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Bretonischer Sturm.
An einem kalten Wintertag entkommt der junge Ukrainer Marko nur knapp einer Schleuserbande, die ihn und drei Freunde nach Frankreich schmuggeln sollte. Fortan ist er in höchster Gefahr, denn die rumänische Mafia ist ihm auf den Fersen. Er findet schließlich Zuflucht auf einer kleinen bretonischen Fischerinsel – und stößt dort auf alte Legenden, Aberglauben und unerklärliche, grausame Todesfälle ...
„Ein meisterhafter Krimi, eine lebendige und explosive Mischung aus Mafia und bretonischen Legenden, Liebesgeschichten und Fischern im Sturm: ein wahrer Genuss.“ Le Divan.
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Seitenzahl: 445
Bretonischer Sturm
An einem kalten Wintertag entkommt der junge Ukrainer Marko nur knapp einer Schleuserbande, die ihn und drei Freunde nach Frankreich schmuggeln sollte. Fortan ist er in höchster Gefahr, denn die rumänische Mafia ist ihm auf den Fersen. Er findet schließlich Zuflucht auf einer kleinen bretonischen Fischerinsel – und stößt dort auf alte Legenden, Aberglauben und unerklärliche, grausame Todesfälle.
»Ein meisterhafter Krimi, eine lebendige und explosive Mischung aus Mafia und bretonischen Legenden, Liebesgeschichten und Fischern im Sturm: ein wahrer Genuss.« Le Divan
Emmanuel Grand
Der fremde Bretone
Thriller
Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
Marko
Belz
Zeichen
Aufbruch
Gefahr
Papou
Der Verdacht
Die fehlende Seite
Die Verschwörung
Die Teufelszähne
Epilog
Danksagung
Über Emmanuel Grand
Impressum
Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …
FÜR HÉLÈNE
Sein Körper lag wie erstarrt auf dem Boden. Zusammengekrümmt, um der Kälte besser standzuhalten, die seine Gliedmaßen lähmte und seine Gelenke blockierte. Einer schneidenden Kälte, die ihn aus seiner Ohnmacht aufgeweckt hatte. Er spürte einen kratzigen Stoff auf der nackten Haut. Seine Füße, die in Gummistiefeln steckten, fühlten sich taub an. Er hatte versucht, sich umzudrehen, um sich zu schlagen, aber seine Arme und Beine gehorchten ihm nicht mehr. Sein Gehirn gab Befehle, aber die Muskeln, an die die Nerven die Befehle weiterleiteten, hatten ihren Dienst eingestellt.
Er wäre bald wieder in die Bewusstlosigkeit abgeglitten, hätte ihn nicht ein quälender Schmerz an seinen Körper erinnert. Stechende Kopfschmerzen, die mit zunehmender Besinnung immer unerträglicher wurden, so, als würde eine außer Kontrolle geratene Billardkugel in seinem Schädelherumrasen. Sein Kopf schien eine Tonne zu wiegen und tat irrsinnig weh. In seinen Schläfen rauschte das Blut wie ein Gebirgsbach, und auf seine Stirn prasselte es wie mit Hunderten kleiner Stromschläge ein, die dann abrupt in einer Art schwarzem Loch verebbten. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und als er die Zungenspitze weiter nach oben schob, erkannte er den beunruhigenden und gleichzeitig vertrauten Geschmack seines eigenen Bluts. Ein widerlicher Geruch nach verbranntem Benzin vermischte sich mit dieser Wahrnehmung. Er erinnerte sich an ein Schnaufen und einen grässlichen Schmerz an der Stirn. An ein Knacken. Sein Körper war zu Boden geglitten. Dann war alles dunkel geworden.
Er röchelte und spuckte aus. Sein Atem ging schwer und flach. Aber er schien keine größeren Verletzungen erlitten zu haben. Er versuchte, seine verbliebenen Kräfte zu mobilisieren, um seine Lage am Boden zu verändern, aber sein Körper verweigerte jede Bewegung.
»Bljad!«, fluchte Marko, als er begriff, dass er halb nackt war, in seinem Gesicht Blut klebte und ihn Gott weiß welcher blutrünstige Irre an Händen und Füßen gefesselt hatte.
Es war Nacht, aber in dem hellen Mondlicht nahm er Umrisse in seiner Umgebung wahr, die er nicht genau identifizieren konnte. Er sah einen Schatten tanzen. Ein grotesker Totentanz. Der Schatten schlenkerte die Glieder, reckte sich und fiel in sich zusammen. Dann drehte er sich, schrumpfte und erhob sich von neuem. Sein Zucken wirkte beliebig, aber Marko war sich sicher, dass er nicht zufällig tanzte.
Oh nein, Freundchen, glaub mir, das passiert nicht zufällig.
Er tanzte um ihn herum, tanzte für ihn. Langsam kam er näher, unaufhaltsam, gewaltig, pendelte nach rechts und nach links, bis er den Lichtkreis vollständig ausfüllte. Und Marko, der keuchend gegen den Schmerz und die Erschöpfung ankämpfte, hätte schwören können, dass er den Schatten kannte.
Eine Sekunde bevor das Ballonglas in ihren Händen zersplittert wäre, stellte Karine es ab und nahm ein anderes aus der Spüle, ohne dabei den hintersten Tisch aus den Augen zu lassen. Der Mann, der dort an seinem Kaffee nippte, erinnerte sie an eine Szene aus einem Spielfilm, den sie im Fernsehen gesehen hatte. Die Szene spielte in einer Bar an einer Straße, die durch die Wüste führte. Es herrschte eine brütende Hitze. Eine Kellnerin saß am Tresen. Im Halbdunkel hockte ein zwielichtiger Typ vor seinem Bier. Aus dem Fernseher drangen gedämpft die Geräusche eines Baseballspiels, und im Hintergrund surrte eine Klimaanlage. Dann hebt der zwielichtige Typ plötzlich einen Finger. Die Kellnerin schlendert zu ihm hinüber und stellt sich vor ihn hin. Der Mann schiebt die Hand in seine Jacke, zückt einen Revolver, lässt irgendwas Bescheuertes wie »Endstation, alles aussteigen« vom Stapel und knallt sie ab, einfach so, ohne Grund. Paff. Blut strömt über den Bildschirm. Der Film hatte ihr eine Höllenangst eingejagt, und zwei Wochen lang war sie praktisch im Laufschritt über den Parkplatz gehetzt, wenn sie zu ihrem Peugeot 106 wollte. Frank, ihr Freund, nannte das Verfolgungswahn. Aber so was verstanden Kerle eben nicht. Jedenfalls aktivierte der Typ dahinten in der Cafeteria ihren »Verfolgungswahn« wieder. Um die dreißig, abgewetzte braune Windjacke, zerzauste Haare, schlecht rasiert. Und eine blaue Sporttasche, die er dicht neben sich gestellt hatte.
Es war noch dunkel. Die roten Leuchtziffern der Wanduhr zeigten 6:57. Auf der anderen Straßenseite plagte sich Abdel, der Angestellte des Relais H, mit seinem Rollgitter ab. Der Bahnhof war menschenleer. Im Rhythmus der ankommenden und abfahrenden Züge füllte und leerte er sich mit Menschen, die in aller Eile in die Cafeteria strömten und noch einen Kaffee tranken, bevor sie weiterhasteten. Bis zum nächsten Ansturm herrschte dann Flaute. Als um 7 Uhr 19 der Zug aus Quimper in den Bahnhof einfuhr, hatte Karine bereits die Tische mit einem feuchten Tuch abgewischt und im Fernseher die Morgensendung eingeschaltet, in der der ideale Schwiegersohn und seine perfekte Assistentin über Silikonschnuller, Gesichtsmasken und Gartenpflege plauderten.
Um 7 Uhr 55 saß der Typ in der Windjacke immer noch vor seiner ersten Tasse Kaffee. Frank hätte ihr geraten, an etwas anderes zu denken. Vermutlich war er einfach ein Penner. Nur hatten Penner ihre Tagesroutine, und den hier hatte sie noch nie gesehen. Um 8 Uhr stand er auf, griff nach seiner Tasche und kam nach vorn zum Tresen.
»Ich will telefonieren.«
Er hatte einen starken polnischen Akzent. Karine hatte letzten Sommer auf dem Campingplatz La Cotinière ein paar Polen kennengelernt. Er war ganz sicher ein Pole. Sie deutete auf eine Telefonzelle draußen auf dem Vorplatz. Der Mann ging hinaus. Sie blickt ihm nach. Das Telefonat dauerte nicht lange. Der Mann sagte nichts und legte gleich wieder auf. Dann wählte er ein zweites und ein drittes Mal. Alle Anrufe waren gleich kurz. Anschließend kehrte er in die Cafeteria zurück, setzte sich auf denselben Platz wie zuvor und bestellte noch einen Kaffee. Als Karine ihm die Tasse brachte, sah sie, wie er die Hand in seine Sporttasche schob. Sie dachte an Frank, dann an den Film, dann wieder an Frank. Der Mann zog eine zusammengerollte Ausgabe des Télégramme de Brest heraus und legte sie auf den Tisch. Er faltete die Zeitung sorgfältig auseinander und hob den Blick.
»Ich suche Arbeit. Kann man hier finden?«
»Hier ist es wie überall – die Arbeit liegt nicht auf der Straße.«
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