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Sie stand wieder ganz oben auf dem Wehrgang des Schlosses, schaute hinunter zum Hof der MacDonell of Glengarry, da lebte er, Broderick, mit dieser Davina an seiner Seite, was doch ihr Platz sein sollte, ballte die Hände zu Fäusten, kochte vor Wut und Eifersucht. Ihre Fingernägel bohrten sich tief ins Fleisch der Hand und sie besiegelte den Fluch mit ihrem Blut.
Immer wieder der gleiche Traum, seit sie denken konnte. Caitriona wusste nicht, warum und wollte jetzt endlich Antworten. Die konnte sie jedoch nur in Schottland erhalten, ob die Großmutter sie unbedingt davon abhalten wollte oder nicht. Ihr Leben stand ohne diese Antworten still.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Ein Roman von Anuk Nikolai
Covered by Janosch Dierkes
Picture Licences:
Ganz lieben Dank an Molle für Ihre wunderbaren Ideen.
»Großmutter! Ich glaube, heute muss die Schule ohne mich klarkommen. Das wird nix mit mir, denn da ist wieder dieser Traum, der in meinem Kopf rumspukt. Wie soll ich mich auf den Unterricht konzentrieren?« Elspeth MacLachlan seufzte tief und hält einen Moment inne, bevor sie die Pfannkuchen, die fürs Frühstück bestimmt sind, mit viel Ahornsirup übergießt. Porridge dampft schon mit köstlichem Duft in der bunten Schale, die ihre Enkelin so gern hat, und ist mit reichlich Zimt und Zucker bestreut. »Ach Caitriona, setz dich erst mal an den Tisch und genieß das Frühstück. Du kannst dich heute ausnahmsweise hinterher anziehen und waschen.« »Aber die Schule fällt doch lieber aus, Omi! Beim letzten Mal, als der Traum meinen Kopf ausgefüllt hat, sollten wir einen Aufsatz schreiben über unser Zuhause. Meiner handelte von dem alten Schloss in Schottland, der Frau in schwarzen Gewändern mit schneeweißem Gesicht und dem jungen Mann, den sie nicht leiden kann. Sowas könnte heute wieder passieren.« Elspeth gießt Caitriona den dampfenden Kakao ein, setzt sich auf einen Stuhl an den Tisch und schaut das Mädchen müde an. Seit das Kind sprechen kann, erzählt es von diesem vermaledeitem Traum. Bisher konnte die Großmutter mit gutem Zureden und ein wenig Magie den Kopf ihrer Enkelin halbwegs wieder ins Lot bringen, aber jetzt ... Caitriona wird in dieser Woche vierzehn Jahre und hat sich zum Geburtstag ›etwas über Schottland‹ gewünscht. Was soll sie nur machen? »Gut! Du erzählst mir jetzt sofort alles von dem Traum, ganz ausführlich. Egal ob die Schule ohne dich anfangen muss. Wir werden sehen. Also leg los. Ich höre genau zu,« Caitriona mampft erst noch den Pfannkuchen, von dem ihr der Sirup übers Kinn läuft und auf den Schlafanzug tropft. Mit vollen Backen, beginnt sie zu sprechen. »Iss bitte erst zu Ende, sonst verstehe ich nichts und du verschluckst dich nur.« »Aber ich bin so mega aufgeregt!« »Das ist nichts Neues, du bist immer unter Dampf, kleiner Wildfang!« »Weißt du eigentlich, dass, einer in der Schule, der ist viel älter als ich, Alastair heißt? Ein richtiges Ekelpaket ist das, genau wie der in dem Traum bei der schwarzen Lady. Der Doofkopp glotzt mich jeden Tag in der Pause so blöd an. Das macht mir oft wirklich Angst.« »Schaut er nur, oder spricht er auch mit dir?« »Nein, der gafft nur, als könnte er´s nicht fassen.« »Gut. Sollte sich in nächster Zeit an seinem Verhalten ´was ändern, musst du´s mir unbedingt sagen.« »Ja mach ich. Soll ich jetzt von dem Traum erzählen?« »Dann fang ´mal an. Ich bin gespannt.« Elspeth MacLachlan hat sich ihren Kaffee mit einem ordentlichen Schluck Whisky Single Malt, als Medizin gegen zu großen Schock, verfeinert. Sie ahnt, was nun an ihre Ohren kommt, den Kopf benebelt, bis tief in ihre Seele fluten wird und alle Mauern, die sie so viele Jahre hoffnungsvoll aufgebaut hat, erschüttern, wenn nicht sogar einreißen kann. Caitriona schließt die Augen, sieht den Traum, ständig der gleiche, wie einen Film in ihrem Kopf ablaufen. »Da ist ein Schloss, ein sehr, sehr altes Schloss in Schottland, ganz oben auf einem Berg. Ich glaube, das wurde nie gebaut, war schon immer da. Zu allen Seiten sind steile Felsen und hinten geht´s tief runter, ins Meer, das ständig wütend ist und gegen die Felsen donnert, gerne alles zum Einsturz bringen möchte. Nur ein ganz schmaler Weg führt wie Schlangenkurven hinauf. Oben auf der Mauer steht Branwyn MacDonald, die Lady. Sie ist die Herrin, immer in schwarze Spitzengewänder gekleidet, mit einem so weißen Gesicht, dass es im Dunkeln leuchtet. Ihre schwarzen Haare flattern wie wild im Wind. Entweder lacht sie ganz schrecklich, dass mir das Blut in den Adern gefriert, oder sie schaut so furchtbar böse ... wie eine Hexe, die mit den Augen Feuer entfachen kann. Diese Fürchterliche sieht herüber zu dem Hof meines Vaters, er ist der Laird unseres Clans. Er heißt Broderick MacDonell of Glengarry, hat meine Mutter, Davina MacKenzie geheiratet und die schwarze Lady verschmäht. Die ist aber ganz wild auf ihn, immer schon, versucht ständig, sich bei ihm einzuschleimen. Broderick und Davina lieben sich über alle Maßen, bis in die Ewigkeit. Davina ist eine weise Frau, mit magischen Fähigkeiten, sie weiß viel über andere Welten, die nicht alle sehen können. Von ihr wurde der Hof des Lairds fest mit Schutzzaubern gesichert, da kommt die schwarze Lady nicht weiter, kann sie niemals durchbrechen. Die Blöde will aber Broderick als Mann, ist wild entschlossen um ihn zu kämpfen, obwohl er dieser Fiesen schon so oft klar gemacht hat, mit deutlichen Worten, dass die Seine Davina ist, für die Ewigkeit, für immer, über den Tod hinaus. Immer wieder, wenn die Samhainfeuer brennen, viele Clans sich zum Feiern versammeln, versucht diese böse Frau Davina zu vernichten, Broderick mit ihrer dunklen Magie einzuwickeln, wie eine Spinne ihre Beute. Bis jetzt sind alle ihre Intrigen fehlgeschlagen. Davina befürchtet, sie wird sich Hilfe bei den dunklen Tuatha de Danaan holen, die sie versucht zu beschwören und sich für ihre Zwecke gefügig zu machen. Vor einiger Zeit hatte sie ´mal meinen Bruder Duncan gefangen, in ihr blödes Verlies gesperrt und gedroht, ihn jeden Tag zu foltern, wenn Broderick nicht zu ihr kommen würde. Aber Duncan hat Alastair bezirzt, ihn dazu gebracht seine Ketten zu öffnen und nachts heimlich laufen zu lassen, mit dem Versprechen, dass er dafür sorgen wird, Caitriona ihm zur Frau zu geben. Alastair, der einfältige Sohn der schwarzen Lady kann an nichts anderes denken, als an Caitriona, die ich eigentlich bin. Ist alles etwas seltsam, doch im Traum ist es eben so selbstverständlich. Also will Alastair unbedingt Caitriona, weiß aber nicht, wie er an sie drankommen soll. Ähnlich wie seine eklige Mutter unbedingt Broderick will. Es besteht aber schon seit Ewigkeiten eine tiefe Fehde zwischen den MacDonalds und den MacDonell of Glengarry, die es nicht erlaubt, untereinander zu heiraten. Alastair ist eben einbißchen dumm, hat diese Finte von Duncan nicht durchblickt, ist drauf reingefallen, weil er nur an das schöne Mädchen denken kann, das ihm sein kleines bißchen Verstand vollkommen durcheinander wirbelt. Mit ihren langen, gelockten, weizenblonden, seidigen Haaren und grünen Augen, so tief wie der Loch Duich, zählt Caitriona weit und breit zu einer einzigartigen Schönheit. Viele Männer haben schon um sie geworben, ihr Herz gehört jedoch längst Ewan MacKenzie, einem jungen Mann aus dem Nachbarclan. Sie sagt: »Zwei Herzen, die sich in der Ewigkeit gefunden und für die Ewigkeit verbunden haben.« Zwischen sie wird nie etwas und niemand kommen! Dieser Blödkopp Alastair will Caitriona, egal, was er dafür tun muss. Und dann, eines Tages ist es so weit, Alastair fängt Ewan ab, als der allein unterwegs zu einem Treffen mit seiner liebsten Caitriona ist. Aus einem feigen Hinterhalt erschießt dieser dumme, hirnlose, gemeine Mörder den so lieben Ewan MacKenzie mit einer Armbrust, damit niemand den Schuss eines Gewehres hört. Caitriona ist verzweifelt, so schrecklich traurig, untröstlich. Ihr Leben ist vorbei, da helfen keine Aufmunterungen, kein Trost kann diesen so schmerzlichen Verlust auch nur etwas lindern. Sie hat jede Freude am Leben verloren, weint sich am Abend in den Schlaf, steht mit wehem Herzen am Morgen auf, funktioniert nur noch, lebt jedoch nicht mehr. Und mir Großmutter, tut dann immer das Herz weh, kann ich kaum noch atmen, denke an Ewan und den Teufel Alastair. Ich wache auf und das Kopfkissen ist nass geheult. Was sagst du denn jetzt dazu?« »Für die Schule ist es schon ´mal zu spät«, erklärt Elspeth erschöpft, denn ihre wirklichen Gedanken kann sie diesem Kind, das von all dem schon zu sehr belastet ist, kaum erklären. Auch wenn sie so etwas immer geahnt, doch nicht wahr haben wollte, ist diese nun zur Tatsache gewordene Erkenntnis erschütternd. Aus gutem Grund hat sie nie von Schottland, ihrer eigentlichen Heimat, erzählt, von ihrem Leben und dem eigentlichen Grund, warum sie ausgewandert ist und alles zurückgelassen hat. »Kannst du mit deinen Zaubertricks diesen Traum abstellen?« »Ich befürchte, das ist nicht möglich.« »Darum möchte ich zu meinem Geburtstag ja auch nach Schottland, das blöde Schloss der schwarzen Branwyn suchen. Vielleicht hört´s dann auf.« »Das wollte deine Mutter auch, denn seit du geboren wurdest, hat dieser gleiche Traum auch sie heimgesucht.« »Hat sie mich deshalb Caitriona genannt?« »Ich glaube schon, aber eine Urahnin unserer Familie hieß so und auch die Lieblingspuppe deiner Mutter wurde von ihr Caitriona getauft.« »Oma siehst du´s denn nicht ein, das kann doch kein Zufall sein? Ich will wissen, was los ist, warum verfolgt mich das und was hat meine Mama damit zu tun? Warum sind wir eigentlich nicht mehr in Schottland? Du sprichst doch auch schottisch, wie kommen wir in dieses Land hier?« Elspeth MacLachlan vergräbt ihr Gesicht in den Händen. Was soll sie nur tun? »Und jetzt ist auch noch dieser Glotzer Alastair in unserer Schule, hier in diesem Land, mit diesem Namen! Keiner heißt hier so. Die werden Stefan oder Michael genannt. Auch niemanden nennt man Caitriona. Komm schon Omi! Wir sollten diese Merkwürdigkeiten erkunden! Aber das geht doch nur dort, in Schottland!« In Elspeth kocht so etwas wie verzweifelter Zorn hoch. »Jetzt will ich dir ´mal was sagen! Deine Mutter konnte ich nicht aufhalten ... sie ist nicht lebend wiedergekommen. Sie hat mich angebettelt, wie du jetzt, ich war nicht stark genug, habe dann nachgegeben, habe sie fahren lassen und es jeden Tag bereut! Wir fahren nicht da hin, aye!« »Aber du hast doch gesagt, das mit Mama war ein schlimmer Unfall! Stimmt das etwa gar nicht? Unfälle passieren nun einmal. Was ist wirklich passiert, warum sagst du´s mir nicht?«
»Glaubst du jetzt doch an Zufälle?«
Erste Sonnenstrahlen fanden den Weg durchs Fenster, direkt auf Caitrionas Gesicht. Trotz, dass sie noch schlief, die Augen fest geschlossen waren, weckte diese unverschämte Helligkeit sie zu solch früher Stunde augenblicklich. Wieder einmal ärgerte sie sich, die Vorhänge aus Bequemlichkeit nicht zugezogen zu haben. Am gestrigen Abend hatte sie sich nicht getraut, die Bar allein zu verlassen. Recht früh war sie schon müde, aber die anderen wollten noch tanzen und weiterfeiern. Den einen Arm schon im Mantelärmel erblickte sie doch tatsächlich diesen Doofmann Alastair, der sie damals zu Schulzeiten begafft hatte, ihr auflauerte und Angst einjagte. Immer wieder ließ der nicht locker, wollte unbedingt eine Verabredung mit ihr, hatte sie angebettelt mit ihm auf den Abschlussball der Schule zu gehen, hatte ihr kleine Zettelchen geschrieben, alle voller Liebesgesülze, von Ewigkeit und schon immer so, Geschwafel. Das hörte erst auf, als Caitriona sich mit einem anderen Jungen traf, im richtig abgepassten Moment dem Blödmann klar machte, indem sie diesen Jungen wild knutschte, dass er sich keine Hoffnungen mehr zu machen brauchte. Und doch tauchte er noch lange in ihrer Umgebung auf, glühten seine Augen, ließen sie nicht los, sprühten ihr ein solch krankes Verlangen entgegen, das schlimmer als jeder Horrorfilm war. Wenn sie nur an diese kohlschwarzen Augen von dem dachte, gefror ihr alles Blut in den Adern und es schüttelte sie. Dieser Blick war nicht normal, ließ eine Tiefe erkennen, die von einer anderen Welt schien, kündete von tiefen Abgründen. Der Mantel hing wieder über dem Stuhl, warten, bis er gehen würde, endlich, es wurde spät und nun war sie hundemüde. Heute war die letzte Vorlesung, die Studenten erhielten ihre Aufgaben für die Semesterferien und Frau Professorin Caitriona MacLachlan würde jetzt endlich nach Schottland fahren. Dauernd gesellte sich, wie eh und je, häufig der Traum zu ihr, schlich sich in den Schlaf, spürte sie die traurige Verzweiflung und heulte Rotz und Wasser. Sie kam schon halbwegs damit klar, doch hin und wieder, wenn unkontrollierte Gedanken den Verstand fluteten, tauchte das Gefühl auf, mit diesem Ewan MacKanzie eine innige Beziehung zu haben. Sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben, sprach sogar in seltenen Momenten mit diesem Geist, der sich so real anfühlte. Schlimmer noch, immer wieder, wenn sie meinte, den richtigen Mann gefunden zu haben, hielt der dann dem Vergleich mit eben diesem fiktiven Ewan nicht stand. So ein Blödsinn! Den gab´s sowieso seit über hundert Jahren nicht mehr, wenn er überhaupt je auf dieser Welt wandelte! Was für ein Spielchen wer mit ihr spielte, das wollte sie nun endgültig erforschen.
Danksagung
1. Epilog
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10.Kapitel
11.Kapitel
12.Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16.Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
27. Kapitel