Der Doktor Lessing - Thomas Mann - E-Book

Der Doktor Lessing E-Book

Thomas Mann

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Beschreibung

Nach einer Invektive des Autors Theodor Lessing gegen den Kritiker Samuel Lublinski im Jahr 1910 kam es zu einer Aufsehen erregenden literarischen Kontroverse, die mit erbitterter Schärfe ausgetragen wurde. In der Rolle des Lublinski-Verteidigers zeigte sich Thomas Mann als angriffslustiger Polemiker, der ebenso wie Lessing nicht vor Schlägen unter die Gürtellinie zurückschreckte. Aus historischer Perspektive könnte man der gesamten Fehde mit ihren rhetorischen Finessen, skurrilen Details und absurden Auswüchsen – Lessing verfasste z.B eine Antwortschrift mit dem Titel »Tomi melkt die Moralkuh« – einen beträchtlichen Unterhaltungswert attestieren. Doch der Jude Lessing traktierte den ebenfalls jüdischen Lublinski mit Verbalinjurien aus dem Repertoire des Antisemitismus; Thomas Mann sah die jüdische Familie seiner Frau beleidigt und zog sich durch seine Angriffe gegen Lessing seinerseits den Vorwurf des Antisemitismus zu. Zu diesem Zeitpunkt unvorhersehbar: Thomas Mann musste 1933 ins Exil gehen, Lessing wurde im gleichen Jahr von Nationalsozialisten erschossen.

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Seitenzahl: 14

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Thomas Mann

Der Doktor Lessing

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{218}Der Doktor Lessing

Nummer 3 der Wochenschrift »Die Schaubühne« brachte unter dem Titel »Samuel zieht die Bilanz« einen »Theodor Lessing« gezeichneten Artikel, dessen empörende Unart nicht scharf genug gerügt werden kann. In formaler Hinsicht der stümpernde Versuch einer Heine-Imitation, sucht der Artikel die Tätigkeit eines ernsten Schriftstellers, des weimarer Kritikers und Dramatikers Samuel Lublinski, auf eine Weise zu diskreditieren, für die das Wort »unsachlich« Beschönigung wäre. Charakterisierungsmittel, die man einem Dämon an Bosheit und Sprachkunst mit widerwilligem Entzücken verzeiht, handhabt Herr Lessing mit einer Dreistigkeit, die zu seinem schriftstellerischen Vermögen im unleidlichsten Mißverhältnis steht, und wenn man über seine Talentlosigkeit mit Bedauern hinweggehen könnte, so fordert seine Unverschämtheit auch den Unbeteiligten zu öffentlichem Widerspruch heraus.

Herr Lessing erklärt, daß er die Schriften, die den Gegenstand seines Machwerks bilden oder hätten bilden sollen, Lublinskis kritische Bücher »Die Bilanz der Moderne« und »Der Ausgang der Moderne«, nicht etwa gelesen, sondern nur beim Buchhändler »ein bißchen darin geblättert« habe, – erklärt es mit Selbstgefälligkeit. Er gehört zu jenem heute weitverbreiteten Schlage von Literaten, welche Wert und Würde der Literatur nach ihrer eigenen – freilich unachtbaren – Person beurteilen und denen darum der Ehrenname des Literaten zum Schimpfwort geworden ist, das sie einander in den Journalen nachrufen und das keiner auf sich sitzen lassen will. So bedeutet uns Herr Lessing – oder »der Doktor Lessing«, wie er sich in seinem Artikel nennt oder nennen läßt –, daß er »für Literatur {219}nur wenig Interesse habe« und seit einigen Jahren sich »nur mit abelschen Funktionen und mit den Kegelschnitten x-ter Ordnung