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Zwei Journalisten decken auf - vor 15 Jahren, wenige Wochen vor dem Balkan-Krieg, erfolgte in der Ostsee ein Manöver von NATO-Staaten. Ein Kutter aus Sassnitz sank, drei Fischer kamen ums Leben. Militärs, Politiker, Juristen und Gutachter bemühten sich eifrig und erfolgreich, einen kausalen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen zu bestreiten. Die beiden NDR-Journalisten Schmidt und Riemann recherchierten, weil sie den offiziellen Darstellungen nicht glaubten. Inzwischen fanden sie Beweise, dass ihre These stimmte. In der Neufassung ihres Buches von 2001 geht es nicht mehr nur um die Schuldfrage, sondern um die Mechanismen und Motive, mit denen die Öffentlichkeit getäuscht und belogen wurde.
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Seitenzahl: 255
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Impressum
ISBN eBook 978-3-360-50078-6
ISBN Print 978-3-360-02186-1
© 2014 Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin
Fotos: NDR (soweit nicht anders angegeben)
Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH
Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin
Die Bücher des Verlages Das Neue Berlin
erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.edition-ost.de
Michael Schmidt Lutz Riemann
Der Fall Beluga
Ein Unglück auf der Ostsee und wie es vertuscht wurde
Das Neue Berlin
Kapitel 1
Ein altes Thema wird überraschend aktuell
Am 3. Mai 2012 berichtet die Online-Ausgabe der Kieler Nachrichten über das Finale eines Milliarden Euro schweren Waffengeschäfts der Bundesrepublik Deutschland mit Israel. Auf der Howaldtswerke-Deutsche Werft war soeben das erste von drei neuen U-Booten der DOLPHIN-Klasse für die israelische Marine getauft worden. Die Zeitung berichtet von »strengen Sicherheitsvorkehrungen«. Das 68 Meter lange U-Boot besitze einen »Antriebs-Mix aus Brennstoffzellen und Elektromotoren und könne bis zu zwei Wochen getaucht operieren«.
Aus den Torpedorohren »sollen angeblich Marschflugkörper verschossen werden können, die auch Nuklearsprengköpfe tragen können. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es bislang aber nicht. Zu dem Auftrag äußern sich weder die Bauwerft HDW noch der Thyssen-Krupp-Konzern.«
Auch die Politik gibt sich ausgesprochen zurückhaltend. Dabei hat sie – wie die Kieler Nachrichten informieren – bei dem spektakulären Rüstungsdeal kräftig mitgemischt. Ein Drittel der Finanzierung der drei U-Boote wurde von der Bundesregierung übernommen. Pardon – letztlich natürlich von den Steuerzahlern. Ein Drittel von 1,5 Milliarden Euro.
Nicht nur die regionale Presse in Norddeutschland hat das U-Boot-Geschäft im Blick. Der Spiegel widmet dem Thema am 4. Juni 2012 sogar seine Titelgeschichte: »Wie Deutschland die Atommacht Israel aufrüstet.« Was dann über die kriegerische Entwicklungshilfe der Bundesrepublik in Nahost geschrieben wird, liest sich beängstigend: »Gerüchte kursierten seit Jahren – nun wurden sie erstmals bestätigt: In Deutschland gebaute U-Boote, deren Kosten zu einem Großteil die Bundesrepublik trägt, werden in Israel mit atomaren Marschflugkörpern ausgestattet. Das haben Recherchen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel ergeben. ›Die Deutschen können stolz darauf sein, die Existenz des Staates Israel für viele Jahre gesichert zu haben‹, sagte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak dem Spiegel.«
Zeitungsartikel mit Folgen und mit Fragen.
Schafft Deutschland klammheimlich mit an einer atomaren Bewaffnung Israels?
Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen, fragt beim Verteidigungsministerium nach, was es mit den Trägersystemen für Atomwaffen an Bord der U-Boote auf sich hat. Am 8. Mai 2012 erhält sie aus dem Bundesministerium der Verteidigung eine schriftliche Antwort: »Die Bundesregierung tritt entschieden für die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen ein. Dementsprechend würde sie keine Lieferungen von Trägersystemen für Nuklearwaffen genehmigen.«
Als die Abgeordnete sich damit nicht zufrieden gibt, sondern nachhakt, kommt aus dem Bundesministerium am 12. Juni eine weitere Antwort: »Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über eine mögliche Bewaffnung.«
Irgendwann in den Tagen des Austausches von klaren Anfragen einer Bundestagsabgeordneten und nebulösen Antworten eines Parlamentarischen Staatssekretärs aus dem Verteidigungsministerium meldet sich ein Mitarbeiter von Frau Dagdelen per Mail bei uns. Ob wir die beiden Journalisten seien, die sich mit dem mysteriösen Untergang des Fischkutters BELUGA beschäftigt und darüber ein Buch geschrieben hätten? Wir sind erstaunt – eine Reaktion aus der Politik in Berlin, nach so vielen Jahren? Immerhin war das Buch »Der Untergang der BELUGA« bereits im Jahr 2001 erschienen und lange vergriffen. Sollte es etwa neue Informationen geben? Wider Erwarten endlich eine wirkliche Aufklärung des rätselhaften Todes von drei Rügener Fischern?
Nein, das nicht, erfahren wir. Aber es könnte vielleicht sein, dass das tragische Unglück des Sassnitzer Fischkutters in der Nacht vom 17. zum 18. März 1999 zusammenhängt mit geheimen Tests der neuen Super-U-Boote. Ein zeitlicher Zusammenhang jedenfalls sei denkbar. Denn die Erprobungen hätten schon Jahre vor der jetzigen Indienststellung stattgefunden. Die Bundestagsabgeordnete Dagdelen habe deshalb eine entsprechende Frage an das Verteidigungsministerium gerichtet. Immerhin solle die DOLPHIN-Klasse über Stealth-Eigenschaften verfügen, also unsichtbar für Radarschirme sein. In der Anfrage habe sie auch das seinerzeit im Seegebiet zwischen Rügen und Bornholm stattgefundene NATO-Manöver »Jaguar« erwähnt. Sie wolle wissen, ob damals in jenem Teil der Ostsee »Radarsignale erprobt bzw. verfremdet ausgesandt« worden seien.
Was wir von dieser Frage an das Verteidigungsministerium hielten, möchte die Bundestagsmitarbeiterin wissen.
Wir schauen uns an, sind skeptisch. Die Beschädigungen, die damals an den Aufbauten der BELUGA entdeckt wurden, können unmöglich von U-Booten stammen. Andererseits könnte es nicht schaden, wenn der »Fall BELUGA« nach Jahren wieder öffentlich aufgerollt werde, denn noch immer sind viele Fragen offen. Große Erwartungen an die Anfrage haben wir jedoch nicht. Zu oft und zu lange sind die Angehörigen und Kollegen der drei ertrunkenen Fischer von Ermittlungsbehörden und politischen Instanzen hingehalten und verschaukelt worden.
Auch diesmal bleibt die Überraschung aus. – »Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Erkenntnisse über mögliche Zusammenhänge zwischen dem Kentern des Fischereibootes BELUGA und den Tests von U-Booten der Dolphin-Klasse oder einem gleichzeitig durchgeführten Seemanöver ›Jaguar 1999‹ vor.«
Trotzdem, wir sind wieder angestachelt, weiter zu recherchieren und jedem Hinweis nachzugehen, sei er noch so vage. Für uns liegt der »Fall BELUGA« noch lange nicht bei den Akten. Fünfzehn Jahre sind seit dem Untergang des Schiffes vergangen. Und immer noch lassen sich neue Puzzle-Steine finden, die das wahrscheinliche Bild vom Ablauf des Unglücks Stück für Stück deutlicher erkennbar werden lassen.
»Sind Sie die Journalisten, die 2001 das Buch über die BELUGA schrieben?« – Riemann (l.) und Schmidt (© Lutz Riemann; Robert Allertz)
Kapitel 2
»Sonst hat Frank jeden Tag angerufen«
Erst nur leichte Kopfschmerzen und eine triefende Nase, nun auch noch Fieber … Martin Senfft fühlt sich miserabel. Eigentlich müsste sich der 17-jährige Azubi krankschreiben lassen. Kommt überhaupt nicht in Frage. Frank Schneider, der Kapitän, und Hartmut Gleixner, der Maschinist, würden es zur Not auch ohne ihn schaffen. Aber sie haben ihn telefonisch gebeten, sich aufzuraffen. Die BELUGA müsse nach Bornholm. Sie brauchen ein neues Fischereigeschirr, die amtliche Überprüfung des Rettungsfloßes ist fällig, und dann soll auch noch Eis übernommen werden.
Ein langer Tag, da wird jede Hand gebraucht.
Martin packt seine Sachen und geht zur Bushaltestelle in Tribsees. Kopfschüttelnd sieht die Mutter ihrem hochgewachsenen Sohn nach. Nicht mal »Tschüss« hat er gesagt. Margrit Senfft pfeift ihm hinterher. Er dreht sich um, lacht und winkt. Dann ist er weg. Zum Fischkutter BELUGA, das ist seine Welt. Die Frau ist froh, dass ihr Sohn einen Beruf gefunden hat, der ihn begeistert, und Kollegen, die ihn mögen. Martin ist ein richtiger Mann geworden.
Der Kapitän und sein Maschinist freuen sich, als ihr dritter Mann im Hafen auftaucht. Natürlich, wenn Martin krank wäre, müsste er zu Hause im Bett bleiben. Aber so schlimm wird es schon nicht sein. Außerdem fällt die meiste Arbeit erst auf Bornholm an. Bis dahin ist er vielleicht wieder an Deck.
Am Mittwoch, dem 17. März 1999, heißt es morgens Maschine an, Leinen los – die SAS 104 BELUGA tuckert gemächlich aus dem Hafenbecken.
Ein Stückchen weiter südlich wird der Hafen von Mukran angesteuert. Im Auftrag eines Instituts werden Bodenproben vom Grund der Ostsee geholt. An Land soll ein neues Fischverarbeitungszentrum entstehen, die Umweltuntersuchungen sind Bestandteil der Planungsphase. Alles läuft wie am Schnürchen, der Kran auf dem hinteren Aufbaudeck der BELUGA funktioniert wie immer ohne Probleme, die Arbeit ist pünktlich erledigt. Gegen 12 Uhr legt die BELUGA mit den Bodenproben wieder in Sassnitz an.
Bis zur nächsten Ausfahrt bleibt noch Zeit. Die Männer klaren an Bord herum, essen was und halten einen Schnack mit den Kollegen auf den anderen Fischkuttern. Alles ist so wie an jedem anderen Tag im Hafen, nichts Besonderes.
Gut eine halbe Stunde vor Mitternacht wird der Diesel wieder angelassen, die BELUGA legt ab. Ordnungsgemäß meldet sich Kapitän Frank Schneider beim Hafendispatcher von Sassnitz Port ab. Diensthabender in der Hafenzentrale ist Jürgen Stange, sein Schwiegervater. Der schreibt ins Hafen-Tagebuch: 17. März 1999, 23.21 Uhr, Ausgang von SAS 104, BELUGA.
Die See ist ruhig bei Windstärke drei bis vier, die Sicht gut. Der Seewetterbericht hat vermeldet, dass es so bleiben werde. Die Maschine arbeitet gleichmäßig, das Schiff gleitet ruhig durch die Wellen. Kapitän Schneider übernimmt die Wache, Maschinist Gleixner und Lehrling Senfft ruhen in ihrer Kammer ab.
Die dänischen Kollegen in Nexö auf Bornholm erwarten sie gegen 8 Uhr morgens. Eine unspektakuläre Überfahrt steht bevor.
Der Fischereihafen in Sassnitz mit Mole
Am Tag danach, Donnerstag, 18. März. Kurz nach 10 Uhr klingelt bei Wolfgang Henckel, dem Geschäftsführer der Genossenschaft der Sassnitzer Seefischer, das Telefon. Die Kollegen auf Bornholm wollen wissen, wo Frank Schneider bleibe. Sie würden seit zwei Stunden auf die BELUGA warten.
»Ist bestimmt noch unterwegs«, sagt Henckel. Er ist überfragt. Ihm liegt keine Meldung vom Schiff vor.
»Hat er sich nicht per Funk gemeldet?«
Nein, habe er nicht, sagen die Dänen, darum habe man sich schließlich bei ihm gemeldet.
Beate Schneider in Sellin wird von einer Unruhe erfasst, die ihr fremd ist. Ihr Mann meldet sich sonst regelmäßig bei ihr per Handy. Man spricht über dies und das, nur um miteinander zu reden. Am Nachmittag meldet sich ihr Vater Jürgen Stange aus dem Hafen. Sie solle mal über Handy den Frank anrufen, da scheine irgendetwas mit dem Funkgerät zu sein.
Beate Schneider drückt immer wieder die Taste. In der Ohrmuschel nur der immer gleiche Spruch: The person you’ve called is temporarily not available.
Vermutlich ein Funkloch. Davon gibt es reichlich auf See.
Zwischen 21 und 22 Uhr erreicht sie ein Anruf. Die freudige Erwartung verfliegt sofort. Es ist nicht, wie erhofft, ihr Mann Frank, sondern die Polizei. Der Beamte bittet sie zu beschreiben, was für eine Rettungsinsel die BELUGA an Bord habe. Form und Größe und Farbe …
Beate Schneider ist irritiert. Weshalb fragt man das ausgerechnet sie?
Eine halbe Stunde später meldet sich der Beamte wieder. Ja, die gesichtete Rettungsinsel müsse wohl zur BELUGA gehören. Sie hänge aber an einem Schiff. Unter Wasser …
Die Nachrichten, so bruchstückhaft sie auch sein mögen, dringen ins Hirn und fügen sich zu einem Bild, das Beate Schneider nicht wahrhaben will. Die BELUGA soll gesunken sein? Unmöglich.
Noch in der Nacht kommen ihre Eltern. Bis zum Morgen warten alle auf eine Meldung, auf irgendein Lebenszeichen von Frank Schneider. Sie telefonieren mit Christa Gleixner in Sassnitz und mit Margrit Senfft in Tribsees. Unsere Männer hatten doch die besten Rettungsanzüge an Bord. Die gehen doch nicht einfach unter. Selbst wenn sich die Rettungsinsel nicht geöffnet oder sich verfangen hat: Mit den Anzügen kann man sich über Wasser halten, bis man aufgefischt wird.
So reden sie sich Hoffnung und Mut zu.
Nach einer qualvollen Nacht fährt Beate Schneider nach Sassnitz. Die Wasserschutzpolizei nimmt die Daten ihres Mannes und seines Kutters auf. Die Beamten sprechen, um ihr Mut und Hoffnung zu geben, von einer Luftblase im Schiffsinneren, in die sich Frank und die anderen beiden Männer gerettet haben können.
Wolfgang Henckel von der Genossenschaft teilt ihr mit, dass man das Schiff so schnell wie möglich bergen wolle. Doch der Kran liege in der Werft – ehe man vor Ort sei, wäre es gewiss zu spät, die Luftblase – so es eine gebe und sich die Männer darin aufhielten – wäre aufgebraucht.
Die Besatzung der BELUGA: Kapitän Frank Schneider (r.), Hartmut Gleixner (l.) und Azubi Martin Senfft
Christa Gleixner wird zu Hause von zwei Polizisten aufgesucht. Diese informieren sie offiziell, dass ihr Mann und seine beiden Kollegen vermisst würden. Ein Unfall sei passiert. Die Fischer seien noch nicht gefunden. Man bittet die Frau, einige der persönlichen Sachen zu beschreiben, die Hartmut Gleixner an Bord gehabt hat. Von Gegenständen im Bad werden Fingerabdrücke des Mannes abgenommen. Christa Gleixner gibt den Polizisten zwei Fotografien mit. Sie zeigen ihren Mann und Kapitän Frank Schneider. Keine Sorge, die Bilder erhalte sie selbstverständlich zurück.
Steffi, die 16-jährige Tochter von Christa und Hartmut Gleixner, erfährt in der Schule Mitgefühl und Neugier. Alle wissen schon, dass die BELUGA untergegangen ist.
Die Welt ist hier nicht so groß.
Unterdessen laufen längst die Rettungs- und Bergungsarbeiten. Es beteiligen sich daran Hubschrauber und Seenotrettungskreuzer, Bundesgrenzschutz, Marine.
Von den drei Fischern fehlt jede Spur.
Ausgelöst hat die Suchaktion die Meldung eines Bundeswehrflugzeuges. Die Besatzung der »Breguet Atlantic« hatte am 18. März um 15.15 Uhr östlich von Rügen, Südspitze Adlergrund, eine Ölverschmutzung festgestellt. Der Ölfilm auf der Ostsee war ungefähr drei Seemeilen lang und etwa 500 Meter breit. Die SAR-Leitstelle (Search And Rescue) der Deutschen Marine in Glücksburg gab die Information um 15.20 Uhr an den Zentralen Meldekopf, der reichte sie weiter an das MRCC (Einsatzzentrale der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) Bremen.
Das Ölüberwachungsflugzeug vom Typ Dornier fliegt zum Unglücksort, an welchem 15.15 Uhr die »Breguet Atlantic« der Bundesluftwaffe einen Ölfilm festgestellt hatte
Der Zentrale Meldekopf beorderte ein Ölüberwachungsflugzeug vom Typ Dornier zur Unfallstelle. Das gehört zum Marinefliegergeschwader »Graf Zeppelin« in Nordholz unweit von Cuxhaven. Später rief es den Seenotrettungskreuzer ARKONA und das BGS-Schiff NEUSTRELITZ zur Unfallposition. Den weiteren Ablauf der Ereignisse notierte die Sassnitzer Hafenzentrale:
17.32 Uhr: ARKONA auf Position …, grüner Schiffskörper, könnte Fischkutter sein, ca. 2 m unter Wasser
17.52 Uhr: ARKONA bestätigt untergegangenen Fischkutter BGS-Schiff NEUSTRELITZ vor Ort
18.20 Uhr wurde die Rettungsinsel, die noch mit dem Fischkutter verbunden ist, ausgelöst und treibt über dem Wrack. Nach der Beschriftung der Rettungsinsel könnte es ein dänischer Fischkutter sein.
20.08 Uhr: Schnellboot DILLINGEN läuft zum Unfallort, um mit Sonde das Wrack auszumessen. In ca. 40 min. Zollboot RÜGEN auch vor Ort
20.50 Uhr MRCC: vermutlich Fischkutter BELUGA
22.03 Uhr: ARKONA an MRCC: es ist die BELUGA, hat Schnellboot DILLINGEN gemeldet.
22.09 Uhr informiert die ARKONA, dass die BELUGA mit dem Heck auf dem Boden liegt.
Erweitert 19.03.1999, 20.00 Uhr
19.03.99, 06.10 Uhr – Seenotrettungskreuzer ARKONA an MRCC Bremen: Auf der Position … wurden am 18.03.1999 gegen 10.00 Uhr Fischkisten aufgefischt. Es wird angenommen, sie sind von Fischkutter BELUGA SAS 104.
Beginnen mit Suche 06.30 Uhr. Folgende Fahrzeuge: Seenotrettungskreuzer ARKONA, Fischkutter RIESENHAI, BGS NEUSTRELITZ.
Fachleute werden sich später fragen: Wieso wurde nicht umgehend Seenotalarm ausgelöst und die Suche nach den vermissten Seeleuten aufgenommen, als der Ölfilm um 15.15 Uhr entdeckt wurde? Wolfgang Henckel von der Fischereigenossenschaft bewertet das als schwerwiegendes Versäumnis. »Vermutlich erst 27 Stunden nach dem Unfall hat die Suche tatsächlich begonnen. Erst dann ist sie intensiv durchgeführt worden – zu einem Zeitpunkt, als aufgrund der Wassertemperatur keine Chance mehr bestand, die Männer lebend zu bergen.«
Im Fischereihafen wird tagelang über nichts anderes geredet. Jeder kannte Frank Schneider: ein Fischer mit vielen Berufsjahren, ein umsichtiger Kapitän. Er galt als ein Seemann, dem Sicherheit an Bord über alles ging. Mancher hatte seine Sicherheits-Macke hin und wieder sogar belächelt. »Für Sicherheitsausrüstungen war ihm kein Geld zu viel«, erinnert sich Henckel. »Frank Schneider hat immer gesagt: Dafür kann man nie genug tun.«
An Bord der BELUGA befanden sich zwei Radargeräte, ein Echolot, ein Satelliten-Navigationsgerät, ein Decca-Navigator und drei UKW-Geräte.
Und dennoch kein Hilferuf, kein Seenotsignal?
Für Henckel steht fest: Bei der nächtlichen Überfahrt muss etwas Ungewöhnliches geschehen sein.
Kapitel 3
»Wir, die Marine, können Ihnen in dieser schwierigen Frage nicht weiterhelfen«
Mit der Nachricht vom Tod des Kapitäns Frank Schneider (38), seines Maschinisten Hartmut Gleixner (41) und des Lehrlings Martin Senfft (17) machen auch die ersten Gerüchte ihre Runde. Dort, wo Wissen fehlt, wuchert die Spekulation. Und wenn es gar mysteriös zugeht, schießt sie besonders ins Kraut. War die Besatzung in Schiebereien verwickelt? Schmuggelte sie Rauschgift für die russische Mafia? War’s ein Piratenüberfall? Oder ein Versicherungsbetrug?
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