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Dostoyevsky, Fyodor

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The Project Gutenberg EBook of Der Großinquisitor, by F. M. DostojewskiThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Der GroßinquisitorAuthor: F. M. DostojewskiTranslator: Rudolf KassnerRelease Date: December 18, 2011 [EBook #38336]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER GROßINQUISITOR ***Produced by Norbert H. Langkau, Jana Srna and the OnlineDistributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net

Anmerkung zur Transkription:

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden ohne Änderungen übernommen.

F. M. Dostojewski

Der Großinquisitor

Übertragen von Rudolf Kassner

Im Insel-Verlag zu Leipzig

In seiner unermeßlichen Barmherzigkeit zeigt Er sich noch einmal den Menschen in derselben Gestalt, in welcher Er vor fünfzehn Jahrhunderten drei Jahre lang unter ihnen gewandelt ist. Er läßt sich herab auf die ›brennenden Plätze‹ der südlichen Stadt, in der noch am Vorabend in Gegenwart des Königs, des gesamten Hofstaates, der Ritterschaft, der Kardinäle und entzückender Frauen vor der ganzen Einwohnerschaft Sevillas durch den Kardinal-Großinquisitor nicht weniger als ein volles Hundert Ketzer auf einmal ad majorem dei gloriam verbrannt worden war.

Leise und unauffällig erscheint Er unter den Menschen, und siehe, es erkennen Ihn alle. Das Volk drängt sich an Ihn heran mit unbezwinglicher Gewalt. Es umgibt Ihn, wächst um Ihn und folgt Ihm. Schweigend schreitet Er unter ihnen, mit dem stillen Lächeln unendlichen Mitleids auf den Lippen. Die Sonne der Liebe brennt in seinem Herzen, Strahlen des Lichtes, der Erleuchtung und Kraft strömen aus seinen Augen und gießen sich über die Menge und wecken die Herzen der Menschen. Er streckt ihnen seine Hand entgegen und segnet sie, und aus der Berührung mit seinem Körper, ja schon aus seinem Gewande fließt heilende Kraft. Ein Greis, der seit der Kindheit blind war, ruft aus der Schar: ›Herr, heile mich, damit ich Dich erkenne!‹ Und siehe, von seinen Augen fällt es wie Schuppen, und der Blinde sieht. In den Augen der Menschen sind Tränen, das Volk küßt die Erde, über die Er hinwandelt, die Kinder werfen Blumen vor seine Schritte, singen Lieder und rufen Hosianna. ›Er ist es, Er,‹ wiederholen alle, ›Er muß es sein und kein anderer.‹ So kommt Er vor das Tor der Kathedrale, wo Menschen unter Heulen und Wehklagen einen weißen offenen Kindersarg tragen, darin ein siebenjähriges Mädchen liegt, die einzige Tochter eines angesehenen Bürgers der Stadt. Das tote Kind liegt da, ganz in Blumen gebettet. ›Er wird dein Kind auferwecken vom Tode‹, rufen Stimmen der weinenden Mutter zu. Aus der Kathedrale tritt dem Sarge ein Priester entgegen, er vermag nicht gleich zu fassen, was hier geschieht, und runzelt die Stirne. Da hört er ein Aufschluchzen: es ist die Mutter des toten Mädchens, sie wirft sich zu seinen Füßen nieder und hebt ihre Hand zu Ihm auf und ruft aus: ›Wenn Du es bist, dann wecke mein Kind vom Tode auf!‹ Die Prozession bleibt stehen, der Sarg wird vor Ihm auf den Boden gelassen. Er sieht auf ihn hernieder voll Rührung, und sein Mund spricht noch einmal: ›Talifa kumi.‹ Und das Mädchen erhebt sich im Sarge, setzt sich auf und blickt im Kreise um sich mit erstaunten offenen Augen. In den Händen hält es das Sträußlein weißer Rosen, mit dem es im Sarge gelegen hat. Das Volk ist bewegt, Stimmen, Schreie, Schluchzen. In diesem Augenblicke geht an der Kathedrale über den Platz der Kardinal vorbei, der Großinquisitor, ein Greis von bald neunzig Jahren, hoch und aufrecht, mit vertrocknetem Gesicht und tiefliegenden Augen, in welchen noch verborgen das Feuer glüht. Heute ist er nicht in den Prunkgewändern, in denen er sich gestern dem Volke gezeigt hatte, da er die Feinde des römischen Glaubens verbrannte – nein, heute trägt er die alte grobe Mönchskutte. Ihm folgen in gemessener Entfernung seine düsteren Gehilfen und Knechte, die ›heiligen‹ Wächter. Er bleibt vor der Menge stehen und sieht zu, was geschieht. Er hat alles gesehen; er hat gesehen, wie sie den Sarg vor Ihn hingestellt haben, er hat gesehen, wie sich das Mädchen im Sarge erhoben hat, und über sein Gesicht legt sich ein dunkler Schatten. Er zieht seine dichten, grauen Brauen zusammen, und sein Blick leuchtet auf in Bosheit. Indem er auf Ihn mit dem Finger weist, heißt er die Wächter Ihn ergreifen. Und so groß ist seine Gewalt, und so gehorsam und ergeben ist ihm das Volk, daß die Menge den Wächtern Platz macht und diese unter aller tiefem plötzlichem Schweigen Hand an Ihn legen und Ihn fortführen. Die Volksmenge ist wie ein Mann, und die Köpfe neigen sich vor dem greisen Inquisitor zu Boden; er segnet schweigend die Menschen und setzt seinen Weg fort.

Die Wache hat inzwischen den Gefangenen in ein enges, dunkles, gewölbtes Verlies im alten Gebäude des heiligen Tribunals geführt und hinter Ihm die Tür geschlossen. Der Tag vergeht, die Nacht bricht herein, die dunkle, glühende, atemlose Nacht Sevillas. Die Luft ist voll vom Duft des Lorbeers und der Zitronenblüte. Um Mitternacht öffnet sich das eiserne Tor des Gefängnisses, und der Großinquisitor tritt leisen Schrittes herein, in der Hand hält er ein Licht. Er ist allein, hinter ihm schließt sich das Tor.

Er bleibt am Eingange stehen und sieht Ihm lange, ein bis zwei Minuten lang, ins Gesicht. Dann tritt er näher heran, stellt den Leuchter auf den Tisch und spricht zu Ihm: ›Bist Du es?‹