Man sieht es auch an ihrer sorgfältigen Schrift, nie wird sie einen ihrer mädchenhaften Schnörkel vergessen . . . (er zieht einen Brief hervor und küßt ihn. Sein Mund scheint von dem Papier angezogen, denn wie er das Papier wieder in die Tasche stecken will, folgt sein Gesicht ein Stückchen dieser Bewegung und reißt sich erst in ziemlicher Neigung los) . . . Ich habe es mir nie vorstellen können, daß es solch eine Lust ist, verliebt zu sein. Sonst pflegte ich verdrießlich, nachdenklich, zerstreut, sorgenvoll von meinen Büchern, meinen gemalten Tafeln aufzustehn. Was kümmern mich jetzt die Bücher, die Farben und die Linien . . . Hier dieser Platz, diese Gegend ist alles, was zu meiner Seele spricht. Hier bin ich bei mir, zu Hause, in meiner eigensten Laune, die durch nichts erklärt und verursacht wird als durch Dinge, die nur mich angehn und die nur ich verstehn kann. Ich bin stolz darauf, ich bin in einer Stimmung voll von Großartigkeit . . . Schöne Häuser! Schönes Gesumm und Lärmen! Schönes Fenster, das ihre! (Er streichelt den Tisch, das Weinglas, die Weinranken, in die er die Hände taucht wie in Wasser.) Schönes Glas, wie wohltuend bist du gearbeitet! Schöne Blumen! O großes überreiches Herz! . . . Ein Wahnsinn, davon zu reden. Und doch treibt es mich, mein Glück mitzuteilen, mich mit aller Welt zu verständigen, wenn es geht . . . Wie reizend ist dieser Nachmittag, dieser Himmel über uns . . . Ich werde vielleicht diese Herren fragen, sie nehmen es mir wohl nicht übel . . .(Er will gerade aufstehn, da tritt der Wirt an seinen Tisch und grüßt.)

DER WIRT:

Einen guten Tag wünsch ich . . .

OROSMIN (sieht ihn lange an, lächelnd, voll Freundlichkeit):

Sagen Sie es mir, lieber Herr . . . waren Sie einmal verliebt? Kennen Sie dieses Gefühl?

DER WIRT:

No ja . . . Man war auch einmal jung.

OROSMIN (gütig, doch ohne sich etwas zu vergeben, ohne lächerlich zu erscheinen):