Der Fremde - Chronik einer Jagd - Nicholas van Helsing - E-Book

Der Fremde - Chronik einer Jagd E-Book

Nicholas van Helsing

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Beschreibung

Selbst nach Jahren sind die Erinnerungen an jene Nacht, in der seine Kindheit so abrupt endete, noch immer frisch, haben sich wie eine Narbe regelrecht in seinen Verstand eingebrannt: Ein Paar furchteinflößender, blutroter Augen, dazu die lodernden Flammen und das geradezu erdrückende Gefühl von Schrecken ... Ohne Vorwarnung wurde ihm damals alles genommen, was er kannte - seine Familie, sein Zuhause, quasi seine ganze Existenz. Einzig mit dem Durst nach Rache, dem Verlangen nach Vergeltung an jenem wahnsinnigen Monster ließ man ihn zurück. Doch kann ein bloßer Sterblicher einen derartigen Feind wirklich zur Strecke bringen? Oder ist dieser letzte ihm verbliebene Lebensinhalt am Ende doch kaum mehr als eine leere Hoffnung?

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Inhaltsverzeichnis

VORWORT

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL

SIEBTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

ZWÖLFTES KAPITEL

DREIZEHNTES KAPITEL

VIERZEHNTES KAPITEL

FÜNFZEHNTES KAPITEL

EPILOG

VORWORT

Wir Menschen hegen eine instinktive Furcht vor der Dunkelheit. Sie hat für uns etwas Unheimliches, gar Ungeheuerliches an sich, das man nur schwer erklären kann und das wohl doch jedem, mit dem man darüber spricht, sofort verständlich sein wird. Wer hat schließlich nicht schon einmal des Nachts ein unerklärliches Geräusch aus einem fernen Winkel seines Zuhauses vernommen und daraufhin eilig und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch rasch alle Lichter umher entzündet? Wer ist nicht schon einmal nach Einbruch der Dunkelheit durch menschenleere Straßen gewandert und hat sich plötzlich erschrocken umgewandt, in dem festen Glauben, hinter sich Unheil verkündende Schritte vernommen zu haben? – Nur um dort als Nächstes nichts als einen leeren Gehsteig vorzufinden, sich in der Folge selbst für die eigene Paranoia zu tadeln? Und doch wird man nach einem derartigen Erlebnis fast unweigerlich seinen Gang beschleunigen …

Eigentlich wissen wir in derartigen Situationen, dass uns nicht wirklich eine unmittelbare Gefahr droht – und doch kann unsere Vernunft einfach nicht die volle Oberhand gewinnen. Es ist fast so, als sei dort etwas in den hintersten Winkeln unseres Bewusstseins, das sie immer wieder zurückdrängt. Doch was könnte das sein? Was ist der Grund für unsere eigentlich doch so vollkommen irrational erscheinende Furcht vor der Dunkelheit? Immerhin scheut kein anderes Lebewesen auf dieser Erde die Finsternis, so wie wir es tun. Im Gegenteil dient sie unzähligen vielmehr als Mantel, während andere gar ihr ganzes Leben darin verbringen, ohne jemals das Licht der Sonne zu erblicken! Ist es also lediglich der so hoch gelobte Verstand des Menschen, der ihm hier einen Streich spielt? Lässt uns unsere Vorstellungskraft letztlich Gefahren sehen, die es gar nicht gibt? Oder sind es vielleicht vielmehr die Tiere, welche jene unbekannte Bedrohung, die von der Dunkelheit ausgeht, einfach nicht erkennen können? Lauern am Ende vielleicht doch unbemerkte, unaussprechliche Schrecken in der Nacht, immerzu gierend auf ihr nächstes, nichts ahnendes Opfer? Zahllos sind schließlich die Erzählungen und Legenden, die von Derartigem berichten? Sie existieren überall auf der Welt; es gab sie in allen Zeitaltern der menschlichen Geschichte, in allen Kulturen. Angesichts dessen kann – ja muss man sich doch eigentlich fast schon die Frage stellen: Sind diese Geschichten wirklich alle nur Fiktion, Aberglaube, bloßer Unsinn? Haben hier lediglich unsere Vorfahren ihre eigene, irrationale Furcht vor dem Unbekannten gleich eines Schmiedes in reich geschmückte Formen ihrer Vorstellungskraft gegossen? Oder könnte nicht am Ende vielleicht doch zumindest ein einziges, winziges Körnchen Wahrheit in all diesen Geschichten stecken? Oder womöglich sogar noch mehr …?

Ich will nun eine Geschichte erzählen, von einem Mann, der sich eben jenen unbekannten Mächten entgegenstellte, die in der Dunkelheit lauern, jenen Schrecken, welche die meisten von uns wohl nur für ein Produkt der menschlichen Fantasie halten, leeren Aberglauben, Schauergeschichten. Sie handelt davon, wie er zu dem wurde, der er war, von seinen Taten und den Orten, die er dabei besuchte, von seiner Freude und seinem Leid, seiner Liebe und seinem Hass, davon, wie er dem Tode ins Gesicht sah – und davon, wie seine Reise schließlich ein Ende fand. Die Entscheidung dahingehend, ob dies alles nun wahr oder doch nur frei erfunden ist, muss ich dabei allerdings letztlich jedem Leser selbst überlassen …

ERSTES KAPITEL

Eigentlich hätte man das kleine Dörfchen durchaus als idyllisch bezeichnen können: Abseits der großen Handelswege, zwischen zwei dicht bewaldeten Hügelketten und an einem kleinen See gelegen, mutete es fast wie aus einem Bilderbuch an. Solange sich die Bewohner zurückerinnern konnten, war es dort stets friedlich gewesen; Kriege und Katastrophen hatten sie wie durch ein Wunder immer verschont. Obwohl … Vermutlich war diese Tatsache doch eher der Abgeschiedenheit ihrer Heimat geschuldet als irgendeiner höheren Macht. Tatsächlich verirrten sich nicht viele Leute von außerhalb dorthin – weshalb der Mann, welcher an diesem Morgen zwischen den Häusern entlang schritt, unter normalen Umständen wohl auch einiges Misstrauen erweckt hätte. Er trug einen langen, dunkelbraunen Ledermantel und schwere Stiefel – das Gewand eines Mannes, der viel auf Reisen war. Auf seinem Kopf saß ein großer, schwarzer Hut mit breiter Krempe, der nicht nur fast vollständig das braune Haar darunter, sondern auch sein Gesicht verdeckte. Diese Aufmachung ließ ihn im ersten Moment wie einen Vagabunden anmuten, jemanden der auf der Flucht war, sich verstecken musste – ein Eindruck, der durch das Schwert an seinem Gürtel und sein schweres Gepäck nur noch verstärkt wurde. Zu Recht hätte man bei seinem Anblick daher wohl Böses denken, ihn für einen flüchtigen Verbrecher oder Banditen halten können. Warum also schenkte dennoch keiner der Menschen auf der Straße jenem frühen, so überaus verdächtigen Besucher große Beachtung? Nun, die Antwort hierauf war einfach: Es handelte sich schlicht nicht um einen normalen Morgen. Etwas anderes, weit Besorgniserregenderes nahm im Moment die gesamte Aufmerksamkeit der Menschen dort für sich ein …

Erneut war in der vergangenen Nacht einer der Bewohner des Dorfes verschwunden – keinesfalls spurlos jedoch! Ganz im Gegenteil: Jeder, der den Ort des Verbrechens betrachtete, konnte die Spuren schließlich mehr als eindeutig erkennen! Allein was sich dort zugetragen hatte und wer dafür verantwortlich war, blieb ein Rätsel.

Ebenso rat- wie fassungslos standen vier Männer an den Resten jenes Fensters, wo das Übel offenbar seinen Lauf genommen hatte, betrachteten die Trümmer der Läden, die nun in tausend Teile zersplittert auf dem Weg umher verstreut lagen. Irgendjemand oder … irgendetwas hatte die hölzernen Flügel offenbar mit unbeschreiblicher Kraft zerrissen, sie regelrecht zu Staub zermahlen, um an die unglückselige Person zu gelangen, die in jenem Augenblick dahinter gestanden hatte. Doch was für eine Kreatur könnte zu so etwas fähig sein?

»Ein wildes Tier! Ein wildes Tier muss es gewesen sein!«, rief einer der vier schließlich, klang dabei jedoch reichlich unsicher.

»Aber ein Tier, das solch eine Kraft besitzt, gibt es hier bei uns doch gar nicht! Ja! Ein Bär könnte es vielleicht gewesen sein, aber so einen haben wir hier schon lange nicht mehr gesehen!«, entgegnete ein anderer darauf.

»Und warum sollte ein Bär überhaupt in ein Haus einbrechen und einen Menschen verschleppen?«

Auf diese Frage hin wiederum verstummten sie alle, denn sie wussten keine Antwort darauf; und nicht zum ersten Mal. Es handelte sich um ein sehr ähnliches Gespräch, wie es auch schon an anderen Morgen zuvor geführt worden war, von anderen Personen, an anderen Fenstern oder Türen – einmal an einer Scheune – und doch war das Ergebnis stets dasselbe geblieben: Ratlosigkeit.

Der unbekannte Fremde ging derweil regungslos an ihnen vorüber, warf nur einen flüchtigen Blick auf das zerstörte Fenster. Die Risse in den Mauern, die Holzsplitter, die zerstörten Angeln, die Schleifspuren am Boden und ein Blutfleck an der Fensterbank … In einem einzigen, kurzen Augenblick nahm er all diese Informationen in sich auf und sein Verstand begann zu arbeiten, ließ ihn sich nachdenklich mit der Hand über das unrasierte Kinn fahren. Dann allerdings beschleunigte er unvermittelt seinen Schritt, weil von der kleinen Kirche in der Mitte des Dorfes nun eine weitere Person herannahte. Der örtliche Pfarrer offenbar – darauf zumindest ließ sein Äußeres schließen: Ein Mann etwa in seinen späten Fünfzigern, das Haar grau, fast weiß mit einer kreisrunden kahlen Stelle in der Mitte seines Kopfes. Seine Gesichtszüge waren scharf, sein Blick entschlossen. Der Talar, den er trug, schränkte ihn beim Laufen sichtlich ein, ließ ihn einmal sogar fast stolpern. Wie die anderen Männer auch schenkte er dem Fremden an der Straßenseite keine große Beachtung, zu bedrückend waren dafür die jüngsten Ereignisse, zu schwer die Aufgabe, die nun einmal mehr vor ihm lag.

Am Nachmittag versammelten sich die meisten Dorfbewohner in der Kirche, um für die Seelen der Verschwundenen zu beten – vier inzwischen an der Zahl. Auch wenn sie wohl nicht mehr wirklich an eine lebendige Rückkehr glaubten, so spendete dies den Angehörigen doch wenigstens etwas Trost – und gewährte dem Fremden freie Bahn für seine Nachforschungen.

Vorsichtig schlich er sich mit den ersten Klängen der Orgel zum Friedhof der Gemeinde, der ein wenig abseits, am Rand des Dorfes lag, umgeben von einer mannshohen Backsteinmauer mit langen Dornen darauf. Der einzige Zugang zu dem Gelände bestand aus einem großen, eisernen Tor. Es war verschlossen – reichlich ungewöhnlich, doch es passte nur allzu gut ins Bild … Um zu überprüfen, was er überprüfen wollte, musste der Fremde aber ohnehin nicht hinein. Ein kurzer Blick durch die Streben genügte: Vom Eingang her führte ein kleiner Pfad zu einem niedrigen Gebäude in der Mitte des Friedhofs, vermutlich einer Kapelle. Sie schien allerdings nicht wirklich genutzt zu werden, wirkte zumindest von Weitem halb verfallen, mit Rissen in den Wänden und einem dicken Efeuteppich auf einer Seite des Daches. Etwa auf halbem Weg dorthin stand eine alte Eiche am Wegesrand, ihre knorrigen Äste vermutlich älter als der Friedhof selbst. Den Rest des Areals schließlich füllte eine saftige, grüne Wiese mit konzentrisch angeordneten Grabsteinen darauf aus. Soweit nichts Ungewöhnliches, hätte man denken können, der Blick des Fremden jedoch verweilte verdächtig lange auf den Gräbern, wanderte langsam von einem zu anderen, bis er schließlich entschlossen nickte. Frische Erde auf alten Gräbern … Er ahnte nun, was in dem Dorf vorging – und wusste auch schon, wie man dem ein Ende setzen konnte. Bevor der Gottesdienst vorüber war, kehrte er deshalb eilig wieder zum Gasthaus zurück, damit niemand seine Abwesenheit bemerken konnte. Er hatte sich dort ein kleines Zimmer genommen, nicht weil er es brauchte, sondern zur Tarnung. Es war wichtig, keine Aufmerksamkeit zu erregen – oder zumindest nicht mehr als absolut notwendig.

Den Rest des Tages schlief sich der Fremde nun erst einmal aus. Nicht nur um sich von seiner Reise zu erholen, sondern auch um Kräfte für die bevorstehende Nacht zu sammeln. Erst als die Sonne schließlich feuerrot hinter dem Horizont erstrahlte und die Bewohner des Dorfes in ihren Häusern zu verschwinden begannen, nahm er eine deftige Mahlzeit ein und legte sich dann auf die Lauer. Praktischerweise lag das Zimmer, welches ihm der Gastwirt gegeben hatte, im ersten Stock und erlaubte zudem, den Großteil des Dorfes zu überblicken – ein hervorragender Aussichtspunkt also! Ohne ein Licht zu entzünden, stand er dort nach Einbruch der Dunkelheit am offenen Fenster und lauschte fortan angestrengt in die Nacht hinein, bereit, beim kleinsten verdächtigen Geräusch hinab zu springen und so schnell wie möglich in die Richtung loszustürmen, aus der es kam. Vorerst allerdings rührte sich nichts zwischen den Häusern; es war friedlich – oder schien zumindest so. Nur hin und wieder segelte ein kleiner Schatten zwischen den Dächern der Häuser umher, ließ den Fremden kurz angespannt die Augen zusammenkneifen. Jedes Mal jedoch entpuppten sich diese nachtaktiven Kreaturen als harmlos, wenn ihre Umrisse im schwachen Mondlicht schließlich deutlicher sichtbar wurden: Eine Eule, die mit einem leisen Ruf wieder davonflog, vereinzelte Fledermäuse, die der Welt unter sich keine Beachtung schenkten, oder kleine Gruppen von Nachtfaltern, die vor den erleuchteten Fenstern umhertanzten – alles nicht das, wonach er suchte. Kein Grund zur Beunruhigung aber. Früher oder später würde sich der Schuldige zu erkennen geben, wenn nicht heute, dann ganz bestimmt in einer der folgenden Nächte. Ein Jäger musste geduldig sein …

Mehrere Stunden harrte der Fremde nun auf seiner Warte aus, starrte in die Nacht hinein und sah zu, wie eines nach dem anderen die Lichter in den Häusern umher verloschen. Nach und nach wurde die Dunkelheit umher so immer makelloser, bis einzig der Mond und die Sterne noch ihr schwaches Licht spendeten – was aber offenbar keinesfalls bedeutete, dass auch wirklich jeder im Dorf schlief …

Es war schon kurz vor Mitternacht, da störte plötzlich etwas die Stille: Auf einmal erklang ein leises, mechanisches Klicken, beinahe als ob jemand eine Tür geöffnet hatte. Kurze Zeit später tauchten dann auch schon verstohlene Schritte aus Richtung der Kirche auf, tasteten sich im schwachen Licht einer Kerze langsam voran … Jemand ging dort unten umher, schlich sich in aller Heimlichkeit am Gasthaus vorbei. Sicherheitshalber trat der Fremde ein Stück vom Fenster zurück, lauschte mit geschlossenen Augen nur noch dem Geräusch der Fußsohlen auf dem sandigen Boden … Es dauerte nicht lange, dann begannen sie auch schon wieder leiser zu werden, doch er verharrte trotzdem weiter bewegungslos in seinem Versteck. Erst als man kaum noch etwas hören konnte, kletterte er schließlich an den hervorstehenden Balken des Fachwerks aus dem Fenster und folgte dann den Lauten aus dem Dorf in Richtung Friedhof. Die Jagd hatte begonnen!

Aus sicherer Entfernung beobachtete der Fremde wenig später, wie die unbekannte Person sich dem Friedhofstor näherte, es aufschloss und dann dahinter verschwand. Im fahlen Schein der dünnen Sichel über ihnen kroch ihr Schatten regelrecht über den Weg zu der kleinen Kapelle … Um wen auch immer es sich handelte, er war sehr vorsichtig, hielt mehrfach inne und blickte misstrauisch zurück. Unmöglich jedoch, dass der Unhold so seinen Verfolger hätte bemerken können, verbarg sich dieser doch stets in der Finsternis hinter Bäumen oder der Friedhofsmauer. Wenig später hatte der Verbrecher sein Ziel dann auch schon erreicht: Erneut öffnete sich klickend eine Tür, dann tauchte schwaches Kerzenlicht in den Fenstern der Kapelle auf, nahm bald einen seltsamen, grünen Ton an – ein eindeutiges Zeichen der Abscheulichkeiten, die darin vorgingen und bald ein blutiges Ende finden würden.

Immer wachsam trat der Fremde einige Zeit später ebenfalls durch das eiserne Tor, ließ seinen Blick kurz über das Gräberfeld schweifen und schlich dann weiter den schmalen Pfad entlang, eine Hand stets am Heft seines Schwertes. Wachsam taste er sich so vorwärts, wirkte dabei fast panisch, weil er immerzu seinen Kopf hin und her warf, um seine Umgebung im Auge zu behalten, bis … Etwa auf Höhe des alten Baumes ließ ihn plötzlich etwas innehalten. War da gerade ein Geräusch gewesen? Ein unterdrücktes Stöhnen? Oder spielte ihm nur der Wind einen Streich? Im nächsten Moment jedoch stieg ihm auch schon der Geruch verwesenden Fleisches in die Nase und bestätigte seinen Verdacht: Sofort blickte er auf das Grab direkt neben ihm, auf der anderen Seite des Weges gegenüber der Eiche, und wurde dort fündig: Eine bleiche Hand, die offenbar soeben an die Oberfläche durchgebrochen war, zappelte bei ihren wilden Versuchen, sich eilig aus der offenbar erst vor Kurzem umgegrabenen Grabrede zu befreien, umher. Ganz wie er vermutet hatte! Ein Zombie! Offenbar war der Pfarrer einer der abscheulichsten jener zahlreichen dunklen Künste verfallen: Der Totenbeschwörung! Als dafür das brauchbare Ausgangsmaterial auf dem Friedhof erschöpft gewesen war, musste er sich bald nach anderen Quellen umgesehen haben … und hatte sie wohl schnell unter den (noch) Lebenden ausgemacht.

Natürlich gab es für den Fremden nun keine Zeit mehr zu verlieren: Eifrig versuchte der untote Körper neben ihm schließlich gerade, sich aus der Tiefe zu befreien, sein Ziel offensichtlich. Dass er sich dabei so früh verraten hatte, sollte dem Zombie hier allerdings zum Verhängnis werden: Entschlossen zog sein Kontrahent die Waffe, holte aus, um den sich windenden Arm von der Schulter zu trennen, an der dieser hing. Allerdings sollte es nicht dazu kommen: Schon hatte er die Klinge über seinen Kopf erhoben, war bereit, sie herniederfahren zu lassen – doch dann! Plötzlich ließ ihn ein Geräusch hinter ihm innehalten. Ihm wurde instinktiv klar, dass es eine vorerst dringlichere Angelegenheit gab, mit der er sich befassen musste. Und auch ohne sich umzuwenden, wusste der Fremde bereits, was dies war. Verflucht! Von irgendwoher, vermutlich von hinter dem dicken Stamm des Baumes nur ein paar Schritte entfernt, eilte gerade ein weiterer Untoter heran und rückte ihm zu Leibe! Schon griff die Kreatur nach seinem Arm. Ein fürchterlicher Anblick nebenbei: Das Gesicht des Zombies war bereits eingefallen und hing nun wie ein schwarzer Lappen herunter, sein Fleisch war grau und voller Löcher, der Leichengestank betäubte regelrecht die Sinne, während die Kreatur immerzu gurgelte und stöhnte. Fast wirkte es, als bettle sie um Erlösung – darum, endlich von ihrem bemitleidenswerten Dasein entbunden zu werden.

Zum Glück war der Untote nicht sonderlich stark, die Leiche offenbar schon recht alt. So musste der Fremde nur erneut ausholen und mit einem gekonnten Schwertstreich den Arm durchtrennen, der ihn festhielt, um sich zu befreien. Die Finger um sein Handgelenk ließen daraufhin allerdings keinesfalls locker – im Gegenteil! Immer enger zogen sie sich zusammen, fast wie eine Schlinge! Doch der Fremde hatte andere Sorgen: Mit einem gezielten Tritt, der seinen Fuß regelrecht in dem fauligen Fleisch versinken ließ, brachte er den Zombie aus dem Gleichgewicht, griff dann in seinen Mantel, um einen langen Holzpflock hervorzuziehen. Zugegeben, dies war eigentlich nicht, wofür er ihn mit sich führte, doch das Werkzeug würde dennoch seinen Zweck erfüllen. Eilig schlug er als Nächstes den Pflock durch die Brust der untoten Kreatur vor sich, worauf diese nun hilflos am Boden zappelte wie ein Käfer, den man auf den Rücken gedreht hatte. Ewig würde sie sich davon gewiss nicht im Zaum halten lassen, doch zumindest lange genug, damit sie ihrem Meister in der bevorstehenden Schlacht nicht zur Hilfe kommen konnte. Das würde reichen.

Eilig wandte sich der Fremde also um und konzentrierte sich nun wieder auf jenen Zombie, den er zuerst entdeckt hatte – wofür es auch höchste Zeit wurde: In der Zwischenzeit waren schließlich bereits der Kopf und ein Teil des Oberkörpers aus der Graberde emporgestiegen! Dieser Leichnam sah wesentlich frischer aus und war damit auch ungleich gefährlicher, weshalb sein Gegner auch nicht lange fackelte: Schnell rauschte der Fremde heran, ergriff den Grabstein über den sich windenden Gliedmaßen mit beiden Händen und begrub diese dann darunter, während die kalte Hand an seinem Oberarm noch immer versuchte, diesen zu zerquetschen. Beim Aufschlag erzeugte die steinerne Platte ein leises Knacken, das zweifellos von brechenden Knochen stammte. Aber da gab es auch noch ein anderes Geräusch: ein leises Stöhnen. Es war noch nicht vorbei! Ohne zu zögern, setzte der Fremde deshalb als Nächstes einen Fuß auf den Grabstein und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf, bis die Laute unter wiederholtem Knacken langsam verstummten, presste das unnatürliche Leben geradezu aus der Kreatur unter sich heraus. Anschließend sah er auf … Regte sich noch irgendwo anders etwas zwischen den Gräbern? Nein. Diese Schlacht schien geschlagen zu sein. Auf zur nächsten also …

Mit wenig Kraft zog er noch an dem Arm des anderen Zombies, der nach wie vor an seinem eigenen hing, und die Gelenke gaben unverzüglich nach; klatschend fielen die Finger mitsamt den übrigen Teilen bewegungslos zu Boden. Mit einem kurzen, verächtlichen Blick darauf setzte er seinen Weg anschließend fort. Diesem üblen Treiben musste rasch Einhalt geboten werden!

Vorsichtig schlich der Fremde den gewundenen Weg zwischen den Gräbern entlang auf die kleine Kapelle zu, stets auf einen weiteren Angriff vorbereitet. Doch so wie es aussah, sollten die beiden Zombies, denen er zuvor begegnet war, vorerst seine einzigen untoten Gegner bleiben. Schnell hatte er die Tür erreicht, lauschte kurz und öffnete diese dann lautlos. Augenblicklich stieg ihm darauf der unverwechselbare Gestank des Todes in die Nase, ließ ihn kurz zurückweichen, bevor er einen Blick ins Innere warf: Es handelte sich um eine kleine Halle mit schmucklosen Wänden und einer Vielzahl von kleinen Fenstern an den Seiten. Am gegenüberliegenden Ende des Raumes befand sich ein kleiner Altar, jetzt entstellt und entweiht von den dunklen Ritualen, die dort offenbar praktiziert worden waren. Davor wiederum stand der Übeltäter – der Pfarrer – vertieft in die Lektüre zweier alter Bücher, vor ihm der tote Körper einer jungen Frau. Auf der Leiche pulsierten derweil in einem unregelmäßigen Takt seltsame, leuchtende Symbole, ließen die Schatten in ihrem fahlen, grünlichen Licht diffus hin und her tanzen. Ringsum in den Ecken lagen außerdem noch zwei weitere Leichen – anscheinend fehlgeschlagene Experimente – und verwesten ohne ein angemessenes Begräbnis vor sich hin. Der Gestank war selbst für jemanden, der sich über die Jahre einigermaßen an Derartiges gewöhnt hatte, beinahe unerträglich. Seltsam, dass der Pfarrer ihn so mühelos aushalten konnte. Hatte der einstige Mann Gottes sich wirklich derart den dunklen Mächten verschrieben?

Überlebensgroß thronte der Schatten des Verbrechers über seinem jüngsten Opfer, während der Fremde unbemerkt näherkam. Ein leiser Singsang hallte durch den Raum, unheilige Zauberformeln zweifellos. Er schien den Fremden nicht zu bemerken.

Trotzdem warf der Eindringling letztlich den Mantel der Heimlichkeit von sich, erhob seine raue, tiefe Stimme, um jene eine Frage zu stellen, die ihm in diesem Moment wie keine andere auf der Seele brannte:

»Warum, alter Mann? Diese Leute haben dir vertraut!«

Sofort wandte sich der gefallenen Priester daraufhin um, sichtlich erschrocken über den unerwarteten Besucher – doch nicht für lange. Kurz huschte tatsächlich ein Anflug von Panik über sein Gesicht, praktisch unmittelbar jedoch wich derselbe dann auch schon Selbstsicherheit. Jeden Augenblick würden schließlich seine beiden Diener aus der Dunkelheit jenseits der Türschwelle auftauchen und den Eindringling überwältigen! Ganz sicher! Es gab nichts zu befürchten. Dieser … Narr … würde nur ein weiteres Stück … Rohmaterial für seine Experimente sein! Und da er nicht aus dem Dorf stammte, würde ihn nicht einmal jemand vermissen! Perfekt! Angesichts dieser Erkenntnis verzog sich sein Gesicht sogleich zu einem siegessicheren, überlegenen Lächeln.

»Muss sich Gott gegenüber einer Made rechtfertigen? Nein! Ich bin nun der Herr über Leben und Tod! Ich stehe mit unserem Schöpfer auf einer Stufe! Ich allein bestimme, wer lebt und wer …«

Der Fremde ließ ihn diesen Satz nicht beenden, vorher rammte er dem gefallenen Priester auch schon ohne Vorwarnung sein Schwert in den Bauch. Dieses Gespräch hatte ohnehin schon zu lange gedauert. Wie benommen beobachtete der Pfarrer sein eigenes Blut, wie es auf den Boden tropfte. Seine Augen weiteten sich vor Schrecken. Wo waren seine Diener? Unmöglich?! Hatte dieser Eindringling etwa …? Dies sollten seine letzten Gedanken sein, denn schon hob der Fremde das Schwert ein weiteres Mal:

»Wir sehen uns in der Hölle, alter Mann!«, warf er ihm noch mit tiefster Abscheu in der Stimme entgegen und trennte im nächsten Moment auch schon mittels eines gewaltigen Hiebs sauber den Kopf vom Körper des Priesters.

Kurz verkrampfte sich der kopflose Torso daraufhin noch, dann aber sank er auch schon in sich zusammen und landete zu Füßen seines jüngsten Opfers. Derweil rollte der Kopf leise davon.

Am folgenden Morgen war es der Rauch eines sterbenden Feuers, der die nichts ahnenden Dorfbewohner zum Friedhof lockte. Was sie dort wenig später finden sollten, verschlug ihnen dann allerdings den Atem: In einem Scheiterhaufen neben der Kapelle ließen sich zwischen der Asche gerade noch Reste von Knochen erkennen. Im Inneren fanden sie den toten Körper ihres Pfarrers, umgeben von den Leichen ihrer verschwundenen Freunde und Verwandten, stille Zeugen seiner grausamen Verbrechen. Überall waren die Anzeichen jener gottlosen Rituale, die dort stattgefunden hatten, an die Wände geschmiert, fast unerträglicher Verwesungsgeruch füllte die einst geweihte Halle.

Auch wenn die geschockten Bewohner letztlich nicht genau sagen konnten, was sich hier in der vergangenen Nacht zugetragen hatte, so verstanden sie doch eines: Jemand war offenbar gekommen und hatte ihrem Schrecken ein Ende gesetzt – und auch wer dieser jemand gewesen sein musste, stand schnell fest: Kein Zweifel, es konnte sich nur um jenen seltsamen Fremden gehandelt haben, an den sich keiner von ihnen mehr als schemenhaft erinnerte. Wie ein Geist war er gekommen und wieder gegangen, mit nur seinem Werk auf dem Friedhof als Beweis für seine Existenz. Wenige erinnerten sich überhaupt, ihn überhaupt gesehen zu haben, keiner hatte sich sein Gesicht eingeprägt, nicht einmal der Gastwirt. Somit blieb ihr Erlöser letztlich ein Mysterium, das bald ebenso wie die Beweggründe des Pfarrers in reichlich Spekulation und Gerüchten aufgehen sollte.

Man mag es an dieser Stelle wohl schon erahnen, doch der Besuch des Fremden in jenem Dorf war natürlich keinesfalls Zufall gewesen. Vielmehr hatte er sich, als ihm Gerüchte über die Vorgänge dort zu Ohren gekommen waren, eben genau deswegen dorthin begeben – mit der festen, der einzigen Absicht, dem üblen Treiben dort ein Ende zu setzen, wie er es schon so oft an anderen Orten getan hatte. Letztlich handelte es sich auch bei diesem Abenteuer schließlich nur um eine weitere Station auf seiner immerwährenden Reise, nicht ohne Ziel, doch trotzdem ohne erkennbares Ende. Womit sich natürlich die Frage stellte, was einen Mann dazu gebracht hatte, sein Leben einzig der Jagd nach derartigen übernatürlichen Kreaturen zu verschreiben, einer Aufgabe ohne Dank, ohne Ruhm. In seinem Fall allerdings sah die Antwort darauf tatsächlich ziemlich einfach aus: Es war ihm schlicht nichts anderes geblieben.

Selbst nach all den Jahren konnte er sich noch gut an die Ereignisse jener Nacht erinnern, als seine heile Welt plötzlich und ohne jede Vorwarnung zerschmettert worden war, man ihm von einem Moment auf den anderen sowohl seine Unschuld als auch seine Kindheit geraubt hatte. Wie eingebrannt waren die Erlebnisse in seinen Verstand, suchten ihn noch immer in seinen Träumen heim. Und doch fragte er sich manchmal, ob diese Erinnerungen wirklich seine eigenen waren? Alles darin erschien so … fremd, so unwirklich. Fast als ob all dies nicht wirklich wahr sein konnte …

Ein spitzer Schrei riss den Jungen aus dem Schlaf, ließ ihn aus dem Bett hochfahren und vertrieb augenblicklich jede Müdigkeit. Etwas … stimmte nicht … Dieses Geräusch? Wo war es hergekommen? Hatte er es sich nur eingebildet, ein Hirngespinst mitgebracht aus dem Land der Träume? Er blickte sich um … Ringsum in der Dunkelheit waren schemenhaft die Umrisse seiner Kammer zu erkennen: Die gleichmäßigen Reihen der Holzlatten an den Wänden, das geschlossene Fenster vor ihm, die Pfosten am anderen Ende des Bettes und der kleine Schrank, den sein Vater ihm gebaut hatte. Alles schien wie immer zu sein, nur irgendwie … dunkler, bedrohlicher … Kein einziger Strahl Mondlicht schien durch die kleinen Ritzen in den Fensterläden und linderte die Finsternis, offenbar weil Wolken den Himmel verdeckten, das Firmament selbst die Teufelei nicht ertragen konnte, die unter ihm vorging.

In den Ohren konnte der Junge seinen Herzschlag hören, unruhig, fast panisch, als sei etwas nicht in Ordnung. Zögerlich hielt er deshalb den Atem an, lauschte in die Stille der Nacht hinein … ohne jedoch etwas Ungewöhnliches zu hören. Nur der Wind säuselte leise durch die Bäume außerhalb des Hauses und erzeugte ein gleichmäßiges Rauschen … Doch dann! Plötzlich ließ ihn ein lautes Knarren zusammenfahren. Die Dielen außerhalb seiner Kammer! Er hatte dieses unverkennbare Geräusch, das eine Person machte, wenn sie darüber lief, bestimmt schon tausende Male gehört, doch in dieser Nacht klang es irgendwie … anders. Fast als ob jemand dort draußen umherlief und versuchte, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen.

Langsam tasteten sich die Schritte in seine Richtung, kaum hörbar und doch wie Paukenschläge, die sein Herz jedes Mal aufs Neue einen Sprung machen ließen. Wenig später klickte dann auch schon leise die Tür und der Hebel senkte sich unbarmherzig, fast wie ein Fallbeil. Jemand kam herein … Doch wer?! Oder was?! Auf einmal schien das Zimmer winzig klein geworden zu sein, fast wie ein Gefängnis. Die Wände kamen immer näher und näher, drohten, ihn von allen Seiten zu erdrücken, während eine große Person langsam über die Schwelle trat. Ihre Umrisse schienen dabei halb mit den Schatten um sie herum verschmolzen zu sein, fast als wären sie eins, als hätte die Dunkelheit selbst hier eine menschliche Gestalt angenommen und würde ihn heimsuchen. Nur eins gab einen Hinweis auf die Identität jenes unerwünschten, nächtlichen Besuchers: Wo bei einem Menschen die Augen sein sollten, leuchteten zwei blutrote Punkte wie Flammen aus der Dunkelheit.

Sofort verstand der Junge instinktiv, dass sein Leben in Gefahr war und dass er wegrennen musste, doch sein Körper blieb dennoch starr, gelähmt – wie versteinert vor Furcht. Verzweifelt riss er deshalb den Mund auf, wollte um Hilfe rufen, doch kein Wort entkam seiner Kehle, lediglich ein stummes Winseln. Unterdessen trat der Schatten stetig näher, glitt geradezu über die Dielen, fast als hätte er alle Zeit der Welt – doch so war es tatsächlich auch: Der Junge konnte keinen Finger rühren, geschweige denn irgendwie anders auf sich aufmerksam machen, während sein Verhängnis immer näher rückte. Er zitterte, bebte geradezu, Tränen des Schreckens liefen über seine Wangen.

Schließlich erreichte die alptraumhafte Gestalt die Bettkante. Im schwachen, flackernden Licht, das nun von draußen durch die Läden hereinschien, war ihr breites, Furcht einflößendes Grinsen klar zu erkennen, lange Fangzähne blitzten den Jungen an. Angesichts dieses schrecklichen Anblicks setzte sein Herz einen Schlag aus, sein Bewusstsein begann zu schwinden und alles umher sich zu drehen … Doch dann: Im nächsten Moment waren die blutroten Augen plötzlich wieder verschwunden, fast als hätte sie jemand gleich einer Kerze einfach ausgeblasen. Gleichzeitig war ein leises Sirren zu hören, wie eine Axt auf dem Schleifstein, dann ein ersticktes Stöhnen, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Nur für einen Moment allerdings konnte der Junge daraufhin aufatmen, denn wenig später kehrten die Augen auch schon wieder zurück; erneut stand ein bedrohlicher Schatten am anderen Ende seines Bettes. Aber war es wirklich derselbe wie zuvor? Die Augen hatten auf einmal ihre Farbe geändert, erstrahlten nun in einem tiefen Blau. Zudem kam die Gestalt nicht näher, sondern verharrte an Ort und Stelle, schien ihn für einen Moment zu begutachten, bevor eine leise Stimme die unheimliche Stille durchschnitt:

»Versteck dich unter dem Bett, Junge! Und wage nicht, hervorzukommen, bevor du das erste Licht des Tages siehst! Sie werden sein Blut für deines halten!«, zischte man ihm zu.

Doch er konnte dieser Aufforderung nicht Folge leisten. Noch immer wie versteinert saß er stattdessen einfach nur da, unfähig, auch nur einen einzigen Muskel zu rühren, weil ihn der Schrecken wie eine eiserne Klaue in seinem unerbittlichen Griff hielt. So konnte er dann auch nur zusehen, wie sich als Nächstes wie von Zauberhand langsam die Fensterläden vor ihm öffneten und so etwas Licht in das Dunkel der Geschehnisse kam: In dem flackernden, rötlichen Schein, der nun von draußen in sein Zimmer fiel, konnte er einen Mann erkennen, der vor ihm auf der Bettkante zusammengebrochen war. An seinem Rücken befand sich ein roter Fleck, der diesen fast vollständig ausfüllte und im Zentrum dieses Fleckes ein Loch – vermutlich von dem Schwert, dass die andere Gestalt in Händen hielt. Sein Retter dagegen war trotz des Lichts noch immer kaum mehr als ein Schatten, vermummt von einem Mantel und einer Kapuze, die vom Gesicht nichts anderes als die Augen offenbarten. Etwas außerhalb des Hauses schien sein Interesse geweckt zu haben, denn er schenkte dem Häufchen Elend vor sich keine Beachtung mehr, starrte stattdessen wie benommen durch das Fenster. Noch immer zitternd wandte sich der Junge deshalb seinerseits um und blickte nach draußen auf das Dorf hinunter, von wo auch der seltsame Lichtschein kam … und musste dort sofort eine schreckliche Entdeckung machen: Das Dorf stand in Flammen! Erbarmungslos züngelte das Feuer über die Dächer und Fenster, ließ tausende Funken durch die Luft tanzen – und mehr noch: Zwischen den Gebäuden standen Menschen, jeder von ihnen kaum mehr als ein Schatten und zwei blutrote Punkte in der Nacht. Genüsslich sahen sie zu, wie alles um sie herum ein Raub der Flammen wurde. Es waren bestimmt zwei, vielleicht drei Dutzend Meter bis zu dieser Kongregation – viel zu weit, als dass einer von ihnen das Öffnen des Fensters hätte bemerken können, und doch: Plötzlich drehte sich unvermittelt eine der Gestalten im flackernden Licht des Feuers um und blickte in seine Richtung – nein! Sie blickte ihm genau in die Augen! Ihr Blick schien ihn regelrecht zu durchbohren, den allgegenwärtigen Schrecken noch um ein Vielfaches zu verstärken. Hatte man ihn gesehen?! War das überhaupt möglich? Gab es überhaupt jemanden, der auf diese Entfernung etwas ausmachen konnte, noch dazu in der Dunkelheit des Zimmers? Er selbst hatte die anderen ja nur wegen ihrer Augen und des Feuerscheins sofort entdeckt. Kurz schien es, als würde die Furcht regelrecht das Leben aus ihm herauspressen, seine Atmung, selbst seinen Herzschlag zu erdrücken versuchen. Doch dann war plötzlich alles vorbei … Die roten Augen im Dorf hatten sich in Luft aufgelöst, ebenso wie die Gestalt in seiner Kammer mitsamt dem toten Körper auf den Laken, wo jetzt nur noch ein großer, roter Fleck von den Ereignissen kündete. Er war nun allein, doch sein Herz raste trotzdem ununterbrochen weiter. Allmählich wurde alles um ihn herum dunkel, die Flammen in der Ferne schienen zu versterben, während ihm sein Bewusstsein langsam entglitt …

Am folgenden Morgen waren die Mönche eines nahen Klosters vom Rauch des sterbenden Feuers angelockt worden und hatten den armen Jungen noch immer kreidebleich in seinem Bett liegend entdeckt – als einzigen Überlebenden jener schicksalhaften Nacht. Seine Eltern hatten tot in ihren Betten gelegen, als man sie fand, die übrigen Dorfbewohner waren anscheinend in den Flammen umgekommen. Allerdings … Es blieb ein Rätsel, warum offenbar kein einziger der Bewohner, weder Mensch noch Tier, das Feuer rechtzeitig bemerkt zu haben schien und Alarm geschlagen hatte … Als der einzige Augenzeuge versuchte, ihnen die Gründe hierfür verständlich zu machen, schenkten sie ihm keine Beachtung, sagten nur, er solle nicht lügen. Doch selbst ein Kind hatte ihren Gesichtern ansehen können, dass diese Männer mehr wussten, als sie in diesem Moment zuzugeben bereit gewesen waren.

Ohne lebende Verwandten oder einen anderen Ort, an den er hätte gehen können, nahmen sich in der Folge die Mönche seiner an. Den Rest seiner Kindheit – wenn man diese nach seinen Erlebnissen denn überhaupt noch so nennen kann – hatte er dementsprechend in ihrem Kloster verbracht. Womöglich wäre er am Ende sogar für den Rest seines Lebens dortgeblieben und dem Orden beigetreten – wenn man ihm nicht irgendwann die Wahrheit über jene schicksalhafte Nacht verraten hätte. In Anbetracht der Umstände war dies aber wohl ohnehin unausweichlich gewesen, ebenso wie das, was daraus folgen sollte.

Selbst Jahre später noch immer von Albträumen geplagt, hatte er schließlich keine Gelegenheit ausgelassen, die Mönche immer und immer wieder über jene verstörenden Erinnerungen auszufragen, die ihn so quälten. Dennoch sollte es dauern, bis er zu einem jungen Mann herangewachsen war, bevor sie ihm endlich und mit einigem Widerwillen das Geheimnis offenbarten: Sein Dorf war von Vampiren angegriffen worden – und nicht von irgendwelchen! Offenbar hatte ein besonders berüchtigter Blutsauger hinter dem Angriff gesteckt, den die Mönche nur kryptisch »den Grafen« nannten. So groß war offenbar die Furcht der Leute vor ihm, dass sie üblicherweise nicht einmal wagten, seinen Namen zu nennen, aus Furcht, damit möglicherweise seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Genauso verhielt es sich aber angeblich auch mit seinesgleichen, die ihn womöglich noch mehr fürchteten als die Sterblichen. Ein Vampir so alt, dass er anscheinend all die Schwächen seiner Art lange hinter sich gelassen hatte, vielleicht sogar den Tod selbst.

Am Ende war es daraufhin so gekommen, wie es wohl hatte kommen müssen: Entzündet durch knabenhaften Idealismus und angefacht von einem schier unerträglichen Gefühl der Ungerechtigkeit, hatte jenes lodernde Feuer Besitz von ihm ergriffen, das sich nur allzu oft jener bemächtigt, denen alles genommen wurde – der Durst nach Rache, nach Vergeltung für das ihm doch ohne jeden Grund zugefügte Leid. Wenn niemand anderes dieses Ungeheuer zur Strecke bringen wollte, würde dies eben seine Aufgabe sein!

Nur wenige Nächte später war er mit diesem Schwur im Herzen auch schon aus dem Kloster geflohen, hatte sich mit jugendlicher Tollkühnheit auf die Jagd nach seinem übernatürlichen Nemesis gemacht. Eine Torheit, wie selbst er im Nachhinein zugeben musste …

Ohne Geld, eine Ahnung wo sich der Graf versteckte oder auch nur das geringste Verständnis davon, wie die Welt außerhalb des Klosters funktionierte, war er in den ersten Monaten im wahrsten Sinne des Wortes verloren gewesen. Gut möglich, dass sein Rachefeldzug so unter anderen Umständen ein jähes Ende gefunden hätte, verhungert an einer Straßenecke oder irgendwo in einem dunklen Kerker, eingesperrt für den verzweifelten Versuch, etwas zu Essen zu stehlen.

Für ihn jedoch hatte das Schicksal offenbar andere Pläne gehabt: Kaum eine Woche nach seiner Flucht war er in die Fänge eines Anwerbers geraten, verpflichtete sich betört von süßen Worten und der Aussicht auf eine – zumindest nach seinen Maßstäben – fürstliche Entlohnung für den Dienst in einer Armee, deren Herr und Ziele er nicht einmal kannte. Die folgenden Jahre hatte er so auf diversen Schlachtfeldern verbracht, war dort mehr als einmal dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen. Zweifellos eine schwere Zeit, gleichzeitig jedoch waren dadurch auch seine Fertigkeiten mit der Klinge und sein Überlebensinstinkt gestählt worden. Als ihm schließlich eine kurze Verschnaufpause in den schier immerwährenden Kriegen auf dem Kontinent ermöglich hatte, die Armee wieder zu verlassen, war er auf diese Weise mehr als bereit für seine eigentliche Mission gewesen.

Seinen Lebensunterhalt verdiente er seitdem als Kopfgeldjäger oder Söldner, reiste dabei kreuz und quer durch das Land, immer auf der Suche – wenn bisher auch mit wenig Erfolg. Selbst zwanzig Jahre nach seiner Flucht aus dem Kloster war es ihm nämlich bisher nicht einmal gelungen, auch nur eine Spur des Grafen oder irgendeines anderen Vampirs zu finden. Stattdessen hatten ihn die Gerüchte über widernatürliche Vorgänge, denen er unermüdlich nachging, stets nur zu anderen, weniger gefährlichen Gegnern geführt: Geistern, niederen Dämonen, Trollen … und eben auch Totenbeschwörern und Zombies; letztere nebenbei weit häufiger, als ihm lieb war.

Derweil hatte der Fremde zu seiner Überraschung recht schnell feststellen müssen, dass er keinesfalls allein war bei seiner Jagd. Tatsächlich schien es erstaunlich viele andere zu geben, die wie er derartigen Kreaturen nachstellten – wenn auch zugegebenermaßen nicht immer aus so persönlichen Gründen wie in seinem Fall. Weit häufiger war es stattdessen die Hoffnung auf Ruhm oder Reichtum, gar bloße Neugier, die diese Leute antrieb. Nichtsdestotrotz hatte es gerade am Anfang viel gegeben, das er von ihnen hatte lernen können. Bei jeder Gelegenheit versuchte der Fremde daher, sich mit diesen Gleichgesinnten auszutauschen, sie ebenso von seinen Erfahrungen profitieren zu lassen, wie er von den ihren profitierte – und dann war da natürlich auch noch die Hoffnung, auf diesem Wege vielleicht einen Hinweis auf sein eigentliches Ziel zu finden … Trotz all dieses Wissens war die Gefahr jedoch trotzdem sein ständiger Begleiter, jede neue Jagd potenziell seine letzte. Er konnte nicht sagen, wie oft er über die Jahre dem Tod ins Gesicht geblickt hatte, oft nur als Resultat eines winzigen Fehlers, einer winzigen Unachtsamkeit seinerseits. Zahlreiche Narben erinnerten ihn immerzu an diese Fehltritte – und wie ihm mitunter nur schieres Glück erlaubt hatte, lebendig davonzukommen. Am Ende war sein bisheriges Überleben daher wohl ebenso sehr seinen Fähigkeiten geschuldet wie der günstigen Fügung des Schicksals? Er versuchte, dieser Tatsache jedoch nicht allzu viel Beachtung zu schenken und stattdessen sein Ziel im Auge zu behalten. Derartige Gedanken hatten schließlich keinerlei Nutzen, stellten vielmehr ein Hindernis dar; nur eine weitere Art von Ablenkung, die ihn das Leben kosten konnte – und außerdem gab es ohnehin etwas, das ihn weit mehr beschäftigte: Die seltsame Unauffindbarkeit des Grafen und der auffällige Mangel an seinesgleichen. Hatte vielleicht jemand anderes bereits diesen Preis für sich beansprucht? Die Vampirbrut gar vollständig ausgerottet? Nein, unmöglich … Es war ganz sicher nur eine Frage der Zeit, bis er endlich irgendwo erneut ein Paar blutroter Augen in der Nacht erspähen und seine Mission damit erst richtig beginnen würde – und tatsächlich sollte dieser Tag gar nicht einmal mehr so fern sein …

ZWEITES KAPITEL

Einige Jahre später befand sich der Fremde gerade auf dem Weg nach Osten, als ihm beunruhigende Gerüchte zu Ohren kamen: Ein namenloser Schrecken mache eine der größten Städte des Kontinents unsicher; eine mysteriöse Bestie von unglaublicher Stärke und Wildheit. Angeblich wanderte sie des Nachts tobend durch die Straßen, verschlang oder zerstückelte alles und jeden, der sich ihr in den Weg stellte. In nicht einmal einem Monat hatte sie die Stadt so buchstäblich für sich in Besitz genommen und herrschte nun unangefochten in ihrem neuen Reich. Offenbar war nicht einmal die Armee des Königs in der Lage, diesem Schrecken Einhalt zu gebieten: Ein ganzes Bataillon schwer bewaffneter Soldaten, das man geschickt hatte, um die Bestie zur Strecke zu bringen, war von ihr stattdessen innerhalb von Minuten im wahrsten Sinne des Wortes ausgelöscht worden – was es umso seltsamer machte, dass tatsächlich niemand so genau wusste, wie dieses Monster denn überhaupt aussah. Manche Zeugen behaupteten, es ähnele einer großen Schlange, andere berichteten von einem gewaltigen Hund oder Eber, wieder andere behaupteten gar, dass dieses Wesen jedweder Beschreibung entbehrte – ein Wesen buchstäblich nicht von dieser Welt! Der Fremde war sich sicher: Was immer dort auch sein Unwesen trieb, es war mit nichts zu vergleichen, mit dem er es je zu tun gehabt hatte. Diese Kreatur würde als Erste all seine Fähigkeiten bis ans Äußerste fordern – eine Herausforderung, die er gern annahm.

Es war schon Nachmittag, als der Fremde jene Stadt erreichte, die Schauplatz seines jüngsten Abenteuers werden sollte. Von Weitem allerdings hatte sie mehr wie eine gewaltige Festung angemutet, mit hohen Mauern und mehr als einem Dutzend befestigter Tore, die Reisenden aus allen Himmelsrichtungen Einlass gewährten. Jenseits davon aber sah es dann schon einladender aus: Eine breite Allee führte zum Zentrum, gesäumt von zahlreichen Häusern mit kunstvollem Mauerwerk, zahlreiche Brücken überspannten den breiten Fluss, der das Meer aus Dächern in zwei Hälften teilte.

Eine überaus schöne Stadt, aber das interessierte im Moment natürlich niemanden dort so wirklich. Auf seinem Weg durch die Straßen konnte der Fremde überall ängstliche, sorgenvolle Gesichter sehen und ihm kamen immerzu Wagen entgegen, die auf dem Weg zu den Toren hinter ihm sein mussten. Die Leute kehrten ihrer Heimat den Rücken, bald würde dieser Ort eine Geisterstadt sein – wenn nicht jemand vorher die Bestie zur Strecke brachte.

Nachdem er ein gutes Stück der Hauptstraße gefolgt war, erreichte der Fremde schließlich jene Stelle, an der die Soldaten sich der Bestie entgegengestellt hatten: Es musste in den vergangenen Tagen geregnet haben, deswegen waren die meisten Spuren ihrer Schlacht inzwischen weggewaschen worden. Nur noch in einigen Ecken hingen schwarzbraune Überreste; Blut offensichtlich. Außerdem klafften in den Wänden der umliegenden Häuser und im Boden lange, armdicke Furchen wie von den Klauen eines gewaltigen Bären – bloß dass dieser Bär wohl Klauen aus Stahl besessen haben musste, bedachte man die Leichtigkeit, mit der diese sich durch den Stein geschnitten hatten! Was für eine Kreatur nur konnte zu so etwas fähig sein?!

Vorsichtig hörte sich der Fremde also um: Offenbar kam die Bestie nur des Nachts heraus, am Tage war sie unauffindbar – unglaublich wenn man bedachte, dass sie angeblich mehrere Meter groß sein sollte – aber wenigstens konnten die Bewohner sich deshalb im Tageslicht sicher fühlen. Nur ein schwacher Trost allerdings, denn des Nachts erinnerte ein immer wiederkehrendes Schnauben und Brüllen jeden an die allgegenwärtige Gefahr. Entsprechend wagte sich auch niemand mehr nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Haus – nicht mehr seit jener Nacht, als die Soldaten von ihrem Gegner über die Straßen verteilt worden waren. Die Menschen verbarrikadierten ihre Fenster und Türen. Wer die Möglichkeit hatte, nahm, was er an Hab und Gut tragen konnte, und floh. Für jene, die dies nicht konnten, war die Furcht allgegenwärtig: Nicht einmal die üblichen zwielichtigen Gestalten, die normalerweise in der Dunkelheit ihren fragwürdigen Geschäften nachgingen, waren des Nachts auf den Straßen zu finden. Auch sie fürchteten um ihr Leben wie jeder andere – und diese Furcht war keinesfalls unbegründet, schließlich gab es praktisch jede Nacht neue Opfer.

Während die Sonne sich langsam aber sicher zu senken begann, der Nachmittag anbrach, wanderte der Fremde nachdenklich durch die Straßen, ließ seinen Blick weit schweifen … Es stand fest, dass sich die Bestie tagsüber irgendwo innerhalb der Mauern verkroch, denn in dem Gebiet um die Stadt herum hatte es weder Angriffe noch Sichtungen gegeben. Doch wo könnte sich eine angeblich so gewaltige Kreatur verbergen, ohne dass jemand sie bemerkte? Angestrengt durchkämmte der Fremde auf der Suche nach einem solchen Ort die Stadt, inspizierte ihre zahlreichen Parks, die Kanalisation und ihre versteckten Winkel nach einem Anhaltspunkt – ohne Erfolg jedoch. So kam er schließlich zu dem Ergebnis, dass sich die Kreatur wohl in einem der Häuser verstecken musste. Unwahrscheinlich jedoch, dass dies mit dem Wissen der Bewohner geschah. Vermutlich handelte es sich um ein wenig genutztes Gebäude? Vielleicht auch nur einen Keller? Buchstäblich eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen also, da es in der Stadt hunderte, wenn nicht tausende Gebäude geben musste! Somit würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als seinen Gegner bei Nacht zu stellen, wenn die Bestie – ausgehend von dem, was er über sie gehört hatte – wohl vergleichsweise leicht aufzuspüren sein sollte.

Kaum war die Sonne untergegangen, stand der Fremde auch schon allein da, die Straßen leer gefegt, menschenleer. In den Häusern, an denen er vorbeiging, konnte er die Leute hören, wie sie Tische, Stühle, Regale, einfach alles, was verfügbar war, vor die fest verschlossenen Türen und Fenster rückten. Jedes Haus wurde für die bevorstehende Nacht abermals in eine Festung verwandelt. Auch wenn die Menschen eigentlich wussten, dass der Tod ohnehin einen Weg hineinfinden würde, sollte er dies wünschen. Anschließend beteten sie: Dass sie in dieser Nacht verschont bleiben würden, ebenso wie alle, die sie kannten … und natürlich, dass dieser Alptraum endlich enden möge. Bisher waren diese verzweifelten Gebete aber ganz offensichtlich unerhört geblieben …

Nachdem er eine geraume Zeit durch die Straßenschluchten gepirscht war, erreichte der Fremde schließlich eine der Brücken in der Mitte der Stadt, machte dort kurz Rast und blickte auf die spiegelnde Wasseroberfläche unter sich. Die Reflexion des Mondes malte dort ein Kunstwerk aus weißem Licht auf die Wasseroberfläche, ließ die menschenleeren Straßen umher so fast … malerisch erscheinen. Mittlerweile musste es schon deutlich auf Mitternacht zugehen und noch immer gab es keine Spur von der Bestie, kein Laut hatte ihr erneutes Auftauchen verkündet. Hatte sie sich am Ende so plötzlich wieder in Luft aufgelöst, wie sie einst aufgetaucht war? Oder lauerte die Kreatur ihm vielleicht schon irgendwo auf? – Mit diesen Fragen im Kopf stand er dort eine ganze Weile, beobachtete das Wasser, wie es gemächlich unter ihm dahinfloss. Für einen Moment ließ es ihn alles vergessen; jedes Gefühl für Zeit entglitt ihm. Es gab nur noch den weißen Kreis auf der schwarzen Wasseroberfläche, der durch die Wellen immer wieder auf neue Art und Weise verformt wurde, das leise Plätschern des Flusses unter ihm … Vermutlich hätte der Fremde stundenlang dort stehen bleiben können, wie hypnotisiert vom Spiel der Wellen. Recht bald jedoch riss ihn etwas äußerst unsanft aus seiner friedlichen Trance: Ein markerschütterndes Gebrüll! Auf einen Schlag vertrieb es den Frieden und die Stille der wolkenlosen Nacht und versetzte ihn in höchste Alarmbereitschaft! Sofort ging er in Deckung, drückte sich so fest wie möglich an die Seite der Brücke und lauschte: Schnaufen … Stampfen … Es kam aus dem Teil der Stadt auf der anderen Seite, klang fast unnatürlich laut … Etwas, das wie ein … wilder Stier klang, bahnte sich dort offenbar unaufhaltsam seinen Weg zu einem unbekannten Ziel. In seine Richtung möglicherweise?! Eine Befürchtung, die sich jedoch nicht bestätigte … Erst als er ganz sicher war, dass die Bestie sich von ihm fortbewegte, stand er schließlich auf und folgte ihr. Dabei ließ ihn jedes Brüllen ein wenig zusammenzucken, wenn es wie Donnergrollen anschwoll und dann in einem tiefen, lang gezogenen Ton gipfelte. Wenigstens aber machte es dies wie erhofft recht einfach, nicht die Spur zu verlieren.

Nur auf sein Gehör konzentriert rauschte der Fremde in der Folge durch die Straßen, die in der Dunkelheit kaum von den steinernen Wänden an ihren beiden Seiten zu unterscheiden waren. Dabei fiel ihm schnell ein seltsamer Geruch auf: Schwefel … Gleichzeitig ein Indikator dafür, welche Art von Kreatur hier wohl ihr Unwesen trieb: ein Dämon. Was für eine Art genau jedoch aus jener reichen Vielfalt, die an diesen Wesen existierte, ließ sich nicht sagen. So oder so allerdings blieb ihm nicht viel Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Immer wieder musste er stattdessen Hindernissen ausweichen, die erst im letzten Moment in Sicht kamen, denn natürlich hatte niemand die Laternen entzündet. Doch für wen auch? Hinzu kam, dass sein Ziel sich äußerst schnell bewegte, schneller als ein Pferd vermutlich, noch dazu das Gelände offenbar hervorragend kannte – keine guten Voraussetzungen, weder für eine Verfolgung noch für einen Kampf.

Nach einiger Zeit wurde das Schnaufen und Stampfen endlich lauter, der Geruch nach Schwefel stärker. Er kam näher … Nicht sein Verdienst allerdings – offenbar hatte die Kreatur ihre Schritte aus irgendeinem Grund verlangsamt und verharrte schließlich sogar an einem Ort. Außerdem veränderten sich auch ihre Laute: Statt lautem Brüllen gab sie nun immer wieder ein tiefes Knurren von sich, schnüffelte hin und wieder kurz. Die Bestie lag wohl auf der Lauer, hatte ihre Beute vielleicht sogar schon ausgemacht?

Unter diesen Umständen brauchte der Fremde jedenfalls nicht lange, um sie einzuholen: Schon erklang aus der Abzweigung vor ihm das schabende Geräusch von riesigen Krallen, die an einer Tür kratzten. Die Menschen dahinter konnten ihr drohendes Verhängnis wohl schon spüren, hörten buchstäblich, wie der Tod an ihre Tür klopfte. Der Fremde wiederum nutzte diese Gelegenheit, um sich lautlos an seine Beute anzuschleichen: Vorsichtig bog er um die letzte Straßenecke, die Hand am Heft seines Schwertes, und kniff dann die Augen zusammen … Wegen der tiefen Dunkelheit umher konnte er die Kreatur vor sich nicht genau erfassen, ein seltsames, schwaches Leuchten aus dem Haus ließ lediglich vage ihre Umrisse erkennen … Sie schien ihn nicht zu bemerken, war zu vertieft in ihre Jagd. Vorsichtig kam er also näher, Schritt für Schritt, zog auf dem Weg bereits lautlos die Klinge aus ihrer Scheide, jeder Muskel in seinem Körper angespannt und bereit, wie eine Bogensehne jeden Moment zu einem tödlichen Stoß loszuschnellen – doch dann: Plötzlich klackerte etwas unter ihm, ein Stein vermutlich, den er mit seinem Fuß losgetreten hatte. Am Tage wäre dieses Geräusch wohl einfach im Getümmel untergegangen, doch hier, in der Stille der Nacht, glich es stattdessen einem Paukenschlag: Augenblicklich wurde die Kreatur so auf ihn aufmerksam, wirbelte mit einem Schnauben herum und baute sich vor ihm auf. Gleichzeitig schlugen wilde Flammen aus ihren Nüstern, tauchten die Straße kurz, nur für einen Moment, in ein bedrohliches, rotes Licht. Gleichzeitig wurden so zum ersten Mal die wahren Ausmaße des unbekannten Wesens erkennbar. Der Fremde wiederum schluckte bei diesem Anblick.

Vor ihm stand ein gewaltiger, muskelbepackter Koloss, mindestens drei Meter groß und ebenso breit, mit schuppiger, dunkelroter Haut und mächtigen, verdrehten Hörnern auf seinem Haupt. Die Kreatur lief auf allen vieren, aber nicht wie ein Hund oder ein Pferd, stattdessen waren ihre Arme länger als ihre Beine und besaßen kolossale Fäuste mit langen Krallen an ihren Enden, die im Stillstand zum Greifen benutzt werden konnten. Am ehesten ließ sich diese Kreatur beschreiben als eine eigenwillige Kreuzung aus einem Gorilla und einem Stier! Sofort knurrte sie ihn aus der Dunkelheit heraus zornig an, ihre Augen flackerten. Mit solch einer Monstrosität hatte der Fremde nicht gerechnet. Er war basierend auf seinen vorangegangenen Erfahrungen mit Dämonen und den (übertrieben klingenden) Beschreibungen der Stadtbewohner von einer Kreatur höchstens von der Größe eines Keilers oder Stieres ausgegangen! Nicht von so etwas! Damit konnte er es nicht aufnehmen, nicht in einem direkten Kampf jedenfalls. Vom Boden aus konnte er mit seiner Klinge wohl nicht einmal richtig den Kopf dieses … Monsterserreichen! Angesichts dessen gab es in dieser Situation nur eine Option für ihn: Sein Heil in der Flucht zu suchen …

Ohne noch einen Moment zu zögern, rannte er also los, stürmte zurück in die Richtung, aus der er eben noch gekommen war. Die Reaktion der Kreatur auf diese für alle Beteiligten so unerwartete Begegnung ließ derweil nicht lange auf sich warten: Nach einigen Sekunden, in denen sie die jüngsten Ereignisse wohl selbst erst einmal verarbeiten musste, hallte als Nächstes ein ohrenbetäubendes Brüllen durch die Stadt, dicht gefolgt vom Krachen der Pflastersteine, die von einer mächtigen, roten Faust wütend in tausend Teile zersprengt worden waren. Dann stürmte sie auch schon los – ohne Vorwarnung war der Jäger plötzlich zum Gejagten geworden!

Mit bebendem Herzen und getrieben vom aufwallenden Adrenalin beschleunigte der Fremde in der Folge seinen Schritt weiter und weiter, hinter ihm die tobende Kreatur. Schnell schien es ihm, als würde er über das Pflaster fliegen, seine Füße gar nicht mehr die Steine unter ihm berühren. Gleichzeitig verschmolzen die nur schemenhaft erkennbaren Hauswände, die Straße und der Himmel vor seinen Augen zu einem einzigen schwarzen Tunnel. Dennoch kam sein Verfolger schnell näher. An einer Kreuzung schlug er deshalb einen schnellen Haken und wechselte abrupt die Richtung – ein äußerst erfolgreiches Manöver so schien es: Sofort war hinter ihm ein lautes Krachen zu hören, offenbar weil die Bestie beim Versuch, es ihrer Beute gleichzutun, mit voller Wucht in eine Hauswand gekracht war. Lange aufhalten konnte sie dies allerdings nicht: Ihr Brüllen jetzt noch zorniger als zuvor, schälte sie sich sogleich aus den Trümmern und nahm die Verfolgung wieder auf, brauchte nur Sekunden, um erneut zu ihm aufzuschließen. Es sah nicht gut aus für ihn.

Rechts … Noch immer keine Idee … Links … Mit seinen schnellen Richtungswechseln konnte er den Abstand wahren, aber wohin sollte er rennen? Im Labyrinth der Straßen gab es schließlich kein Entkommen, keinen Ort, um sich zu verstecken oder seinen Verfolger abzuschütteln – und ewig würde er nicht weglaufen können, so viel stand fest. Seine Ausdauer würde früher oder später ihre Grenzen erreichen und dann … Bevor er diesen nutzlosen Gedanken zu Ende denken konnte, warf ihn sein Verstand beiseite … Links … Ein überraschtes Schnauben erklang hinter ihm und gleichzeitig verlor die Kreatur an Geschwindigkeit, Trümmer flogen in seine Richtung und prasselten auf den Boden ein wie Regen. Die Kreatur musste irgendein kleines Hindernis gerammt und dieses dabei buchstäblich zerstäubt haben, vielleicht eine kleine Mauer oder einen Brunnen? Rechts … Sich umdrehen und kämpfen war keine Option, sie würde ihn einfach überrennen. Links … Nicht gut … Rechts … Mit jedem Richtungswechsel gelang es der Bestie besser, die Kollision mit den Wänden zu vermeiden, sein Vorsprung schrumpfte zusammen. Diese Jagd würde bald vorüber sein. So oder so … Seine Atemzüge wurden bereits schwerer, der Adrenalinrausch begann zu schwinden. Fast schien es, als könnte er schon den heißen Atem der Kreatur in seinem Nacken spüren, den scharfen Windzug einer Kralle, die nur Millimeter von seinem Hals vorbeirauschte. Kurz stand der Fremde davor, sich doch noch umzuwenden, sein letztes Gefecht doch noch anzunehmen, aber eine plötzliche Veränderung in der Umgebung kam dem zuvor: Auf einmal waren die steinernen Wände auf beiden Seiten verschwunden! Stattdessen lag nun ein offener Bereich vor ihm, fast wie eine gewaltige Halle unter dem Sternenzelt. Er brauchte nicht lange, um zu begreifen, worum es sich dabei handelte: Wie durch ein Wunder hatte die wilde Verfolgungsjagd ihn offenbar zurück zum Fluss geführt! Und damit auch zu einem Ausweg aus seiner verzweifelten Lage! Entsprechend zögerte der Fremde nun auch keine Sekunde mehr: Mit letzter Kraft hechtete er über das Geländer der Brücke, auf der sie sich gerade befanden, hinein in die schwarzen Fluten. Augenblicklich ging ihm daraufhin die Orientierung verloren … Wie ein Blatt im Wind wurde er von den Wassermassen hin und her geworfen, während es die Dunkelheit unmöglich machte, oben von unten zu unterscheiden. Sein Verfolger blieb derweil allein zurück, rasend vor Wut, weil seine Beute entkommen war.

Nur knapp dem Ertrinken entgangen krabbelte der Fremde einige Minuten später außerhalb der Stadt ans Ufer und schleppte sich durch den Schlamm auf trockenen Boden. Mehrmals rutschte er dabei durch den Schlick zurück ins Wasser, musste sich abermals mit letzter Kraft wieder an Land zerren, seine Finger wie Klauen in den Grund schlagen. Hinter den Mauern konnte er derweil noch immer das wütende Brüllen der Bestie hören, die ganz und gar nicht glücklich darüber zu sein schien, ihre Beute auf diese Weise verloren zu haben. Und doch … Ihre Stimme klang nun geradezu beruhigend fern, wie in weit entfernter Donner, wenn man wusste, dass das dazugehörige Gewitter längst weitergezogen war.

Völlig erschöpft rollte er sich schließlich auf den Rücken und blickte gen Himmel, verlor sich nachdenklich im schwarzen Ozean der Sterne über ihm. Er war entkommen, dem Tod ein weiteres Mal von der Schippe gesprungen … Aber war diese Tatsache am Ende nicht bedeutungslos? Wenn er einen solchen Feind, der nur über zügellose Kraft, aber keinen Verstand verfügte, nicht besiegen konnte, wie sollte er dann einen Gegner wie den Grafen bezwingen, der doch ganz offensichtlich beides besaß? Eine niederschmetternde Erkenntnis. Mit einem Seufzen hob er angesichts dessen den Arm, ballte dann unzufrieden die Hand zur Faust und ging dabei noch einmal jede Einzelheit seiner Konfrontation mit dem Dämon durch. In einem direkten Kampf zu siegen, war ziemlich unmöglich, so viel stand fest. Die Bestie war zu groß, zu stark und auch zu schnell. Sie würde ihn einfach zermalmen, bevor er überhaupt etwas tun, sich irgendwie wehren könnte – aber vielleicht gab es ja einen anderen Weg? Irgendeine Schwäche musste es doch geben, die er ausnutzen konnte? Schnell kam ihm ein Gedanke: Was tat die Kreatur am Tage? Hinter diesem Mysterium verbarg sich möglicherweise der Schlüssel zum Sieg. Fürchtete sie das Licht? Nein … Zumindest in den ersten Tagen ihrer Herrschaft waren die Straßenlaternen noch jede Nacht entzündet worden und auch die Soldaten hatten angeblich zahlreiche Fackeln getragen. Schlief sie vielleicht einfach nur? Nicht ganz abwegig … Es handelte sich am Ende ja allem Anschein nach um eine Art von … Tier. Wäre dies tatsächlich der Fall, so sollte es ein Leichtes sein, sie im Schlaf zu erschlagen – relativ gesehen zumindest. Allerdings musste er dafür erst einmal ihr Versteck finden.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als der Fremde sich schließlich aufrappelte und sodann mit neuer Motivation auf die Suche machte. Jemand hatte eine Beschwörung durchgeführt, so viel stand fest. Auf diese Weise war die Bestie überhaupt erst in die Stadt gelangt. Und der Beschwörer? – Vermutlich tot, vom Produkt seiner eigenen Magie verschlungen. Passend … Aber natürlich machte ein Mangel an lebenden Zeugen das Auffinden der Kreatur nicht wirklich einfacher. Wo sollte er anfangen zu suchen? Ihm blieb nur, dem einzigen Hinweis nachzugehen, den er bis jetzt hatte: Die Richtung, aus der in der Nacht das erste Brüllen der Bestie zu hören gewesen war.

Sein Weg führte ihn so in den Westen der Stadt, wo die Häuser und Villen der reicheren Bürger standen. Interessanterweise hatte es genau in dieser Gegend offenbar auch die ersten Opfer gegeben. Ganz bestimmt war dies kein Zufall. Auch so allerdings wurde dem Fremden recht schnell klar, dass er sich dort auf einer heißen Spur befand: Auf seinem Weg durch die Straßen nämlich begegnete ihm keine Menschenseele, die Gassen waren wie leer gefegt, ausgestorben geradezu. Die Leute hier mussten die Ersten gewesen sein, die aus der Stadt geflohen waren. Einsam und verwahrlost standen ihre Häuser jetzt am Wegesrand, verwaiste Trutzburgen, die sich mit hohen Hecken und Ziegelmauern von der Welt außerhalb des dazugehörigen Grundstücks abschotteten. Schon die meisten Vorgärten konnte man von der Straße kaum einsehen – ganz zu schweigen von den Arealen jenseits der Gebäude! Wie ferne Täler hinter hohen Bergkämmen wurden sie von den Mauern davor gänzlich verborgen. Es ließ sich unmöglich sagen, wie groß die Gärten genau waren, weitläufig jedoch auf jeden Fall – das perfekte Versteck wohl für jene Kreatur, nach der der Fremde suchte. Irgendwo hier würde er die Bestie finden, ganz sicher!

Mehreren Stunden ging der Fremde in der Folge durch die einsamen Straßen, musterte jedes Haus gründlich auf Hinweise – ohne Erfolg jedoch, vorerst zumindest. Sicher, viele von ihnen zeigten deutliche Anzeichen von Einbrüchen, eingeschlagene Fenster und aufgebrochene Türen, doch in keinem Fall waren diese Spuren … dramatisch genug, um von jener Art von ungebetenem Gast verursacht worden zu sein, die er zu finden hoffte: Nirgends hatten gewaltige Pranken tiefe Furchen oder gar Löcher in die Fassaden gerissen, nirgends zornige Faustschläge eines der Gebäude zum Einsturz gebracht. Obwohl … Wenn es derartige Verwüstungen wirklich gegeben hätte, wäre dies vermutlich früher oder später irgendjemandem aufgefallen. Vielleicht nicht den eigentlichen Bewohnern dieser Häuser, die schon lange das Weite gesucht hatten, aber doch sicher den Plünderern, die sich über das unbewachte Eigentum darin hermachen wollten?

Es schien somit, als würde diese Suche wesentlich anstrengender werden, als er gedacht hatte – eine Aussicht, von der sich der Fremde jedoch nicht beirren ließ. Stattdessen setzte er unbeeindruckt seinen Weg fort – und wurde so schon bald für seine Hartnäckigkeit belohnt: Irgendwann erreichte er eine Stelle, an der die lückenlose Aneinanderreihung von Mauern und Hecken plötzlich unterbrochen war und hob daraufhin erst einmal verwundert den Blick …