Der Dienst helfender Engel - Joy Snell - E-Book

Der Dienst helfender Engel E-Book

Joy Snell

0,0

Beschreibung

Erlebnisse einer, mit dem Charisma der Hellsicht beschenkten, Krankenschwester... Joé (Joy) Snell wirkte im ausgehenden 19. Jahrhundert in London als Krankenschwester, später als private Pflegekraft. Die, zu Zeiten des britischen Empire, um 1860/65 in Indien geborene, in Nordirland aufgewachsene und in England tätige, Autorin war, dank besonderer, ihr verliehener Begnadung, zur außersinnlichen Wahrnehmung befähigt; durfte und konnte Dinge schauen, die, für gewöhnlich, Menschen verborgen bleiben. In stetig wachsendem Maße ihrer seelischen Reifung steigerte sich dies bis hin zur Begegnung mit Jenseitigen, die sie für sich in der Regel "Engel" nannte, sowie zu Reisen in astrale Gefilde, in welche sie zumeist von ihrem weiblichen Schutzgeist mitgenommen wurde. Dadurch erlebte sie, aus eigenem Augenschein, dass Hilfeleistungen "von drüben" nicht nur diesseits "der Schwelle" gewährt werden, sondern im Jenseits ihre benötigte Fortsetzung, zur Entwicklung der Seelen, finden. Ein spirituelles Vermächtnis wahren Wissens; gesammelt vermittels persönlicher Erfahrungen - weitergegeben durch eine jahrzehntelang im Pflegebereich arbeitende, leidgewohnte Frau mit entsprechend spezieller Beobachtungs- und Einfühlungsgabe im selbstlosen Dienst am Nächsten. Ergänzt wird ihr Werk durch einen Anhang, der dem nachforschenden Leser diverse nützliche, informative und interessante Hinweise zum Text, in kurz gefassten Anmerkungen des Übersetzers/Bearbeiters, liefert.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 263

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bildnachweis:

Cover: Screenshot / “Mystic Healing Forest” (Music & Ambience)

S. 3, S. → und →: Screenshot / “Skyrim” (Music & Ambience)

Im Text:

S. →: Foto: Dorset Street, Spitalfields (1902); Wikipedia

S. →: Screenshot aus dem Film “Son of God”

Alle anderen Bilder: Eigene Fotos

‘·” V7

Inhaltsverzeichnis

Einleitung zur deutschen Neufassung

Rev. Arthur Chambers über Engel

Vorwort der Verfasserin

1 - Kindheit und Jugend

2 - Vaters Tod

3 - Jahre der Verzweiflung

4 - Meine Berufung

5 - Schicksalsboten am Krankenlager

6 - Zeugin an Sterbebetten

7 - Liebevoller Empfang

8 - Heimkehr

9 - Hilfsdienste einer jenseitigen “Heilerin”

10 - Liebe über den Tod hinaus

11 - Übersinnliche Wahrnehmungen

12 - Das behinderte Mädchen

13 - Der wahre Seelenkern

14 - Die beste Freundin

15 - Protektion und Führung “von Oben”

16 - Freudiges Wiedersehen

17 - Himmelsreisen und Belehrungen

18 - Eine Exkursion ans Meer

19 - Inspirationen

20 - Jenseitige Missionsarbeit

21 - Bewährung und Lohn

22 - “Arme Seelen”

23 - Aufrichtige Reue

24 - Wege aus der Finsternis

25 - In den Höfen des Lichts

26 - “Drüben”, bei meinem Mentor

27 - Der Ehrwürdige

28 - Vertrauen in Gott

29 - Begründeter Trost

30 - Morgendämmerung

Nachruf von Professor Haraldur Nielsson

Anmerkungen des Überarbeiters

Kontaktinformation

Weitere Werke

Leseprobe “Sphärenwanderer”

Einleitung zur deutschen Neufassung

Unter Verwendung der englischen Ausgabe von John Hardaker, weiters Kessingers Legacy Reprints, sowie der gelegentlichen Hinzuziehung der bereits existierenden deutschen Übersetzung aus dem Jahre 1960 des Schweizers Eduard Umbeck (1869 - 1971), war es meine Absicht, eine neue, revidierte Erarbeitung zu schaffen, welche akribisch genau vorging, wenn dies vonnöten war (insbesondere immer dann, wenn es um die Begegnungen Joy Snells mit der Überwelt ging), aber auch einfühlsam, lebendig, durchdacht und abrundend (das heißt gegebenenfalls sich über eine “sklavische” Bindung an das englische Original hinwegsetzend) den Inhalt wiedergab, so mir das berichtete Geschehen, in welches ich mich jeweils hineinzuversetzen pflegte, um es mit jeder Faser zu verstehen, den Raum dafür anbot, respektive gar gebot.

Wenngleich der Originaltitel “The Ministry of Angels - Here and Beyond” mit “Der Dienst der Engel / diesseits und jenseits” richtig wiedergegeben wäre, habe ich diesen, aus Gründen der Präzision, welche im Verlaufe des Buches deutlich werden, etwas abgewandelt.

Die vorgefundene Einteilung in dreißig Kapitel habe ich aufgegriffen und durch Überschriften ergänzt; zudem sind nun im Text bisweilen bezeichnete Anmerkungen zu finden, welche, im Sinne von kurzen, prägnanten Hintergrundinformationen und Erklärungen, für den interessierten Leser in einem entsprechenden Anhang nachgefügt wurden und somit eine Erweiterung zum bisherigen Umfang bedeuten.

Mir erscheint Joy Snells Erfahrungsbericht aus mehreren Gründen als etwas Besonderes:

Die Autorin übte über zwanzig Jahre den Beruf einer professionellen Krankenschwester und Pflegekraft aus, was ihren Beobachtungen, so finde ich, ein zusätzliches Gewicht verleiht.

Sie wurde, von Kindheit an, langsam immer tiefer in die Begegnung mit der Überwelt hineingeführt; vom Gefühl einer Protektion, über das Hören und Sehen, bis hin zu jenseitigen Reisen. Mit “beiden Beinen fest auf uns diesseitigem Boden stehend”, schuf sie eine solide Brücke zwischen den Welten, wurde zur integren Gewährsperson für die uns verschlossenen Einblicke nach “drüben”.

Obwohl Joy Snell zweifelsohne ihr Leben an der Liebe zu Jesus Christus ausrichtete, sind ihre Aussagen aber immer völlig frei von kirchlicher Doktrin oder konfessioneller Bindung, so dass sich der Leser leicht mit dieser erfrischenden Spiritualität, wie sie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von englischem Boden ausgegangen ist, identifizieren kann.

Der tiefer nach den Sinnfragen des Lebens Suchende braucht solche Ermunterung; einen Born begründeter Hoffnung und gesicherten Glaubens! Dieses Buch wird dem sensiblen Betroffenen im Angesicht nahenden Todes, sowie Sterbebegleitende, beziehungsweise Hinterbliebene von Verstorbenen, eine wertvolle Hilfe darstellen, die über Jahrzehnte verwachsene Identifikation des Ich-Bewusstseins mit dem physischen Körper aufzuweichen und sich als inkarnierte - unsterbliche - Seelen wieder zu entdecken!

Obwohl dieses Juwel der Jenseitskenntnis nun schon über einhundert Jahre alt ist (Erstveröffentlichung: London, April 1918), bleibt dessen Botschaft für uns absolut zeitlos, genauso aktuell und segensreich wie damals..!

Dieses Buch sollte daher - meine Empfehlung - auf jeder Palliativstation, in jedem Hospiz zu finden sein; im Besonderen widme ich es meiner Mutter – einer aufopferungsvollen Seele...

Uwe Laubach

Altmorschen, im Oktober 2022

Rev. Arthur Chambers über Engel (...in der Heiligen Schrift)

“...Siehe, ich verkünde euch eine gute Botschaft großer Freude..!” [1]

Jeder gläubige Christ, dem die Aussagen der Bibel und die Belehrungen des Gottessohnes in den Evangelien vertraut sind, wird die Tatsache eines Wirkens der Engel für uns Erdbewohner anerkennen. Dieses naturgemäße Glied der Vermittlung zwischen den Angelegenheiten Gottes und der Menschen, welches insbesondere auch unter den Umständen des irdischen Lebens Jesu wichtig war, ist ein wesentlicher Bestandteil der christlichen Religion und mithin untrennbar mit ihr verbunden.

Für viele Christen allerdings, scheint das Verständnis dieser begeisternden Wahrheit nur eher ein göttliches Konzept und Relikt der Vergangenheit zu sein! Sie glauben wohl (und wären recht verärgert, jemand würde ihnen dieses abstreiten), dass Engel bei der Geburt des Heilandes anwesend waren [2], ihm nach der Versuchung und den vierzig Tagen in der Wüste dienten [3], im Garten Gethsemane, sowie auch während seines ganzen qualvollen Weges bis ans Kreuz, nicht fehlten und bereit gewesen wären einzugreifen [4]; sie glauben, dass Engel bei Jesu Auferstehung den Verschlussstein zur Seite räumten [5] und kennen auch noch viele weitere Beispiele aus der Schrift hierzu... Zum Beispiel, wie ein Engel Gottes den Apostel Simon Petrus aus der Gefangensetzung durch König Herodes befreite, nachdem jener Jakobus Boanerges, den Sohn des Zebedäus, mit dem Schwert hingerichtet hatte [6]. Weiters lesen wir im letzten Bibelbuch, der “Offenbarung”, wie ein Bote des Himmels der Anbetung durch den ergriffenen, im Exil auf Patmos lebenden, hochbetagten Apostel Johannes mit dem gegebenen Hinweis wehrte, doch nur ein loyaler Mitarbeiter im Werke Gottes zu sein [7]; und wir haben, bezüglich der Hilfe aus jenseitiger Welt, den Bericht, dass Moses und Elija, als schon vor vielen Jahrhunderten der Erde Verstorbene, während Jesu Umgestaltung auf dem im Neuen Testament erwähnten Berge in Galiläa, recht lebendig zu sehen und zu hören waren [8]...

Da solches jedoch schon vor sehr langer Zeit geschah, werden diese Feststellungen, in der Regel, als von nur geringem Wert, beziehungsweise zumindest ohne praktischen Nutzen für den aufgeklärten Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, betrachtet.

So kommt es, dass der durchschnittliche Gottesdienstbesucher singen mag:

“Engel Jesu, Engel des Lichts,singen, zur Begrüßung,die Pilger der Nacht!” [9],

aber kritisch, an dessen Geisteszustand zweifelnd, auf jemanden schaut, welcher bezeugte in heutiger Zeit einen Boten aus uns transzendentem Reich gesehen oder gehört zu haben. Im Hinblick auf jene oder andere, deren Vorstellungen zu diesem Thema bestenfalls als indifferent und nebulös zu bezeichnen sind (was auch immer sie selbst behaupten mögen), wird Joy Snells Erlebnisschatz und ihre daraus resultierenden Aufzeichnungen, so denke ich, viel Gutes bewirken!

Als Prämisse, im Allgemeinen akzeptiert, scheint dabei die Philosophie und durchaus begründete Annahme absolut berechtigt (besser gesagt: allein völlig wahr und richtig), dass es “mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere (sehr beschränkte) Schulweisheit sich träumen lässt” [10]; weiters, dass, in Bezug auf die spirituellen Wirklichkeiten, die Worte im “Gloria Patri”:

“Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist - wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit” [11]

weit mehr, denn man es gemeinhin für möglich halten wollte, ein nur zu unterstreichender Wahrheitsgehalt zugrunde liegt, so dass also folglich der Dienst der Engel in der Gegenwart nicht weniger angenommen werden sollte, als zu der Zeit der Bibelbuch-Schreiber!

Gott existiert und wirkt heute - wie auch vor Zeiten, wie er auch in Zukunft wirken wird..!

Gewisslich bleibt weder der aufgeschlossene, noch selbst der vorsichtige Leser (dieser einfachen und trotzdem so eindrucksvoll geschriebenen Geschichte einer persönlichen Erfahrung) zurückgelassen, ohne eine vollständigere Vorstellung von der Liebe und Fülle der Fürsorge All-Vater-Gottes gegenüber seinen Geschöpfen auf Erden, sowie eine umfangreichere Sicht auf die Möglichkeiten unserer Existenz gewonnen zu haben.

Trost und Inspiration erwächst dem Menschen der Moderne, gespeist aus zahlreichen auf uns überkommenen, dies gewährenden Quellen, so dass wir leichter fortschreiten können -über eine uns erziehende, eingeschränkte Lebensdauer im Physischen - einem besseren und erfüllteren Leben, in feineren, höheren Sphären entgegen.

Dabei sind wir nicht unbeaufsichtigt oder ohne Schutz und Beistand verlassen, sondern stehen, ob uns nun sichtbar oder unsichtbar, unter Behütung spiritueller Helfer Gottes, die “zu seiner Freude wirken” [12]..!

Reverend Arthur Chambers (1853 - 1918);

Vikar von Brockenhurst, Hampshire, England

Vorwort der Verfasserin

Dieses kleine Buch zeichnet uns ein Bild vom Wirken himmlischer Wesen [1] auf Erden und vom Leben in den Sphären jenseits der uns irdisch gebundenen Menschen bekannten Existenz, so, wie es eine Frau [2] erleben und erfahren durfte.

Es gelangte zur Niederschrift, weil die Autorin durch Engel, sowie menschliche Jenseitsbürger [1], darüber unterrichtet wurde, dass sie ihre seltenen psychischen Gaben - das heißt zu sehen und zu hören, was dem ganz überwiegenden Anteil der Menschheit (wohl bewusst) verborgen und nicht erlaubt ist, bis der Tod sie aus ihrer beschränkten Schau entlässt - genau aus diesem Grunde für dieses Erdenleben verliehen bekam, nämlich, das ihr Gezeigte und Enthüllte an andere, dafür offene Menschen, weitergeben zu können.

Nun soll dieser wahre, authentische Bericht in der ernsten Hoffnung ausgesandt sein, mancher dafür bereiten Seele unter den Millionen vieler Länder, welche angstvoll mit dem Unabänderlichen konfrontiert sind [3] oder, wurde die Pforte des Todes bereits durchschritten, als Hinterbliebene ihre verstorbenen Angehörigen betrauern, einen kraftvollen, weil verbürgten und zuverlässigen, Trost zu vermitteln.

Joy Snell

1 - Kindheit und Jugend

Im Verlaufe meines Lebens habe ich viele Erfahrungen mit der Überwelt machen dürfen, die, entsprechend meinem wachsenden Verständnis, mit den Jahren immer näher kamen und intensiver wurden.

Ich begriff später sehr schnell, dass diese Dinge, welche ich sehen und hören konnte, für gewöhnlich, irdisch-menschlichen Augen und Ohren verborgen blieben!

Meine Kindheit verbrachte ich, zusammen mit meinem zwei Jahre älteren Bruder, bei Tante Frances [1] im Norden Irlands, da unser Vater, ein Offizier der britischen Armee, in Indien, Englands bedeutendster Kolonie, stationiert war.

Das erste außergewöhnliche, wundersame Erlebnis stammt aus einer Zeit, da ich erst zwölf Jahre alt gewesen war. [2]

Wenn ich an damals zurückdenke, so begannen meine Kontakte, mit der Welt jenseits des uns Erdenmenschen Bekannten und Gewohnten, für mich allerdings zunächst beängstigend...

< Ich erwachte in jener besagten Nacht und fand den Raum, in dem ich schlief, hell erleuchtet vor, wie mit dem Sonnenlicht eines Sommertages durchflutet! Die Luft war erfüllt von einem köstlichen Wohlgeruch, einem Duft, wie er allein lebendigen, auserlesenen Blumen zu eigen ist - allerdings von ganz ungewöhnlicher Intensität und einer irgendwie beglückenden Ausströmung, welche kein mir bekanntes, künstlich hergestelltes, Parfüm je hätte entfalten können!

Konsterniert hatte ich dies kaum realisiert, hörte ich ein luftverdrängendes Schwingen, wie es etwa durch das Schlagen vieler mächtiger Flügel entstünde. Zu meiner völligen Verblüffung erschienen plötzlich (während ihr zuvor hörbares Engels-Geleit für mich unsichtbar blieb [3]), mitten in meinem Zimmer, zwei Lichtgestalten - eine männliche und eine weibliche! Beide waren in strahlend weiße Roben gekleidet; um ihre Köpfe indes leuchtete eine Aureole sanften Glanzes. [4]

Bedingt durch den visuellen und akustischen Vorspann hielt sich mein Schrecken in Grenzen, als der Unbekannte seine Hand ausstreckte und das Wort ergriff:“Mein Kind, fürchte Dich nicht! Gesegnet bist Du - wir werden Dich, wenn die Zeit dafür reif sein wird, mit Gnadengeschenken zurüsten, denn Du sollst für viele eine Quelle des wahren Trostes werden..!”

Er lächelte mir dabei aufmunternd zu - was gut war, denn ich konnte die tiefere Bedeutung seiner Verheißung noch nicht verstehen.

Die Frau ergänzte, mir zudem eine unausgesprochene Frage beantwortend:

“Du wirst vielleicht rätseln und Dich verwundernwerwir sind - und doch ahnst Du es bereits...” Sie wies mit einer sparsamen Geste in Richtung ihres Begleiters: “Siehe, dies ist der Erlöser der Welt - und ich bin seine irdische Mutter gewesen.”

Mein eben noch schlaftrunkener Verstand erfrischte sich schlagartig: Das waren Jesus und Maria..!

Unser Heiland erschien mir als ein Mann mit gepflegtem Vollbart und langem, bis etwas unter die Schultern fallendem, rötlichbraunem Haar. Seine Gesichtszüge ähnelten durchaus denen der traditionellen Vorstellung über ihn, wie sie im Verlaufe der Jahrhunderte, in Bild und Skulptur, Gestalt gefunden hatten. Jedoch zeigten die meisten dieser, den Herrn eher sorgenvoll, leidend, fast schwermütig; während das Antlitz, in welches ich blickte, eine überirdische Freude ausstrahlte - nicht mehr der vom Widersacher gemarterte und geprüfte Gottessohn, sondern der Sieger, der machtvolle König, voll unendlicher Barmherzigkeit. Marias ovales, feines Gesicht war geradezu durchglüht von Liebe und Zärtlichkeit. Dieser Umstand beeindruckte mich noch weit mehr, als ihre wirklich ganz und gar bezaubernde Schönheit!

Nach diesem kurzen, aber bedeutsamen Besuch begannen die beiden Himmlischen langsam zu verblassen - bis auch ihre Umrisse nicht mehr sichtbar waren und das Zimmer wieder im gewohnten, nächtlichen Dunkel lag. >

Ich fühlte mich, trotz aller begütigenden Worte die gesprochen worden waren, völlig aufgewühlt. Irrigerweise brannte sich in mir der Gedanke fest, dass diese Vision wohl ein Vorbote meines baldigen Todes sein müsse! Eine geschlagene Stunde tappte ich, mit bebendem Herzen, auf dem Hausflur, wie aufgezogen, hin und her - vergeblich damit ringend, das für unabwendbar gehaltene, vermeintliche Schicksal zu akzeptieren...

Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, kehrte ich auf mein Zimmer und ins Bett zurück; aber nicht um zu schlafen, denn ich befürchtete, dass ich das Licht des neuen Tages nicht mehr sehen würde, sollte ich meiner Müdigkeit nachgeben...

*

Diese Angst, in Kürze zu sterben, verfolgte mich noch drei oder vier Tage, bis ich mich einer sehr lieben Bekannten anvertrauen durfte - Mrs. Pamela Bain [1], einer sensiblen, schon etwas älteren, schottischen Lady. Meine empathische Retterin hatte besorgt meinen verstörten seelischen Zustand bemerkt: “Joé...”, erkundigte sie sich vorsichtig, “...Dich bedrückt doch etwas - was ist es..?”

So ertappt, aber auch erleichtert, mich jemand Vertrauenswürdigem mitteilen zu können, berichtete ich ihr dann von meinem übernatürlichen Erlebnis und dass mir deswegen bange sei, dass meine Zeit auf dieser Erde wohl ihrem schnellen Ende entgegenstrebe.

“Da hab’ Du mal keine Angst, mein Mädchen”, beruhigte sie mich mit besänftigender Stimme, “was Du gesehen und gehört hast, war alles andere, als eine Todeswarnung! Du bist offensichtlich mit der Bevorzugung übersinnlicher Wahrnehmung beschenkt worden.

Wenn es Gottes Wille ist, wird sich diese Begnadung in der Zukunft noch weiter entwickeln und Dir werden noch viele Dinge gezeigt werden, die für andere Menschen unerklärlich sind.” Sie erzählte mir offen, dass auch sie selbst, im Verlaufe der Jahre, einige Visionen [5] gehabt hatte und dass ihr dabei ebenso Jesus schon erschienen sei.

“Jene sind gut geführt, die Gott lenkt - Du hast darum nichts zu befürchten! Aber”, fügte meine tiefsinnige, lebenserfahrene Mentorin resolut hinzu, “ich würde Dir raten, Dich in dieser Angelegenheit, gegenüber anderen, bedeckt zu halten! Bewahre Deine Gabe als einen heiligen Schatz in Deinem Herzen; überlege besonnen, wem Du Dich öffnest, denn es wird in Deinem Leben nur wenige Menschen geben, die Dich wirklich verstehen werden.”

Wie gut mir meine altersunterschiedliche, wertvolle neue Freundin damit geholfen hatte..!

In der folgenden Zeit konnte ich darum das Erlebte ganz anders einordnen. Ich empfand außerdem vermehrt die angenehme innere Gewissheit, dass ich selten wirklich allein gelassen war; fühlte die vitale Präsenz von etwas mich Beschützendem, Gütigem, Liebendem - bemüht, mich gut zu leiten.

Es begann mir, dass ich bisweilen Musik hören konnte; keine irdische, sondern solche aus erhabener Höhe! Der Begriff “Musik” erscheint mir dabei geradezu als hilflose Untertreibung, denn es waren vielmehr tausendkehlige Chöre! Loblieder einer Myriadenschar, begleitet von den Klängen einer mächtigen himmlischen Orgel; manchmal laut und deutlich, wie in unmittelbarer Nähe, dann wieder an Lautstärke abnehmend.

War eine solche Phase des kaum mehr Vernehmbaren erreicht, schwoll der überirdische Gesang wieder zu voluminöser, die Seele zum Vibrieren bringender, jubilierender, triumphierender Begeisterung an.

Diese himmlischen Melodien hörte ich, völlig unbeeindruckt eventueller äußerer Umstände, zu allen möglichen Zeiten und an allen möglichen Orten; ob am Tage oder bei Nacht, ob ich alleine war oder mich in Gesellschaft befand, daheim oder außer Haus... Seit jener Zeit ist dieses, zuweilen auftretende, Phänomen mein treuer Begleiter geblieben...

Ich erwähnte meine akustischen Wahrnehmungen gegenüber meinem Bruder Timothy [1] und einigen wenigen Freunden, von denen ich wusste, dass ich ihnen vertrauen konnte, ohne mich der Gefahr des Spottes und der Lächerlichkeit preiszugeben, oder, schlimmer noch, mit unabsehbaren Folgen, mich gar dem Verdacht an einer Geisteskrankheit zu leiden auszusetzen - aber selbst, wenn die jenseitigen Chöre für mich am deutlichsten erschallten, konnte keiner von ihnen auch nur den geringsten Ton erlauschen.

Der auffallendste Aspekt dieser himmlischen Konzerte ist wohl die majestätische Freudigkeit. Keine irdische Musik, die ich je hörte, war auch nur annähernd so fröhlich! So ein Zustand des unbeschwerten Glücks, des unerschütterlichen Glaubens an die göttliche Liebe, wird auf Erden, so denke ich, nur selten realisierbar sein.

Es sollte vielleicht noch Erwähnung finden, dass ich, parallel zum Gehörten, auch immer wieder diesen glückerfüllenden, berauschenden Duft roch, wie er schon damals, mit meinem ersten übernatürlichen Erlebnis, einherging.

Das zweite visuelle Erlebnis mit der Überwelt hatte ich allerdings erst, als ich schon annähernd achtzehn Jahre alt war.

Inzwischen, mit Ausnahme natürlich der auditiven Zuwendung aus dem Reich der Engel, sowie der spürbaren Schutzpräsenz in meiner Nähe, war mein Leben das eines edel gesonnenen, aber ganz normalen, gesunden, übermütigen Mädchens in guten Verhältnissen gewesen.

Es war eine sehr glückliche Zeit, so dass meine Freundinnen mir, wie zum Beweis, den Spitznamen “Cheery” [“die Fröhliche”] verpassten.

*

Dieser Lebensabschnitt endete plötzlich und für mich völlig unerwartet...

Ich erwachte eines Nachts aus tiefem Schlaf, um wieder, wie schon fünfeinhalb Jahre zuvor, den Raum mit strahlendem Licht erfüllt vorzufinden.

Ungläubig blickte ich auf, denn neben meinem Bett stand Maggie, meine beste Jugendfreundin!

“Joé”, sprach sie mich an, nachdem ich mit gehörigem Schrecken aus dem Kopfkissen hochgefahren war, “ich muss Dir dringend ein Geheimnis verraten! Ich weiß, dass ich schon bald in die andere Welt hinübergehen werde. Ich möchte Dich ganz fest darum bitten, mir bei diesem Übergang zur Seite zu stehen und auch danach meine Mutter zu trösten; sie wieder aufzurichten, wenn ich heimgegangen bin...”

Eine Antwort darauf konnte ich nicht geben, wurde wohl auch nicht gefordert, weil sie wusste, dass ich ihr bestimmt helfen würde! Und so saß ich noch ziemlich fassungslos auf meiner Liegestatt, als das astrale Licht sich langsam zurückzog und Maggies Gestalt verschwand. Nur das diffuse Grau des Fensters spendete noch ein wenig Orientierung in meiner ansonsten nachtfinsteren Stube.

Gott sei Dank hatte ich, bevor ich mich lange der Verwirrung über das Geschehene auslieferte, eine bewährte Adresse und so lief ich, schon tags darauf, zu meiner Vertrauensperson, der liebevollen, weisen schottischen Dame.

Geduldig hörte sie sich meinen Bericht an und riet mir dann zu beten und die Haltung einer aufmerksamen Passivität einzunehmen: “Schau, vertraue einfach auf die Führung, welche Du dieserhalb gewiss erhalten wirst! Wenn Maggie in Deinem Beisein sterben soll, so werden die Umstände, ohne dass Du diese suchen musst, entsprechend gefügt werden.”

Und wirklich: Eine Woche später wurde ich zu meiner Freundin nach Hause gerufen! Sie litt an einer fiebrigen Erkältung - aber, wie es schien, durchaus nichts irgendwie Alarmierendes... Sie besaß auch keine Vorahnung drohenden Todes, so dass mir schnell klar wurde, dass sie nichts mehr von ihrem außerkörperlichen, nächtlichen Besuch bei mir wusste..!

Ich finde dies mysteriös und kann darüber auch keine mir schlüssige Erklärung vorschlagen: Im Verlaufe meines Lebens habe ich viele Erscheinungen von noch auf der irdischen Ebene wandelnden Menschen gesehen. Dabei sprachen sie bisweilen auch mit mir; aber anschließend stellte ich regelmäßig fest, dass sie, an ihren fleischlichen Körper zurückgebunden, keinerlei Erinnerung an eine solche stattgefundene Kommunikation mehr besaßen. [6]

Der Wunsch ein wenig auf Maggie aufzupassen wurde an mich herangetragen, weil ihre Mutter, zur Betreuung ihrer schwer erkrankten Schwester, welche in einiger Entfernung wohnte, für eine ungewisse Zeit nach dort verreisen musste. Alles verlief zunächst völlig unauffällig...

Ohne Vorwarnung (es mochten etwa drei oder auch vier Tage vergangen sein) verschlechterte sich der Zustand meiner Freundin dramatisch!

Über Nacht verfiel sie, mit einem letzten gequälten Atemzug, in meinen Armen, ehe noch der eilends herbeigerufene Arzt eingetroffen war.

Zum ersten Mal in meinem noch jungen Leben hatte ich einen Menschen sterben sehen - zudem, grausamerweise, auch noch meine beste Freundin!

Unmittelbar nachdem Maggies Herz zu schlagen aufgehört hatte, sah ich deutlich etwas, ähnlich der Erscheinung von Rauch oder Dampf, wie er zum Beispiel aus einem Kessel kochenden Wassers aufzusteigen pflegt, aus ihrem physischen Körper entweichen. Diese Emanation erhob sich nur ein wenig über ihre verstorbene Hülle, um dort sodann die Umrisse meiner Freundin anzunehmen. Ihre Gestalt, zunächst nur schemenhaft, wurde immer substantieller, bis Maggies Seelen- beziehungsweise Geistleib [7], in einer lichtweißen, wolkenähnlichen Robe, unter welcher sich ihre schlanke Figur deutlich abzeichnete, voll ausgeprägt war.

Ihre Gesichtszüge jedoch waren von einer strahlenden Freude verklärt; ohne auch nur die geringste Spur des krampfhaften, leidvollen, jedoch vergeblichen Ringens mit dem Tod!

*

Nach etwas über zwanzig Jahren in der Berufsausübung einer professionellen Krankenschwester, kann ich feststellen, Zeugin zahlreicher Todesvorgänge geworden zu sein, bei denen sich - ausnahmslos - die oben genannte Beobachtung wiederholte.

Das heißt: Immer, unmittelbar nachdem der Sterbefall eingetreten war, sah ich die Geistgestalt, in Erscheinung eines vollkommenen ätherischen, das heißt feinstofflichen Duplikates [8] des menschlichen Körpers, über der toten, physischen Hülle sich verdichtend und Form annehmend, um sodann vor meinen Augen zu verschwinden (weil ja die betreffende Person die Erdsphäre verließ und “weiterging”)..!

2 - Vaters Tod

Zweieinhalb Jahre später, ich war Zwanzig, wurde mein Vater aus dem Militärdienst entlassen. Von Indien zurückgekehrt, kaufte er sich ein schönes, kleines Anwesen im nördlichen Irland, um sich dort niederzulassen. [1]

Als dreijähriges Kind wurde ich von ihm, durch Mutters frühen Tod, getrennt, weil er uns Kindern, in dem fernen, gefahrenreichen Subkontinent, nicht die genügende Sorge zukommen lassen konnte. Obwohl nun siebzehn Jahre verstrichen waren und ich ihn seitdem nie mehr zu Gesicht bekommen hatte, waren wir uns doch keineswegs entfremdet - ganz im Gegenteil! Er war schon lange der Held meiner Mädchenträume gewesen und als er nun wieder leibhaftig vor mir stand, fand ich all diese in ihm mehr als verwirklicht!

In der Folge entwickelte sich, sehr schnell, zwischen uns eine tiefe, innige Liebe; wir waren ständig zusammen und wir wurden uns die besten Freunde und Gefährten..!

Auch mein Bruder erfüllte mir alle Wünsche, welche eine Schwester an einen solchen nur haben könnte. Wahrlich, mein Maß ungetrübten Glücks war zwei Jahre lang bis zum Rand gefüllt..!

Gleichfalls wuchs mir das Gefühl, fortwährend von etwas Unsichtbarem zärtlich, liebend beschützt zu sein! So nah, so real erschien mir diese Gegenwart, dass ich manches Mal vermeinte, ich könnte geradezu einen Atem auf meiner Wange spüren, verbunden mit einem Flüstern an meinem Ohr. Tatsächlich erwartete ich fast, würde ich mich nur rasch genug umwenden, unweigerlich jemand neben mir stehen zu sehen.

Ich empfand diese Protektion mittlerweile als sehr angenehm und beruhigend; doch dann veränderte sich dieses erheblich, als ich von einer Vorahnung geplagt zu werden begann - dem tiefinneren Wissen um ein bevorstehend schreckliches Geschehen bezüglich meines Vaters...

Dieses latente, quälende Ziehen in meiner Seele, einer drohenden Katastrophe ausgesetzt zu sein, lastete, für mich zunächst paradoxerweise, besonders finster auf mir, wenn ich mir der Anwesenheit meines unsichtbaren Mentors am Stärksten bewusst war! Bald schien es mir jedoch, dass dies so war, weil sich meine Führung bemühte, mich auf eine leidvolle Erfahrung vorzubereiten, die nicht abgewendet werden konnte.

Rein äußerlich bot das Befinden meines Vaters keinen Anlass zur Sorge, schien doch seine Gesundheit vorzüglich, sein Verstand frisch und seine Seele frohgemut zu sein.

Etwa drei oder vier Wochen nachdem diese dumpfe Befürchtung mich zu bedrücken begann, saß ich eines späten Abends vor dem offenen Fenster meines Schlafzimmers und genoss die kühle, vitalisierende Oktoberluft, die erhabene Atmosphäre anbrechender Nacht.

Plötzlich hörte ich meinen Vater kläglich nach mir rufen: “Joé..., Joé..., Joé...”

Sogleich verschob sich mein Bewusstsein, verschwand meine Umgebung und wurde von einer Vision überlagert...

< Ich sah meinen Vater, in voller Bekleidung, im Garten liegen und vermutete, dass er wohl dort eingeschlafen war.

All dies geschah bei hellem Tageslicht.

Der Straße entlang gewahrte ich, wie sich zwei Freunde unserem Hause näherten; es waren Dr. O’Neill [2], der Hausarzt unserer Familie und sein Bruder. Sie waren so gekleidet, wie man es von ihnen gewohnt war. Ich wurde offensichtlich Zeugin einer ganz alltäglichen Begebenheit; nichts Außergewöhnliches...

Möglicherweise waren sie mit meinem Vater zu einem gemeinsamen Spaziergang verabredet, denn sie steuerten zielgerichtet unsere Gartenpforte an. Dr. O’Neill stutzte kurz, als er meinen Vater im Garten liegen sah und lief dann sofort auf ihn zu. Sein Bruder hob, sich niederkniend, meines Vaters Kopf auf seinen Schoß, während der Arzt mit geübtem Griff Kragen und Krawatte löste, um seine Hand, zum Abtasten des Brustkorbes, leichter unter das Hemd vorschieben zu können.

Kraftlos-resignierend blickte Dr. O’Neill langsam auf: “Er ist von uns gegangen und muss, ohne Schmerzen, auf der Stelle tot gewesen sein...” Ein trauriger Gesichtsausdruck verfinsterte seine Stirn. “Aber wer wird dies seiner Tochter beibringen? Ich glaube, ich kann das nicht..!” >

Damit erlosch die Vision und ich fand mich, nach diesem erneuten Szenenwechsel, getreulich noch am offenen Fenster meiner Stube sitzend.

Aufgewühlt zündete ich eine Petroleumlampe an, eilte zum Schlafzimmer meines Vaters, öffnete sanft die Tür und lauschte hinein... Ich hörte die tiefen, regelmäßigen Atemzüge festen Schlafes [3]. Leise betrat ich das Zimmer und schlich vorsichtig zum Bett. Kummervoll bewegt kniete ich dort nieder und betete inbrünstig, dass mein Vater, wenn möglich, entgegen der mir offenbarten Schau, verschont werden möge.

Jedoch verließ ich den Raum genauso deprimiert und schweren Herzens, wie ich ihn betreten hatte, so bestimmt war meine Überzeugung, dass das, was ich in der Vision erblickt hatte, als unanfechtbarer Schicksalsentscheid gewertet werden musste und zudem schon sehr bald geschehen würde.

Ich konnte, so trostlos und elend wie ich mich fühlte, in dieser Nacht nicht wieder zu Bett gehen, denn die Angst, die mich nun noch konkreter ergriffen hatte, verbannte mir jede Möglichkeit in Schlaf zu fallen.

Trotzdem war ich entschlossen am nächsten Morgen meinem Vater mit einem ausgesuchten Lächeln am Frühstückstisch zu begegnen und mir nichts anmerken zu lassen; kein Schatten meiner bohrenden Verzweiflung sollte seine Stimmung trüben. Und tatsächlich - er war so fröhlich aufgeräumt, zärtlich, liebevoll und kameradschaftlich wie immer!

Dad unternahm, wie so oft, gegen 14 Uhr einen Spaziergang, mit der Absicht in zwei Stunden wieder zurück zu sein, um mit mir zusammen den Tee zu nehmen. Bevor er sich umwandte, küsste er mich noch einmal liebevoll, wie er es immer zu tun pflegte, auch wenn er nur für kurze Zeit außer Haus ging. Dieser Kuss versetzte mir einen heftigen Stich ins Herz, denn ich ahnte, an Gewissheit grenzend, dass ich nie wieder auf Erden von diesen gütigen Lippen geküsst werden sollte. Völlig niedergeschlagen, die Psyche schwer wie Blei, zog ich mich in mein Zimmer zurück, den Schlag erwartend, den ich schon im Voraus eintreffen gesehen hatte.

Ungefähr eine halbe Stunde später kam einer unserer beiden Diener eilig zu mir und fragte mich, sichtlich in Unruhe, ob ich wüsste, wo “der Herr”, das heißt mein Vater, sei. Kurz darauf stellte mir der zweite Bedienstete die gleiche Frage.

Merkwürdig...

Ich ahnte schon, dass beide sehr wohl darüber im Bilde waren, was sie mich fragten, aber über dieses einleitende “Sprungbrett”, mich in der Folge schonend bezüglich des Geschehenen zu informieren, nicht hinauskamen, weil sie mir nicht weh tun wollten.

So klopfte dann, ebenfalls erkennbar eine Seelenlast tragend, kurz darauf der Stallknecht eines Freundes vom Militär an: “Miss, ist ‘der Herr’ schon wieder zu Hause? Captain Ussher [2] möchte ihn gerne sprechen.”

Mir wurde das Gebaren nun doch zu bunt - innerlich gewiss, dass das, was ich in der Vision gesehen hatte, meinem Vater wirklich zugestoßen war.

“Mein Vater ist noch nicht zurückgekehrt, Andrew. Etwa um 16 Uhr, zum Tee, wollte er wiederkommen... Aber warum sehen Sie denn so verstört aus? Haben Sie eine schlechte Nachricht für mich..?”, kam ich dem jungen Mann entgegen, um es ihm leichter zu machen.

Doch auch ihm fehlte der Mut: “Ähh..., nein, Miss...”, antwortete er fahrig und eilte mit gesenktem Haupt davon.

Andrew war nur eine kleine Weile gegangen, als Dr. O’Neill eintrat. In dem Moment, als ich ihn sah, wusste ich, dass er eine Todesnachricht zu überbringen hatte und er, der Arzt, sich letztlich vor dieser Pflicht nicht davonzustehlen vermochte. Seine Bedenken, mir jene Mitteilung zu erstatten, standen, in tiefen Furchen, in seinem Gesicht geschrieben. Er würde Hilfe brauchen! Forschend schaute ich ihm in die Augen: “Sie sind gekommen, um mir zu sagen, dass mein Vater einen Unfall hatte - oder noch schlimmer, dass er tot ist..?”

Im Moment verblüfft von meiner Direktheit, straffte sich unser Hausarzt und Freund ein wenig: “Es hat ihn schlimm getroffen”, druckste er etwas umständlich herum, “und..., und sie bringen ihn gerade herein...”

“Warum sagen Sie mir jetzt nicht die Wahrheit, Herr Doktor?”, fragte ich sanft und verständnisvoll, “ich weiß ja, dass mein Vater uns verlassen hat..!”

“Nun gut, ich sollte es Dir nicht weiter leugnen, liebes Kind...”, antwortete er tief bewegt, “...Dein Vater ist tot.”

Minuten später wurde Dads lebloser Körper von unserer Dienerschaft hereingetragen - natürlich hatten sie alle Bescheid gewusst...

*

Nach der Beerdigung nahm mich Dr. O’Neill zur Seite und fragte mich, von woher ich, ohne entsprechenden Bericht, so bestimmt und fest vom Tode meines Vaters in Kenntnis gesetzt gewesen zu sein schien.

Als ich ihm sodann von meiner Vision vom Vorabend dieses Tages erzählte, konnte ich in Erfahrung bringen, dass sich alles, bis ins kleinste Detail genau, so zugetragen hatte, wie es mir vorgeführt worden war!

Mein Vater war an einem Herzschlag verstorben. Erst jetzt erfuhr ich, dass er schon seit zwei Jahren davon gewusst hatte, sich jeden Augenblick in der Gefahr zu befinden, ein tödliches Organversagen zu erleiden. Offensichtlich hatte seine Pensionierung schon in direktem Zusammenhang mit dieser Erkrankung gestanden.

Aber als der tapfere Soldat, der er immer geblieben war, und mit demselben Gleichmut ruhiger Festigkeit, welcher ihn durch alle Schrecken des indischen Aufstandes [4] getragen hatte, nahm er auch sein Todesurteil entgegen und verbarg es vor uns, seinen Kindern, damit unser Glück nicht durch die ihm gestellte Diagnose einer beschränkten Lebenserwartung gemindert werde.

3 - Jahre der Verzweiflung

Nach dem Verlust meines Vaters verfinsterte eine lähmende Verzweiflung meine Seele; mein Gefühlsleben wurde trübe, meine Gedanken zäh. Sogar eine Erleichterung durch Tränen schien mir nicht vergönnt... Wie wichtig wäre jetzt eine starke Gottverbindung gewesen! Jedoch, mein Herz verhärtend, verstieg ich mich zu der Ansicht: “Gott wäre nie so grausam gewesen, mir meinen Vater zu nehmen - darum gibt es keinen Gott!”

Ich besuchte - verletzt und trotzig - auch die Kirche nicht mehr und wurde zum Opfer der düstersten Gedanken.

Als wäre dieser Zustand nicht schon schwer genug zu ertragen, kamen bald noch weitere “Hiobsbotschaften”, und nachfolgend schwere Belastungen, hinzu:

Mein Vater hatte die Verwaltung seines Geldes einem vermeintlichen Freund anvertraut; doch stellte sich nach seinem Tod heraus, dass dieser sein Geld unterschlagen hatte, so dass für uns Kinder nichts übrigblieb.

Der schlimmste zusätzliche Nackenschlag aber erfolgte, als Timothy, entschlossen für uns beide eine neue Existenz aufzubauen, Arbeit in einer britischen Kolonie fand und dort, fern der Heimat, ertrank.