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Sekten und Stifter, Ketzer und Hexen, Willkür und Terror - wir schreiben das 17. Jahrhundert. Johann Ott irrt ziellos umher, es ist eine Flucht ohne Zuflucht, eine innere Unruhe treibt ihn von Ort zu Ort. Nach seiner Befreiung aus den Mühlen der Inquisition schlägt er sich zur istrischen Küste durch, wo sich sein weiteres Schicksal vollzieht: die Verurteilung zu lebenslanger Galeerenstrafe. Auf dem Meer treiben ihn die Gewalten der Natur und die menschliche abgrundtiefe Grausamkeit an den Rand des Wahnsinns. Sein letzter Kampf gilt schließlich der Pest, der er am anderen Ende des Meeres in Portugal in Richtung Heimat wieder zu entrinnen versucht.
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Seitenzahl: 538
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Drago Jančar
Drago Jančar
Roman
Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof
TransferBibliothek
FolioVerlag
TransferBibliothek CXXIII
Titel der Originalausgabe: Galjot, Ljubljana 1978© der Originalausgabe Drago Jančar Durchgesehene Neuausgabe des unter dem Titel „Der Galeot“ 2004 bei Folio erschienenen Romans.
© Folio Verlag Wien • Bozen 2015Alle Rechte vorbehalten
Coverbild: © Samo Trebizan (Hieronymus-Kirche im Nanos-Gebirge, Slowenien)Grafische Gestaltung: Dall’O & Freunde Druckvorstufe: Typoplus, FrangartPrinted in EuropeISBN 978-3-85256-661-0www.folioverlag.com
1
Dichte Luftschichten. Schleim kriecht die Wände hinauf. Ankunft aus den Sümpfen. Pestkommissare im Land. Ein ganz merkwürdiger Auftritt. Ein ganz versoffener Anfang.
Dunkle feuchtfleckige Fratzen äfften ihm von der Wand entgegen. In dieser dumpfen Stille schienen sie zusammen- und auseinanderzukriechen und mit unheimlich langsamer Bewegung unbestimmbare Bilder zu formen. Unten war die Mauer ringsum nass, geradezu schwarz von der schleimig-wässerigen Masse. Die unsichtbare Bewegung flimmerte aufwärts, zu diesen Flecken und Fratzen. Dazwischen gerann eine weißliche Flüssigkeit, sammelte sich zu Tropfen und glitt sachte zurück in den Sumpfboden. Es war, als wüchse die Kapelle aus der Erde, als würde sie all dieser feuchte und flüssige Schleim tränken und zugleich in den morastigen Boden zurückziehen. Er fasste mit der Hand nach der Mauer und fühlte darauf den warmen, nachgiebigen Schleim. Ein Frösteln lief ihm über den Rücken, und er zuckte zusammen bei der Berührung mit dieser lebendigen toten Masse.
Eine jähe Erregung setzte ihn in Bewegung. Sein Blick wurde vom Mauerwerk weg zur Tür und zur dunklen Öffnung dahinter gelenkt. Er trat näher und fasste wie beiläufig an das kalte Eisen. Er rüttelte an den Gittern, sodass der Riegel hohl anschlug. Drinnen ein Scheppern, das wieder erstickte. Er presste das Gesicht an und wartete, bis die kreisenden Pupillen die Dunkelheit durchbohrten und die Umrisse im Innern ausmachten. Die Wände waren rau und mit einem Weiß getüncht, das schon grau war vor Feuchtigkeit. Auch hier bewegten sich die nassen Flecken. Im Hintergrund erkannte er zuerst einen Haufen Lumpen und dann eine hohe Gestalt, die aus ihnen emporwuchs. Direkt neben dem massiven und kahlen schwarzen Kreuz stand, an eine Art Säule gebunden, ein Jüngling mit harmonischen, etwas unförmig geschnittenen und gemalten Gesichtszügen. In seiner Schulter steckte ein Pfeil, der sich ziemlich tief hineingebohrt hatte, aus der Wunde darunter schoss in einem mächtigen Strahl schwarzes Blut. Das musste früher einmal rot gewesen sein, und die Wände weiß. Pfeile steckten auch in seiner Brust, in den Beinen, im ganzen Körper. Der Himmlische war ganz schön durchlöchert. Hinter seinem schönen, bleichen Gesicht hing das zerfetzte Tuch einer Fahne. HL. SEBASTIAN, zog es sich über die Falten und über das verblichene Rosa. Erst jetzt bemerkte er den kleineren Mann auf der anderen Seite des Kreuzes. Die Skulptur war leicht gekippt und lehnte mit dem Rücken am Altar. Ein Pilger oder Bettler oder weiß Gott was in zerrissenen Lumpen. Mit der Hand deutete die Figur auf die blasige Beule auf ihrem Schenkel, und auch aus dieser schwärenden Wunde floss etwas Dickes, Helles, eine Art Schmiere, die sich da absonderte. Beide blickten nach oben, ihre Blicke waren mit aller Kraft an die schwarze Decke, den Himmel, geheftet.
In dieser Stille hörte er nur sein Atmen. Nur sein Luftholen und das Rasseln in den Kehlröhren und in der Mundhöhle, die die dichte Luft einzog und wieder ausstieß. Die zwei da drinnen waren ganz still. Das schwarze Kreuz stand regungslos zwischen ihnen und sah ihn an. Mit dem ganzen Körper drehte er sich um und entzog sich mit plötzlicher, aber immer noch langsamer Bewegung dieser krampfartigen Todesstarre.
Er drehte sich nicht mehr nach der Kapelle um und nach dem Schleim, der ihre Wände emporstieg. Die nassen Stiefel wateten durch das kurze Gras. Er sah, wie die feuchten Halmbüschel an seine Füße klatschten und sich mit Tausenden Saugnäpfchen daran festhielten. Er kam nur mühsam voran. Die Luft war mit Feuchtigkeit gesättigt. Aus dem morastigen Boden stieg warmer Dunst auf und kroch ihm unter die Haut. Er spürte etwas Kühles auf der Stirn, und als er hinfasste, blieben auch hier die Flocken einer nassen Masse an den Fingern hängen. Der Schweiß schlug durch die Haut, und von der Anstrengung wurde ihm schummerig vor Augen. Nur unter Qualen bewegte er sich durch die dichten Luftschichten. Er ging über einen schmalen, grasüberwucherten Knüppeldamm. Links wellte sich das Moor mit seinem warmen Dunst sachte zwischen reglosem hohem Lolch- und Schilfbewuchs. Von rechts starrte ihn dichtes Unterholz an, und schwarzrote Beerenkugeln leuchteten zwischen kriechendem Schlinggewächs. Abgestorbene und stinkende Brennnesseln bedrängten ihn mit ihrem betäubenden Geruch. Die Sonne stand hoch am Mittagshimmel. Ihr endloses Gleißen blendete durch das dichte Gemisch aus Luft und Wasserdunst. Er röchelte und schnappte nach der wenigen sauberen Luft in dieser Dichte, die von allen Seiten auf ihn eindrang und kein schnelleres Gehen zuließ.
Dann brach das Strauchwerk auf, und durch diese Lücke hindurch schlug er sich zwischen die Bäume und in den Wald. Die Luft war hier um nichts besser, auch aus dem flechtenartigen Moos dunstete es, aber wenigstens konnte man sich freier bewegen. Das Gelände stieg leicht an, und oben zwischen den Bäumen spürte er mehr Licht. Er stieg einfach schräg hinauf. Als er oben ankam, streifte er mit dem Gesicht ein Dornengestrüpp, und schwarze, glänzende Brombeeren hüpften vor seinen Augen. Hier war der Kamm, den entlang führte der Weg, und grünes, offenes Gelände lag zu beiden Seiten.
Er setzte sich ins feuchte Gras und warf das schwere Gepäck ab. Mit dem Ärmel wischte er sich die nasse Stirn. Ein Weitergehen war unmöglich. Die Luft war weich und schmierig. Sie drückte ihn zu Boden. Er wusste jetzt: Wenn er aufstand, würde er sich durch sie hindurchschlagen müssen wie durch Wasser.
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