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Der sympathische Pulloverträger William Cohn, heimlicher Star des "Neo Magazin Royale", ist nicht nur bekannt für seine wunderbar tiefe Stimme, sondern vor allem für sein unschlagbares Stilbewusstsein. Nun lässt er andere endlich teilhaben an der Cohnschen Etikette und zeigt, wie man auch in stürmischen Zeiten stets Haltung bewahrt. Ein satirischer Knigge nicht nur für Fans: bissig, schräg und wahnsinnig amüsant.
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Seitenzahl: 177
Buch
Der sympathische Pulloverträger William Cohn, heimlicher Star des »Neo Magazin Royale«, ist nicht nur bekannt für seine wunderbar tiefe Stimme, sondern vor allem für sein unschlagbares Stilbewusstsein. Nun lässt er andere endlich teilhaben an der Cohnschen Etikette und zeigt, wie man auch in stürmischen Zeiten stets Haltung bewahrt. Ein satirischer Knigge nicht nur für Fans: bissig, schräg und wahnsinnig amüsant.
Autor
William Cohn, Sprecher, Schauspieler und Sänger, ist aus der deutschen Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken. Seine Beiträge in der ZDF-Sendung »Roche & Böhmermann« sowie als Sidekick im »Neo Magazin Royale« sind mittlerweile Kult. Seine Gastauftritte zum Beispiel in der »Lindenstraße« oder bei »Circus HalliGalli« heute schon eine Legende. Seine eigene Show »Calling Mr. Brain« erhob ihn in den Fernseh- Olymp. Von seiner wohlmeinenden Mutter wurde er zu seinem fünfzehnten Geburtstag mit dem Standardwerk der Benimmregeln beschenkt: »Der gute Ton von heute«. Seitdem liegt diese Schwarte wie ein nasses Handtuch auf seiner Seele, und lange reifte in ihm die Idee zu seinem neuesten Streich: »Der gute Ton von Cohn«.
WILLIAM COHN
DER GUTE
TON VON
COHN
Elegant
durch alle
Lebenslagen
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2. Auflage
Originalausgabe Januar 2018
Copyright ©2018: Wilhelm Goldmann, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Fotos: Frank Bauer
Umschlag: Uno Werbeagentur, München
Umschlagfoto: Frank Bauer
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
MZ ∙ Herstellung: cb
ISBN 978-3-641-21003-8V002
www.goldmann-verlag.de
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Inhalt
Vorwort
Von guter Kleidung
Was ist Stil, und wie lebt es sich damit?
Die gute Hose
Der gute Schuh
Trägt Man(n) wieder Hut?
Mit Schirm, Schal und … Hemd
Das gute alte Taschentuch
Exkurs: Tätowierungen – Epidemie auf der Epidermis
Kleidung in Schubladen
Zur Vertiefung
Vom guten Essen
Zum Abendbrot
Von Tischdekorationen und guten Manieren
Der Chef droht mit Hausbesuch
Ein erprobtes Risotto-Rezept
Zahlungsmodalitäten beim Restaurantbesuch
Restaurantbesuch avec les enfants
Ernährungstheorien und andere Desaster
Alles wird gut, wenn es aus Schokolade besteht
Zur Vertiefung
Von guter Kommunikation
Die richtige Begrüßung
Missverständnisse und wie Sie sie vermeiden können
Eine kleine Typologie nerviger Gesprächspartner
Wem biete ich wie und wann und wo das Du an?
Schreib mal wieder
Auf ein Wort (zu viel)
Vom Umgang mit Rüpeln und Vollpfosten
Zur Vertiefung
Gutes Benehmen im World Wide Web
Über den korrekten Umgang mit Ihren Daten
Richtiges Verhalten im Falle eines Shitstorms
Kann man auch im Feinrippunterhemd ein Gentleman sein?
Zur Vertiefung
Vom Leben mit dem anderen Geschlecht
Die Genderfalle oder der Kampf der Geschlechter
Die Sache mit der Kommunikation in der Partnerschaft
Ist die Ehe eine Lizenz für schlechtes Benehmen?
Wie überstehe ich Familienfeste?
Zur Vertiefung
Vom guten Benehmen auf der Arbeit
Wie casual darf der Freitag sein?
Wie kündige ich richtig?
Nie wieder arbeiten: Wie verhalte ich mich bei einem Lottogewinn?
Zur Vertiefung
Von guter Kultur
Ist das Kunst, oder kann das weg?
Investiert der Mann von Welt in Kunst?
Geht man heute eigentlich noch in die Oper?
Zur Vertiefung
Making of
Anhang
Dank
Glossar
Vorwort
Erst kürzlich, an meinem fünfzehnten Geburtstag, legte mir meine besorgte Mutter eine fast fünf Zentimeter dicke und gefühlte einhundert Kilogramm schwere Schwarte auf den Gabentisch: »Der gute Ton von heute«, erschienen im Jahre 1912. Und heute – ich habe das nachgesehen – nur noch antiquarisch zu bekommen. Dass dieses Buch fast 20 Jahre älter war als sie selbst, musste meiner Mutter irgendwie entgangen sein. Aber solche Details kümmerten sie selten.
Ich habe das Buch gelesen bis zum Schluss. Das Bürgerliche Gesetzbuch ist in Sachen Komplexität und Unverständlichkeit – Verzeihung – ein Dreck dagegen. Und dennoch: Im unerschütterlichen Vertrauen auf die Weisheit meiner Mutter und mit der Gewissheit, irgendwann einmal bei Hofe eingeladen zu werden, übte ich fleißig das spanische Hofzeremoniell und das richtige Rückwärtsgehen in Anwesenheit gekrönter Häupter. In der Zwischenzeit waren die ersten Menschen auf dem Mond gelandet, und ich musste feststellen, dass die gekrönten Häupter der Welt zum größten Teil abhandengekommen waren.
Wenig später erläuterte ich dann meiner norddeutschen Verlobten, einer glühenden 68erin und ehemaligen Sympathisantin der RAF, anhand dieses Buches ihre zukünftige Rolle im Haushalt. Meine Verlobte fand dies, ihre Worte mit Geschirr unterstreichend, gar nicht witzig. Und mit dem Geschirr in den Händen meiner Verlobten ging auch meine fein säuberlich andressierte Welt in Stücke.
Es war aber auch eine verteufelt unangenehme Situation: Vor mir auf dem Boden zerbarst das Porzellan meiner Vorfahren, und ich stand da und suchte mit fliegenden Fingern panisch in diesem Wunderbuch, mit dessen Hilfe ich doch so sicher und glatt durchs Leben kommen sollte, und fand zum richtigen Umgang mit einer tobenden Verlobten – nichts!
Fortan wollte ich mich nicht mehr darauf verlassen, was die Menschen 1912 für einen guten Umgang gehalten hatten, und begann selbst zu schreiben. Denn wenn »DER Willy Elmayer«, der Kriegsversehrte mit dem steifen Bein, die erfolgreichste Tanzschule Österreichs gründen kann, warum soll ich dann kein Buch über Benehmen schreiben können?
Die scheinbar regellose Freiheit, mit der die Menschen heutzutage miteinander umgehen, hat etwas Zügelloses bekommen. »Anything goes« scheint nicht nur in der Kunst, sondern in allen menschlichen Lebensbereichen angekommen zu sein. Die Frage ist aber: Geht es wirklich ganz ohne Regeln? Kann es überhaupt tragfähige Regeln geben? Treibt uns nicht vielmehr die heute nicht mehr übersehbare Gesetzesflut noch weiter in eine zwischenmenschliche und gesellschaftliche Anarchie? Gibt es eine allgemeingültige Definition von gutem und schlechtem Benehmen? Wie müsste »Der gute Ton des 21. Jahrhunderts« aussehen? Und müsste ein solches Buch in Zeiten wie diesen nicht auch Fragen beantworten wie: »Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich gesteinigt oder geköpft werde?« Sind vielleicht Kriege und Terroranschläge in Wahrheit nichts anderes als schlechtes Benehmen? Fragen, die ich nicht der neuen Diktatur der politischen Korrektheit überlassen möchte, und auf jeden Fall Fragen, die jeden Tag dringlicher werden und denen ich mit Ihnen, geneigter Leser, hier auf den Grund gehen möchte.
PS Und dann kam doch noch der große Tag: Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Ubolratana Rajakanya von Thailand drehte mit mir einen Film in Zürich. Was war ich froh, dass ich dank des Buches meiner Mutter gelernt hatte, mich in ihrer Gegenwart nur auf Knien rutschend zu bewegen.
PPS Dieses Buch soll Sie behutsam an die Hand nehmen und Sie sicher und souverän für den täglichen stilvollen Umgang mit Menschen in allen Lebenslagen machen, daher ist dies auch ein Arbeitsbuch! Nehmen Sie bitte einen Bleistift, wohlgemerkt einen spitzen Bleistift, zur Hand und kreuzen Sie in den »Vertiefungen« am Ende jedes Kapitels die richtige Antwort an. Sie wissen schon, Multiple Choice. Alternativ schreiben Sie in der vorgesehenen Zeile die Ihrer Meinung nach richtige Antwort hin.
Die Prüfung in gutem Benehmen können Sie schließlich auf der Internetseite www.cohns-welt.com ablegen.
VON GUTER KLEIDUNG
Was ist Stil, und wie lebt es sich damit?
Stil ist nicht gleichzusetzen mit Styling und Mode. Menschen, die in immer rascherer Frequenz jedem neuen Modetrend folgen, sind vielleicht im »Trend«, aber sie haben ganz sicher keinen »Stil«. Das wussten vor allem Coco Chanel und Jacqueline Kennedy.
Stil ist zeitlos. Stil hat der, der Dinge für sich als richtig und geschmackvoll erkennt und über den Anlass hinaus eine Spur mutiger Gelassenheit zeigt. Soziale Angsthasen erkennt man sofort an ihrem nett arrangierten, farblich sorgfältig abgestimmten Look oder an ihrem angepassten Dresscode. Dieser erscheint, anders als in den 60er-Jahren, als er als etwas für Heiratsschwindler, Hochstapler und Portiers in Hotels von gestern galt, in bestimmten Kreisen wieder en vogue. Nur mit einem »Gewusst-wie« sind die zahlreichen Fettnäpfchen, die ein Dresscode für den bereithält, der ihn nicht einzusetzen weiß, zu vermeiden. Denn ein stur befolgter Dresscode ist noch lange keine Garantie für stilvolles Auftreten. Nur Ihre persönliche Note, Ihr stilistisches Sich-selbst-treu-Bleiben und das Setzen raffinierter eigener Akzente, erfüllt den Dresscode mit Leben. Trauen Sie Ihrem eigenen Geschmack und Gespür mehr, als manchem kurzlebigen Modediktat. Schließlich sind Sie ja nicht in einem Schrank aufgewachsen, sondern haben die Dos und Don’ts jahrzehntelang am lebenden Objekt studiert. Gut und korrekt angezogen zu sein heißt in erster Linie, nicht unangenehm aufzufallen. Wenn ich also weiß, wo ich bin und aus welchem Grund ich da bin, dann habe ich meist kein Problem. Dennoch kann es passieren, dass wir zwar am richtigen Ort, aber falsch gekleidet sind. Ein bisschen Vorstellungsvermögen reicht, um folgende Situation nachzufühlen: Sie sind zum Sportfest eingeladen und kommen in Turnkleidung, bereit, am Reck alles zu geben. Traumatisiert stellen Sie fest, dass Sie nur als Zuschauer fungieren sollen, und stehen nun saublöd da. Schlimmer hätte es nur kommen können, wären Sie davon ausgegangen, dass Synchronschwimmen auf dem Programm steht. Oder Beachvolleyball.
Passt man irgendwo so gar nicht hin, fühlt man sich im wahrsten Sinne des Wortes deplatziert und folglich ungemütlich, richtig elend. Entweder Sie wechseln jetzt die Fronten, mischen sich (»Wo finde ich die Schürzen?«) unters Catering und betrachten so die ganze Veranstaltung inkognito, quasi aus der Butlerperspektive, und werden dadurch für einen Teil der Gäste unsichtbar. Oder, wenn Ihnen diese Lösung nicht als der geeignete Weg erscheint, Ihre Dresscode-Panne zu beheben, Sie legen den Rückwärtsgang ein. In Ihrem Aufzug werden Sie ohnehin keine Freude haben. Fahren Sie also rasch noch mal nach Hause, ins Hotel, zu Ihrem besten Freund oder zum nächsten Herrenausstatter und sorgen Sie für Ersatz. Fällt unter Notwehr. Und wenn Ersatz nicht aufzutreiben ist? Na, dann trollen Sie sich in die nächste Spelunke, Boazn, Kneipe oder ins Vereinslokal vom Kleintierzüchterverein. Auch dort findet sich angenehme Gesellschaft.
Bemühen Sie sich stets, den Dresscode Ihrer Gastgeber einzuhalten. Doch bleiben Sie dabei Ihrem Stil treu. Ausstrahlung besitzen Sie nur, wenn Sie sich wohlfühlen.
Das »anything goes« in puncto Bekleidung führt dazu, dass modische Fehltritte auf der ganzen Welt so häufig werden wie architektonische Entgleisungen in Österreich, wo Bausünden grassieren wie Rechtsradikale in Dresden. Solange Bekleidungskonventionen für alle Mitmenschen die wunderbare Möglichkeit schufen, sich ohne Kopfzerbrechen an festen Ritualen entlangzuhangeln, war zumindest diese Gefahr gebannt. Die Auflösung unserer Bekleidungs- und Ausstattungskonventionen bedaure ich zutiefst. Einerseits habe ich das Gefühl, viele Menschen bedecken sich lediglich mit Textilien, um sich vor Wind und Kälte zu schützen, andererseits habe ich den Eindruck, noch mehr Menschen tun das mit vorsätzlicher Geschmacklosigkeit.
Wünschen Sie sich beim Anblick von manchen Schülergruppen nicht auch manchmal die Wiedereinführung der Schuluniform? Als Bremse allzu heftiger textiler Entgleisungen? So wie manche europäische Frau an ihrem Bad Hair Day ihre islamischen Schwestern um deren Verschleierung beneidet? Gelegentlich fällt es mir schwer, die Beleidigung des Auges nicht persönlich zu nehmen, Funktionskleidung für erwachsene ADHSler etwa. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Funktion zu tun, sondern mit Kunststoffpartikeln, die unsere Gewässer belasten.
Von vielen liebgewonnenen Teilen und Klamotten sollte man sich geräuschlos trennen. Ohne mein Zutun haben die Motten meinen Norwegerpullover erledigt. Meine Partnerin war für diese tierische Unterstützung dankbar. Bei alten Pullovern mit Zöpfen ist sie für die Todesstrafe.
O ja, ich bin echt retro. Ich wünsche mir den Prince-of-Wales-Anzug zurück, den Cut für den eleganten Abend, denn ich gehöre zu den Leuten, die fürs Einstecktüchlein ein eigenes Fach im Kleiderschrank haben. Bei mir sind diese edlen Accessoires aus Seide nach Farben und Mustern (Paisley, Pepita und Co) sortiert. Nein, ich bin kein Ordnungsfanatiker, und ich habe auch alle Meissener-Tassen im Schrank, nur in diesem einen Punkt, ja, ich gebe es zu, bin ich nicht ganz Hugo. Sie haben also gemerkt, es gibt in meinem Kleiderschrank noch ein Leben jenseits des Pullovers. Fein säuberlich in Überzüge eingehüllt reihen sich da Zweireiher an Zweireiher, Sakkos, Westen, Smokings, Smokinghemden, Alltagshemden, Poloshirts oder Holzfällerhemden für Heavy-Duty-Einsätze usw. Und neben meinen wohlfeil sortierten Einstecktüchlein gibt es ein Fach für Foulards. Meine Freundin nennt diese Seidenhalstücher »liebevoll« Heiratsschwindlertüchlein. Des Weiteren ein Fach für Manschettenknöpfe, eines für Krawattennadeln, eines für Geldklammern und vieles mehr an luxuriösen Accessoires, die der Distinktion dienen. Und auf dem Schrankboden stehen gepflegte Herrenschuhe in Reih und Glied.
Vielen mag das als zu unpraktisch, zu aufwendig, nicht mehr zeitgemäß erscheinen, bietet Prêt-à-porter doch einfache Kleidung für den beschleunigten Lebensstil. Am besten per Bestellung. Da ich aber so retro bin wie »Gutes von gestern« in der Bäckerei, erlaube ich mir diesen kostspieligen Ausstattungsspleen. Denn ist jemand schlecht gekleidet, wird die Kleidung bemerkt. Ist jemand stilvoll gekleidet, entdeckt man den Menschen. So ist Kleidung Ausdruck meiner Selbstwertschätzung im Zeitalter der häufig beschworenen Achtsamkeit. Diese Sorgfalt vermisse ich bei vielen meiner Mitmenschen sehr.
Stil hat aber nichts mit Geld oder Luxus zu tun. Und immer wieder sollte man sich fragen, ob das Streben nach Stil einen vielleicht zum instinkt- und geschmacklosen Verbraucher – ja, ich gebrauche dieses hässliche Wort jetzt mal – gemacht hat. Da hilft auch wirklich nicht, dass es für den »Verbraucher« sogar ein eigenes Ministerium gibt! Denn allzu oft kaufen wir uns schlicht und einfach um den guten Geschmack. Seit Jahren wirft man uns aus den Innenstädten, die dann nur noch aus zugenagelten und verwaisten Lädchen bestehen, damit wir uns als Verbraucher in den Takko-Deichmann-Expert-Märkten auf großen Freiflächen außerhalb der Stadt um unsere ästhetische Autonomie bringen. Haben Sie mal an einem Samstagnachmittag in so einem Konsumtempel eine Stampede von »Verbrauchern« erlebt? Leere, leicht dümmliche Gesichter, die einem auf breiter Front geschlossen entgegenstampfen. In jeder Form zum Fürchten! Eine aufgescheuchte Wasserbüffelherde ist dagegen ein friedlicher Lyzeumsball!
Geschmacksbildende Maßnahmen sehen anders aus. Und wem’s dort doch zu lausig ist, der wandert ins manchmal ebenso gräuliche Internet ab, wo er alles mundgerecht bekommt, wovon andere glauben, dass er es brauche. Vom perfekt abgestimmten Kleiderset über den Muskelrüttler bis zur personalisierten Gewürzmischung.
Man degradiert uns zu Menschen, die ausstaffiert werden, weil sie angeblich selbst nicht mehr in der Lage seien, sich so zu kleiden, wie es ihnen gut steht. Diese neue Lust, die Ausstattung anderen zu überlassen, finde ich seltsam anstrengend, denn Stil ist ein Ausdruck von Persönlichkeit. Nicht nur Kleidung, auch der tintenpatronenfreie Kolbenfüller, der Drehbleistift, der Lieblingssessel, das Stofftaschentuch, die Porzellantasse, das Zigaretten- oder Zigarrenetui oder die Mitbringsel aus dem letzten Urlaub: All diese Dinge gehören zu unserem ganz persönlichen Leben. Zeichnen uns, prägen uns, geben uns ein eigenes Gefühl von Wertigkeit. Eben eine ganz eigene Haltung! Diese Individualität sollten wir uns bewahren, denn: Wer Stil hat, hat Mut!
Der Cohnrat
Seien Sie »swag« bei den Dingen, die Ihnen gefallen und guttun! Was immer Sie tragen, tragen Sie es souverän und selbstbewusst.
Alles andere ist was für anpassungsbedürftige Chabos!
Die gute Hose
Warum bloß quetschen sich Menschen seit Jahrhunderten in zu enge Hosen? In einer zu engen Hose sieht einfach jeder Arsch scheiße aus. Schon im Mittelalter trugen Adelige, Fürsten, Könige und Kaiser ein strumpfähnliches Gewand, das in Aussehen und Wirkung einer heutigen Leggings in nichts nachstand. In den Achtzigern und Neunzigern quälte man uns mit Radlerhosen. Und um die Jahrtausendwende machte das Modehaus Dior die Skinny Jeans populär.
Getragen werden diese noch heute überall (in Stadien, im Krankenhaus, im Zoo und in der Disco) und von fast jedem (Teenager, Hipster, Professoren, Fernsehmoderatoren, Feministinnen, Sportjournalisten und Trainern). Pep Guardiola etwa, das katalanische Rumpelstilzchen, ist konsequenter Skinny-Hosen-Träger.
Die meisten sehen darin eher seltsam aus. Damen der A-, B- und C-Prominenz möchten mit aller Gewalt ihre geschlechtlichen Vorzüge zur Geltung bringen und gleichzeitig eine knabenhafte Eleganz versprühen, was selten und dann meist nur mit Photoshop gelingt. Und ältliche Männer erhoffen sich von der Röhre ein jugendliches Aussehen, von dem sie trotz kräftiger Waden Lichtjahre entfernt sind. Dieser Look geht meiner Meinung nach voll in die Hosen.
Zudem ist die Hose unbequem aus- und anzuziehen. Von den langfristigen Folgen, die diese Mode an den Kronjuwelen anrichten kann, ganz zu schweigen. Verhütung ist da schon in jungen Jahren unnötig.
Es ist schwer zu verstehen, warum gerade dieser Trend in einer Zeit der schnell wechselnden Kollektionen schon so lange anhält.
Aber: Eine neue »Weite« näht … sorry, naht! Die Marlenehose, das weite, komfortable Beinkleid, ist Giorgio Armani sei Dank zurück. Noch kein Grund zum Jubeln, aber Grund zur Freude allemal. Schon die ersten Bilder in den Fashionblogs erinnern an die »Werte« der Achtziger und Neunziger: Freiheit, Abenteuer und entspannte Lässigkeit.
Ein im wahrsten Sinne eingefleischter Skinny-Hosen-Träger wird vielleicht nicht sofort zu begeistern sein, aber spätestens nach dem nächsten tiefen Luftholen wird er der weiten Hose doch etwas abgewinnen können.
So albern wie die Röhre- wirkt bei Erwachsenen sonst nur die Jogginghose, die bei allen unpassenden (passende gibt es nicht) Gelegenheiten zur Schau gestellt wird.
Jogginghosen sind ein Zeichen der grauenvollen Niederlage, ein Zeichen der Kapitulation. Geht man damit auf die Straße, hat man, wie Karl Lagerfeld treffend bemerkt, die Kontrolle über sein Leben verloren.
Völlig nebensächlich, für welche Hose Sie sich entscheiden, sie sollte in puncto Schnitt und Material mit der übrigen Kleidung harmonieren und auf keinen Fall zu kurz oder zu lang geraten. Sie könnten sonst in den Verdacht geraten, Sie trügen Erbstücke oder, noch schlimmer, Leihgaben auf.
Der Cohnrat
Nicht jeder Hintern ist ein Knackarsch und nicht jedes Bein eine Offenbarung! Trösten Sie sich, es gibt sie, die Hose, die Ihnen schmeichelt und Sie besser aussehen lässt als Marilyn Monroe und Claudia Schiffer zusammen. Allerdings hört sie definitiv nicht auf den Namen Leggings.
Der gute Schuh
Können Sie sich vorstellen, dass ich einmal leidenschaftlich gerne und bemerkenswert erfolgreich Ski gefahren bin? Der österreichische Alpenverein betrachtete mich als eine seiner Nachwuchshoffnungen und förderte mich. Bis zu meinem 16. Lebensjahr, dann war Finale. Nicht wegen des Alpenvereins, ich hatte nur inzwischen Schuhgröße 47 erreicht und sprengte damit alle Skischuhe. Ich will an der Stelle mal nicht davon ausgehen, dass die ÖAVler über das rasante Wachstum meiner Laufwarzen froh waren. Heute – inzwischen produzieren alle guten Skischuhhersteller bis Größe 50 und drüber – wäre das eine vermeidbare Situation.
Damals aber beschränkte sich das Problem nicht nur auf die Skischuhe, es betraf alle meine Treter. Jeder Schuhkauf begann mit einer langwierigen telefonischen Rechercheaktion meiner Mutter, die dann meist irgendwo außerhalb des österreichischen Hoheitsgebietes ein paar Schuhe in »Übergröße« fand. Eine recht beachtliche Telefonrechnung inklusive.
Ich hätte mir eine empathische Fee gewünscht, die mir die richtigen Latschen an die Füße zaubert. Cinderella hatte es da, als sie aus dem Linsenfrickeln herauskam, richtig gut getroffen, ganz zu schweigen von Dorothy, die mit ihren lackroten Schühchen durch jeden Quark von Oz waten konnte.
So waren Schuhe, die ich stets mit großem logistischem Aufwand erworben hatte, für mich immer etwas äußerst Wertvolles, das geschont werden musste, um lange zu halten.
Ich habe festgestellt, dass andere sich für ihre Saustallpfosten sehr oft gedankenlos irgendwelche Treter zulegen und daher meist nur auf die »Optik« achten. Wie in der Architektur und bei allem Design gilt auch hier: »Form follows function!«
Hat man das falsche Schuhwerk, holt man sich beim Walking, Singing und Dancing in the Rain zerschundene Füße. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich eine Nacht durch den Regen getanzt. Wenn Sie da fälschlicherweise dachten: »Was Fred Astaire kann, geht bei mir schon lange«, kommt die Höllenpein zwar mit zeitlicher Verzögerung, bringt Sie dafür aber garantiert fast um. Hat sich Ihre Ginger ebenfalls im Schuh vergriffen, geht es ihr keinen Deut besser. Modische Entscheidungen? Passen müssen die Schuhe!
Früh habe ich gelernt, den Wert guten Schuhwerks zu schätzen und mich nicht um Modediktate zu kümmern. Schiefe Blicke inklusive. Mein schönes Paar Tanzschuhe – ich habe fast ein Jahr darauf gespart – hat mich durch viele Ballsaisonen getragen.
Ich liebe gute Schuhe! Schuhe, die sich wie ein weicher Handschuh fast schmeichelnd um die Füße legen und in denen man blasenfrei von Zehlendorf nach Mitte oder von Hietzing bis zum Steffl marschiert. Leider sparen Schuhfabrikanten heute, wo sie können. So ist es zu einer bedauerlichen Usance geworden, das Oberleder ohne Futter in einen Sohlenmonoblock aus Kunststoff einzugießen, eine billige Einlegesohle hineinzuknallen und das Ganze zum gleichen Preis wie einen handwerklich hergestellten, rahmengenähten Schuh zu verkaufen. Sogar das gehäckselte Zeitungspapier, mit dem bis vor Kurzem das dämpfende Korkgranulat über der Brandsohle ersetzt wurde, wird heute weggelassen.
Aus eigener Misere kann ich sagen, bequeme Schuhe von der Stange zu finden kann man in Sondergrößen wie meiner in Europa nahezu vergessen, und ich gehe mal davon aus, dass ich beim galoppierenden Fußwachstum der Bevölkerung da draußen nicht allein auf großem Fuß lebe. Inzwischen gebe ich Stangenschuhe nicht einmal mehr in die Altkleidersammlung, weil mir der arme Tropf leidtut, der in meinen krumm gelatschten Mokassins herumlaufen soll.
Gute Schuhe werden immer noch in der Tradition des Schuhmacherhandwerks gefertigt. Aus einem solchen Stall kommen meine Budapester, die ich mir vor Jahren zugelegt habe. Der Glückskauf meines Lebens, mein Schuh fürs Leben. Diese ersten Handgenähten, die ich mir kaufte, waren die preiswertesten Schuhe ever, wenn ich den Kaufpreis auf die Jahre umlege, in denen ich sie inzwischen getragen habe.
Zum Glück gibt es inzwischen auch erstaunlich günstige rahmengenähte Manufakturschuhe in ausgezeichneter Qualität, die dem Industrieschuh ernsthaft die preisliche Stirn bieten. Man muss nur wissen, wonach man sucht.