Der ewige Krieg - Epische Fantasy Bestseller - Joseph R. Lallo - kostenlos E-Book

Der ewige Krieg - Epische Fantasy Bestseller E-Book

Joseph R. Lallo

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Beschreibung

Seit über 100 Jahren tobt der ewige Krieg. Niemand weiß, wann genau er begann. Niemand weiß, warum er begann. Und niemand will ihn beenden. Nur eine junge Frau, Myranda, spricht sich offen für Frieden aus. Sie will nicht kämpfen, nicht töten und nicht getötet werden. Darum zieht Myranda rastlos von Ort zu Ort, immer auf der Flucht vor der Armee. Immer auf der Suche nach einem Weg etwas zu verändern. Denn Myranda ist mehr als nur eine Flüchtige. Sie verfügt über gewaltiges magisches Potential, und als sie einen sicheren Ort findet, an dem sie unterrichtet werden kann, begreift Myranda, dass es einen Weg gibt den Krieg zu beenden. Doch um das zu erreichen, muss sie gegen ihre eigenen Prinzipien verstoßen. Sie muss kämpfen.

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Prolog4

Kapitel 15

Kapitel 231

Kapitel 348

Kapitel 466

Kapitel 589

Kapitel 6120

Kapitel 7150

Kapitel 8177

Kapitel 9217

Kapitel 10230

Der ewige Krieg

Joseph R. Lallo

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Prolog

Das Ende einer Ära ist immer eine Zeit größter Bedeutung. Ein Schritt in ein neues Zeitalter. So etwas hat einen Platz in der Erinnerung eines Volkes verdient. Allerdings ist es meist ein einzelnes Ereignis, das die größte Veränderung mit sich bringt und dem deshalb die größte Aufmerksamkeit zuteil wird. Der Schlag, der die Schlacht beendet, der letzte fallende Stein. In unserer Verehrung dieser letzten Momente übersehen wir die Reisen und Prüfungen, die Entbehrungen und Kämpfe, durch die diese großen Taten erst möglich wurden.

Wer auch immer das Glück hat, dieses Buch zu finden, wird endlich die größte all dieser Geschichten erfahren. Ich habe den Großteil meines Lebens damit zugebracht, die folgenden Worte zusammenzustellen. Was Ihr hier lest, stammt aus den Erzählungen derer, die es erlebt haben. Ich zeichne ihre Erfahrungen und Reisen auf in der Hoffnung, dass jene, die nach uns kommen, nicht blind sind für die Gefahren, die diese Welt schon einmal bedroht haben. Falls das Undenkbare doch noch einmal geschieht, werden vielleicht das Wissen und die Taten jener früheren Helden auch andere zu Größe beflügeln.

Die Erzählung, die Ihr lesen werdet, handelt vom Ewigen Krieg.

Unsere Erzählung beginnt zu einem Zeitpunkt, als der größte aller Kriege die Welt schon seit anderthalb Jahrhunderten heimsuchte. Dieser Konflikt spaltete unser Volk. Auf der einen Seite stand das Bauernreich Tressor. Es war ein Land fruchtbarer Felder und großer Reichtümer, das fast den ganzen südlichen Teil des Kontinents umspannte und mehr als die Hälfte aller Völker dieser Welt beheimatete.

Diesem stand eine Vereinigung der drei übrigen Königreiche Kenvard, Ulvard und Vulcrest gegenüber, die sich selbst den Nordbund nannten. Die drei Königreiche erstreckten sich über schneebedeckte Felder, dichte Wälder und eisige Berge, und obwohl sie Tressor in Größe und Stärke weit unterlegen waren, hatte ihr Bündnis doch jahrzehntelang allen Angriffen standgehalten. Der Krieg zwischen Tressor und dem Nordbund war ein fester Bestandteil des Lebens aller Völker geworden und ist der Grund, warum das Folgende erzählt werden muss.

Mein Anteil an der Erzählung ist gering. Andere wären besser als ich geeignet gewesen, die richtigen Worte zu finden, aber die meisten von ihnen haben ihren letzten Weg schon angetreten. So bleibe nur ich übrig, um zu erzählen, was sonst verloren wäre. Ich werde versuchen, die Ereignisse so geradlinig und sachlich wie möglich wiederzugeben. Betrachtet dies nicht als meine Erzählung. Es sind nur Aufzeichnungen, Worte auf Pergament. Worte, die am unwahrscheinlichsten aller Orte beginnen ...

Kapitel 1

Der Herbst war gerade erst zu Ende gegangen, doch die Kälte biss bereits erbarmungslos in ihre Knochen. Natürlich konnte man so weit im Norden kaum etwas anderes erwarten, und es war auch nicht die Kälte, die Myranda zu schaffen machte. An Kälte war sie schon ihr ganzes Leben lang gewöhnt. Sie zog die zerfetzten Reste ihres Umhangs enger um sich und marschierte weiter.

Sie kniff die Augen gegen den beißenden Wind zusammen und sah nichts als den Horizont. Wahrscheinlich würde sie noch einen ganzen Tag lang weitergehen müssen, bevor sie etwas anderes zu sehen bekam als die trostlose Ebene vor ihr. Sie schüttelte den Kopf und verzog die aufgesprungenen Lippen zu einer schwachen Grimasse.

„Ich hätte es wissen müssen“, sagte sie laut zu sich selbst. „Der Kerl war viel zu froh mir die Richtung zeigen zu können.“

Die Selbstgespräche hatte sie sich auf ihren langen Wanderungen angewöhnt, damit es außer dem Knurren ihres Magens noch etwas anderes gab, was das unablässige Heulen des Windes unterbrach.

Der Hunger störte sie viel mehr als die Kälte. Im letzten Dorf hatte sie nicht genug Geld gehabt, um Vorräte zu kaufen, und dank einer folgenschweren unbedachten Bemerkung war auch keine Schänke und kein Gasthaus bereit gewesen, sie aufzunehmen. Jeder hätte so einen Fehler begehen können. Anderswo wäre er vielleicht gar nicht bemerkt oder wenigstens nicht zur Kenntnis genommen worden, aber in dieser Gegend war er unverzeihlich.

Zwei ältere Frauen hatten auf der Straße gestanden und über die neuesten Kriegsnachrichten gesprochen.

In diesen Zeiten redete man selten über etwas anderes als den Krieg. Diesmal hatte der Nordbund offenbar einen recht großen Angriff abgewehrt. Nach einer dreitägigen blutigen Schlacht hatten die Bündnistruppen es geschafft, dasselbe Landstück zurückzuerobern, von dem aus sie aufgebrochen waren. Der zweifelhafte Erfolg, dass man weder vorwärtsgekommen noch zurückgedrängt worden war, hatte mehr als der Hälfte der kämpfenden Soldaten das Leben gekostet. An sich war dies nichts, worüber in jener Zeit besonders gesprochen wurde; tatsächlich kam es andauernd vor. Der einzige Unterschied an diesem Tag bestand darin, dass das Tressorer Heer mehr Soldaten verloren hatte als man selbst.

Die beiden Frauen priesen den Sieg und prahlten mit den Heldentaten ihrer kämpfenden Verwandten. „Mein Sohn hat mir versprochen, drei von diesen Schweinen für mich zu töten!“, verkündete die eine. Und die andere erwiderte triumphierend, dass alle ihre vier Kinder dasselbe versprochen hatten. In diesem Augenblick beging Myranda ihren folgenschweren Fehler.

„So eine Verschwendung von Leben“, sagte sie bekümmert.

Verschwendung! Für eine Mutter war es die höchste Ehre, wenn ihre Söhne und Töchter ihr Leben für das Land gaben. Diese heldenhaften Opfer als Verschwendung zu bezeichnen, grenzte an Verrat. Wie konnte diese herumziehende Frau es wagen, schlecht über den Krieg zu sprechen! Nach so vielen Generationen war der Krieg nicht länger nur ein Kampf zwischen zwei Ländern, sondern eine Lebensweise, und wer die heilige Tradition des ehrenvollen Kampfes ablehnte, war nicht willkommen.

Dieses eine Wort – Verschwendung – hatte ihr Schicksal besiegelt. Alle Türen hatten sich vor ihr geschlossen, man hatte ihr weder Decken noch Vorräte angeboten. Und ein Mann, der unter anderen Umständen vielleicht vertrauenswürdig gewesen wäre, hatte ihr versichert, dieser Weg durch die gefrorene Einöde sei der schnellste Weg zur nächsten Stadt.

Wieder schüttelte sie den Kopf. Wie konnte man sich so verhalten? Diese Leute hatten ihr lächelnd ins Gesicht gelogen, und weil sie ihnen geglaubt hatte, befand sie sich jetzt mitten im Nichts, mehr als eine Tagesreise von der nächsten menschlichen Behausung entfernt. Die Kälte zog sich über dem Brachland wie mit einer eisigen Faust zusammen. In kaum einer Stunde würde die Sonne untergehen und den letzten Rest Wärme mit sich nehmen, und dann war es aus. Tagsüber war die Kälte schon unerträglich; nachts war sie tödlich. Und die dichte dunkelgraue Wolkendecke kündigte Schnee an.

Zum Schutz hatte Myranda nur ihre dünne Sommerdecke, und ein Zelt konnte sie weder bezahlen noch tragen. Wenn sie diese Nacht überleben wollte, brauchte sie ein Feuer. Aber hier im Norden gab es nur drei Geländearten: weite baumlose Felder, dichte feindselige Wälder und hohe unbesteigbare Berge. Sie befand sich auf den Feldern, einer eisigen unfruchtbaren Ödnis ohne brennbare Pflanzen, wenn man von dürrem Gras und zähen Flechten absah. Keins von beiden gab mehr her als Rauch und Asche. Sie suchte den Horizont nach einem Baum ab, einem Busch – irgendetwas, das sich zum Feueranzünden eignete –, aber es gab nichts. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich hier zusammenzukauern und das Beste zu hoffen.

Gerade als sie stehenblieb, brachen ein paar letzte Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und wurden von etwas im Osten zurückgeworfen. Myranda blinzelte und rieb sich die Augen. Die Spiegelung war noch immer zu sehen. Was immer dort war, es war echt.

„Wahrscheinlich nichts“, sagte sie, blickte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war, und dann nach vorne, wohin sie hatte gehen wollen. „Wahrscheinlich nichts ist allerdings immer noch besser als ganz sicher nichts.“

Um sich von ihrer bösen Lage abzulenken und die Zeit zu vertreiben, überlegte sie, was es wohl sein konnte.

„Es glänzt ... ein Spiegel. Vielleicht haben ein paar Nomaden hier Gerümpel zurückgelassen. Vielleicht ist es auch ein Edelstein. Ein Dutzend Edelsteine. Hunderte! Und außerdem Gold. Ein königliches Lösegeld, das irgendein Dieb hier zurückgelassen hat, weil niemand es in dieser Öde je finden würde. Ha, das wäre genau meine Art von Glück. Gold zu finden, wenn ich doch nur Holz brauche.“

Die Zeit verging rasch, während sie weiterhin Schätze erfand und sich ausmalte, wie sie hierher gekommen waren. Lange bevor sie das Ding erreicht hatte, verschwand die Sonne wieder hinter den Wolken und die Lichtspiegelung, die ihr den Weg gewiesen hatte, erlosch. Das Einzige, was ihr jetzt noch helfen konnte, das geheimnisvolle Objekt zu finden, war ihr untrüglicher Richtungssinn. Die vom Sonnenuntergang rot gemalten Wolken gaben noch ein wenig Licht, doch mit der Nacht kam die vollständige Dunkelheit. Die dichte Wolkendecke ließ weder Mond- noch Sternenlicht durch. Aber auch das war nichts Ungewöhnliches in diesem Land. Auch ohne Sterne fand man Möglichkeiten, die Richtung zu bestimmen.

Sie tappte durch die Finsternis, bis sie buchstäblich über das stolperte, was sie suchte.

Es schien ein großer Haufen aus Felsbrocken zu sein, umgeben von einer klebrigen Flüssigkeit, die trotz der bitteren Kälte nicht gefroren war. Weiterhin gab es ein Bündel unterschiedlich großer Metallplatten, die klirrten und schepperten, als sie darauf trat.

„Was ist hier geschehen?“, murmelte sie, während sie blindlings durch diesen Haufen von Hindernissen stolperte. Aber zwei Schritte weiter trat sie auf etwas, das unter ihren Füßen knirschte und krachte, und ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Es war das Geräusch von vereistem Holz. Sie musste in die Überreste eines kleinen Lagers geraten sein und stand jetzt knöcheltief mitten in dem, was sie retten konnte.

Sie kniete sich neben die Feuerstelle und begann die Eiskruste wegzubrechen, die alles überzog, was lange genug draußen herumlag. Nach kurzer Zeit blieben nur die Scheite des Feuers zurück, das hier vor nicht allzulanger Zeit gebrannt haben musste. Sie waren knochentrocken und besser als jeder Zunder. Nur ein Funken und sie würde in kürzester Zeit ein Feuer haben!

Erleichtert zog sie einen Feuerstein aus einer ihrer zerschlissenen Taschen und griff nach einer der Metallplatten, über die sie gestolpert war. Sie schlug den Feuerstein auf die Platte und hatte nach kurzer Zeit eine Mulde voller Funken. Noch ein paar Augenblicke, und das erste halbverbrannte Holzscheit fing Feuer und gab ihr Wärme und Licht.

Da sie nun endlich sehen konnte, was sie da eigentlich in der Hand hatte, betrachtete sie das Metallstück. Es hatte eine seltsame Form und war viel zu matt, um der Ursprung der Spiegelung sein zu können, die sie hergeführt hatte. Auf der gebogenen Innenseite der Metallplatte fand sie ein paar festgenietete, aber zerrissene Lederstreifen. Die Außenseite wies ein geprägtes Wappen auf, das sie nicht kannte.

„Ein Stück einer Rüstung“, stellte sie fest und drehte es wieder um.

Sie überzeugte sich, dass das Feuer weiterbrennen würde, und stand auf, um sich das seltsame Lager genauer anzusehen. Dort lag das Metallbündel, auf das sie getreten war. Es war tatsächlich eine vollständige Plattenrüstung, schwer beschädigt und am Boden festgefroren.

„Warum lässt jemand eine leere Rüstung mitten in der Wildnis liegen?“ Rüstungen waren schließlich wertvoll.

Die Antwort kam rasch und sandte ihr einen Schauder über den Rücken, wie es der eisigste Wind nicht vermochte. Die Rüstung war nicht leer.

Sie wich zurück und ließ das Metallstück fallen.

Myranda hasste den Tod mehr als alles andere, und diese Tatsache hatte ihr Leben deutlich unerfreulicher gemacht als das der kriegsabgehärteten Dorfbewohner, die sie abgewiesen hatten. Für diese Leute war der Tod nicht nur ein notwendiger, sondern ein positiver Teil des Lebens, ein Teil voller Ruhm, Respekt und Ehre. Gefallene Soldaten überhäuften sie mit mehr Lob und Ruhm, als der arme Mann, oder die arme Frau im Leben je hätten erhoffen dürfen, und das verstörte Myranda nur noch mehr.

Während sie vor der Leiche zurückwich, zuckte ihr Blick überall herum. Etwas fing ihn ein, und sie erstarrte mitten in der Bewegung. Unter dem frostüberzogenen Schild ragte ein Stück grober brauner Stoff heraus. Ein Vorratsbeutel!

Jeder, der in Kriegszeiten lebte, wusste, was das Marschgepäck eines Soldaten enthielt. Geld, Wasser und, was das Beste war: Nahrung. Die Leiche konnte kaum mehr als ein paar Tage hier liegen. Dank der Kälte würden die Vorräte in diesem Bündel vielleicht noch essbar sein.

Myranda hasste den Tod, aber wenn es ihr Leben retten konnte, sich für eine kurze Zeit neben einer Leiche aufzuhalten, dann würde sie nicht zögern. Sie packte den Stofffetzen und zog mit aller Kraft daran, aber der Beutel bewegte sich nicht. Er war am Boden festgefroren und unter dem schweren Schild festgeklemmt. Wenn sie ihn öffnen und den kostbaren Inhalt an sich nehmen wollte, musste sie den Schild irgendwie weghebeln.

Myranda blickte sich um. Es musste doch irgendetwas geben, das sie nutzen konnte. Die Brustplatte der Leiche? Sie war schon teilweise gelöst, aber bei dem Gedanken, das Rüstungsteil von dem gefrorenen Körper zu reißen, drehte sich ihr der Magen um. Allerdings nicht soweit, dass sie vergaß, wie grausam hungrig sie war. Widerwillig krallte sie ihre frosttauben Finger um das eisige Metall und warf ihr Gewicht dagegen. Nach drei vergeblichen Versuchen verlor sie die Geduld und trat wütend gegen die Platte, und ihr Fuß rutschte im klebrigen Schnee aus. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte, und ihr Kopf schlug gegen etwas, das viel härter war als Eis.

Der Aufprall raubte ihr fast die Sinne. Sie wälzte sich herum und schlug mit der Faust auf den Boden. Da konnte man doch verrückt werden – das Essen, das sie für einen weiteren Tag am Leben halten konnte, befand sich in Reichweite, aber sie kam nicht heran!

Sie rieb sich die schmerzende Stelle und sah sich nach dem Ding um, das ihr beinahe den Schädel eingeschlagen hatte. Der Feuerschein tanzte über eine blankpolierte, fast spiegelnde Oberfläche. Noch bevor ihre Augen sich darauf eingestellt hatten, wusste sie, dass dies der Gegenstand war, der sie hergeführt hatte.

Aus der gefrorenen Erde ragte ein Schwert von unfassbarer Schönheit. Der Griff war mit unzähligen Edelsteinen besetzt. Die Klinge sah auf den ersten Blick makellos glatt aus, doch als Myranda näher hinsah, erkannte sie ein kunstvoll eingraviertes Muster aus dünnen Linien, zart und anmutig wie ein Spinnennetz. Eine solche Waffe hatte sie noch nie gesehen. Vom Preis eines einzigen dieser Edelsteine konnte sich eine ganze Familie ein Jahr lang ernähren und kleiden. Und das gesamte Schwert konnte Myranda ein Leben voller Reichtum und Muße verschaffen – weit jenseits dessen, was sie sich überhaupt vorstellen konnte.

Aber in diesem Augenblick war ihr der Geldwert dieses Schwertes völlig gleichgültig. Vielleicht konnte sie es später verkaufen, aber gerade jetzt war es etwas, das sie weit dringender brauchte: ein Werkzeug. Damit konnte sie an das Essen herankommen, das ihr die Kraft geben würde, diese gefrorene Wüste wieder zu verlassen. Es bedeutete Leben. Als ihr endlich nicht mehr schwindlig war, griff sie nach dem lebensrettenden Werkzeug.

Doch als sie den verzierten Griff umfasste, schoss ein scharfer, brennender Schmerz von ihrer Handfläche hoch durch ihren Arm. Sie fiel auf die Knie und versuchte sich von der Klinge loszureißen, aber ihre Finger gehorchten ihr nicht – im Gegenteil, sie schlossen sich immer fester um den Griff. Der Schmerz verstärkte sich, bis Myranda ihn nicht mehr ertragen konnte. Als sie nur noch einen Herzschlag von einer Ohnmacht entfernt war, hörte er plötzlich auf, ihre Finger lockerten sich, und ihre Hand kam frei.

Myranda schnappte nach Luft und umklammerte ihre gepeinigte Hand. Was war das gewesen? Hatte sie eine Falle ausgelöst? Mit tränenden Augen wandte sie sich ihrer Hand zu, voller Angst vor dem, was sie sehen würde. Auch ohne eine offene Wunde war das Überleben hier schon schwer genug. Sehr vorsichtig streckte sie die Finger, und zu ihrer Überraschung und Erleichterung war die Handfläche keine rohe Fleischwunde, sondern nur ein wenig gerötet und empfindlich, als hätte sie sich an heißem Wasser verbrüht. Ein einfacher Verband würde ausreichen.

Sie zog sich an die Feuerstelle zurück, um sich von Schock und Schmerz zu erholen.

„Und das ist der Grund, warum ich Waffen hasse“, sagte sie und starrte das niederträchtige Ding wütend an. „Ich finde ein Schwert und es verletzt mich zweimal, ohne auch nur einmal von seinem Besitzer gezogen worden zu sein.“

Mit der verletzten Hand berührte sie die Beule, die sich an ihrem Kopf bildete, und verfluchte das Schwert in Gedanken. Dabei war ihr gar nicht bewusst, was für ein Glück sie gehabt hatte. Wenn ihr Kopf nicht gegen die flache Klinge, sondern gegen die Schneide gestoßen wäre, würde sie jetzt nicht hier sitzen und leiden. Nachdem sie ihren ganzen Ärger an dem Schwert ausgelassen hatte, starrte sie brütend ins Feuer, riss ein Stück von ihrem zerschlissenen Mantel ab und wickelte es um ihre Hand. Der Flammenschein tanzte über den Boden. Ihr hungriger Blick wanderte zu dem Schwert, dann zu dem eingefrorenen Bündel, wieder zurück zu dem Schwert ...

„Nein! Nur ein Idiot würde das Ding nochmal anfassen! Ich bin jetzt tagelang ohne Essen ausgekommen, da halte ich es auch noch einen Tag aus. Außerdem ist das Zeug da drin bestimmt verdorben. Es liegt sicher schon ewig hier herum. Und dafür verbrenne ich mir doch nicht nochmal die Hand!“

Ihr Magen knurrte.

„Andererseits hat es mich nicht umgebracht. Es war einfach nur eine Falle, und so etwas wird doch immer nur einmal ausgelöst, oder? Und bei dieser Kälte ist das Essen vielleicht doch noch ganz gut erhalten ...“

Der Hunger siegte.

Zögernd kehrte sie zu dem Schwert zurück, blieb so weit entfernt wie möglich stehen und streckte die verbundene Hand aus. Ihre Finger berührten den Griff, und sie schrak schon vor dem Schmerz zurück – aber er blieb aus. Da umfasste sie den Griff und zog, aber der Boden war so fest gefroren, dass die Waffe nur ein wenig ruckte.

Nun packte Myranda auch mit der linken Hand zu und zog, so fest sie konnte. Normalerweise hätte sie das Schwert mühelos herausziehen können, aber der Hunger hatte sie noch mehr geschwächt, als sie erwartet hatte. Wenn sie nur noch diese Nacht gewartet hätte, wäre sie vor Schwäche vermutlich nicht einmal mehr auf die Beine gekommen.

Endlich löste sich die Waffe. Myranda zerrte das Schwert über den eisigen Erdboden und schob die Spitze unter die Kante des großen Schildes.

„Es tut mir wirklich leid, mein Herr“, sagte sie zu ihrem gefallenen Wohltäter. „Ich weiß, wie respektlos das alles ist. Aber ich habe keine andere Wahl.“

Sie hebelte weiter, entschuldigte sich noch ein paar Mal, brach endlich den gefrorenen Klumpen auf und zerrte den Beutel heraus. Hastig riss sie ihn auf. Sie war gerettet! Salzfleisch und harte Kekse waren nicht gerade ein Festmahl, aber mehr als ausreichend, um sie am Leben zu halten. Die Nahrung war nicht mehr besonders gut, aber solange man sie überhaupt noch essen konnte, erfüllte sie ihren Zweck. Außer der Nahrung fand Myranda noch einen kleinen Beutel mit Kupfermünzen, eine steinhart gefrorene Wasserflasche, eine Bratpfanne und etwas, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Die beiden dicken Stoffstreifen, die um das Bündel geschlungen waren, konnten nur eins bedeuten.

„Zeltbänder!“, rief sie. „Fremder, Ihr hattet ein Zelt! Und wenn Ihr eins hattet, dann habe ich jetzt auch eins. Ich muss es nur finden!“

Sie zog ein halbverbranntes Holzscheit aus dem Feuer und schwenkte es wie eine Fackel herum. Bald hatte sie die Überreste des kleinen Zeltes gefunden. Eine der Stützen war gebrochen, und die Leinwand lag flach und eisüberkrustet auf dem Boden. Myranda zerrte es zum Feuer und baute es notdürftig wieder auf. Die Hitze erwärmte die Stoffhülle und verschaffte ihr das erste bisschen Behaglichkeit seit Tagen.

Gerade als sie die Zeltklappe wieder befestigt hatte, begann es in schweren, nassen Flocken zu schneien. Myranda stellte die Pfanne auf das Feuer, wärmte ein wenig Fleisch auf und freute sich darüber, wie genau sie den Schnee vorhergesehen hatte. Nicht jeder konnte die Wolken so lesen wie sie. Die meiste Zeit des Jahres lag das Nordland unter einer dicken grauen Wolkendecke und man konnte nicht einfach zum Horizont schauen und Regen ankündigen. Es war mehr ein Gefühl für die fast unmerklichen Farbveränderungen im Grau und den wechselnden Wind. Myranda wusste selbst nicht genau, was sie da spürte, aber sie irrte sich nie, ganz gleich, ob sie Regen, Schnee, Hagel oder Graupel voraussah.

Sie schnappte sich das Fleisch aus der Pfanne und verbrannte sich dabei fast die Finger. Nachdem sie den Hunger so lange ausgehalten hatte, war er vom Duft des brutzelndes Essens unerträglich geworden. Es war der erste Bissen seit Tagen und das erste ausreichende Mahl seit mehr als einer Woche, und sie schlang es herunter, so schnell sie konnte. Anschließend schlief sie fast sofort ein. In den Jahren ihrer endlosen Reise hatte sie herausgefunden, dass bitterer Hunger jedes Essen in ein Festmahl verwandelte und Erschöpfung jeden beliebigen Untergrund in ein königliches Bett. Sie war nun warm, satt und glücklich; das war alles, was zählte, dachte sie zufrieden, ehe der Schlaf sie übermannte und sie zu träumen begann.

Ohne Übergang fand sie sich mitten auf einem sonnenbeschienenen Feld wieder. Sie war überrascht und verwirrt. Der Boden unter ihren Füßen war warm. Als sich ihre Augen an das Licht gewöhnten, sah sie die Schönheit dieses Feldes. Es war das Schönste, was sie je gesehen hatte, eine endlos scheinende Wiese mit saftigem grünen Gras. Sie sog die frische Luft ein und stieß ein Seufzen reiner Freude aus, dann schloss sie die Augen und lachte vor Entzücken.

Doch als sie die Augen wieder öffnete, um die Schönheit noch mehr zu genießen, entdeckte sie einen kleinen schwarzen Fleck in all dem Grün. Es war nur ein winziger dunkler Punkt, aber an diesem Ort wirkte er vollkommen fremd.

Er schwebte in ihrer Nähe, entfernte sich, bis er fast nicht mehr zu sehen war. Dann sank er langsam nach unten und landete auf der Erde. An dieser Stelle veränderte sich der Boden. Zuerst kaum merklich, dann wurde er immer dunkler. Die fruchtbare Erde wurde schwarz, wie verkohlt, und der Fleck breitete sich immer weiter aus. Das grüne Gras bleichte aus, so langsam, dass es kaum zu erkennen war. Hilflos sah Myranda zu, wie ihr gerade gefundenes Paradies sich immer weiter verdunkelte, als würde es von einer Nacht verschlungen, die aus dem Boden kroch.

Nachdem die Finsternis dem Gras alles Leben entzogen hatte, quoll sie nach oben, dem Himmel entgegen. Die Nacht zog sich über dem Feld zusammen, obwohl die Sonne schien, und schließlich wurde auch diese von schwarzen Wolken verdeckt. Am Ende blieb nur Finsternis, und nichts regte sich mehr als ein frostiger Wind.

Verzweifelt strengte Myranda ihre Augen an, um wenigstens noch einen winzigen Schimmer von dem zu erhaschen, was vorher gewesen war. In der Ferne entdeckte sie ein paar matte Lichtfunken und hastete darauf zu, doch einer nach dem anderen erlosch, wie alles andere verschlungen von der Dunkelheit.

Mit einem Schrei riss sie die Augen auf. „Nein!“

Durch die Zeltklappe fiel ein matter Streifen Dämmerlicht.

Es war keine Wirklichkeit. Die grausige Finsternis war nur ein Traum gewesen. Aber der Schrecken, der sie erfasst hatte, war echt. Es dauerte eine Weile, bis ihr Atem und ihr Herzschlag sich beruhigten; noch nie hatte sich einer ihrer Träume so real angefühlt. Sie schüttelte sich in dem Versuch, die schrecklichen Bilder aus ihrem Kopf zu verjagen, aber es gelang ihr nicht. Ihr einziger Trost war etwas, das ihre Mutter vor langer Zeit gesagt hatte. Obwohl es eine Ewigkeit her war, dass sie ihre Mutter verloren hatte, klang ihre Stimme doch noch immer in Myrandas Ohren. Nur Erinnerungen waren ihr geblieben, und sie wiederholte sie für sich selbst. „Ein Alptraum ist der beste Traum – weil er der einzige ist, bei dem man sich freut, wenn er aufhört.“

Nach diesem Schreck war sie hellwach und wusste, dass sie jetzt nicht mehr einschlafen würde. Mit einem Lächeln wischte sie sich einen Schweißtropfen von der Stirn. Wann war ihr zum letzten Mal zu warm gewesen? Das Gefühl von Schweiß, der ihren Rücken hinabrann, hatte sie seit Wochen – nein, Monaten – nicht gekannt. Allerdings würde die Freude darüber rasch vergehen, sobald sie das Zelt verließ und die Kälte wieder über sie herfiel.

Vorsichtig schob sie die Zeltklappe beiseite. Da der nasse Schnee der letzten Nacht locker davon herabfiel, statt zu einer Eisschicht gefroren zu sein, war es draußen offenbar nicht mehr gefährlich kalt. Myranda kroch aus ihrem behelfsmäßigen Zelt und stützte sich dabei auf ihre verletzte linke Hand.

Im Dämmerlicht des Morgens konnte sie sich endlich genauer ansehen, in was sie da eigentlich hineingestolpert war. Über allem lag eine dicke Schneeschicht, die anderswo als Ergebnis eines schrecklichen Sturms gelten mochte, hier im Gebiet des Nordbundes aber eher als dünnes Deckchen betrachtet wurde. Myranda stapfte durch den knöcheltiefen Schnee und sah sich die Überreste des Lagers an.

Was sie in der Nacht für einen Hügel aus Felsbrocken gehalten hatte, zeigte sich nun als das, was es war. Selbst unter der Schneeschicht besaß es die Form eines großen Tieres. Es sah nach einem Drachen aus, massiger als Myranda es sich je vorgestellt hatte. Sie verzichtete darauf, es sich genauer anzusehen, zumal sie dafür in die riesige Lache aus schwarzer Flüssigkeit hätte treten müssen, die für Pech zu dünn war und für Menschenblut zu schwarz.

„Also habt Ihr den Drachen getötet und er Euch“, sagte Myranda und blickte zu dem gefallenen Kämpfer hin, dessen Körper im Schnee kaum auszumachen war. Dann sah sie wieder den Drachen an. „Aber warum wart Ihr beide hier? Der Drache fliegt, wohin er will, aber was hätte ein Soldat ganz gleich welcher Truppe hier draußen zu suchen?“

Sie bückte sich und wischte den Schnee von dem Schild, der seit ihrer Herumhebelei der vergangenen Nacht fast aufrecht stand. Doch statt eines Wappens des Nordbundes oder vielleicht eines aus Tressor entdeckte sie dasselbe schlichte Wappen, das auch auf der Rüstung und dem Schwert zu sehen war. Es sah wie ein geschwungenes, abgerundetes V aus, dessen obere Enden nach unten schwangen, oder vielleicht waren es auch zwei Wellen mit einer Schlucht dazwischen. In der Mitte über dem Muster befand sich ein einzelner Punkt.

„Also wart Ihr weder aus dem Norden noch aus dem Süden! Deshalb wart Ihr auch hier draußen, mitten im Nichts. Ihr wart so etwas wie ich – jemand, der den Ewigen Krieg nicht unterstützen wollte und sich keiner der beiden Seiten angeschlossen hat. Und Ihr solltet stolz darauf sein, dass Ihr von etwas anderem getötet wurdet als von einem wütenden Mob. Ich weiß, es ist kein Trost, aber Euer Tod hat mich gerettet, und dafür danke ich Euch von ganzem Herzen. Und ich hoffe, dass es Euch angerechnet wird, wo auch immer Ihr jetzt seid. Ich danke Euch für das Essen, das Zelt ... und das Schwert.“

Eigentlich hatte sie das Schwert nicht mitnehmen wollen, aber nicht einmal sie konnte einen solchen Schatz einfach liegenlassen. Selbst der betrügerischste Händler würde für eine solche Waffe einen guten Preis bezahlen müssen, und es war unwahrscheinlich, dass sie eine andere Art Käufer fand. Sie kam nicht einmal auf den Gedanken, dass irgendjemand ihr einen angemessenen Preis für das Stück bezahlen könnte. In diesen Tagen waren Händler ebensolche Halsabschneider wie die Soldaten und hatten fast nichts anzubieten. Aber mit dem, was das Schwert ihr einbringen würde, konnte sie ein Pferd kaufen, ein Zelt, etwas zu essen und vielleicht sogar Kleidung, die der Jahreszeit besser angepasst war als die Lumpen, die sie jetzt trug.

Sie wickelte das Schwert in ihre Decke ein und aß ein paar aufgeweichte Kekse als Frühstück. Dann nahm sie das restliche Essen, das Wasser und die schwere Decke aus dem Bündel des Soldaten und packte alles in ihr eigenes. Sie hätte auch das Zelt mitgenommen, aber es war zu schwer und die vor ihr liegenden Tage würden anstrengend genug sein, auch ohne dass sie sich mit einem Packen schwerer Leinwand und glatter Holzstäbe herumplagte. Als sie alles eingepackt und zurechtgerückt hatte, verließ Myranda das zerstörte kleine Lager und machte sich auf den Weg.

Es war erstaunlich, wie viel leichter sie sich bewegen konnte, wenn sie ein anständiges Mahl und eine Nacht Schlaf hinter sich hatte. Myrandas Schritte waren doppelt so schnell wie das müde Schlurfen des vorigen Tages. Ihr geübter Blick auf die Wolken verriet ihr, dass es gerade kurz nach Mittag war, als sie am Horizont etwas entdeckte. Es war ein Gebäude mit einem Turm. Eine Kirche! Der Anblick brachte ein breites Lächeln auf ihr Gesicht. Sie war schon von allen möglichen Unterkünften abgewiesen worden, aber nie von einer Kirche.

Sie beschleunigte ihre Schritte, erreichte die Tür des kleinen Gebäudes und schob sie auf. Drinnen war keine der Bänke besetzt und keine einzige Kerze angezündet. Das einzige Licht fiel durch ein einfaches Fenster aus buntem Glas.

„Hallo?“, rief sie.

„In der Priesterunterkunft“, rief eine Männerstimme zurück.

Myranda ging durch den dämmerigen Gang zwischen den Bänken und entdeckte eine Tür links hinter der Kanzel. „Darf ich hereinkommen?“

„Natürlich“, erwiderte die Stimme freundlich. „Jeder ist willkommen.“

Myranda öffnete die Tür. Der Raum dahinter war dunkel bis auf ein freundliches Feuer, das im Kamin flackerte. Davor stand ein großer Stuhl mit hoher Rückenlehne, die der Tür zugekehrt war. Von diesem bequem aussehenden Möbelstück abgesehen, war der Raum fast leer. An den kahlen Holzwänden hing kein einziges Bild. In der Mitte des Raumes standen ein schlichter Esstisch und ein ebenso schlichter Stuhl. In der Ecke befand sich ein tadellos gemachtes Bett mit einer groben grauen Decke und einem einzelnen Kissen. Sonst gab es nur noch eine bescheidene Truhe und einen Geschirrschrank.

„Was bringt dich her?“, fragte der Priester, der in dem großen Stuhl am Feuer saß und den Myranda nicht sehen konnte.

„Ich würde mich gerne hier ein wenig aufwärmen, bevor ich weiterziehe“, antwortete sie.

„Nun“, sagte er, ohne aufzustehen, „ich teile immer gerne, was der Himmel mir gegeben hat.“

„Vielen Dank.“ Myranda betrat die Kammer ihres großzügigen Gastgebers. „Darf ich fragen, warum es hier so dunkel ist?“

„Ich brauche kein Licht“, antwortete der Priester.

Die Erklärung dafür erhielt Myranda, als sie sich dem Stuhl näherte und den Priester sehen konnte.

Er war ein freundlich aussehender Mann in einem schwarzen Gewand. Er war alt, aber nicht uralt, mit schütterem weißem Haar und sorgfältig rasiertem Gesicht. Das Bemerkenswerteste an ihm war jedoch die Binde, die seine Augen vollständig verbarg. Myranda hatte das seltsame Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben.

Erschrocken legte sie die Hand auf ihren Mund. „Oh, es tut mir so leid! Ihr seid blind!“

„Mach dir darüber keine Gedanken. Es ist ja nicht deine Schuld.“

„Wie ist das geschehen?“, fragte sie.

„Die Aufgabe eines heiligen Mannes ist es nicht, andere mit seinen Sorgen zu belasten, sondern sie von ihren zu befreien.“ Seine Stimme klang kräftig, klar und befehlsgewohnt und strahlte Weisheit und Autorität aus. Er trank aus einem Tonbecher und räusperte sich, bevor er weitersprach. „Darf ich dir einen Tee anbieten, meine Liebe?“

„Oh, Ihr solltet Euch nicht die Mühe machen -“

„Das ist gar keine Mühe“, erwiderte er und stand langsam auf.

„Erlaubt mir, es selbst -“

„Unsinn, Unsinn, setz dich. Du bist mein Gast. Außerdem möchte ich nicht, dass du mir im Weg stehst. Ich könnte meine Orientierung verlieren und mich in meinem eigenen Haus verlaufen.“

Myranda setzte sich und sah zu, wie der Priester mit geübten Bewegungen zum Schrank ging und seine Finger über dessen Inhalte gleiten ließ, bis er den richtigen Behälter gefunden hatte. Es war erstaunlich, wie mühelos er seine Aufgabe ohne die Hilfe seiner Augen erledigte. Nach kürzester Zeit stellte er einen dampfenden Becher vor Myranda hin und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Sie zog den warmen Becher zu sich hin und schloss ihre kalten Hände um ihn. „Das war unglaublich“, sagte sie.

„Oh ja“, sagte er leichthin. „Die Leute kommen von überall her, um mir beim Teekochen zuzusehen.“

„Ich meinte nur – ich dachte, wenn man blind würde, wäre man hilflos.“

„Ich habe noch alle meine anderen Sinne. Eine Hand ohne Daumen ist immer noch eine Hand.“

„Aber man kann nicht bis zehn zählen.“

„Doch, wenn man noch weiß, wie es geht. Meine Güte, warum reden wir über mich? Ich bin schon seit Jahren hier. Du bist der Gast, was ist mit dir?“

„Was soll ich Euch erzählen?“

„Du könntest dich beschreiben. Meine Ohren verraten mir nicht alles. Ich weiß, wie groß du bist, weil ich darauf achte, woher deine Stimme kommt. Und ich erkenne dein Gewicht am Knarren deines Stuhls. Aber ich habe es bisher noch nicht geschafft, das Geräusch einer Haarfarbe zu erkennen.“

„Nun ja“, sagte Myranda verlegen, „ich habe rotes Haar. Lang. Und braune Augen. Meine Kleider sind grau.“

„Und ich bin sicher, du bist genauso hübsch wie deine Stimme.“

Myranda wurde rot. „Oh ...“

„Und dein Name?“

„Myranda Celeste. Und Eurer?“

„Du kannst mich Vater nennen“, antwortete er. „Und wo kommst du her?“

„Aus dem Norden.“

„Nordwesten oder Nordosten?“

„Nur Norden“, sagte sie und wappnete sich gegen die Fragen, die darauf folgen mussten.

„Nördlich von hier gibt es nichts außer Meilen öder Wildnis.“

„Ich weiß“, murmelte sie.

„Das Einzige, was jemanden dazu bringen könnte, diese Gegend zu durchqueren, wäre sehr großes Selbstvertrauen oder sehr schlechter Richtungssinn. Ich möchte dich nicht beleidigen, aber ich glaube eher an Letzteres.“

„Nein, nein. Ich habe es nur ... falsch verstanden. Ich habe nach dem kürzesten Weg nach Renack gefragt, und sie haben mich in diese Richtung geschickt.“ Sie hoffte, dass diese fadenscheinige Erklärung dem Priester genügen und er nicht weiterbohren würde. Wenn sie die Wahrheit erzählte, musste sie auch erklären, was die Dorfbewohner gegen sie aufgebracht hatte, aber sie hatte gehofft, wenigstens ihre Füße auftauen zu können, bevor sie nun auch hier hinausgeworfen wurde.

„Ach ja, das wäre sicherlich eine Erklärung. Aber es könnte ein wenig mehr Spannung vertragen. Die besten Märchen haben immer jede Menge Spannung. Das ist das Wesen des Dramas, weißt du.“

„Was?“, fragte sie bestürzt, als sie diese Bemerkung begriff. „Woher wisst Ihr, dass es nicht stimmt?“

„Wenn man lange genug zuhört, hört man irgendwann auch das, was die Leute nicht sagen wollen. Möchtest du mir die Wahrheit erzählen – oder wenigstens eine abenteuerlichere Geschichte erfinden?“

„Ich habe nach dem einfachsten Weg zur nächsten Stadt gefragt. Das ist die Wahrheit. Aber sie haben mich absichtlich in die falsche Richtung geschickt.“

„Warum würden sie so etwas tun? Du hättest dort draußen sterben können.“

„Ich habe mich ... unbeliebt gemacht.“ Noch immer versuchte sie, die Ursache ihrer Schwierigkeiten für sich zu behalten. Ihr Gastgeber würde jede Achtung vor ihr verlieren, wenn er erfuhr, was sie getan hatte. Aber der Priester ließ sich nicht von der Spur abbringen.

„Muss ich fragen oder wirst du mir die Mühe ersparen?“, fragte er.

Myranda seufzte tief. Es gab keinen Ausweg; sie konnte einen heiligen Mann nicht belügen.

„Ich sagte, es täte mir leid um die Soldaten, die in der letzten Schlacht getötet wurden ... auf beiden Seiten“, bekannte sie. „Danach wollte niemand mehr etwas mit mir zu tun haben. Als endlich jemand bereit war, mit mir zu reden, fragte ich ihn nach der Richtung und er schickte mich auf das Feld. Er sagte, es sei der sicherste Weg.“ Noch während sie sprach, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war.

„Eine Sympathisantin also“, sagte der Priester kalt. „Es liegt nahe, warum man dich in eine so ungünstige Richtung geschickt hat.“

Myranda stand auf. „Ich gehe. Ich will Euch nicht -“

„Nein, du kannst bleiben“, sagte er mit schlecht unterdrücktem Ekel. „Ich bin ein Mann des Himmels und es ist meine Aufgabe, Mitgefühl zu zeigen. Ich werde dein Bekenntnis anhören und die Art deiner Buße bestimmen.“

„Ich gehe. Ich bin Euch schon genug zur Last gefallen.“ Myranda nahm ihr Bündel, das sie gerade eben erst abgestellt hatte, und wandte sich zur Tür.

„Junge Frau!“, rief er streng. „Damit deine Sünde vergeben werden kann, musst du bereuen!“

Myranda erstarrte und drehte sich dann zu ihm um. „Vergeben? Bereuen?“ Diese Forderung weckte Gedanken, die sie eigentlich längst beiseitegeschoben hatte. Aber da sie nun auch diese Zuflucht verloren hatte, konnte sie genauso gut loswerden, was sie dachte. „Ich werde mich nicht für etwas entschuldigen, von dem ich weiß, dass es richtig ist!“

„Du hast Mitleid mit den Tressorern. Diese Männer sind auf den Tod unseres Volkes aus! Jeder freundliche Gedanke für sie ist ein Dolch in den Rücken eines deiner Brüder.“

„Versteht Ihr denn nicht? Dieselben Worte sagt ein Priester auf der anderen Seite zu jemandem, der Mitleid mit den Kämpfern des Nordbundes zeigt! Jedes zu früh beendete Leben ist eine Tragödie, und es ist mir gleich, wie oder wodurch es beendet wird!“ Viel zu lange hatte sie diese Gefühle unterdrückt, und es war eine Erleichterung, sie endlich einmal auszusprechen.

„Wenn wir unsere Entschlossenheit verlieren, werden wir überrannt! Heute verschwendest du noch dein Mitleid an einen Feind, morgen vergiftest du schon den Geist eines unserer Kämpfer, und in kürzester Zeit ist niemand mehr übrig, der kämpfen will!“

Das waren genau die alten Sprüche, die Myranda ihr Leben lang gehört hatte. „Dann wäre der Krieg wenigstens vorbei!“, sagte sie. „Ich will, dass dieser Krieg endet – ganz gleich, was es kostet. Es sind genug Menschen gestorben.“

„Ganz gleich? Also auch, wenn es dich und alle Völker des Nordens die Freiheit kostet?“

„Welche Freiheit denn? In unserer Welt haben wir nur zwei Möglichkeiten: der Armee beizutreten oder vor ihr wegzulaufen. Wenn wir beitreten, beten wir jeden Tag um die Möglichkeit, so lange zu überleben, dass wir auch am nächsten Tag noch beten können. Und wenn man tatsächlich alle Kämpfe überlebt, schickt man seine Kinder in dieselbe Todesfalle und verbringt den Rest seines Lebens damit, sich Blut von den Händen zu waschen. Und wenn man das nicht will, wenn man sich weigert, sich dem Krieg zu opfern, dann wird man so etwas wie ich. Ein heimatloser Flüchtling, den niemand kennt und jeder hasst. Was könnten die Tressorer uns antun, das schlimmer wäre? Gibt es überhaupt etwas, das schlimmer ist?“

„Diese Art Gerede wird uns den Sieg kosten“, sagte der Priester.

„Den Sieg? Es gibt keinen Sieg in dieser Schlachterei! Der Krieg nimmt uns alles und gibt uns nichts! Ich wünschte, meine ´Art Gerede´ hätte die Macht, die Ihr ihr zuschreibt! Wenn es so wäre, würde ich mich heiser schreien, ich würde nicht ruhen, bis mein Gerede jeden angesteckt hätte, der Ohren besitzt – aber die Wahrheit ist doch, dass nichts, was ich sagen oder tun könnte, auch nur die geringste Auswirkung auf diesen verfluchten Krieg hätte!“ Sie hatte sich in Rage geredet. Ihr Herz raste und Tränen vernebelten ihr die Sicht. Mit zitternder Hand stellte sie die fast leere Teetasse auf den Tisch. Getrunken hatte sie fast nichts, aber bei ihrer leidenschaftlichen Rede hatte sie es fertiggebracht, sich selbst und einen Teil des Raums mit einem Schwall Tee zu begießen. Die heiße Flüssigkeit hatte ihren Verband durchtränkt und den brennenden Schmerz der vergangenen Nacht wieder erweckt.

Als sie sich beruhigt hatte, sagte sie: „Es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe, und es tut mir leid, dass ich Euch Ärger und Mühe verursacht habe, aber es tut mir nicht leid, dass ich etwas denke und fühle, was Ihr für falsch haltet. Ich werde Euch jetzt verlassen, bevor ich etwas sage oder tue, das mir wirklich leid tun müsste.“

„An deiner Stelle würde ich draußen am Wegweiser nach links gehen“, sagte der Priester kalt. „Die Bewohner von Renack sind anständige, vaterlandstreue Menschen. Um die Welt von deinen traurigen, irregeleiteten Ansichten zu befreien, würden sie sich nicht auf ein kaltes Feld verlassen, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen. Links, also im Osten, liegt Beital. Da gibt es nur Halunken und Deserteure. Vielleicht findest du dort ja jemanden, der deine Ketzerei unterstützt!“

Seine letzten Worte hörte Myranda nur noch durch die Tür, die sie hinter sich zugeworfen hatte. Rasch und entschlossen strebte sie zum Ausgang der Kirche; von diesem Ort hatte sie genug.

Als sie die Kirche verließ, traf sie der eisige Wind wie ein Schlag ins Gesicht. In der kurzen Zeit, seit sie hier Zuflucht gesucht hatte, war die Luft noch kälter geworden. Die nassen Teeflecken auf dem Verband gefroren sofort. Wutschnaubend biss Myranda die Zähne zusammen und stemmte sich gegen den Wind. Es war bemerkenswert, dass er ihr immer ins Gesicht blies, ganz gleich, wohin sie sich drehte. Fast so, als ob jemand mit ihr spielte, um zu sehen, wieviel Quälerei sie aushielt. Sie blinzelte zum Himmel hinauf und schrie ihrem unsichtbaren Folterknecht zu: „Du wirst dich mehr anstrengen müssen!“

Nach wenigen Schritten fand sie den Wegweiser. Renack im Westen, Beital im Osten. Beide waren zehn Meilen entfernt, ein paar Stunden zu Fuß. Das war ein langer Weg, aber wenn es eine Straße gab, konnte sie jede der beiden Städte noch vor dem Abend erreichen. Vielleicht schaffte sie es sogar noch vor dem Abendessen bis zu einem Gasthaus.

Aber zu welcher Stadt sollte sie gehen?

Zögernd wandte sie sich nach Osten.

Während Myranda die Straße entlangging, versuchte sie, ihre Wut über die Auseinandersetzung aus ihren Gedanken zu verbannen, und grübelte über ihre Entscheidung nach. Am vergangenen Tag war sie dem Rat eines Menschen gefolgt, der ihre Ansicht über den Krieg kannte, und hatte beinahe ihr Leben verloren. Und jetzt beging sie denselben Fehler erneut.

Ihrem Vater hätte das nicht gefallen. Ihre Gedanken wanderten zu ihm hin; sie hatte ihn viel früher als ihre Mutter verloren und konnte sich kaum mehr daran erinnern, wie er ausgesehen hatte. Als Soldat war er nie länger als ein paar Wochen zu Hause gewesen, bevor seine Pflichten ihn zurück an die Front riefen. Aber trotzdem hatte er die Zeit gefunden, ihr einige ihrer wertvollsten Lehren beizubringen. Obwohl sie kaum sechs Jahre alt gewesen war, als er zum letzten Mal mit ihr gesprochen hatte, hatte er doch dafür gesorgt, dass sie ein paar Dinge über die Welt erfuhr. Er hatte ihr von seinen Abenteuern erzählt und das Ende immer mit einem guten Rat verknüpft. Und vor allem anderen hatte er ihr beigebracht, aufzupassen und aus ihren Fehlern zu lernen.

Sie schüttelte die Erinnerungen ab. Diese Zeit war vorbei, und es tat zu weh, an sie zurückzudenken. Aber nun kehrten die bösartigen Worte des Priesters zurück, und sie zitterte wieder, diesmal vor Wut. Sie brauchte dringend eine Ablenkung, um ihren Kopf von Zorn und Schmerz zu befreien.

„Also Beital und Renack. Beide gleich weit von der Kirche entfernt. Welche anderen Orte kenne ich, die sich eine Kirche teilen? Lucast und Murtock ... Skell und Marna ...“ Nein, es nützte nichts. Mit dieser schwachen Ablenkung bekam sie die Worte des Priesters nicht aus dem Kopf.

Also zwang sie sich zu einer sprachkundlichen Überlegung. „Beital! Woher kommt so ein Name? Ob der Ort an einem Tal liegt?“ Mit dieser und anderen völlig nutzlosen Überlegungen quälte sie sich die kalte, einsame Straße entlang und folgte jedem noch so sinnlosen Gedanken bis in den letzten Winkel, bis sie endlich in das rauchige, dunkle Gasthaus von Beital schlurfte.

Das Schild über der Tür gab ihm den Namen „Echsenkessel“, und sie wünschte, sie hätte diesen Namen schon vorher gewusst; es hätte ihr diesen Marsch deutlich unterhaltsamer gemacht, wenn sie darüber hätte nachdenken können. Aber der Duft von gebratenem Fleisch und das lockende Geräusch von Wein, der in Becher gegossen wurde, lenkten ihre Gedanken fest und unverrückbar auf ihren leeren Magen.

In diesem lauten Raum gab es keinen einzigen unbesetzten Tisch. Während Myranda sich nach einem freien Platz umsah, wurde sie angestarrt. Ihr Blick glitt über mindestens ein Dutzend Männer, die viel zu jung und gesund aussahen, um nicht an der Front zu sein. Offenbar hatte jeder von ihnen einen Weg gefunden, sich dieser Verpflichtung zu entziehen. Jetzt saßen sie hier, tranken und lachten und waren Verbrecher, weil sie das Leben gewählt hatten und nicht den Tod in der Schlacht. Besonders verdächtig in dieser Ansammlung von Schurken war ein in einen grauen Kapuzenumhang gehüllter Kerl in der hintersten, dunkelsten Ecke. Allerdings trugen auch fast alle anderen solche Umhänge, da sie auf Befehl des Königs kostenlos an das bettelarme Volk herausgegeben wurden.

Endlich entdeckte Myranda einen annehmbaren Platz und ging rasch darauf zu. Es war ein Stuhl am Tresen, wo die Getränke serviert wurden; ein paar Teller und Messer zeigten, dass sie hier auch etwas zu essen bestellen konnte. Es war kein besonders bequemer Stuhl, aber dafür stand er weit genug von den anderen Gästen entfernt, um ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Sie setzte sich hin und wartete auf den Wirt.

Minuten später wartete sie immer noch. Der Wirt befand sich in am anderen Ende des Tresens in einer angeregten Unterhaltung mit einem Gast, der ihm so ähnlich sah, dass sie Brüder sein mussten. Myranda wollte das Familiengespräch nicht unterbrechen und wartete weiter; sicher würde er bald zu ihr herüberkommen. In diesem Moment zog eine besonders dicke Wolke Pfeifenrauch an ihrem Gesicht vorbei, und sie musste die Luft anhalten, um nicht zu würgen. Mit tränenden Augen drehte sie sich zu der Quelle des fürchterlichen Gestanks um. An einem Tisch hinter ihr stieß ein alter Mann mit einer Klappe über dem rechten Auge ein röchelndes Geräusch aus, das irgendwo zwischen Husten und Lachen angesiedelt war und so lange anhielt, dass es seinen Körper schüttelte. Seine langstielige Pfeife steckte dabei fest zwischen seinen verbliebenen beiden Zähnen, die nicht nur halb verrottet, sondern auch ein Stück weit auseinandergerückt waren, um der Pfeife Platz zu schaffen. Ein zweiter, noch stärkerer Hustenanfall öffnete seine Lippen weit genug, um zu zeigen, dass er wirklich nur noch diese beiden Zähne besaß.

Sein Tischnachbar starrte Myranda durchdringend an. Er sah so hager und übermüdet aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Auf seiner Schulter hockte ein zerzauster Vogel, dem er etwas zuflüsterte, worauf sein pfeiferauchender Nachbar in ein weiteres hustendes Lachen ausbrach.

Ein verstohlener Blick in die Runde zeigte Myranda, dass auch die meisten anderen Männer im Gasthaus sie anstarrten. Es war ihr mehr als unangenehm, und sie drehte sich hastig wieder zum Tresen um, wo ein paar Fliegen auf den Essensresten des vorigen Stuhlbesitzers herumkrabbelten. Da es draußen viel zu kalt war, als dass Fliegen hätten überleben können, stammten diese hier wahrscheinlich aus einer generationenalten Zucht aus den Nahrungsresten im Echsenkessel. Als ein ziemlich ungeschicktes Pärchen auf dem Weg zur Treppe, die sich rechts von Myranda befand, den Tresen anrempelte, hoben die Fliegen ohne Eile ab und segelten zum nächsten Teller. Der Zusammenstoß warf Myranda beinahe von ihrem Stuhl, aber das Paar stolperte ohne jede Entschuldigung einfach die Treppe hinauf und verschwand. Es gab noch mehrere solche Rempler und Stöße, bevor sich der Wirt endlich in Myrandas Richtung bewegte. „Was sollʼs sein? Beeilt Euch, Mädchen, ich hab zu tun.“

„Was habt Ihr auf dem Feuer?“, fragte sie.

Mit einem Seufzer drehte er sich zur Küche um, drehte sich wieder zurück und antwortete: „Ziege.“

„Dann möchte ich etwas davon. Und Wein.“

„Wein gibtʼs nicht.“

„Warum nicht?“

„Ist zu teuer. Habʼ seit Wochen keinen Tropfen im Haus.“

Myranda warf einen Blick zum nächsten Tisch, an dem ein Mann gerade Wein aus einer Karaffe in ein Glas goss. „Seid Ihr sicher?“

„Wein ist sehr teuer“, wiederholte er. „Leute, die sich das nicht leisten können, trinken Bier.“

Jetzt verstand sie. Der Wein war für die bessergestellten Gäste reserviert, und dazu zählte der Wirt sie offensichtlich nicht. Und der Preis, den er fordern würde, wollte sie auch ganz sicher nicht bezahlen.

„Bier ist in Ordnung“, sagte sie.

Er zog einen schweren Humpen unter dem Tresen hervor, zapfte Bier aus einem der vielen Fässer an der Mauer zur Küche und knallte ihn so hart vor Myranda hin, dass er überschwappte. Während er zur Küche schlurfte, wischte Myranda den Rand des Bechers ab und kostete das Bier, und so sah er nicht, wie sie bei dem scheußlich bitteren Geschmack das Gesicht verzog.

Es war nicht einmal besonders schlecht, aber Myranda war schon keine Liebhaberin von gutem Bier, und dieses war weit davon entfernt gut zu sein. Einen Moment lang überlegte sie, es einfach stehen zu lassen und nur auf das Essen zu warten, aber dem Fass nach zu urteilen, war dies das Bier des Hauses, und die meisten Wirte waren sehr stolz auf ihr Selbstgebrautes. Also rümpfte sie besser nicht die Nase darüber. Um des lieben Friedens willen nahm sie einen zweiten Schluck. Immerhin war es besser als das nach Leder schmeckende Regenwasser aus ihrer Flasche, das sie in den letzten Wochen am Leben gehalten hatte, und das Zeug in der Flasche des Soldaten war wahrscheinlich auch nichts, worauf man sich freuen konnte.

Der Wirt stellte einen Teller vor sie hin. Darauf befanden sich eine Scheibe von deutlich zu lange gebratenem Ziegenfleisch und ein Schlag gekochter Kohl. Ein Messer schlug klirrend neben dem Teller auf. Myranda säbelte ein Stück von dem verbrannten Fleisch ab, spießte es mit dem Messer auf und kostete. Dann kaute sie ewig darauf herum, bis sie es endlich herunterschlucken konnte. Es folgte ein Mund voller Kohl, der nicht nur das einzige Gemüse war, das man in dieser Zeit bekommen konnte, sondern auch den üblichen Geschmack hatte, nämlich gar keinen.

Als Myranda die Ledersohle ihres Hauptgerichts endlich heruntergebracht hatte, schmerzte ihr Kiefer vom angestrengten Kauen. Dieses Essen kam nicht einmal an die Qualität der alten Kekse heran, die zur Zeit in ihrem Bündel noch älter wurden, aber wenigstens reichte es aus, um den ärgsten Hunger zu stillen. Kaum hatte sie den Teller von sich geschoben, kam der Wirt zu ihr. „Warʼs das?“

„Ja, danke.“

Er streckte die Hand aus. „Fünf Kupfer fürs Essen, zwei fürs Bier.“

Sieben Kupfer! Das war teurer, als sie erwartet hatte. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte sie im Geldbeutel des Soldaten ungefähr zwanzig Kupfermünzen gefunden. Sie fragte sich, ob sie jetzt noch genug Geld für ein Nachtlager haben würde, aber der Gedanke fror jäh ein, als sie nach dem Beutel an ihrem Gürtel griff und ihn nicht fand. Entsetzt tastete sie herum, aber statt des Klimperns von Münzen hörte sie nur das ungeduldige Trommeln der Finger des Wirts, der auf seine Bezahlung wartete. Angst brannte in ihrem Geist, während sie in ihrem zerschlissenen Umhang herumkramte und jede Tasche einzeln umdrehte. Sie wusste, dass sie den Geldbeutel bei sich gehabt hatte, als sie das Gasthaus betreten hatte. Sie hatte das Klirren der Münzen gehört, als sie sich hingesetzt hatte. Ihre Gedanken rasten. Wo war der Beutel? Ihre Panik wuchs im gleichen Maß wie die Geduld des Wirts zusammenschrumpfte.

„Heute noch, Mädchen“, sagte er barsch. „Die anderen Gäste warten auf mich.“

„Ich – ich muss nur -“, stotterte sie und zog ihr Bündel auf den Schoß, um es zu durchsuchen. Dabei blieb das eingewickelte Schwert an einer Kante hängen, wurde von dem Bündel abgerissen und fiel auf den Boden. Schnell bückte sie sich, um es aufzuheben, und als sie sich wieder aufrichtete, sah sie, dass sie Gesellschaft bekommen hatte.

Es war die große, verhüllte Gestalt, die sie vorhin in der Ecke hatte sitzen sehen. Die Kapuze war so weit nach vorne gezogen, dass das Gesicht im dämmrigen Licht des Gasthauses völlig im Dunkeln blieb. Der Mann war mindestens einen Kopf größer als sie, aber seine genaue Gestalt war unter dem groben Umhang verborgen. Er schob einen schlanken, in grauen Stoff gehüllten Arm hervor. Die Hand steckte in einem Lederhandschuh; hier im Norden war es üblich, nicht das geringste Stück Haut der eisigen Luft preiszugeben. Der Fremde öffnete die Hand und ließ eine Silbermünze auf den Tresen fallen. „Ich bezahle für das Essen der jungen Dame“, sagte er mit einer klaren, selbstbewussten Stimme. „Sie ist eine Freundin von mir. Ich hoffe, du bleibst bis morgen? Wir haben so viel aufzuholen.“

„Oh“, sagte sie, „ja, schon ... ich wollte übernachten, wenn ich es bezahlen kann.“

Eine zweite Münze fiel auf den Tresen.

„Eure beste Schlafkammer, mein guter Mann“, sagte der Fremde.

Der Wirt zog einen Schlüsselbund aus der Tasche seiner fleckigen Schürze. Sorgfältig wählte er den Schlüssel aus, der am wenigsten abgenutzt aussah, legte ihn auf die Theke und strich die Münzen ein. Der Fremde hob die Hand. „Nicht so schnell, edler Wirt. Ich denke, an einem Abend wie diesem wäre eine gute Flasche Wein angebracht.“

„Ich bedaure, aber ich habe keinen.“ Offenbar hatten die Münzen dem Fremden auch die Höflichkeit des Wirts erkauft.

Eine dritte Münze klimperte auf das fleckige Holz.

„Bitte seht doch noch einmal nach. Ich bin wirklich durstig.“

„Mein Herr, ich wünschte, ich könnte Euch helfen, aber Ihr müsst verstehen ...“

Eine vierte Münze.

„Nun“, sagte der Wirt, „es kann ja nicht schaden, noch einmal ganz hinten nachzusehen.“ Er verschwand durch den rauchigen Durchgang zur Küche und kehrte beinahe sofort mit einer Flasche zurück. „Was für ein Glück! Zufällig hatte ich doch noch eine Flasche vom letzten Jahrgang übrig. Zum Wohl!“ Er strahlte über sein ganzes unangenehmes Gesicht und steckte das Geld in seine Schürze.

„Danke.“ Während Myranda hastig ihre Sachen aufsammelte und den Schlüssel und die Flasche an sich nahm, warf sie dem verhüllten Fremden einen Blick zu. „Und ... dir danke ich auch. Ich freue mich, dich ... wiederzusehen. Ich gehe dann jetzt in meine Kammer.“

Solche Glücksfälle waren selten und neigten dazu, rasch in ihr Gegenteil umzukippen. Sie wollte sicher in ihrem Schlafraum ankommen, bevor dieser hier kippte. Fremden, die einen einfach einluden, war selten zu trauen. Die krummen Treppenstufen knarzten, als sie rasch nach oben stieg. Oben fand sie sich in einem sehr spärlich beleuchteten Gang. Auf der linken Seite befanden sich mehrere von schweren Vorhängen verdeckte Fenster. Ein paar letzte Sonnenstrahlen stachen an den Stoffen vorbei und malten schwache Lichtmuster auf die sieben Holztüren. Die hinterste Tür trug einen Holzbogen und sah damit etwas weniger schäbig aus als die anderen. Myranda ging darauf zu und strengte die Augen an, um so etwas wie eine Nummer zu finden und mit ihrem Schlüssel zu vergleichen. Um besser sehen zu können, schob sie den Vorhang am gegenüberliegenden Fenster zur Seite. Der Schlüssel passte, aber da sich zur Zeit alles gegen sie verschworen hatte, ließ er sich nicht drehen. Die Sonne ging unter, und die Dunkelheit in diesem Gang machte es unmöglich herauszufinden, was das Problem war. Natürlich war auch die einzige Kerze im nächsten erreichbaren Kerzenhalter heruntergebrannt und nicht ausgetauscht worden.

Myranda ruckelte und stieß an dem Schlüssel herum und schaffte es endlich, ihn zu drehen. Sie stieß die Tür auf und betrat den Raum, und wenigstens ließ sich der Schlüssel jetzt beim Abschließen viel leichter drehen.

Es war ein bescheidener, finsterer Raum, aber für ihre Verhältnisse war es schon ein Palast. Nach einer Nacht in einem halbzerstörten Zelt neben einem qualmenden Feuer mitten in der Tundra wusste man die kleinen Annehmlichkeiten des Lebens viel mehr zu schätzen, zum Beispiel Wände, die dicker waren als die Stoffe, die sie am Körper trug.

Ohne auch nur nach einer Lampe zu suchen, warf sie ihre Habseligkeiten auf einen der beiden Stühle, die sie neben einem kleinen Tisch am Ende des Raumes ausmachen konnte, dann sackte sie auf den zweiten Stuhl und stieß einen Seufzer tiefster Erleichterung aus. Mit einiger Anstrengung zog sie ihre Stiefel von den schmerzenden Füßen, bewegte die Zehen und zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte.

„Wer ist da?“ Rasch stand sie auf. Die kurze Pause hatte schon ausgereicht, um jeden einzelnen Körperteil gegen die Bewegung protestieren zu lassen. Mit schmerzenden Füßen humpelte sie durch die Kammer und schob alle ihre Besitztümer, vor allem das Schwert, unter das Bett.

„Euer Freund von unten“, antwortete eine Stimme, die sie wiedererkannte.

Sie humpelte zwei Schritte auf die Tür zu, hielt jedoch an. Natürlich wollte sie sich bei ihm für die Hilfe bedanken, aber leider war es mehr als wahrscheinlich, dass er sich von ihr eine ganz bestimmte Form der Dankbarkeit versprach. In diesen Zeiten gab es nur wenig Freundlichkeit und ganz sicher keine Großzügigkeit ohne Gegenleistung.

„Ich ... ich bin sehr müde“, sagte sie.

„Müde? Dann unterhalten wir uns eben morgen.“ Er klang enttäuscht, aber nicht verärgert. „Genießt Euren Schlaf.“

Myranda legte ihr Ohr an die Tür und hörte leise Schritte, gefolgt vom Kratzen eines Schlüssels in einem genauso unwilligen Schloss.

Seine Reaktion war anders gewesen, als sie erwartet hatte. Keine Spur von Bosheit oder Groll in seiner Stimme, nachdem ihm der Zugang zu einem Raum verweigert worden war, für den er bezahlt hatte. Er hatte auch nicht versucht, sie umzustimmen. Und genau deshalb – trotz aller bösen Erfahrungen und gegen jeden Rat, den sie je erhalten hatte – beschloss Myranda, ihn nun doch einzulassen. Sie wollte ihre Entscheidungen nicht von Wut und Zynismus abhängig machen.

Also hinkte sie zur Tür und drehte den Schlüssel. Die Tür schwang knarrend auf. Myranda streckte den Kopf nach draußen und sah die dunkle Gestalt, die noch immer an dem elenden Schloss herumfummelte, sich aber jetzt nach ihr umschaute.

„Es tut mir sehr leid“, sagte sie. „Ihr könnt hereinkommen.“

„Unsinn! Ich möchte Euch nicht um den Schlaf bringen.“

„Ich bestehe darauf.“

„Nun, wenn ich muss ...“, sagte er leichthin.

Nachdem der Fremde die Kammer betreten hatte, zog Myranda die Tür zu, ließ sie aber unverschlossen – nur für den Fall, dass er doch unerfreuliche Absichten hegte und sie ihn hinauswerfen musste.

„Es tut mir leid, dass ich eben so unhöflich war“, sagte sie und schob ihm den zweiten Stuhl hin.

„Unhöflich?“ wiederholte er. „Also seid Ihr gar nicht müde?“

„Doch, schon, aber -“

„Wofür entschuldigt Ihr Euch dann?“

„Ich hätte Euch hereinbitten sollen. Schließlich habt Ihr für den Raum bezahlt.“

„Ach was! Ihr habt den Schlüssel, also ist das Eure Kammer.“ Er machte es sich auf dem Stuhl bequem. „Interessant, der Wirt verkauft zwar Wein, aber Weingläser hat er nicht. Aber für uns zählt ja ohnehin nur der Inhalt, oder?“

Er stellte zwei Becher auf den Tisch, während Myranda eine kleine Lampe entdeckte und anzündete. Sie wandte sich ihrem Gast zu, der noch sein Gesicht immer in der Dunkelheit unter der Kapuze verborgen hielt. „Wisst Ihr“, sagte sie, „dank Eurer Großzügigkeit habe ich hier einen Raum gleich neben dem Kamin. Es ist warm genug, dass Ihr den Umhang ablegen könnt.“

„Das möchte ich lieber nicht“, antwortete er freundlich.

„Hm ... wie Ihr wünscht.“ Myranda nahm ihren eigenen Umhang ab und hängte ihn an den Bettpfosten. Der Fremde goss den Wein in die Becher. „Auf Euer Wohl, meine Liebe“, sagte er, hob seinen Becher und trank mit einer merkwürdig umständlich aussehenden Bewegung, bevor er den Becher wieder absetzte und ein leises schmatzendes Geräusch von sich gab.

Myranda kostete ihren Wein, der deutlich mehr nach Brandy schmeckte und viel stärker war, als sie erwartet hatte. Doch wie sie es gehofft hatte, wärmte die Schärfe des Alkohols ihren durchgefrorenen Körper auf.

„Faszinierender Geschmack“, bemerkte ihr Gast.

Myranda hustete, als das Feuer des Getränks durch ihre Kehle rann. „Aber er tut, was er soll“, brachte sie hervor.

„Bewundernswert“, stimmte er zu und trank erneut in dieser seltsamen Haltung.

„Wäre es nicht einfacher, die Kapuze abzunehmen?“, fragte Myranda.

Stattdessen zog der Fremde die Kapuze noch weiter nach vorne. „Das Trinken wäre einfacher, ja. Aber alles andere würde ... ungemütlicher.“

Myranda wurde es unbehaglich zumute. Allmählich fand sie es beunruhigend, wie entschieden er es ablehnte, sein Gesicht zu zeigen. Während sie einen weiteren Schluck trank, zogen alle möglichen dunklen Beweggründe für sein Verhalten durch ihren Geist. Vielleicht mochte er sein Aussehen nicht. Oder vielleicht verfolgte ihn ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit, das jeden, der sein Gesicht sah, in Gefahr brachte.

Er unterbrach diese finsteren Gedanken. „Da wir hier als alte Freunde zusammensitzen, wäre es von Vorteil, Euren Namen zu kennen.“

„Oh. Ja, natürlich. Ich heiße Myranda. Und Ihr?“

„Leo. Erfreut, Euch kennenzulernen, Myranda.“ Er streckte die Hand aus, und sie ergriff sie. „Ich bin auch sehr erfreut, Euch kennenzulernen, Leo. Ich kann Euch gar nicht genug für Eure Hilfe danken. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so etwas für mich getan hätte.“

„Daran zweifle ich nicht“, antwortete er trocken. „Wie seid Ihr denn in diese Zwangslage gekommen?“

„Jemand muss meinen Geldbeutel gestohlen haben.“

„Dafür habt Ihr Euch auch den besten Platz ausgesucht.“

„Ich weiß. Ich habe nicht nachgedacht, sonst hätte ich mich woanders hingesetzt.“

Einen Moment lang herrschte Stille, und Myranda warf einen erneuten Blick auf die Kapuze. „Ist Euch denn so kalt?“

„Wie bitte?“

„Der Umhang. Nehmt Ihr ihn nicht ab, weil es Euch sonst zu kalt ist?“

„Nein, mir ist nicht kalt. Ihr stammt nicht von hier, oder? Wo seid Ihr zu Hause?“

„Nirgends. Es ist Ewigkeiten her, dass ich mal länger als eine Woche am gleichen Ort geblieben bin.“

„Wirklich?“, sagte er, es klang erfreut. „Dann haben wir etwas gemeinsam, ich bin auch meistens auf der Straße. Berufsbedingt könnte man sagen. Bei Euch auch?“

„Leider nicht. An meinem Nomadenleben bin ich eher selbst schuld.“