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Charles Spurgeon war ein einfacher Bauernjunge, der später einer der bekanntesten Prediger der Welt wurde. Er mischte sich unter Adlige und Bettler, um seinen Auftrag von Gott, nämlich Menschen das Evangelium zu predigen, auszuführen. Voller Eifer, mit Liebe und Klarheit predigte er, um die Herzen von Arm und Reich, von Groß und Klein gleichermaßen mit dem Evangelium zu erreichen. Man sagt, dass sogar die Königin kam, um dem »Fürsten der Prediger« zuzuhören. Aber Charles größte Aufmerksamkeit galt dem König aller Könige, Jesus Christus. – Für Ihn lebte er. Ihm diente er. Dieses Buch ist der erste Band der Buchreihe »Glaubensvorbilder« für Kinder und Jugendliche.
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Seitenzahl: 153
Charles Spurgeon
Der Fürst der Prediger
___________________________________________Christian Timothy George
Originaltitel: The Prince of Preachers© 2006 Christian Timothy GeorgeVeröffentlicht bei Christian Focus PublicationsAlle Rechte vorbehalten© der deutschen Ausgabe by Verlag Voice of Hope, 2018Eckenhagener Str. 4351580 Reichshof-Mittelaggerwww.voh-shop.deÜbersetzung: Bettina BräulLektorat, Cover und Satz: Voice of HopeISBN 978-3-947102-76-1 - E-BookISBN 978-3-947102-31-0 - Hardcover-BuchAlle Bibelstellen sind gemäß der Schlachter-Bibel 2000.
Dieses Buch basiert auf dem Leben von Charles Haddon Spurgeon. Die Bezüge zur Königin Victoria sind zwar nicht schriftlich belegt, gründen sich jedoch weitestgehend auf mündlicher Überlieferung. Die anderen Charaktere dieses Buches sind entweder lebensecht oder bilden eine Zusammenstellung verschiedener Personen, denen Spurgeon begegnet ist und von welchen er zeit seines Lebens beeinflusst wurde, wie etwa: Henry, Mary, Edward und Francis. Von der höheren Bildungsschicht bis zu Hausmädchen und Betteljungen gelangte Spurgeon, der »Fürst der Prediger«, mit der Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus, dem König der Könige. Durch Spurgeons Predigten wurden zahlreiche Menschen für das Reich Gottes gewonnen.
Wir hoffen, dass dieses Buch dich ermutigt, mehr über den Herrn herauszufinden, dem Spurgeon diente, Sein Herr und Meister Jesus Christus.
Einleitung
Es braucht nur einen Funken, um ein Land zu entflammen. Charles Haddon Spurgeon war dieser Funken. Seine Predigten setzten Herzen, Kirchen und ganz England in Brand! Die Enden der Erde spürten die Kraft seines Einflusses. Australien, Afrika, Jamaika und Neuseeland erhielten seine wöchentlichen Predigten. Bis zu seinem Todesjahr 1892 hatte er zu Millionen von Menschen gepredigt und Tausende getauft.
Bereits vor der Zeit von Mikrofonen und Verstärkern erreichte seine Stimme selbst die letzten Reihen des Auditoriums. Der Gott, der Spurgeons Sinn für die Bibel und seine Ohren für die Wahrheit öffnete, der öffnete auch seine Stimmbänder für die Welt. Das kleine Kind in der ersten Reihe verstand jedes Wort. Das ältere Ehepaar, das weit hinten auf der Empore saß, hörte ihn ebenfalls. Er predigte zu den Massen, und er predigte zu jedem lauschenden Individuum. Er predigte zu dem Königshaus, und er predigte zu den Waisen. Er predigte zu Köpfen, und er predigte zu Herzen. Die Geschichte wird Charles Haddon Spurgeon für immer als den »Fürsten der Prediger« kennen.
1.Die verkleidete Königin von England
Stell dir vor, du seist im Kensington-Palast in London, England.
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Die Monarchin des Königreiches, Königin Victoria, seufzt, als sie durch das bereifte Glas des Palastfensters starrt. Während sie ihre Augen schließt, berührt sie das Fenster, um das Treiben des Winterwetters zu spüren. Ein Frösteln läuft ihr über den Rücken. Da draußen tanzen Schneeflocken, den wilden Bewegungen des Windes folgend. Sie träumt davon, selbst zu tanzen, zu tanzen draußen in dem Schnee, zum Rhythmus der eisigen Luftstöße.
»Der Kensington-Palast ist seit fünfzig Jahren mein Zuhause gewesen«, sagt sie, während sie zu Alice, ihrer Hofdame, blickt, die auf der anderen Seite des Schlafzimmers steht. Alice war jung und wunderschön, was die Königin an ihre früheren Jahre erinnerte – an Tage, die längst verflossen waren.
»Ich habe mein Land regiert, ich habe geheiratet und meinen Ehemann beerdigt, und meine eigenen Träume habe ich sehr lange vernachlässigt. Obwohl ich die feinsten Speisen genossen habe«, fährt Victoria fort, »mit den besten Menschen diniert und die nobelste Kleidung getragen habe, ist doch das Leben zu berechenbar für mich geworden.« Der Wind pfeift durch die Türritzen des Palastes. Victoria öffnet das Fenster und begrüßt die frostige Brise.
»Ihre Majestät!«, ruft Alice aus, indem sie zum Fenster läuft, um es zu verriegeln. »Draußen tobt ein heftiger Schneesturm! Sie werden sich erkälten!« Fest schließt sie das Fenster und verriegelt es. »Dieser Morgen ist einer der kältesten in London; wir möchten um keinen Preis, dass Sie vor dem Termin mit dem Ministerpräsidenten noch erkranken!«
Victoria entfernt sich vom Fenster, während sie den kurzen, kühlen Luftzug genießt, der hereingeweht ist. Sie setzt sich in ihren Sessel und schaut in die rote Glut im Kaminofen.
»Jeder Morgen ist derselbe«, sagt sie. »Ich wache auf, kleide mich an und erfülle die routinemäßigen Pflichten meiner königlichen Position.«
Ihre Hofdame legt ein weiteres Holzscheit ins Feuer.
»Ja, Ihre Majestät«, antwortet sie.
»Wann haben Königinnen einmal Spaß?«, fragt die Monarchin sich selbst, während sie die Funken beobachtet, die in den Schornstein hinauffliegen. Eine Idee schießt ihr in den Kopf. »Heute wird es anders sein«, flüstert sie. Weitere Funken fliegen in die Luft. »Heute wird es gefährlich werden«, sagt sie. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. »Heute gibt es ein Abenteuer!« Königin Victoria springt auf und ruft aus: »Wir haben wenig Zeit! Wir müssen uns auf den Weg machen! Ich habe heute eine Überraschung für uns geplant.«
»Aber Ihre Majestät, was geschieht dann mit Ihrem Terminplan?«, entgegnet Alice. »Und mit dem Ministerpräsidenten?«
»Annulliere meinen Terminplan!«, befiehlt die Königin. »Streiche alle meine Termine für den Tag! Da gibt es jemand anders, den wir treffen müssen.«
»Jemand anders, Ihre Majestät? Wen? Wer könnte so bedeutsam sein?«
Ohne sie zu beachten, marschiert Königin Victoria zurück zum Fenster und öffnet es erneut. Frische Luft dringt in den behaglichen Raum.
»Ich bin die Königin«, ruft sie aus. »Und der heutige Tag wird anders sein!« Kalter Wind wirbelt die Vorhänge auf. Fassungslos nickt Alice und senkt ihren Kopf.
»Sammle die Kaminasche zusammen!«, fordert die Königin.
»Wie bitte? Warum möchten Sie ...«
» Tu es!«, ruft sie aus, während sie mit dem Finger auf das Feuer deutet.
»Wie Sie wünschen«, piepst die Hofdame und eilt zum Kaminofen. Victoria steht vor dem Spiegel. Wichtige Dokumente flattern vom Tisch auf den Boden.
»Ich kann nicht glauben, dass ich im Begriff bin, dies zu tun«, murmelt sie im Flüsterton. »Ich habe bisher nie so etwas getan. Königinnen tun diese Art von Dingen nicht. Was würden die Leute sagen, wenn sie wüssten, dass ich gerade ...«
»Hier Ihre Asche, Ihre Majestät!«, sagt Alice und versucht, wieder Atem zu schöpfen. Sie stellt einen Eimer voller Asche vor die Königin und knickst.
Eine seltsame Miene liegt auf Victorias Gesicht. Diese Miene verrät das Verlangen nach Freiheit – diese Miene verrät das Verlangen, dem luxuriösen Leben zu entfliehen. Sie weiß, sie wird einen Preis bezahlen müssen für ihre Handlungen; aber sie ist überzeugt, dass es das wert ist.
»Du sprichst zu niemandem darüber!«, ruft sie aus, während sie eine Handvoll Asche zwischen ihren Handflächen zerreibt und auf ihre Augenbrauen und Wangenknochen aufträgt.
Erstaunlich, schon das kleinste Bisschen der schwarzen Asche macht ihr Gesicht fast unkenntlich.
»Ausgezeichnet!«, ruft die Königin, als sie sich selbst im Spiegel betrachtet.
»Ist sie wahnsinnig geworden? Hat sie gänzlich ihren Verstand verloren?«, grübelt Alice. «Was geschieht, wenn die Leute davon erfahren?«
»Bring mir einen alten Mantel aus dem Quartier der Dienerschaft!«, gebietet die Königin, zur Tür weisend.
»Wie Ihre Majestät wünschen!«, antwortet Alice und hastet aus dem Zimmer.
Victorias Augen huschen wild durch den Raum.
»Bald wird mir die Freiheit gehören«, flüstert sie.
»Hier haben Sie ihn«, verkündet die Hofdame, die das Zimmer mit einem grauen, moderigen Umhang in der Hand betritt. Victoria geht zu ihrem Mahagoni-Schreibtisch und öffnet ein Schubfach. Sie findet ein scharfes Messer, ein goldenes, welches sie meist benutzt, um ihre Briefe zu öffnen, und nimmt es aus der Schublade heraus.
»Das wird genügen«, murmelt die Königin mit einem Grinsen im Gesicht, als sie verdächtig auf Alice zugeht.
Alice reißt ihre Augen auf, als die Königin den alten Mantel mit dem Brieföffner zerschlitzt.
»Ich kann nicht nach draußen gehen, wenn ich aussehe wie eine Königin«, erklärt Victoria ihr. »Das wäre viel zu gefährlich!« Sie streift den zerschlissenen Umhang über und geht zum Fenster. Eine weiße Schneedecke verhüllt die Landschaft.
»Folge mir!«, sagt die Königin, indem sie zur Tür hastet. Ihre Hofdame beobachtet sie. In der Kleidung des ärmsten Bürgers öffnet die Königin die Schlafzimmertür. Alice folgt ihr.
»Was ist über die Königin gekommen?«, denkt sie, als sie durch den Türrahmen tritt. »Warum hat sie diese Bauernkleidung angezogen? Wen möchte sie heute treffen? Wer könnte so bedeutungsvoll sein?« Ein Windstoß schließt die Tür hinter ihr, und die beiden Frauen schleichen unbemerkt aus dem Palast.
Wer hätte gedacht, dass die Monarchin und ihre Hofdame zur Kirche gehen würden, um einen Prediger zu hören – den »Fürsten der Prediger« höchstpersönlich?! Die Hofdame konnte es nicht begreifen, aber die Königin freute sich darauf – sie freute sich tatsächlich sehr darauf.
2.Eine aufrüttelnde Predigt an einem verschneiten Sonntag
Colchester, England – Winter 1850.
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Es ist Sonntagmorgen, und es kostet Mühe, aus dem Bett zu kommen! Der Wind pfeift durch die Straßen von Colchester, England, und Schneeflocken rieseln zur Erde. Die warme Glut im Kamin und der heiße süße Tee auf dem Herd halten die Menschen im Haus, wo sie vor dem frostigen Wetter geschützt sind.
Charles, fünfzehn Jahre alt, liebt heißen süßen Tee. Das ist sein Lieblingsgetränk. Er setzt die Tasse an seine Lippen, und die wohltuende Flüssigkeit erwärmt ihm Zunge, Mund und Hals. Aber Herz und Sinn von Charles Haddon Spurgeon sind von einer brennenden Frage entflammt, die viel heißer ist als sein Tee: »Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?« Er kann diese Frage nicht ignorieren.
Er blickt aus dem beschlagenen Fenster und sieht eine weiße Schneedecke, die sich über die Straße erstreckt. Es ist kalt da draußen, aber Charles‘ Herz brennt vor Verlangen, eine Antwort auf seine Frage zu finden. Er stellt seine Tasse heißen Tees ab und geht zur Tür. Dann lässt er seine Füße in die Lederstiefel gleiten. Der dicke Wollmantel kratzt ihn im Nacken, während er seine Arme durch die Ärmel zwängt. Er hasst das kalte Wetter! Er liebt Sonnenschein. Er liebt den Sommer, wenn die warme Luft durch die Grasfelder wallt, wenn er keine Sorge der Welt verspürt, wenn er sich einzig und allein darum kümmert, wie er am meisten Spaß haben kann. Er liebt diese fröhlichen Zeiten; doch jetzt ist es weder Sommer, noch ist es warm. Spurgeon macht sich auf den Weg zum Gottesdienst. Plötzlich wird er von einem Schneesturm überrascht. Die eisigen Schneeböen erschweren ihm die Sicht. Seine Nase und die Wangen beginnen zu frieren.
Während er geht, gelangt Schnee in seinen rechten Stiefel und schmilzt. Seine Socke wird vom Eiswasser durchtränkt! Charles hasst kalte nasse Socken. Sein ganzer Körper wird gleich zittern und schmerzen! Ein Kälteschauer läuft ihm den Rücken hoch, als sein Fuß in eine Pfütze mit Schneematsch rutscht. Zu oft in seinem Leben ist er in Pfützen getreten – Pfützen von kaltem Wasser und Pfützen von Problemen. Zu oft ist er seinen Eltern ungehorsam gewesen. Zu oft hat er sich entschieden, etwas Falsches zu tun, statt das, was richtig gewesen wäre. Und nun ist sein Herz schwer, und seine Füße sind kalt.
Jede Schneeflocke, die herunterfällt, erinnert ihn an die Sünden, die auf dem Boden seiner Seele angehäuft sind. Er versucht freundlich zu sein, doch manchmal ist er gemein. Er versucht die Wahrheit zu sagen, doch irgendwie endet es in einer Lüge. Er versucht, nicht zu stehlen, doch manchmal stiehlt er trotzdem. Oft fühlt er sich wie ein Gefangener, der nicht fähig ist, den furchtbaren Dingen zu entfliehen, die er nicht tun möchte und die er hasst. Ein Schauder über seine Schuld packt ihn, worauf er sich sehr nach der Vergebung seiner Sünden sehnt. Er schleppt sich durch den eisigen Schnee.
Während er hier aufwuchs, hat er zahlreiche Predigten gehört, jedoch nicht verstanden, wie er den entsetzlichen Stachel der Sünde loswerden könnte.
Geboren war Charles am 19. Juni 1834 im kleinen Dorf Kelvedon, England. Später erfuhr er von den Stürmen, mit denen seine Vorfahren konfrontiert waren. Einer seiner Verwandten, Job Spurgeon, weigerte sich, an die falsche Lehre der Kirche zu glauben. Stattdessen glaubte er der Bibel und wurde dafür ins Gefängnis gesteckt. Während des bitteren Winters in jenem Jahr schlief Job auf Heu und wäre für seine Überzeugungen beinahe erfroren.
Charles geht durch die Straßen und denkt an Job. Seine Zehen sind fast ganz taub. Sturmwolken wirbeln über seinem Kopf. Charles ist meilenweit gegangen. Als er aufschaut, wird ihm klar, dass er sich schleunigst in ein Haus begeben muss, bevor der Sturm noch heftiger wird.
Seine Zähne klappern. Er kann seine Füße nicht mehr spüren! Sein Mantel schützt ihn nicht länger vor der Kälte. Seine Stiefel sind völlig durchnässt. Während er sich in einer Seitenstraße durch den Schnee kämpft, erinnert er sich an warme, längst vergangene Tage – er ist wieder ein Kind und sitzt auf dem Schoß seines Großvaters.
Der fünfjährige Charles Spurgeon darf heute einmal länger als gewöhnlich aufbleiben. Das Geschichtenerzählen ist eine Tradition, die Charles über alles liebt. Je unheimlicher die Geschichte, desto besser gefällt sie ihm. Und nun ist Großvater in der Stimmung, dem jungen Mann eine Geschichte zu erzählen.
»Es gibt einen Abgrund, junger Mann, einen bodenlosen Abgrund«, erzählt ihm der Großvater in der Erzählstunde.
Charles Augen werden immer größer – das klingt spannend.
»Es ist ein sehr gefährlicher Abgrund! Die armen Seelen, die da hineinfallen, erreichen niemals den Boden.«
»Fallen sie ewig?«, fragt Charles verwirrt.
»Immer und ewig!«, antwortet sein Großvater. »Ja, ich kann es sogar beinahe hören, wie eine fallende Seele, die zu einer anderen schaut, diese fragt: ›Bist du bereits am Boden?‹ ›Nein‹, entgegnet jene. ›Ich falle schon seit Millionen von Jahren und werde immer fallen, denn dies ist der bodenlose Abgrund.‹«
»Wer fällt in diesen Abgrund?«, fragt Charles.
»Diejenigen, die Gott nicht kennen, werden dort hineinfallen, wenn sie sterben. Diejenigen, die Ihm nicht vertraut haben, die Ihn nicht geliebt und Ihm nicht gedient haben, als sie noch am Leben waren – sie fallen steil abwärts, wenn sie dem Moment des Todes begegnen, fern von Gott, für immer.«
»Ich hasse Abgründe! Ich möchte nicht fallen!«, ruft Charles aus.
»Und das wirst du auch nicht, junger Mann. Gott hat großartige Pläne für dich. Der Herr wird dich gewiss dazu bringen, Ihn zu lieben, und Er wird dich zu einem ausgezeichneten Prediger Seines heiligen Wortes machen. Du wirst gebraucht werden, um viele Seelen für Sein Königreich zu gewinnen, und Menschenleben werden durch die Kraft Gottes in dir verändert werden.«
In dieser Nacht liegt der fünfjährige Charles mit weit aufgerissenen Augen in seinem Bett. Kalter Schweiß bedeckt sein Gesicht. Er will nicht ohne Gott sterben. Er möchte nicht für ewig von Ihm getrennt sein. Als seine Augenlider schwer werden, beginnt er sich zu fragen, ob Gott ihn wohl retten werde, ehe er stirbt. Sein Zimmer wird immer dunkler. Charles möchte seine Augen nicht schließen. Was, wenn er sie niemals wieder wird öffnen können? Er möchte nicht auf ewig in diesen tiefen, dunklen Abgrund fallen.
»Gott, bitte hilf mir«, flüstert der kleine Charles. »Ich möchte nicht sterben, ohne Dich gefunden zu haben.«
Während Charles in seine Erinnerungen vertieft ist, wird er durch lauten Gesang aus einer Methodistenkapelle in jener Seitenstraße aufgeweckt. Er sieht die Kirchentür offen stehen und ist erleichtert, dass er endlich einen Ort der Zuflucht gefunden hat. Er geht hinein und sieht vorne einen Altarbereich mit einer riesigen hölzernen Kanzel. Alles riecht alt und modrig. Diese Kirche ist etwas anders als die, die er heute Morgen aufzusuchen beabsichtigte; aber nichtsdestotrotz ist es eine Kirche.
»Vielleicht kann ich die Antwort auf meine große Frage hier finden?«, denkt er sich. Er zieht seinen Mantel aus und setzt sich auf eine der hinteren Kirchenbänke. Nur fünfzehn Menschen sitzen um ihn herum. Charles bemüht sich, unentdeckt zu bleiben, aber das klappt nicht. Er wäre gern unsichtbar, aber er weiß, dass er aussieht wie ein durchnässter Pudel!
Charles versucht mit der Gemeinde mitzusingen; doch deren Gesang ist so laut, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Nie zuvor hat er eine so kleine Schar einen solchen Lärm machen gehört. Schließlich endet der Gesang, und Charles stößt einen Seufzer der Erleichterung aus. Seine Ohren gellen von dem schallenden Gesang. Seltsamerweise verfließen nun einige Minuten totaler Stille, und niemand begibt sich zur Kanzel, um zu predigen.
Ein alter, dürrer Schuster bemerkt nun, dass der Pastor nicht anwesend ist. In der Annahme, dass er möglicherweise im Schnee steckengeblieben ist, steht der Schuster auf und betritt die Kanzel. Charles wird langsam neugierig.
»Lasst uns in das Buch von Jesaja schauen, um das Wort des Herrn zu hören!«, sagt der Schuster.
Alle öffnen ihre Bibeln.
Charles schmunzelt in sich hinein, während er den alten, ungebildeten Schuster ansieht, der versucht, anstelle des Pastors zu predigen.
»Er kann nicht einmal die Worte des Bibeltextes korrekt aussprechen!«, denkt er.
»Wendet euch zu Mir, so werdet ihr gerettet, all ihr Enden der Erde ...!«, ruft der Schuster das Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja 45,22 aus. Dann sieht er Charles, wie er unter der Galerie sitzt.
»Junger Mann!«, ruft der Schuster. Er richtet seine Augen auf Charles, als würde er sein ganzes Herz kennen.
»So etwas ist mir niemals zuvor in der Kirche passiert«, denkt Charles.
»Junger Mann, du siehst ziemlich elend aus!«, fährt der Prediger fort.
Charles weiß, dass das stimmt; aber er ist es nicht gewohnt, so direkt angesprochen zu werden.
»Und du wirst immer so elend sein, wenn du nicht diesem Text gehorchst!«, ruft der Schuster.
Charles überlegt: »Woher weiß der Prediger, dass ich mich elend fühle?«
Der Wind peitscht gegen die Fenster und versucht die Worte des Predigers zu übertönen.
»Hier heißt es: ›Wende dich zu Mir!‹ – Der Herr sagt also zu dir: ›Schau auf Mich!‹ Nun, Sehen erfordert keine große Mühe!«, führt der Schuster weiter aus. »Man braucht nicht einmal seinen Finger oder seinen Fuß zu rühren; es ist einfach – es geht nur ums Schauen. Man muss keine Hochschule besuchen, um sehen zu lernen! Du kannst der größte Narr dieser Welt sein, aber du kannst sehen! Jeder kann sehen; sogar ein kleines Kind kann sehen!«
Hoffnung erfasst Charles Herz. Der Sturm tobt heftig, aber die beruhigenden Worte des Predigers ertönen weiter.
»Viele von euch schauen auf sich selbst; aber es bringt nichts, dahin zu schauen! Du wirst niemals Trost finden, wenn du auf dich selbst siehst. Schau auf Jesus, und du wirst gerettet werden! Jesus sagt heute Morgen zu dir: ›Schau auf Mich; Ich schwitze große Tropfen Blut. Schau auf Mich; Ich hänge am Kreuz. Schau auf Mich; Ich bin tot und begraben. Schau auf Mich; Ich stehe wieder auf. Schau auf Mich; Ich fahre auf zum Himmel. Schau auf Mich; Ich sitze zur Rechten des Vaters. Oh, armer Sünder, schau auf Mich! Schau auf Mich!‹«