Der Geheimbund  - Günter Dönges - E-Book

Der Geheimbund  E-Book

Günter Dönges

0,0

Beschreibung

Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Das große mit Stroh umwundene Holzkreuz brannte lichterloh. Prasselnd stoben die Funkengarben in die Nacht hoch und erhellten die dunkle Kulisse eines nahen, kleinen Wäldchens. Im Lichtkreis der gespenstisch zuckenden Flammen stand ein seltsam vermummter Mensch. Er trug einen weit fallenden weißen Umhang, auf dessen Vorderseite zwei rote, züngelnde Drachenköpfe eingestickt waren. Der Kopf wurde von einer hohen und spitz zulaufenden Kapuze verborgen, in die Augenschlitze eingeschnitten waren. In Mundhöhe war ein klaffender roter Einschnitt zu erkennen, der wie eine frische Wunde aussah. Weit breitete diese vermummte Gestalt die Arme aus. Heiser und geifernd war der Klang der lauten Stimme. In der linken Hand trug der Vermummte eine Stielaxt, die im Widerschein des zuckenden Feuers kleine Blitze verschleuderte. Dieser Vermummte sprach zu einer Gruppe von etwa dreißig Menschen, die ähnlich wie er vermummt und maskiert waren. Sie standen unterhalb des kleinen Hügels und starrten aus ihren Sehschlitzen zu dem Mann hoch, der seine Worte in das Halblicht hinausschleuderte. »Die Zeit unserer Milde hat sich dem Ende zugeneigt«, geiferte die heisere Stimme. »Länger werden wir die Frechheiten nicht hinnehmen. Nicht umsonst hat Gott uns verschiedene Hautfarben gegeben. Es ist ein göttliches Gesetz, daß es Herren und Knechte geben muß. Diese verdammten Nigger sind nun einmal dazu geboren, unsere Knechte zu sein. Wir werden sie wieder daran erinnern, wem sie zu gehorchen haben. Jedes Mittel muß uns recht sein, die alten Gesetze wiederherzustellen.« Der Vermummte mit den beiden Drachenköpfen auf dem weißen Umhang hob drohend die Axt und wartete, bis das zustimmende Gemurmel seiner Zuhörer sich wieder gelegt hatte.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 150

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der exzellente Butler Parker – 84 –

Der Geheimbund 

Günter Dönges

Das große mit Stroh umwundene Holzkreuz brannte lichterloh. Prasselnd stoben die Funkengarben in die Nacht hoch und erhellten die dunkle Kulisse eines nahen, kleinen Wäldchens. Im Lichtkreis der gespenstisch zuckenden Flammen stand ein seltsam vermummter Mensch.

Er trug einen weit fallenden weißen Umhang, auf dessen Vorderseite zwei rote, züngelnde Drachenköpfe eingestickt waren. Der Kopf wurde von einer hohen und spitz zulaufenden Kapuze verborgen, in die Augenschlitze eingeschnitten waren. In Mundhöhe war ein klaffender roter Einschnitt zu erkennen, der wie eine frische Wunde aussah.

Weit breitete diese vermummte Gestalt die Arme aus. Heiser und geifernd war der Klang der lauten Stimme. In der linken Hand trug der Vermummte eine Stielaxt, die im Widerschein des zuckenden Feuers kleine Blitze verschleuderte.

Dieser Vermummte sprach zu einer Gruppe von etwa dreißig Menschen, die ähnlich wie er vermummt und maskiert waren. Sie standen unterhalb des kleinen Hügels und starrten aus ihren Sehschlitzen zu dem Mann hoch, der seine Worte in das Halblicht hinausschleuderte.

»Die Zeit unserer Milde hat sich dem Ende zugeneigt«, geiferte die heisere Stimme. »Länger werden wir die Frechheiten nicht hinnehmen. Nicht umsonst hat Gott uns verschiedene Hautfarben gegeben. Es ist ein göttliches Gesetz, daß es Herren und Knechte geben muß. Diese verdammten Nigger sind nun einmal dazu geboren, unsere Knechte zu sein. Wir werden sie wieder daran erinnern, wem sie zu gehorchen haben. Jedes Mittel muß uns recht sein, die alten Gesetze wiederherzustellen.«

Der Vermummte mit den beiden Drachenköpfen auf dem weißen Umhang hob drohend die Axt und wartete, bis das zustimmende Gemurmel seiner Zuhörer sich wieder gelegt hatte. Dann drehte er sich herum und schleuderte die Axt mit einer blitzschnellen Bewegung auf das brennende Holzkreuz. Funken stoben hoch, als die Axt sich in das Holz tief einschnitt.

»Noch schlimmer aber als die hochnäsigen Nigger sind die Verräter in unserem Land«, brüllte er weiter. »In den Niggern sehen sie ihre Brüder. Wir müssen sie züchtigen und ihnen beweisen, daß wir vom Ku-Klux-Klan Verrat mit Blut vergelten. Wir werden sie zwingen, unser erwähltes Land zu verlassen. Und wer dann noch immer nicht begreifen will, der soll und muß sterben. Verräter an unseren Idealen haben den Tod verdient!«

Der Vermummte mit den beiden Drachenköpfen ließ erneut eine kleine Kunstpause eintreten. Seine Zuhörer klatschten Beifall und schwiegen schlagartig, als der Vermummte plötzlich wie durch einen Zaubertrick eine Pergamentrolle in Händen hielt. Mit einer dramatischen Geste entrollte er sie.

»Ihr sollt wissen, wer unsere Feinde sind«, dröhnte es durch die Nacht. »Name für Name ist auf dieser Rolle verzeichnet. Wir kennen die Verräter sehr genau. Sie werden der Reihe nach gezüchtigt und bestraft werden. Und weit oben auf dieser Liste der Verräter steht …«

Der Vermummte brach jäh ab und schien jeden einzelnen im Halbkreis anzusehen.

»… weit oben auf der Liste steht John Brewster«, brüllte er dann wie von Sinnen. »Brewster schreibt Tag für Tag in seiner Zeitung von Versöhnung und Toleranz. In der nächsten Ausgabe, Brüder, darf von ihm kein Kommentar mehr zu lesen sein. Wartet nicht, sondern handelt! Die Ehre der weißen Rasse steht auf dem Spiel, die Ehre eurer Kinder und Frauen. Handelt, Brüder, handelt …!«

Er streckte seine Arme aus und zeigte mit den Daumen seiner beiden Hände zu Boden, eine Geste, die nicht mißzuverstehen war. Sie bedeutete den Tod dieses John Brewster und war identisch mit einem Urteil, das noch in dieser Nacht vollstreckt werden sollte.

Jetzt war nur noch das Knistern der Flammen und das Stieben der Funken zu hören. Die Männer des Ku-Klux-Klan in ihren weißen Mänteln und Spitzkapuzen starrten zu dem »Großen Drachen« hoch, der furchtlos durch die Flammen griff und die Axt aus dem Kreuz löste. Dann drehte der »Große Drache« sich zu seinen Brüdern um und wollte das Zeichen zum Aufbruch geben.

Alles sah ungemein feierlich und zugleich auch unheimlich aus. Der Vermummte auf dem kleinen Erdhügel vor dem brennenden Holzkreuz strömte eine teuflische Suggestion aus. Er war sich seiner Macht durchaus bewußt. Er liebte die dramatischen Gesten und feierlichen Bewegungen. Er hob die rauschende Axt und wollte seinen Brüdern eine letzte Aufmunterung zurufen.

Doch genau in diesem Augenblick, als die Brüder des Ku-Klux-Klan bereit waren, ihrem Führer bedingungslos zu folgen, geschah etwas Unerwartetes.

Unbemerkt von den Brüdern und dem »Großen Drachen« zischte eine überreife Tomate durch die Nacht und nahm Richtung auf den Anführer vor dem brennenden Holzkreuz. Sie senkte sich in einer erstaunlich genau vorausberechneten Flugbahn und landete klatschend mitten zwischen den beiden Augenschlitzen.

Unter dem scharfen Aufprall barst die dünne Außenhaut der Tomate. Das weiche, überreife Fruchtfleisch platzte auseinander und verschmierte die beiden Augenschlitze der Kapuze. Bruchteile von Sekunden vorher hatte sich aber bereits der etwas faulig riechende Saft der Tomate gelöst und selbständig gemacht. Er blendete bereits den »Großen Drachen«, der von diesem unerwarteten Angriff vollkommen überrascht wurde.

Ein dumpfes Stöhnen ging durch die Brüderreihen. Aus diesem dumpfen Stöhnen löste sich irgendwoher i ein erstes, zaghaftes, vorsichtiges Laichen. Es sah auch zu komisch aus, wie die Würde des »Großen Drachen«! plötzlich vernichtet wurde. Eine einzige, überreife, vielleicht auch bereits faule Tomate reichte vollkommen aus, um den faulen Zauber sichtbar werden zu lassen!

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Brüder lauthals lachten oder auch nur feixten. Es sah auch zu komisch aus, wie die Reste der Tomate vom »Großen Drachen« heruntertropften. Der Anführer versuchte krampfhaft die Bestandteile der Tomate von den Sehschlitzen wegzuwischen.

Im Drang des Augenblicks, gezwungen, die Hände frei zu bekommen, ließ er zudem auch noch die langstielige Axt aus der Hand gleiten. Sie landete unglücklicherweise genau auf seinem linken Fuß. Der »Große Drache« heulte gereizt auf und hielt es für richtig, sich durch einen schnellen Sprung hinter das Holzkreuz vor einer endgültigen Blamage in Sicherheit zu bringen.

Während die Lachsalven die Nacht erschütterten, setzte sich eine schwarz gekleidete Gestalt von der Szenerie ab. Diese Gestalt, die die Versammlung von einer Strauchreihe aus beobachtet hatte, schritt gemessen und ohne Hast zurück zur nahen Straße …!

*

John Brewster, Herausgeber und einziger Redakteur der »Alexander City Review«, saß in seinem kleinen Glasverschlag hinter der Druckerei, die ihm als Büro diente. Der untersetzte, dicke Mann mit dem schütteren Haar und den hellen, intelligenten Augen, überlas noch einmal seinen Artikel, der in der morgigen Ausgabe seiner kleinen Zeitung erscheinen sollte. Brewster rauchte eine Zigarre und sah wiederholt auf, wenn ihm eine Passage besonders gut gefiel.

Er hatte vom Leder gezogen und kein Blatt vor den Mund genommen. Er geißelte die Dummheit und Intoleranz einer großen Gruppe von Mitbürgern, die sich in einem sogenannten »Weißen Bürgerrat« zusammengeschlossen hatte. Mitglieder dieser Vereinigung wollten das Rad der Geschichte zurückdrehen und jene Zustände wiederherstellen, die einst auf den Baumwollfeldern der Südstaaten geherrscht hatten.

Diese »Weißen Bürgerräte« bekämpften die Neger mit allen Mitteln. Sie verweigerten ihnen das Recht, Schulen und Hochschulen zu besuchen. Sie wollten den Negern das Wahlrecht beschneiden und sie in Gettos zusammendrängen.

Seit Monaten schon wurden diese »Bürgerräte« immer aufdringlicher und aktiver. Seitdem Neger sich zu den »Friedensfahrern« zusammengeschlossen hatten und in Bussen durch die Stadt Alabama fuhren, näherten sich die Dinge ihrem Höhepunkt.

In den großen Städten Alabamas war es bereits zu wilden Schlägereien gekommen. Busse wurden angehalten, die farbigen Insassen verprügelt und ihre Fahrzeuge verbrannt. Die örtlichen Polizeibehörden versuchten, sich aus diesen Schlägereien herauszuhalten. Einheiten der Mobilgarde, die vom Justizminister in Bewegung gesetzt wurden, schafften es kaum, den verfassungsmäßig garantierten Rechten der Farbigen Geltung zu verschaffen.

Sie standen einer einzigen, großen Verschwörung gegenüber. Der Ku-Klux-Klan unseligen Angedenkens hielt wieder seine Femegerichte. Mit Drohung und Gewalttätigkeit terrorisierten sie die Vernunft. Wer sich ihrem Willen nicht beugte, wurde entweder von seinen Mitbürgern geächtet oder aber mißhandelt. Die Flammenkreuze brannten allenthalben im Staate Alabama. Mitglieder des Ku-Klux-Klan verbargen sich hinter der Anonymität ihrer weißen Umhänge und Kapuzen. Keiner wußte genau, wer sein Mitbruder im Klan war. Und gerade diese Anonymität war mit ein Hauptgrund dafür, daß diese Anhänger des Terrors so schlecht bekämpft werden konnten. Die Behörden wußten einfach nicht, gegen wen sie Anklage erheben sollten.

All das wußte John Brewster nur zu genau. Seit Wochen schon führte er einen kleinen, privaten Feldzug gegen den Ku-Klux-Klan. Er entwickelte dabei einen Mut, der beispielhaft zu nennen war. Der untersetzte, dickliche Mann fürchtete sich nicht. Es machte ihm auch nichts aus, daß die Auflage seiner kleinen Zeitung stetig sank. Die vernünftigen Mitbürger wagten es einfach nicht, seine Zeitung zu kaufen. Nur weil es sich bei der »Alexander City Review« praktisch um einen Einmann-Betrieb handelte, konnte Brewster bisher durchhalten. Er hatte keine Löhne zu zahlen und war selbst sehr anspruchslos.

In dieser Nacht nun wollte Brewster in seinem. Artikel Namen nennen. Er hatte Informationen erhalten, die die Sprengkraft einer Bombe besaßen. Er glaubte nun endlich zu wissen, wie die Anführer des Ku-Klux-Klans hier im Tallapoosa-County hießen. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Er war schon immer auf der richtigen Fährte gewesen. Unter dem Deckmantel des Ku-Klux-Klans betätigten sich einige Männer, die bereits mehrfach vorbestraft waren. Von der Veröffentlichung seines Artikels versprach Brewster sich eine Sensation, aber auch eine endgültige Klärung. Erfuhren die Dummköpfe in den Reihen des Klans erst einmal, wer der »Große Drache« war, würden sie diesen Mann wie ein heißes Stück Eisen fallen lassen.

Brewster hatte die Korrektur beendet. Er stand auf und trat an das breite, niedrige Fenster. Er sah hinaus in die Nacht und drückte dabei die heiße Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. Es war drückend schwül in dieser Nacht. Vom nahen Tallapoosa Creek her kam das Quaken der Frösche. Selbst durch das fast geschlossene Fenster konnte er den erdigen, etwas faulen Duft des Flusses riechen. Brewster liebte seine Heimat. Hier war er geboren, und hier wollte er eines Tages auch sterben. Trotz seiner vielseitigen Begabungen hatte es ihn nie verlangt, in die nahe gelegene Hauptstadt des Staates Alabama zu ziehen. Montgomery konnte ihn nicht reizen. Dort hatte sich die wilde Ursprünglichkeit des Landes bereits verloren.

Er schrak zusammen, als das Telefon schrillte. Wer mochte ihn um diese Zeit sprechen wollen? Sofort dachte er an seine kränkliche Frau, die in einem kleinen Landhaus nahe des Creek wohnte.

»Brewster …!« meldete er sich, nachdem er den Hörer abgehoben hatte.

»Ich fürchte, Sir, Sie werden mich nicht kennen«, ertönte eine dunkle, würdevolle Stimme. »Mein Name tut nichts zur Sache, wenngleich ich es hasse, anonym auftreten zu müssen. Ich möchte nicht verfehlen, Sie zu warnen. Ich wurde Augen- und Ohrenzeuge einer seltsamen Verhandlung, die aller Wahrscheinlichkeit nach vom Ku-Klux-Klan abgehalten wurde. Im Verlauf dieser Versammlung wurde Ihr Name erwähnt. Ohne Sie in Schrecken versetzen zu wollen, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie noch in dieser Nacht vom Ku-Klux-Klan besucht werden sollen. Was ich hörte, klang für Sie nicht besonders erfreulich oder gut.«

»Wer … wer sind Sie?« fragte Brewster mit heiserer Stimme.

»Bei passender Gelegenheit werde ich mich Ihnen vorstellen«, antwortete die Stimme. »Denken Sie jetzt bitte an Ihre Sicherheit! Ich allein dürfte wohl kaum ausreichen, Sie zu schützen!«

»Soll das etwa ein Trick sein, um mich in Angst zu jagen?« Brewster hatte sich schon wieder gefaßt. Er kannte ähnliche Anrufe. Sie alle dienten nur dem Zweck, ihn mundtot zu machen.

»Nehmen Sie meine Warnung nicht auf die leichte Schulter«, beschwor ihn die Stimme eindringlich. »Gestatten Sie, daß ich mich jetzt verabschiede. Ich möchte einige Dinge einleiten, die Ihrer Sicherheit dienen.«

Es knackte in der Leitung. Brewster schüttelte den Hörer und ließ ihn dann zurück in die Gabel fallen. Er gestand sich ein, daß er solch einen Anruf noch nie erhalten hatte. Ungewöhnlich korrekt, fast steif und umständlich hatte der Mann am Telefon gesprochen. Sollte diese Warnung doch keine Finte sein?

Brewster überlegte einen Augenblick, dann griff er nach dem Hörer und wollte seine Frau anrufen, die um diese Zeit bestimmt noch nicht schlief. Seit ihrer Lähmung, die durch einen Sturz vom Pferd verursacht worden war, las Maud bis tief in die Nacht hinein.

Die Leitung war unterbrochen. Brewster merkte es sofort. Eine eisige Hand griff nach seinem Herzen. Gleichzeitig aber brach ihm der Schweiß aus. Er liebte seine Frau, die seit der Lähmung ganz auf seine Hilfe angewiesen war.

Ohne sich um den korrigierten Artikel weiter zu kümmern, griff er nach seinem Hut, löschte das Licht im Büro und hastete hinaus in die Nacht.

Er wußte nicht, daß er bereits von vielen Augen beobachtet wurde!

*

Butler Joshua Parker, der nicht nur die faule Tomate geworfen, sondern gerade auch den Redakteur John Brewster gewarnt hatte, befand sich in einer schwierigen Situation. Ohne fremde Hilfe war er einfach nicht in der Lage, Brewster vollkommen abzuschirmen. Dazu hätte er sich mehrfach teilen müssen. Hinzu kam, daß er in Alexander City fremd war. Hier hielt er sich erst seit knapp zwei Tagen auf.

Er tat also das, was jeder Bürger in solch einer Lage getan hätte, er rief das Büro des Sheriffs an.

Ein Hilfssheriff Manters, der den Apparat bediente, meldete sich. Josuah Parker verzichtete in Anbetracht der Zeitkürze auf alle Schnörkel und forderte sofort Hilfe für John Brewster an.

»Mit wem spreche ich?« fragte Hilfssheriff Manters sachlich.

»Ich bin ein Bürger der Stadt«, antwortete Parker, die Wahrheit leicht verdrehend. »Mein Name tut nichts zur Sache. Ich fühle mich nur verpflichtet, ein Verbrechen zu verhindern.«

»Anonyme Anrufe nehmen wir nicht entgegen«, sagte Manters mit ungnädiger, leicht gereizter Stimme. »Da könnte ja schließlich jeder kommen.«

»Falls John Brewster etwas passiert, werden Sie die Folgen bald spüren, sehr bald sogar«, verhieß Josuah Parker dem Hilfssheriff. »An Ihrer Stelle würde ich einen Streifenwagen losschicken. Damit Sie sich aber jederzeit an diesen Anruf erinnern können, werde ich jetzt auch noch die Staatspolizei informieren.«

Josuah Parker blieb in der öffentlichen Sprechzelle an der Main-Street und setzte sich umgehend auch mit der Dienststelle der Staatspolizei in Verbindung. Sie befand sich in Dadeville, dem Verwaltungssitz des Counties.

Der Butler hatte seinen ganzen Spruch noch nicht abgesetzt, als er plötzlich weit hinten am Anfang der Main-Street das Rotlicht eines schnell näherkommenden Streifenwagens erkannte.

Parker spürte es förmlich in den Fingerspitzen, daß dieser Streifenwagen auf die Telefonzelle angesetzt worden war. Hilfssheriff Manters interessierte sich nicht für John Brewster, sondern für den Mann, der für den Redakteur helfend eingreifen wollte.

Er legte schnell den Hörer auf und verließ die enge, überhitzte Zelle. In der Tür blieb er einen Moment lang stehen, zupfte dann das schmale Ziertuch aus der Tasche seines Jacketts und wischte damit den Hörer gründlich ab. Er vernichtete damit alle Fingerabdrücke, die ihm unter Umständen gefährlich werden konnten.

Als der bewußte Streifenwagen tatsächlich mit quietschenden Bremsen neben der Sprechzelle hielt und zwei Männer ins Freie sprangen, befand der Butler sich bereits in Sicherheit. Er stand im Torweg eines Geschäftshauses und beobachtete die beiden Männer, die mit ihren Taschenlampen die nähere Umgebung absuchten.

»Also schön, dann weiter zu Brewster«, meinte einer der Männer ohne große Begeisterung. »Ich möchte nur wissen, wer von hier aus eine Lippe riskiert hat. Ist ja ganz neu für Alexander City.«

»Ich möchte wetten, daß es Walt Shyness gewesen ist«, sagte der andere Mann und rückte sich seinen Leibgurt zurecht. »Der mischt sich doch immer in alles rein. Ich möchte bloß mal wissen, wann die Kapuzenmänner sich mit ihm befassen werden. Lange geht das bestimmt nicht gut.«

»Vielleicht geht es schneller, als wir alle denken«, sagte der erste Mann, der sich vor das Steuer des Streifenwagens setzte. Seine weiteren Worte gingen im. Anlassen des Motors unter. Minuten später verschwand der Streifenwagen auf der breiten Hauptstraße des kleinen Ortes, in dem um diese Zeit nur noch wenige Reklamelichter brannten.

Josuah Parker wollte auf keinen Fall den Anschluß verlieren. Er ging in die Nebenstraße, wo sein Wagen stand. Es handelte sich in diesem Fall um einen Ford, den er sich in Montgomery gemietet hatte. Natürlich war er mit solch einem Wagen nicht zufrieden, denn er bevorzugte ein erheblich anderes Modell, nämlich sein hochbeiniges Monstrum. Er hatte es in Chikago zurücklassen müssen, da er innerhalb weniger Stunden hier in Alexander City erwartet worden war.

Im Grunde bedauerte er das nicht. Alexander City, ein kleines Städtchen in der Nähe des Martin Lake im Staate Alabama, hätte sein Spezialmodell sofort registriert. Man hätte ihn darin auf Schritt und Tritt beobachten können. Parker legte aber größeren Wert darauf, unerkannt zu bleiben. Er stand allein gegen die Muffigkeit und die Angst einer aufgehetzten Landbevölkerung. Nur eine gewisse Unauffälligkeit konnte hier Erfolg bedeuten.

Er hetzte den Wagen durch die Nacht. Tief trat er das Gaspedal durch. Parker handhabte den Wagen mit einer souveränen Sicherheit. Er zog ihn durch Kurven, daß die Pneus empört quietschten und sangen. Sein Ziel war das Privathaus des Redakteurs Brewster. Hier erwartete er das Auftreten des Ku-Klux-Klans.

Feuerschein am Himmel wies ihm den Weg.

Parkers Gesicht wurde zu einer undurchdringlichen Maske. Er wußte nur zu gut, was dieser Feuerschein bedeutete. Der Ku-Klux-Klan war bereits am Werk.

Vor der kleinen Steinbrücke, die den Tallpoosa Creek überspannte, stieg er in die Bremsen und riß den Wagen in eine kleine Seitenstraße. Der Ford schleuderte, doch gegen Parkers Fahrtechnik konnte sich das Schlingern nicht durchsetzen. Nach ein paar Schlangenlinien hatte er das Fahrzeug wieder unter Kontrolle.

Parker stieg aus und griff nach einer kleinen Leinentasche, der er zwei Gegenstände entnahm. Nach knapp einer Sekunde wurde daraus eine Schrotflinte, die er sorgfältig lud. Dann ging er zu Fuß weiter und pirschte sich an den Feuerschein heran.

Betroffen blieb Parker stehen, als er die Ursache des Feuers erkannte. Eine fast drei Meter große Strohpuppe, die die Umrisse eines Menschen erkennen ließ, wurde von einem wilden Feuer verzehrt. Funken sprühten hoch und regneten auf ein leichtes Holzhaus herunter, das in einem kleinen Garten stand.

Es war das Haus des Herausgebers und Redakteurs John Brewster. Parker hatte es sich am Vortage bereits aus der Nähe angesehen. Auf der Straße vor dem Haus parkten etwa zehn Personen- und Lastwagen. Zwischen den Wagen bewegten sich vermummte Mitglieder des Ku-Klux-Klans. Sie trugen lodernde Fackeln in den Händen und stießen laute Drohrufe gegen das Haus aus.

Das Haus selbst war bis auf ein matt erhelltes Fenster dunkel. Die Vermummten fanden sich langsam zusammen und rückten in einer dichten Kette auf das Haus zu. Weit und breit war kein Fahrzeug der Polizei zu sehen oder zu hören.