Der Herr der Bogenschützen - Mac P. Lorne - E-Book
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Mac P. Lorne

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Beschreibung

Vom enteigneten Sohn eines Verschwörers zum Kommandanten der englischen Langbogenschützen John Holland, der spätere Duke of Exeter, ist eine schillernde Figur im 100-jährigen Krieg zwischen England und Frankreich. Der Herr der Bogenschützen von Mac P. Lorne lässt uns hautnah an Hollands Ausbildung bei den walisischen Bogenschützen, seiner Kriegsgefangenschaft und seinen Aufeinandertreffen mit einer verblendeten und fanatischen jungen Frau teilhaben, die einmal als Jeanne d'Arc in die Geschichte eingehen soll. Jeanne d'Arc lässt einen fast beendeten Krieg wieder aufflammen – und Holland kann ihre Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen am Ende nicht verhindern, obwohl er ahnt, dass so eine Märtyrerin geschaffen wird.  Ein blutiger Krieg, ein genialer Kämpfer und die Geburt eines Mythos - Spannende historische Unterhaltung Mac P. Lorne, der Autor des erfolgreichen historischen Romans Der Pirat, entzaubert gekonnt den Mythos Jeanne d'Arc und liefert packende Unterhaltung für Fans von Bernard Cornwell, Ulf Schiewe und Simon Sparrow.  »Fiktion und Geschichte vereinen sich zu einem grandiosen Buch, das nicht nur die Freunde dieses Genres begeistern wird« Fränkische Nachrichten

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Mac P. Lorne

Der Herr der Bogenschützen

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Jeanne d'Arc - die Entzauberung eines Mythos: Spannende historische Unterhaltung vom Autor des erfolgreichen historischen Romans »Der Pirat«.

Vom enteigneten Sohn eines Verschwörers zum Kommandanten der englischen Langbogenschützen: John Holland, der spätere Duke of Exeter, ist eine schillernde Figur im 100-jährigen Krieg zwischen England und Frankreich. Mac P. Lorne lässt uns seine Ausbildung bei den walisischen Bogenschützen ebenso hautnah miterleben wie seine Kriegsgefangenschaft und sein mehrfaches Aufeinandertreffen mit einer verblendeten und fanatischen jungen Frau, die einmal als Jeanne d'Arc in die Geschichte eingehen soll und der es gelingt, einen fast beendeten Krieg wieder aufflammen zu lassen – und deren Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen er am Ende nicht verhindern kann, obwohl er ahnt, dass so eine Märtyrerin geschaffen wird …

Inhaltsübersicht

Widmung

Motto

Personenregister

Karte

1. Teil

Pontefract Castle, Yorkshire, Winter 1400

Dartington Hall, Devon, Februar 1400

Upholland, Lancashire, Februar–September 1400

Domrémy, Lothringen, Januar 1412

Lancaster Castle, März 1413

Upholland, 1413

Der Norden von Wales, Spätsommer 1415

Southampton, Ende September 1415

Étretat, Anfang Oktober 1415

Amiens, Anfang Oktober 1415

Fécamp, Anfang Oktober 1415

Azincourt, Oktober 1415

2. Teil

Domrémy, Lothringen, Frühjahr 1416

Ärmelkanal, Frühsommer 1416

Paris, Mai 1418

Rouen, Sommer 1418 – Januar 1419

Montereau-Fault-Yonne, September 1419

Troyes, 1420

Domrémy, Lothringen, Frühsommer 1420

Baugé, März 1421

Château de Champtocé, 1421–1423

Loches, 1423–1425

Domrémy, Lothringen, Sommer 1425

Varennes-sur-Loire, Sommer 1425

3. Teil

London, 1425–1427

Tachov in Böhmen, August 1427

London, 1427–1428

Rouvray-Sainte-Croix, Februar 1429

Vaucouleurs, Lothringen, Februar 1429

Der Weg nach Chinon, Februar/März 1429

Chinon, März 1429

Orléans, April/Mai 1429

Patay, Juni 1429

Paris, August/September 1429

Compiègne, Juni 1430

Rouen, Dezember 1430–Mai 1431

Epilog

Anhang

Historische Anmerkungen

Zeittafel

Glossar

Bibliographie

Leseprobe »Jack Bannister Herr der Karibik«

 

 

 

 

Für Inga,

die Liebe meines Lebens

 

 

 

 

»Frieden ist ein Schatz, der nicht hoch genug gelobt werden kann. Ich hasse den Krieg. Er sollte niemals gerühmt werden!«

 

Charles de Valois, Herzog von Orléans, der in seiner fünfundzwanzig Jahre währenden Gefangenschaft in England zu dieser Erkenntnis kam.

Personenregister

(historische Personen, die der Leser im Laufe der Handlung kennenlernen wird)

Die Engländer

John Holland – geb. 1395, gest. 1447, ab 1415 Earl of Huntingdon, ab 1439 II. Duke of Exeter, ein Mann, der ein Ziel hat

 

John Holland – sein Vater, Earl of Huntingdon, I. Duke of Exeter, Anfang 1400 umgebracht

 

Elizabeth of Lancaster – seine Mutter, Tochter des John of Gaunt, heiratet in zweiter Ehe John Cornwall

 

John und Maud Lovel of Titchmarsh – seine Zieheltern

 

Richard II. – König von England, 1399 abgesetzt und später umgebracht

 

Henry Bolingbroke – als Henry IV. sein Nachfolger, gab mit großer Wahrscheinlichkeit den Mord an seinem Vorgänger in Auftrag

 

Harry – sein Sohn und als Henry V. König von England

 

Thomas, Duke of Clarence – sein Bruder und Feldherr

 

John, Duke of Bedford – ebenfalls sein Bruder und Regent des von England kontrollierten Teils Frankreichs

 

Humphrey, Duke of Gloucester – noch ein Bruder

 

Henry Beaufort – sein Onkel, ein vom Ehrgeiz besessener Kleriker, der unbedingt Papst werden wollte

 

Henry VI. – Sohn von König Harry und Prinzessin Catherine de Valois, Erbe zweier Reiche

 

Thomas Fitzalan – ein Feind der Hollands, Earl of Arundel

 

Mathew Gough – ein Waliser, der es zum »Sir« und hohem Ansehen brachte

 

Owen Glendower – der letzte eingeborene Fürst von Wales

 

Sir Thomas Erpingham – vor John Holland der Herr der Bogenschützen

 

John Talbot, William de la Pole, John Fastolf, William Glasdale – englische Heerführer, mal mehr, mal weniger erfolgreich

Die Franzosen

Charles VI. – genannt der Wahnsinnige, König von Frankreich

 

Isabeau de Bavière – seine ungetreue Gemahlin

 

Catherine de Valois – ihre Tochter, Gemahlin von Henry V. und Mutter von Henry VI.

 

Charles VII. – gilt als Sohn Charles VI., was aber eher unwahrscheinlich ist

 

Tanneguy du Chastel und Jean Louvet – zwei seiner Ratgeber und Mörder von Johann Ohnefurcht, Herzog von Burgund

 

Philipp der Gute – Herzog von Burgund nach der Ermordung seines Vaters Johann Ohnefurcht durch Schergen des späteren Charles VII.

 

Charles de Valois, Herzog von Orléans – ein Mann, der fünfundzwanzig Jahre englischer Gefangener war und in dieser Zeit zum bedeutendsten Lyriker seiner Zeit aufstieg

 

Jehanne Darc – eine Jungfrau, deren Fanatismus Tausende das Leben kostete und die letztlich ihr eigenes geben musste

 

Isabelle Romée Darc – ihre Mutter, eine fromme Frau

 

Jacques Darc – ihr Vater und Doyen von Domrémy, ein bodenständiger Mann

 

Étienne de Vignolles (La Hire – der Jähzornige), Jean Poton de Xaintrailles, Gilles de Rais – erst Freischarführer (von der Bevölkerung écorcheurs – Schinder, Häuter genannt), später Feldherren unter Charles VII.

 

Jean de Dunois – genannt der Bastard von Orléans, illegitimer Sohn des Herzogs Louis von Orléans und Heerführer unter Charles VII.

 

Jean der Schöne, Herzog d’Alençon – Heerführer unter Charles VII.

1. Teil

Von Pontefract nach Azincourt, 1400–1415

Pontefract Castle, Yorkshire, Winter 1400

Ein Dutzend Reiter hatte sich zwischen den Bäumen eines kleinen Wäldchens versteckt. Die meisten von ihnen spähten erschrocken zu der mächtigen Festung mit den vielen hohen Türmen, Gräben und Torhäusern hinüber, die sich auf einem Felsen über der Stadt erhob und völlig unbezwingbar schien. So hoch im Norden, in Yorkshire, waren viele von ihnen noch nie gewesen. Sie stammten aus Devon im Südwesten Englands und kannten somit Pontefract, die gewaltige, im Auftrag von Wilhelm dem Eroberer errichtete Trutzburg, nicht. Über die Jahrhunderte war sie ständig erweitert und vervollkommnet worden. Selbst Richard Löwenherz hatte die Burg – wenn auch nur kurze Zeit – getrotzt, als er nach seiner Freilassung aus deutscher Gefangenschaft sein Land wieder in Besitz nehmen wollte.

»Da sollen wir hineingelangen?« Die Stimme des Ritters klang verzagt. »Aber es braucht doch ein paar tausend Mann und mindestens ein halbes Jahr, um diese Mauern zu bezwingen!«

»Macht Euch nicht die Brouche nass, Hugh«, fuhr John Holland, Earl of Huntingdon und bis vor kurzem noch Duke of Exeter, seinen Gefolgsmann an. »Der Kasten dort gehörte einmal meinem Schwiegervater John of Gaunt. Wie aus allen seinen Burgen hat er ein Schloss daraus gemacht und es noch dazu seiner Gemahlin geschenkt. Das dürfte die Wehrhaftigkeit beträchtlich eingeschränkt haben. Außerdem wollen wir die Burg ja gar nicht stürmen. Ich kenne den Kastellan, Sir Thomas Swynford, recht gut. Wir sind sogar weitläufig miteinander verwandt. Kaum anzunehmen, dass er uns nicht einlassen wird. Schließlich kann die Nachricht von unserem gescheiterten Aufstand noch nicht bis hierher gelangt sein, sind wir doch geritten, als wären nicht Henrys Häscher, sondern der Teufel selbst hinter uns her.«

Henry Bolingbroke war im letzten Herbst aus seiner Verbannung zurückgekehrt, hatte seinen Cousin, König Richard II., vom Thron gestürzt und sich auf Anraten und mit Billigung des Parlaments selbst die Krone aufs Haupt gesetzt. Doch kaum hatte er seine Herrschaft einigermaßen gefestigt, begann er, Ländereien und Titel neu zu verteilen, und machte dabei selbst vor seinem Schwager, John Holland, nicht halt. Der war allerdings auch der Halbbruder des entmachteten Königs und keinesfalls gewillt, auf die Einkünfte und das Ansehen eines Duke of Exeter ohne weiteres zu verzichten.

Gemeinsam mit anderen Vertretern des Hochadels, denen es wie ihm ergangen war, hatte John geplant, zu Weihnachten seinen Schwager in Windsor gefangen zu nehmen und zur Abdankung zu zwingen, um seinem in Pontefract Castle gefangengehaltenen Halbbruder wieder auf den Thron zu verhelfen. Doch der Plan war verraten worden. John hegte den leisen Verdacht, dass seine teure Gemahlin ihren Bruder gewarnt hatte, aber einen Beweis gab es dafür nicht. Jetzt waren die Verschwörer allesamt auf der Flucht, und wo immer man ihrer habhaft wurde, töteten die Verfolger sie ohne Gnade und Gerichtsurteil.

John Holland hatte sich in der Hoffnung nach Norden gewandt, seinen Halbbruder Richard befreien und mit ihm gemeinsam nach Schottland fliehen zu können. Dort wollten sie dann in Ruhe die anderen Unzufriedenen um sich scharen und gemeinsam die Zurückgewinnung der Macht über England in Angriff nehmen. Wo käme man denn hin, wenn ein gekrönter und gesalbter Monarch – nur weil er vielleicht ein paar Fehler während seiner Regierungszeit gemacht und sich mit dem Parlament überworfen hatte – so mir nichts, dir nichts abgesetzt und eingesperrt werden konnte? Das konnte unmöglich der Wille des Herrn sein und verstieß gegen das althergebrachte Gottesgnadentum, mit dem jeder König seine Herrschaft legitimierte. John Holland jedenfalls war nicht bereit, seinen Schwager anstatt seines Bruders auf dem Thron zu akzeptieren. Zumindest nicht, wenn dieser ihn in seinen Würden und Privilegien beschnitt, anstatt ihn darin zu bestätigen.

»Los jetzt, voran!«, befahl er. Wenigstens die kleine Grafschaft Huntingdon hatte Henry ihm immerhin gelassen. »Niemand auf der Burg wird es wagen, uns bei diesem grauenvollen Wetter ein Nachtquartier zu verweigern. Und sind wir erst einmal drin, weiß jeder von euch, was er zu tun hat. Es muss schnell und so lautlos wie möglich gehen. Wenn Swynford tot ist, werden seine Männer im ersten Schreck wie aufgescheuchte Hühner herumirren. Wir müssen ihnen nur klarmachen, dass sie reich belohnt werden, stellen sie sich auf die Seite von König Richard. Ich bin sicher, dass mir das gelingen wird und wir mit Gottes Hilfe meinen Bruder befreien werden.«

Was John Holland in der einbrechenden Dämmerung und dem Schneetreiben nicht sah, war der skeptische Gesichtsausdruck seiner Getreuen. Dafür hörte er die aufmunternden Worte seines Sohnes Richard, der bis vor kurzem dem Earl of Salisbury, einem Mitverschwörer, als Knappe gedient hatte. Nach dessen Ermordung war es dem vierzehnjährigen Richard gelungen, sich zu seinem Vater durchzuschlagen. Jetzt hoffte er, dass es ihnen nicht wie seinem ehemaligen Dienstherrn ergehen würde.

»Worauf warten wir? Kommt, lasst uns Onkel Richard befreien und dann diesen Thronräuber zum Teufel jagen! So viele gute Männer mussten ihr Leben lassen, seit er nach der Krone gegriffen hat. Dem muss ein Ende gemacht werden!«

»Hört ihr den Jungen? Welcher Ritter wird kneifen, wenn sich die Knappen in den Kampf stürzen? Kommt, lasst es uns zu Ende bringen! Für Gott und König Richard!«

»Für Gott und König Richard.« Es war mehr ein Murmeln als ein Schlachtruf, mit dem die Gefolgsleute ihrem Anführer antworteten, was auf nicht allzu viel Zuversicht schließen ließ.

John Holland war in seiner Jugend ein gefürchteter Turnierkämpfer gewesen, hatte die Hand einer der schönsten Frauen Englands errungen, später seinem Schwiegervater als Heerführer in Spanien gedient und eine Pilgerreise ins Heilige Land unternommen. Schon zu Lebzeiten eine Legende, hatte ihn die Demütigung durch seinen Schwager, den jetzigen König, tief getroffen. Er war ein stolzer Mann von oft aufbrausendem Temperament, der solch eine Herabwürdigung weder vergaß noch vergab. Sollte sein heutiges Unterfangen scheitern, wollte er lieber sterben, als weiterhin in Schande zu leben. Allerdings hoffte er, dass Henry sich in diesem Fall seinen Nichten und Neffen gegenüber gnädig zeigen und diese nicht für die Sünden des Vaters büßen lassen würde.

Die kleine Kavalkade setzte sich in Bewegung und strebte durch das dichter gewordene Schneetreiben auf die heruntergelassene Zugbrücke von Pontefract Castle zu. Es sah ganz so aus, als sollte John Holland recht behalten, denn nur zwei Torwachen stellten sich den Ankömmlingen in den Weg, gaben ihn aber sofort frei, als der Earl of Huntingdon sie anraunzte und verlangte, sofort zum Kastellan vorgelassen zu werden. Über eine weitere Brücke gelangte die Reiterschar in die Vorburg – und hier brach das Verderben über sie herein.

 

Vor und hinter den Männern, die bisher so mühelos in die Festung gelangt waren, rasselten Fallgatter herunter. Gleichzeitig erschienen auf den Mauern und Türmen Bogen- und Armbrustschützen und schossen ohne Vorwarnung Pfeile und Bolzen auf die Ankömmlinge. Pferde bäumten sich erschrocken auf und gingen durch, wenn sie getroffen wurden, oder brachen schwer verwundet zusammen. Ritter brüllten, zogen unnützerweise ihre Schwerter und versuchten, sich mit ihren Schilden zu decken, doch das war wenig aussichtsreich angesichts der Vielzahl der Geschosse, die auf sie niedergingen.

John Holland, noch unverletzt, hatte sich mit seinem Sohn vor dem Beschuss unter dem Mauervorsprung, in den das Fallgatter zur Hauptburg eingelassen war, in Sicherheit gebracht. Wie von Sinnen rüttelte er an den starken, eichenen und eisenbeschlagenen Streben und schrie, wilde Verwünschungen ausstoßend, nach Thomas Swynford.

Doch der ließ sich nicht blicken. Erst als alle Begleiter Huntingdons tot oder schwer verwundet am Boden lagen und nur noch er selbst und sein Sohn aufrecht standen, kam stattdessen ein junger Mann in blitzender Rüstung, umringt von Rittern der königlichen Leibgarde, auf das Fallgatter zu. Ihn hatte John Holland hier am allerwenigsten erwartet: Thomas Fitzalan, den Sohn von Richard Fitzalan, dem vor drei Jahren hingerichteten Earl of Arundel. Der Graf hatte der Krone viele Jahre als Heerführer, Admiral und Diplomat treu gedient, bevor er sich auf die Seite derer schlug, die die Autorität des Königs einschränken und an seiner Stelle herrschen wollten. Aber die dem König feindlich gesinnten sogenannten Lords Appellants wähnten sich ihrer Sache zu sicher. Denn nachdem Richard in den folgenden Jahren die Macht wieder zurückgewonnen hatte, nahm er an seinen Gegnern blutige Rache und ließ viele von ihnen hinrichten. Andere, wie den jetzigen König Henry, schickte er wiederum nur in die Verbannung, was er nach seiner Gefangennahme und Absetzung bitter bereute.

John Holland, durch König Richards Gnade Duke of Exeter, hatte damals nicht unwesentliche Teile des Vermögens und der Ländereien des Earls of Arundel übereignet bekommen. Gleichzeitig erhielt er auch die Vormundschaft über dessen damals sechzehnjährigen Sohn Thomas, den er zusammen mit seinen eigenen Söhnen aufziehen sollte.

Nun war Holland nicht gerade für sein zartfühlendes Händchen bekannt. Bei ihm gehörten Maulschellen und auch Prügel durchaus zur Erziehung mit dazu. Ebenso harte Arbeit im Stall, auf den Feldern und beim Bau von Befestigungen. Doch während seine beiden Söhne, Richard und der jüngere John, dies alles klaglos ertrugen, begehrte Thomas Fitzalan ständig auf, da er sich nach wie vor als Earl of Arundel und nicht als Zögling des Mannes sah, der ihn in seinen Augen beraubt hatte.

Eines Tages gelang ihm die Flucht. Allein und ohne Geld schlug er sich zu seinem Onkel, dem von König Richard vertriebenen, ehemaligen Erzbischof von Canterbury, der in Flandern im Exil lebte, durch. Später schloss sich Thomas Fitzalan Henry Bolingbroke an, kehrte mit diesem aus der Verbannung zurück nach England, war an der Festnahme König Richards beteiligt und bekam nach der Krönung Henrys IV. die Güter seiner Familie und seinen Erbtitel umgehend wieder zugesprochen. Jetzt war er hier, um Rache an seinem ehemaligen Peiniger – als den er seinen Vormund betrachtete – zu nehmen und ihn für das büßen zu lassen, was dieser ihm in seinen Augen angetan hatte.

»Thomas, was soll das? Habe ich dir etwa beigebracht, ehrenwerte Männer wie Wild in eine Falle zu locken und dann zusammenschießen zu lassen? Hast du denn gar keine Ehre im Leib? Was haben sie dir denn getan?«, brüllte der Earl sein ehemaliges Mündel an, dem er so plötzlich und unerwartet gegenüberstand.

»Ihr habt mir vor allem eins beigebracht, John Holland. Euch abgrundtief zu hassen! Und da ich während der Zeit, in der Ihr die Vormundschaft über mich hattet – oder sollte ich besser sagen, mich gefangen gehalten und wie einen Sklaven habt schuften lassen? –, genügend Gelegenheit hatte, Eure Denkweise zu studieren, war mir klar, wohin Ihr Euch nach dem gescheiterten Mordversuch an König Henry wenden würdet. Nur dass wir vor Euch hier waren, und Ihr den Versuch, Richard zu befreien, noch bitter bereuen werdet. Werft die Waffen weg und ergebt Euch. Dann bekommt Ihr vielleicht sogar ein faires Verfahren vor dem königlichen Gerichtshof. Nicht dass das an Eurem Schicksal etwas ändern würde, aber immerhin.«

»Und wenn ich es nicht tue?«, wollte John Holland wissen. »Stell dich mir wie ein Mann zu einem ehrenwerten Zweikampf, dann kannst du mir vergelten, was du mir vorwirfst und worüber du dich bei Hofe ständig jedermann gegenüber beschwerst. Denkst du, ich hätte noch nicht gehört, was für Lügen du über mich und deine Zeit in meiner Obhut verbreitest? Wie eine Heulsuse läufst du herum und jammerst Henry ständig die Ohren voll. Beweise, dass du ein richtiger Kerl geworden bist. Schließlich habe ich dir beigebracht, ein Schwert zu führen.«

Blitzschnell fuhr Fitzalan mit der Linken durch das Gitter, aber statt des Earls packte er dessen Sohn und setzte ihm im nächsten Moment mit der Rechten den Dolch an die Kehle.

»Ihr tut jetzt auf der Stelle, was ich gesagt habe, Sir John, sonst stirbt Richard noch vor Euch. Glaubt Ihr wirklich, Euch wird die Ehre zuteil, im Zweikampf zu fallen? Oh nein, so weit geht die Großmut des Königs nun wahrlich nicht! Ihr seid ein Hochverräter, und das Schicksal eines solchen dürfte Euch bekannt sein.«

Zum ersten Mal schauderte es den Earl of Huntingdon. Hochverräter wurden durch die Straßen Londons zum Schafott vor den Mauern der Stadt geschleift und dort aufgehängt. Doch bevor sie zu Tode kamen, schnitt sie der Henker wieder ab, entmannte sie und riss ihnen bei lebendigem Leib die Gedärme aus dem aufgeschlitzten Bauch. Zu guter Letzt wurden sie noch von vier Pferden auseinandergerissen, damit die Körperteile und der Kopf in verschiedenen Landesteilen zur Schau gestellt werden konnten. Erfahrene Henker ließen sich für die ganze Prozedur stundenlang Zeit, und bisher hatte noch jeder Delinquent darum gebettelt, endlich sterben zu dürfen.

»Der wahre König sitzt hinter diesen Mauern widerrechtlich in Gefangenschaft. Das hat das Parlament ganz sicher nicht im Sinne gehabt, als es Richards Abdankung entgegennahm. Wenn es Hochverrat ist, treu zu seinem Souverän zu stehen, ja, dann bin ich ein Hochverräter! Aber ihr alle, die ihr Henry unterstützt, seid noch viel schlimmere! Jeder von euch, der jetzt Bolingbroke huldigt, einschließlich diesem selbst, hat einmal meinem Bruder den Treueeid geschworen! Irgendwann werdet ihr hoffentlich alle am eigenen Leib erfahren, wie Gott es denen vergilt, die einen von seinen Gnaden eingesetzten König vom Thron stoßen.«

»Schluss jetzt mit diesem Geschwafel«, unterbrach Fitzalan seinen ehemaligen Ziehvater rüde. »Noch ein Wort, und ich ramme Richard meinen Dolch durch seinen vorlauten Mund bis ins Hirn. Werft Eure Waffen weg, Sir John, und streckt die Hände vor, damit man sie Euch bindet. Dann könnt Ihr mich zu Eurem Bruder begleiten und selbst sehen, welches Schicksal ihm beschieden ist.«

John Holland schwante Schreckliches. Er ahnte, dass es Henry Bolingbroke mittlerweile wohl als zu gefährlich erachtete, seinen Kontrahenten am Leben zu lassen. Wahrscheinlich hatte sogar der misslungene Anschlag der verbündeten Earls den Ausschlag dafür gegeben, dass der neue König, der sein Leben ständig bedroht sah, solange der alte noch lebte, den Befehl zur Ermordung seines Widersachers gegeben hatte. Wenn er, John Holland, letztlich schuld am Tod seines Bruders war, würde er sich das nie verzeihen. Widerwillig warf er sein Schwert von sich und schnallte den Waffengurt mit dem langen spitzen Dolch ab.

Als sich das Fallgatter quietschend hob und die ersten Männer der königlichen Leibwache unter ihm hindurchgeschlüpft waren, ließ sich der alte Earl von ihnen widerstandslos binden, denn er wusste, wann er verloren hatte und Widerstand zwecklos war. Mit seinem Sohn, dem ein dünner Faden Blut die Kehle herabrann und der fassungslos miterlebt hatte, wie sich Thomas Fitzalan, den er einmal für seinen Freund gehalten hatte, in seinen Todfeind verwandelte, verfuhr man ebenso.

John Holland warf einen letzten Blick auf seine Männer, die wehrlos zusammengeschossen in ihrem Blut lagen und die er ahnungslos in den Tod geführt hatte. Den Schwerverwundeten wurde soeben von der Burgbesatzung die letzte Gnade erwiesen. Der Earl gab sich keinen Illusionen hin, er würde ihnen wohl bald nachfolgen.

 

Brutal wurden er und sein Sohn vom Hauptmann der Wache und Fitzalan durch das Torhaus in den inneren Burghof gestoßen und von dort weiter in Richtung eines Gefängnisturmes, der den bezeichnenden Namen King’s Tower trug. Es hieß, dass König John vor zweihundert Jahren des Öfteren während seiner Jagdausflüge in ihm residiert habe.

Auf uralten, ausgetretenen Stufen ging es durch dunkle, nur von wenigen Fackeln beleuchtete Gänge hinab zu den Verliesen. Doch wenn die Hollands geglaubt hatten, dass man sie einsperren würde, so hatten sie sich getäuscht. Vor ihnen stießen zwei Wachen eine eisenbeschlagene Tür auf, und was sie nun in der Folterkammer von Pontefract Castle zu sehen bekamen, ließ Vater und Sohn den Atem stocken.

Bäuchlings und völlig entkleidet lag Richard II., ehemals König von England, auf einer hölzernen Bank, an die er mit Händen und Füßen gefesselt worden war. Unter das Becken hatte man ihm mehrere dicke Hölzer geschoben, so dass sein nackter Hintern grotesk in die Höhe ragte.

»Wir waren gerade dabei, uns mit Eurem Halbbruder zu beschäftigen, Sir John, als Späher Euer Kommen meldeten. So mussten wir die vorgesehene Prozedur leider unterbrechen, um Euch gebührend zu empfangen und die Falle zuschnappen zu lassen. Aber das macht nichts. Nun seid Ihr ja da und könnt mit eigenen Augen sehen, wie es den Feinden König Henrys ergeht. Sicher habt Ihr Verständnis dafür, dass wir den ehemaligen Herrscher nicht länger am Leben lassen können. Es kann schließlich nur einen König im Lande geben, und solange Richard noch atmet, besteht immer die Gefahr, dass Männer wie Ihr versuchen werden, ihn zu befreien und wieder auf den Thron zu setzen. Deshalb hat mich Henry beauftragt, seinen Vorgänger in eine bessere Welt zu schicken. Nur ist es sein ausdrücklicher Wunsch, dass keine äußeren Verletzungen an der Leiche erkennbar sein dürfen. Verhungern lassen können wir ihn nicht, denn das dauert zu lange, und die Auszehrung würde den Priestern, die den Toten bestatten sollen, sicher auffallen. Wahrlich keine leichte Aufgabe, die mir der König da gestellt hat. Aber ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden.«

»Ihr seid eine Bestie, Fitzalan«, stieß der entmachtete König unter unsäglichen Schmerzen keuchend hervor. Die unnatürliche Lage auf der Holzbank über Stunden musste ihm furchtbare Qualen bereiten. »Bringt es endlich zu Ende, ich bitte Euch.«

»Nur Geduld, Sire. Bald habt Ihr es überstanden. Schaut nur«, fügte er höhnisch hinzu, »wen ich Euch mitgebracht habe.«

»Gott zum Gruße, John«, stieß der Gepeinigte zwischen zusammengepressten Lippen mühsam hervor. »Ich kann mich leider nicht darüber freuen, dass du und dein Sohn in meinen letzten Minuten bei mir sein werdet. Man wird euch wohl schwerlich am Leben lassen, denn meine Mörder können keine Zeugen dulden. So wird mein Tod wohl auch der eure sein, nicht wahr?«

Die letzten Worte des Königs waren an Fitzalan gerichtet, der süffisant grinste.

»Ganz recht. Aber was kann es Schöneres geben als Brüder, im Tode vereint? Nur dass John Hollands Haupt als Zeichen seines Verrats auf einer Stange durch London getragen und später auf der London Bridge zur Schau gestellt werden wird. Das zumindest bleibt Euch erspart, Sire. Dafür wird Euer Ende etwas schmerzvoller sein. So gleicht sich letztlich im Leben wie im Tode alles aus. Ist das Blei denn inzwischen flüssig?«

Fitzalan hatte sich an zwei Henkersknechte gewandt, die in einer Ecke über einem Feuer etwas in einem Kessel erhitzten.

»Gleich ist es so weit, Mylord. Es ist wieder erkaltet, während wir auf den Mauern waren. Aber ansonsten haben wir alles vorbereitet. Seht, das Horn dürfte ausreichend sein. Oder was meint Ihr?«

Thomas Fitzalan griff nach einem recht geraden, etwa zwei Fuß langen Stierhorn, dessen Spitze abgesägt worden war, so dass es einem Trichter ähnelte. Plötzlich ging John Holland auf, was die Männer vorhatten.

»Das glaube ich nicht!«, stieß er zwischen zusammengepressten Lippen hervor. »So grausam ist mein Schwager Henry nie und nimmer! Gib zu, dass du das ausgeheckt hast, Thomas!«

»Natürlich. Wer sonst? Aber für Euch, Holland, bin ich ab sofort ›Sir Thomas‹, oder ich schlage Euch hier und jetzt Eure Zähne in den Rachen, auf dass Ihr langsam an ihnen erstickt.«

Der alte Earl ignorierte die Ansage und blickte zu den Männern, die sich an dem Kessel zu schaffen machten.

»Ihr dürft das nicht tun!«, rief er den Henkersknechten zu. »Dieser Mann war einmal Euer durch Gottes Gnade gesalbter König! Wenn Ihr ihn umbringt – und noch dazu auf diese abartig grausame Art und Weise –, werdet Ihr für alle Zeiten im Höllenfeuer schmoren!«

»Lass es gut sein, John«, meldete sich Richard von seiner Folterbank. »Ich habe ihnen schon vergeben. Fitzalan und all jene, die mich an Henry verraten haben, sind die wahrhaft Schuldigen. Diese Männer dort führen nur ihre Befehle aus. Ich hoffe inständig, dass es bald zu Ende ist und man dir und deinem Sohn ein weniger furchtbares Ende bereitet. Hab Dank, Bruder, dass du mich nicht wie so viele andere vergessen hast. Im Angesicht Gottes sehen wir uns wieder!«

»Wohl eher in der Hölle. Jetzt jammerst du, Richard. Dabei hattest du selbst früher nie Skrupel, ein Todesurteil zu unterzeichnen. So wie das meines Vaters, erinnerst du dich? Es wird mir ein Vergnügen sein, dich endlich in die Hölle zu schicken, Sire!«

Das letzte Wort stieß Fitzalan hervor, als wäre es kein Ehrentitel, sondern etwas unaussprechlich Obszönes.

»Lass wenigstens meinen Sohn Richard gehen!«, flehte John Holland. »Er muss das nicht sehen, und so kannst du sein Leben verschonen, Thomas. Ihr beide wart doch einmal Freunde!«

Eine eisenbehandschuhte Hand landete im Gesicht des Earls und brach ihm die Nase.

»Sir Thomas heißt das, habe ich dir gesagt. Und nein, wir waren nie Freunde. Man verbrüdert sich nicht mit der Brut seiner Feinde. Wenn du das geglaubt hast, ist meine Verstellung damals noch besser gelungen, als ich dachte. Das Jüngelchen kann ruhig miterleben, wie es im wahren Leben zugeht. Pass schön auf, was mit deinem Onkel und später mit deinem Vater geschieht, Richard. So etwas bekommst du nicht alle Tage zu sehen. Und nun lasst uns endlich beginnen. Der Kastellan erwartet mich zum Abendmahl, und ich will ihn nicht unnötig warten lassen.«

Einer der Henkersknechte griff nach dem Stierhorn und setzte es am After des Königs an. Ein langgezogener Schmerzensschrei entfuhr dem auf der Bank Festgebundenen, als sich der behelfsmäßige Trichter durch den Schließmuskel bohrte.

»Vorsichtig!«, mahnte Fitzalan den Henkersknecht. »Denk daran, es dürfen keine äußeren Verletzungen zu sehen sein.«

»Jawohl, Mylord«, knurrte der Mann und trieb das Horn nun durch Drehbewegungen tiefer in den Darm des wie am Spieß schreienden Todgeweihten. Der junge Holland hatte die Augen fest geschlossen und hätte sich am liebsten noch die Hände auf die Ohren gedrückt, wären sie nicht gebunden gewesen. Sein Vater hingegen presste so fest die Zähne aufeinander, dass das Knirschen trotz des Geschreis des Gefolterten zu hören war.

Als das Horn zu mehr als der Hälfte im hochgestreckten Gesäß des Königs steckte, nickte Fitzalan dem zweiten Henkersknecht zu. Der nahm vorsichtig den Kessel vom Feuer, trat an die Folterbank und schüttete über eine Tülle das flüssige, kochende Blei in das Horn.

Noch einmal brüllte Richard auf – sein Schrei hatte nichts Menschliches mehr an sich. Arme und Beine zuckten unkontrolliert, dann war es vorbei. Die Glieder erschlafften, der angehobene Kopf sank auf das Holz der Folterbank – der König war tot.

Alle Anwesenden hatten in den letzten Momenten Richards die Luft angehalten und atmeten jetzt tief aus. Es stank nach verbranntem Fleisch und Erbrochenem, denn einige der Wachen und auch der junge Holland hatten sich übergeben müssen.

Fitzalan selbst trat an die Leiche heran und drehte vorsichtig das Horn aus dem After des Verstorbenen. Als er feststellte, dass äußerlich keine Verletzungen zu sehen waren, grinste er zufrieden.

»Richtet ihn ansehnlich her, bekleidet ihn und übergebt ihn morgen den Priestern, auf dass sie ihn würdig in der Kapelle bestatten. Das zumindest ist der Wunsch des Königs. Sollten sie fragen, woran er gestorben ist, zuckt einfach mit den Schultern. Auch Schwermut kann einen Mann umbringen. Mehr braucht niemand zu wissen.«

»Was soll mit den beiden geschehen, Mylord?«, wollte der Hauptmann der Wache wissen und zeigte auf Vater und Sohn.

»Mit meinem ehemaligen Ziehvater werden wir uns hier unten etwas beschäftigen, bevor wir in zwei Tagen nach Westminster zurückkehren. Zum Schluss wird er wie die anderen Beteiligten des Aufstandes enthauptet. Den Jungen nehmt mit nach oben. Verprügelt ihn, quält ihn, macht ihn zu eurer Hure, wenn ihr wollt. Schließlich hat er ja zumindest eine hübsche Larve, und was man in einen Hintern so alles hineinstecken kann, habt ihr ja gerade gesehen. Aber bringt ihn nicht um. Schließlich ist er ein Neffe des Königs, und ich weiß nicht, wie Henry reagiert, wenn er unter meiner Ägide zu Tode kommt. Bei seinem Vater habe ich freie Hand, doch Richard sollte noch leben, wenn wir Pontefract verlassen. Was später mit ihm geschieht, ist mir gleichgültig.«

»Du Satan, das wirst du bereuen!«, schrie der junge Holland den Earl of Arundel an. »Eines Tages räche ich mich an dir für das, was du mir und meiner Familie antust. Ich schwöre, dass ich nicht eher ruhen werde, bis ich dich ebenso grausam umgebracht habe wie du gerade Onkel Richard.«

Fast mitleidig lächelte Fitzalan auf den Knappen herab.

»Glaub mir, Junge, wenn wir mit dir fertig sind, rächst du dich an niemandem mehr. Es gibt verschiedene Arten, einen Mann zu brechen. Und du wirst keiner mehr sein, wenn wir von hier aufbrechen.«

Als John Holland hörte, welches Schicksal seinen ältesten Sohn erwartete, warf er sich trotz seiner Fesseln auf die Wachen. Sein Ziel war es, sein ehemaliges Mündel bei der Kehle zu packen und zu erwürgen, denn das wäre ihm auch mit zusammengebundenen Händen möglich. Eine schier übermächtige Kraft durchströmte den alten Earl von einem Moment zum anderen und ließ ihn nach vorne schnellen. Doch bevor er den Mörder seines Bruders erreichte, schlug ihm eine der Wachen von hinten einen Schwertknauf über den Schädel, so dass John Hollands letztes Aufbäumen mit seinem Sturz auf den dreckigen, von Blut und Exkrementen besudelten Boden des Folterkellers endete. Das Letzte, was er sah, bevor ihn eine gütige Ohnmacht umfing, war, wie man seinen Sohn aus der Kammer schleifte.

Als der Earl of Arundel zwei Tage später Pontefract Castle Richtung Süden verließ, wurde der Kopf John Hollands auf einem Spieß vor der Truppe hergetragen, die ausgeschickt worden war, ihn zu fangen. Sein Sohn hingegen lag wimmernd, gebrochen und zutiefst in seiner Ehre verletzt auf einem der Trosswagen. Gehen oder gar reiten konnte Richard Holland nicht mehr.

Dartington Hall, Devon, Februar 1400

Oberhalb des Tales des Dart, umgeben von blühenden Gärten und Obsthainen, lag das Landgut Dartington Hall, das John Holland anlässlich seiner Ernennung zum Duke of Exeter von seinem Bruder Richard übereignet worden war. Sogleich hatte er es zu seiner bevorzugten Residenz erkoren, da er es passender fand, seine Kinder auf dem Gut inmitten dieser lieblichen Flusslandschaft anstatt in einer seiner vielen zugigen und düsteren Burgen aufwachsen zu lassen. Wenn Gefahr drohte, könnte man sich immer noch in eine von ihnen zurückziehen. Natürlich wurde auch dieser Landsitz von einer Ringmauer, von Türmen und einem Torhaus geschützt, aber im Inneren ähnelte er mehr einem der neuerdings überall vom Hochadel und sogar reichen Bürgern errichteten Paläste als einer Festung.

Während Johns Abwesenheit führte seine Gemahlin, Elizabeth of Lancaster, mit fester, sicherer Hand das Kommando und hielt die Stellung. Seit Wochen hatte sie nichts mehr von ihrem Gemahl gehört und machte sich große Sorgen um ihn. Natürlich war ihr nicht verborgen geblieben, dass es eine Verschwörung gegen ihren Bruder, König Henry, gegeben hatte. Daher hielt sie ihre Vermutung, dass ihr Gatte, der vom neuen Herrscher auf Englands Thron weitestgehend enteignet und kaltgestellt worden war, sich daran beteiligt hatte, für äußerst wahrscheinlich. Sie wollte nicht einmal ausschließen, dass er sogar einer der Rädelsführer des geplanten Mordanschlages gewesen war.

Elizabeth war hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu ihrem Ehemann und zu ihrem Bruder. Auf welche Seite sollte sie sich stellen, hatte sie sich in vielen, langen, schlaflosen Nächten gefragt. Was erwartete man von ihr? Ihren Gemahl John liebte sie mit all ihren Sinnen, seit sie ihn überstürzt und gegen den Willen ihrer Familie vor vierzehn Jahren geheiratet hatte. Mit ihm verbanden sie auch ihre fünf gemeinsamen Kinder, zwei Töchter und drei Söhne, der jüngste gerade einmal ein Jahr alt.

Henry hingegen war viele Jahre im Exil in Frankreich gewesen, und sie hatte ihn erst anlässlich seiner Krönung in Westminster wiedergesehen. Trotzdem wäre es ihr ein Greuel gewesen, hätten die Verschwörer Erfolg gehabt und ihren Bruder womöglich gar umgebracht. Wenn doch wenigstens ihr Vater noch am Leben wäre! Der hätte ihr sicher raten und wie so oft zwischen den verfeindeten Parteien vermitteln können. Doch John of Gaunt, der legendäre Duke of Lancaster, war vor einem Jahr ganz plötzlich verstorben. Seither fühlte sich Elizabeth oft einsam und verlassen.

Fast war es daher eine Erleichterung, wenn auch gleichzeitig Furcht nach ihr griff, als die Torwache eine Gruppe Bewaffneter, über der das königliche Banner wehte, meldete. Sie wurden angeführt von Thomas Fitzalan, ihrem ehemaligen Mündel und jetzigem Earl of Arundel.

Ihren jüngsten Sohn Edward auf dem Arm und den sechsjährigen John an der Hand, eilte Elizabeth durch die große Halle, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Vielleicht erhielte sie nun endlich Nachricht über das Schicksal ihres Gemahls, den sie schmerzlich vermisste. Nichts war schlimmer als nagende Ungewissheit. Natürlich hätte sie auch direkt bei ihrem Bruder nachfragen können, doch davor hatte sie sich aufgrund der völligen Ungewissheit, in der sie sich befand, und der zwischen ihnen herrschenden Entfremdung gescheut.

Auf der obersten der fünf Stufen, die von der großen Halle des prächtigen Landsitzes in den Hof hinabführten, blieb sie stehen und wollte gerade ihren ehemaligen Ziehsohn willkommen heißen, als ihr das Herz stehenzubleiben drohte.

Ein Fähnlein Reiter und ein Fuhrwerk hatten den Earl of Arundel begleitet, und gerade als Elizabeth zu sprechen anheben wollte, warfen zwei Kriegsknechte ihren ältesten Sohn Richard wie einen Sack fauliger Wolle von der Ladefläche des Wagens auf den gepflasterten Vorhof. Nur das Stöhnen, das ihm die grobe Behandlung seines geschundenen Körpers entlockte, zeigte, dass noch Leben in ihm war.

Um ein Haar hätte Elizabeth den Knaben auf ihrem Arm fallen gelassen, so sehr fuhr ihr der Schreck in alle Glieder. Im letzten Moment fing sie sich glücklicherweise noch, ließ John los, reichte den kleinen Edward einer hinter ihr stehenden Dienstmagd und eilte die Treppe hinunter zu ihrem ältesten Sohn. Sie kniete neben ihm nieder, strich zärtlich über seine Wange und fasste ihn dann unter den Achseln. Von den Knechten und Wachen war weit und breit nichts zu sehen. Offenbar hatten sie es vorgezogen, das Weite zu suchen, anstatt der Hausherrin beizustehen.

Mühsam versuchte Richard, sich aufzurichten. Er fand es eines angehenden Ritters für unwürdig, sich von seiner Mutter auf die Beine helfen lassen zu müssen. Doch immer wieder knickten sie unter ihm weg, und letztlich gab er auf, so wie in den vielen Tagen zuvor, und blieb einfach liegen.

Wutentbrannt richtete Elizabeth sich auf, und ihre Augen funkelten wie die einer Löwin bei Nacht.

»Du Ungeheuer, was hast du meinem Sohn angetan?«, fuhr sie Thomas Fitzalan an. Der thronte, über das ganze Gesicht grinsend, auf seinem Pferd und gab sich nicht die geringste Mühe, seine Befriedigung über das unwürdige Schauspiel zu verbergen.

»Weniger als Eurem werten Herrn Gemahl, Mylady. Dessen Kopf ziert jetzt neben denen der anderen Verräter die London Bridge. Demgegenüber ist Euer Sohn noch glimpflich davongekommen. Schließlich haben beide versucht, den abgesetzten König Richard zu befreien.«

Vor Entsetzen schlug Elizabeth die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien.

»Kennt mein Bruder denn gar keine Gnade?«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme. Wie eine Bittstellerin blickte sie zu dem über ihr auf seinem mächtigen Streitross sitzenden jungen Mann empor.

»Hätten die Verschwörer denn welche geübt, wären sie seiner habhaft geworden? Wohl kaum. Ihr solltet lieber Eurem Bruder danken, dass Euer Sohn noch am Leben ist. Wäre es nach mir gegangen, steckte sein Kopf jetzt neben dem seines Vaters.«

»Was bist du nur für ein Scheusal geworden, Thomas? Hast du nicht in diesem Hause mit uns gelebt, und haben wir dich nicht behandelt wie unseren eigenen Sohn?«

»Da gehen unsere Erinnerungen ganz offensichtlich auseinander, Mylady, wie ich schon Eurem werten Herrn Gemahl vor seinem Ableben gesagt habe. Doch heute bin ich der Earl of Arundel. Die Güter und Titel der Hollands hingegen sind von der Krone eingezogen worden.«

»Das glaube ich nie im Leben! Mein Bruder wird seine Nichten und Neffen nicht ins Elend stoßen. Und mich schon gar nicht! Das hast du dir nur in deiner Bosheit ausgedacht, Thomas. Und für das, was du Richard angetan hast, wirst du dich zu verantworten haben. Dafür werde ich sorgen!«

»Sir Thomas, wenn ich bitten darf, Mylady. Ihr werdet bald Gelegenheit haben, bei Eurem Bruder vorstellig zu werden, denn er befiehlt Euch nach Westminster an seine Seite, um Euch einen neuen Gemahl auszuwählen. Es ist Euch ausdrücklich verboten, um Euren verstorbenen Gatten zu trauern. Habt Ihr das verstanden? Eure beiden Töchter werden zu den Familien in Obhut gegeben, deren Söhnen sie versprochen sind. Die Earls of Norfolk und Oxford sind treue Gefolgsleute des Königs und werden sich schon um ihre Erziehung kümmern. Euren Söhnen hingegen hat Henry in seiner unermesslichen Güte den Stammsitz ihrer väterlichen Familie belassen und mich beauftragt, sie dorthin zu begleiten. Sie werden dort dem Reeve übergeben, der sie zu anständigen Männern erziehen soll. Bei harter Arbeit in den Sandsteinbrüchen und Ziegeleien wird ihm das zweifelsohne gelingen.«

»Dieses Schicksal habt Ihr für meine Söhne vorgesehen? In dieses armselige Nest am Ende der Welt sollen sie verbannt werden und sich zu Tode schuften? Nach Upholland, irgendwo im Nirgendwo in Lancashire, nahe der Irischen See und Wales? Niemals!«

»Euer Widerspruch wird Euch nichts nützen, Mylady. Ich habe meine Befehle und werde sie getreulich befolgen. Das solltet Ihr besser auch tun, wollt Ihr Euren Bruder nicht vollends verärgern. Packt Eure Habe zusammen, dieses Landhaus hier ist ebenfalls konfisziert. In einer Stunde brechen wir auf. Ihr mit der königlichen Eskorte nach Westminster, ich mit Euren Söhnen nach Upholland.«

»Ihr wollt wirklich eine Mutter von ihren Kindern trennen? John ist gerade einmal sechs, Edward hier erst ein Jahr alt!«

»Das ist mir völlig gleichgültig. So lautet der Befehl des Königs. Von mir aus kann eine Magd den Kleinen begleiten, ich bin ja kein Unmensch. Aber die Zeit drängt. Besser, Ihr sputet Euch.«

Elizabeth, bisher von ihrer Auseinandersetzung mit Thomas Fitzalan völlig in Anspruch genommen, sah sich suchend nach ihren Söhnen um. Edward fand sie in den Armen der Amme, die ihn offenbar in einem Sturzbach von Tränen ertränken wollte. Natürlich hatte der Kleine in das Geflenne eingestimmt, so dass seine Mutter glaubte, dass ihr aufgrund der schrecklichen Ereignisse und des Geschreis gleich der Schädel platzen würde. John hingegen sah sie neben Richard knien und vorsichtig mit einem nassen Lappen über dessen völlig zerschlagenes und geschwollenes Gesicht fahren. So viel Umsicht hätte sie ihrem Zweitältesten noch gar nicht zugetraut.

Während Fitzalan mit seinen Männern endlich absaß und die königlichen Ritter nach Stallburschen brüllten, die ihre Pferde versorgen sollten, gelang es Elizabeth mit Johns Hilfe, Richard in die Halle zu bringen und in einen der großen Lehnstühle zu setzen. Das Gesinde war gleich aufgeschreckten Hühnern aus Angst vor den Ankömmlingen auf und davon geflattert und hatte seine Herrin in dieser schweren Stunde völlig allein gelassen.

Kurz nach Elizabeth betrat auch Thomas Fitzalan die Halle. Im Gehen streifte er die Handschuhe ab und sah sich aufmerksam um. Als sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht breitmachte, wusste Elizabeth so sicher, was er dachte, als hätte er es ausgesprochen. Bestimmt würde er nach seiner Rückkehr aus Upholland ihren Bruder darum bitten, ihm das Landgut zu übereignen. Ein Wunsch, den Henry dem Earl of Arundel nach all dem, was dieser in letzter Zeit für ihn getan hatte, sicher nicht abschlagen würde.

»Kate, lauf und pack ein paar Gewänder für meine Söhne zusammen«, herrschte Elizabeth die Amme an, die als Einzige bei ihr geblieben war. »Viel werden sie nicht brauchen, denn der Spuk wird schnell vorüber sein. Spätestens wenn ich mit meinem Bruder gesprochen habe. Und sag im Stall Bescheid, dass sie meinen Zelter satteln. In ein paar Tagen bin ich zurück, und dann wird alles wieder so sein wie früher.«

Bis auf die Tatsache, dass sie ihren Gemahl, an dessen Seite sie viele glückliche Jahre verbracht hatte, niemals wiedersehen würde und noch nicht einmal an seinem Grab um ihn weinen durfte. Oh John, dachte sie mit wehem Herzen, aber auch voller Wut, warum hast du mir das nur angetan? Konntest du dich nicht mit dem begnügen, was uns geblieben ist? Nur Earl of Huntingdon zu sein, ist schließlich keine Schande! Ich wäre gern deine Countess gewesen, den Titel einer Duchess of Exeter habe ich nie gebraucht. Was soll nur jetzt aus mir und unseren Kindern werden? Hast du daran einmal gedacht, bevor du dich mit anderen gegen meinen Bruder verschworen hast?

»Dass Ihr Euch da mal nicht täuscht, Mylady.« Thomas Fitzalans Stimme riss Elizabeth aus ihren Gedanken. Der junge Earl hatte sich, ohne um Erlaubnis zu bitten, an der Tafel niedergelassen und fühlte sich offenbar wie zu Hause. Mit leger übereinandergeschlagenen und auf den Tisch gelegten Beinen schnippte er mit den Fingern nach einer Dienstmagd. »So wie ich den König verstanden habe, hat er bereits einen Gemahl für Euch ausgewählt, der Euch schnell auf andere Gedanken bringen wird. Und Eure Söhne werdet Ihr so schnell nicht wiedersehen. Zumindest nicht in den nächsten Jahren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Euer Bruder seine einmal verkündeten Beschlüsse widerruft. Denn ein solches Anzeichen von Schwäche erkennen zu lassen – und wäre es auch nur der eigenen Schwester gegenüber –, ist wohl das Letzte, was er sich so kurz nach seiner nicht gänzlich unumstrittenen Krönung leisten kann. Und jetzt hätte ich gern etwas Wein, aber vom besten, wenn ich bitten darf.«

Elizabeth wurde auf einmal übel. Was wäre, wenn Fitzalan recht hatte und Henry sich nicht erweichen ließe? Würde er sie wirklich dazu zwingen, einen Mann zu heiraten, den sie nicht wollte, und sie ihre Kinder niemals wiedersehen? Bis zu ihrem letzten Atemzug werde ich dagegen kämpfen, schwor sie sich. Und wenn es das Letzte ist, was ich auf dieser Welt tue.

 

John hatte inzwischen einen Becher Brühe, etwas Brot und Fleisch aus der Küche geholt und fütterte nun seinen älteren Bruder mit viel Geduld und Hingabe. Er hatte nicht alles verstanden, was die Erwachsenen sich an den Kopf geworfen hatten, aber der Zustand seines Bruders erschreckte ihn über alle Maßen. Nicht so sehr das verunstaltete Gesicht, denn so hatten sie auch schon einige Male ausgesehen, wenn sie groben Unfug angestellt und der Vater sie dabei erwischt hatte. Aber die völlige Apathie des Älteren ängstigte ihn. In dessen Augen war das Feuer erloschen, und er wirkte, als hätte er jeden Lebensmut verloren.

Zuerst hatte Richard die Speisen verweigert. Doch der Appetit kam mit dem Essen, und bald stopfte er heißhungrig Bissen um Bissen in sich hinein, während ihn seine Mutter auf Verletzungen abtastete. Offenbar hatte sich ihr Sohn nichts gebrochen, auch wenn sein ganzer Körper aus einem einzigen Bluterguss zu bestehen schien. Er konnte auch nicht richtig sitzen, sondern lag eher seitlich in dem Stuhl, als hätte er große Schmerzen im Gesäß. Als Elizabeth in das wissend grinsende Gesicht von Fitzalan blickte, ahnte sie, was man ihrem Ältesten angetan hatte. Mit einem Wutschrei ergriff sie das Messer, mit dem John das Fleisch zerteilt hatte, und stürzte sich auf ihr ehemaliges Mündel.

Der junge Earl wehrte den Angriff lachend ab, packte Elizabeths Arm und drehte ihr das Handgelenk um, so dass sie die kümmerliche Waffe mit einem Schmerzensschrei fallen ließ.

»Ich sehe, Ihr habt begriffen, auf welche Weise wir Eurem Sohn Ehre und Würde genommen haben, Mylady. Aus dem wird im Leben kein Ritter mehr. Solche Demütigungen vergisst ein Mann bis ans Ende seiner Tage nicht. Vielleicht nehmen wir uns auf die gleiche Art auch Eure anderen beiden Buben vor, wenn sie alt genug dafür sind. Wer einmal zu einem willigen Weib gemacht worden ist, der hat kaum mehr das Bedürfnis nach Rache und Vergeltung. Und wir wollen doch beide nicht, dass Eure beiden jüngeren Söhne womöglich auf dumme Gedanken kommen, oder?«

»In der Hölle werdet Ihr für Eure Untaten schmoren, Thomas! Ich hoffe, dass ich den Tag noch erlebe und auf Euer Grab pissen kann. Ich schwöre Euch, Ihr werdet für das bezahlen, was Ihr meiner Familie angetan habt. Sollte ich hören, dass einem meiner Kinder in Upholland ein Leid geschieht, schaut zukünftig besser ständig über Eure Schulter. Denn sollte mein Bruder mir dann nicht beistehen und Euch zur Rechenschaft ziehen, werde ich Mörder dingen, die Euch zum Teufel schicken, wenn Ihr am wenigsten damit rechnet. Vielleicht in Eurer Hochzeitsnacht, vielleicht an dem Tag, an dem man Euch in den Hosenbandorden aufnimmt. Lasst meine Söhne in Ruhe, ich warne Euch! Selbst wenn ich völlig mittellos sein sollte, würde ich mich als Hure verkaufen, nur um das Geld für die Männer zusammenzubringen, die Euch töten werden. Ihr tut gut daran, meinen Worten Glauben zu schenken, denn noch nie zuvor war mir etwas so ernst in meinem Leben.«

»Welch wenig damenhafte Rede, Mylady«, spottete Fitzalan, obwohl es ihm dabei kalt den Rücken herunterlief. Elizabeth war eine Lancaster und stammte damit aus dem Geschlecht derer, die jetzt England regierten. Er stand zwar im Dienst und damit unter dem Schutz ihres Bruders, des Königs, aber sie hatte Halbgeschwister, Onkel und Tanten, die mächtig waren, einflussreiche Posten bekleideten und wichtige Ämter innehatten. Sie könnten einem jungen Earl wie ihm leicht das Leben zur Hölle machen, und wie lange Henry sich seiner Familie widersetzen würde, wenn von deren Seite ständig Gift gegen die Fitzalans in sein Ohr geträufelt wurde, stand in den Sternen. Besser, man reizte die wütende Löwin nicht noch mehr und ließ deren Kinder wenigstens so lange in Ruhe, wie sie in deren Nähe war.

Fast sanft drückte Thomas seine ehemalige Ziehmutter, die er bisher an den Schultern festgehalten hatte, von sich weg und erhob sich.

»Die Zeit, die ich Euch gegeben habe, ist so gut wie verstrichen, Mylady. Setzt den Kleinen mit der Amme und Richard auf den Wagen. John hat junge Beine, er kann nebenherlaufen. Dann nehmt Abschied voneinander, so, wie es der König befohlen hat. Aber sputet Euch, denn ich gedenke nicht, mich länger hier aufzuhalten als unbedingt nötig. Der Eskorte, die Euch zu Eurem Bruder geleiten soll, wird es nicht anders gehen. Versucht gar nicht erst, deren Befehlshaber zu umgarnen, es wird Euch nichts nutzen. Er ist mir und seinem König treu ergeben und hält nicht viel von Frauen, auch wenn sie hochgeboren sind.«

Wenn Blicke töten könnten, wäre Fitzalan auf der Stelle wie von zahlreichen Dolchen durchbohrt zu Boden gesunken. Doch bevor es Elizabeth irgendwelchen Kriegsknechten überließ, ihre Kinder wie Säcke auf den Wagen zu werfen, geleitete sie diese lieber selbst dorthin. Die Amme hatte sich bereit erklärt, den kleinen Edward zu begleiten, was eine unendliche Last von Elizabeths Schultern nahm.

Richard, gestützt auf seine Mutter und den jüngeren Bruder, erklomm voller Schmerzen das Fuhrwerk. Er bemühte sich tapfer um Haltung, doch so richtig gelingen wollte es ihm nicht. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter, auf denen der erste Bartflaum spross. Der junge Mann wusste, dass sich sein Leben, wie es ihm als einem Ritter des Königs und späterem Duke of Exeter vorherbestimmt gewesen war, in Luft aufgelöst hatte. Fitzalan würde sich nicht scheuen, seine Schande landauf, landab wie auch bei Hofe zu verbreiten, und ihm so auf alle Zeiten den Weg zurück in die adelige Gesellschaft, der er angehörte, unmöglich machen. Auch als seine Mutter ihn in den Arm nahm, vermochte ihn das nicht zu trösten. Er wandte sich ab, vergrub sein Gesicht in der Armbeuge und ließ der Verzweiflung und dem Schluchzen, die beide tief in seiner Brust saßen, freien Lauf.

Es war kein Wunder, dass der kleine Edward und auch seine Amme mit einstimmten, so dass zuletzt nur John tränenlos vor seiner Mutter stand und von allen vier den gefasstesten Eindruck machte. Elizabeth beugte sich zu ihm hinab und strich ihm sanft über das Haar.

»Leb wohl, John. Wir werden uns jetzt eine Weile nicht sehen«, sagte sie mit belegter Stimme. »Aber du sollst wissen und darauf vertrauen, dass ich euch niemals vergessen werde. Ich werde alles daransetzen, euren Onkel davon zu überzeugen, dass er uns wieder zusammenkommen lässt. So lange musst du sowohl meine als auch die Stelle deines Vaters einnehmen und dich um deine Brüder kümmern, hörst du? Richard ist krank und Edward noch so klein. Du bist jetzt derjenige in unserer Familie, der die Aufgabe hat, sie zu beschützen. Ich weiß, dass du es schaffen wirst, mein Sohn.«

»Aber ich sollte doch als Schildknappe an den Hof des Earls of Norfolk«, begehrte der Junge auf. »Vater hatte es mir versprochen. Gleich nach seiner Rückkehr wollte er mich zu Lord Mowbray bringen!«

»Daraus wird wohl vorläufig nichts werden, mein Sohn. Aber ich verspreche dir, wenn ich mit meinem Bruder gesprochen und ihn versöhnt habe, hole ich euch alle drei an den Hof. Vielleicht nicht gleich, aber sobald ich kann. Bis dahin verlasse ich mich auf dich. Gib mir die Hand drauf und dann einen Kuss. Sei ein lieber Junge, John.«

Den Handschlag verweigerte der Junge der Mutter nicht, aber von dem Kuss und den tränenfeuchten Wangen fühlte er sich peinlich berührt. Fast war er froh, als sich das Fuhrwerk rumpelnd in Bewegung setzte und er mit langen Schritten nebenherlaufen musste. Das machte ihm nichts weiter aus, denn die beiden massigen Percherons gingen mit kurzen Tritten in den Sielen. Er musste nur aufpassen, dass er den Ritterpferden, die unwillig tänzelten, weil sie das langsame Tempo verabscheuten, nicht unter die Hufe geriet.

Im Torhaus wandte John sich um und winkte seiner Mutter aufmunternd zu. Noch war dies alles ein großes Abenteuer für ihn, denn sein kindlicher Verstand konnte nicht begreifen, was soeben passiert war. Wäre er an den Hof des Earls of Norfolk gegangen, hätte er sich gleichfalls von seinen Eltern trennen müssen. Nun ging es eben woandershin, und er war gespannt, was ihm die Zukunft bringen würde.

Upholland, Lancashire, Februar–September 1400

John Holland verlor schon bald die Lust am Laufen. Es war etwas völlig anderes, bei der Heuernte neben einem Ladewagen herzugehen und ab und zu spielerisch ein paar Halme hinaufzuwerfen, als stundenlang auf schlechten, aufgeweichten Straßen einem Fuhrwerk folgen zu müssen. Als ihn auch Fußtritte nicht mehr voranbrachten, und er immer öfter stürzte und kaum noch auf die Beine kam, erlaubte Fitzalan endlich, dass auch er auf den Wagen gesetzt wurde. Doch schon am nächsten Tag musste er wieder bis zur völligen Erschöpfung durch den eisigen Nieselregen marschieren, der in nassen Schneefall überging, je weiter sie nach Norden kamen. Auch sein größerer Bruder hatte nur wenige Tage Schonzeit bekommen und schleppte sich auf Geheiß von Fitzalan nun ebenfalls neben dem Wagen her. Als sie nach mehr als zwei Wochen endlich ihren Bestimmungsort erreichten, waren die beiden Jungen völlig abgemagert und am Ende ihrer Kräfte.

Upholland, nicht ganz fünf Meilen westlich der alten Handelsstadt Wigan gelegen, war ein verschlafenes Nest auf einem Hügel im äußersten Norden von Lancashire, von dem aus man bei klarem Wetter das Meer sehen konnte. Einen halben Tagesmarsch entfernt, das Tal des Douglas River hinunter, gab es noch Downholland, das aber nur aus ein paar Hütten von Unfreien und einigen wenigen Freibauernhäusern bestand. Upholland hingegen, aus dem die Familie Holland stammte und aus einer Freisass hervorgegangen, war zumindest der Sitz eines königlichen Reeves und besaß ein kleines Dominikanerkloster.

Robert Holland, wegen seiner Tapferkeit in den Kriegen gegen die Schotten vom Landmann zum Ritter und später sogar zum erblichen Baron erhoben, hatte vor fast hundert Jahren eine Kapelle gestiftet, die St. Thomas dem Märtyrer geweiht worden war und die Keimzelle der Abtei darstellte.

Sein Sohn Thomas war ein gefeierter Turnierstreiter gewesen. Durch seine Heirat mit der erst zwölfjährigen Joan of Kent brachte er es zum Earl of Kent, auch wenn diese Hochzeit anfangs geheim gehalten werden musste, da die Eltern der Braut andere Pläne mit dem Mädchen gehabt hatten. Später wurde die Ehe vom Papst legalisiert und eine zwischenzeitliche, erzwungene Verbindung Joans mit dem Earl of Salisbury annulliert. Sie schenkte ihrem Gemahl fünf Kinder, unter anderem John Holland, den späteren ersten Duke of Exeter. Nach dem frühen Tod ihres Gatten heiratete sie dann den Schwarzen Prinzen, den erstgeborenen Sohn König Edwards III., und gebar diesem den nunmehr so grausam getöteten König Richard.

Die Aktivitäten der Familie Holland verlagerten sich nach der Eheschließung von Thomas und Joan in den Süden, so dass die Verbindungen zum alten Stammsitz nahezu abrissen. Im ehemaligen Herrenhaus – eine Burg hatte es hier nie gegeben – residierte nun der Reeve, der die Einkünfte aus der Baronie zwar regelmäßig an das jeweilige Familienoberhaupt schickte, selbst aber noch nie einen Holland zu Gesicht bekommen hatte.

Vor dem Wohnsitz des Amtsträgers ließ Fitzalan halten, wo er untertänigst von Sir John Lovel of Titchmarsh begrüßt wurde, dem die Ankunft des hohen Gastes bereits gemeldet worden war. Ohne Sir John eines Blickes zu würdigen, stiefelte Fitzalan in die Halle, ließ sich schwer seufzend auf den einzigen Stuhl fallen, so als hätte er unsagbare Strapazen zu erdulden gehabt, und verlangte nach Wein. Der Verwalter war ihm dienernd gefolgt, scheuchte eine Magd in den Keller, um das Gewünschte zu holen, und näherte sich dann dem hohen Gast, wobei er seine Mütze mit beiden Händen nervös vor dem Bauch drehte.

»Was verschafft uns die unerwartete Ehre, Euch hier in unserer abgelegenen Gegend begrüßen zu dürfen, Mylord?«, wagte er endlich zu fragen und damit das allgemeine Schweigen zu brechen.

Thomas Fitzalan zeigte auf Richard, John und die Amme, die den kleinen Edward auf dem Arm hielt, der ganz gegen seine sonstige Gewohnheit einmal nicht aus vollem Hals schrie, sondern aufmerksam die ihm fremde Umgebung betrachtete. Die aus ihrer bisherigen Heimat Verschleppten standen schüchtern und verängstigt neben der Tür und harrten der Dinge, die auf sie zukommen würden.

»Ich bringe die Hollands zu ihren Stammlanden zurück. Wie Ihr sicher wisst, war unser jetziger König in jungen Jahren gezwungen, in die Verbannung gehen. Ohne Geld und fern seiner Familie darbte er im Exil und musste, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, viele Dinge tun, die seinem Stand nicht angemessen waren. Und so soll es nun auch seinen Feinden ergehen. Er hat allerdings in seiner unermesslichen Güte beschlossen, sie nicht aus dem Land zu jagen, sondern sie in entlegene Regionen seines Reiches zu verbannen, um sie besser kontrollieren zu können.«

»Das sind keine Feinde, das sind Kinder!«, hörte Fitzalan plötzlich eine resolute Stimme hinter sich. Als er sich umwandte, sah er eine Matrone, deren Körperumfang den seinen um das Dreifache übertraf. Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt und musterte ihn streng aus zusammengekniffenen Augen.

»Meine Gemahlin Maud«, beeilte sich John Lovel, seine Frau vorzustellen.

»Mylady«, Fitzalan deutete eine Verbeugung an, ohne sich zu erheben, »auch für Euch sollte das Wort des Königs Gewicht haben. Die Hollands sind hier, um für die Verbrechen ihres Vaters zu büßen. Sie werden auf dem Land, das einmal ihrer Familie gehörte und nun an die Krone zurückgefallen ist, hart arbeiten, um den Reichtum des Königs zu mehren. Sollten sie sich bewähren und über die Jahre ihre Königstreue unter Beweis stellen, wird Henry sich vielleicht – aber auch nur vielleicht – gnädig zeigen und ihnen eines Tages einen Teil ihres ehemaligen Besitzes zurückgeben. Schließlich sind es seine Neffen, sie sollen nicht aller Hoffnung beraubt werden.«

»Dann will ich Euch jetzt einmal etwas sagen, Mylord. Ich selbst stamme ebenfalls aus dem Geschlecht der Hollands und bin wie alle Mitglieder dieser Familie bisher stets königstreu gewesen. Viele Herrscher waren in diesen bescheidenen Mauern schon zu Gast und haben sich nie über die Vasallen aus unserem Haus beschweren müssen. Aber sie haben sich auch, wie es sich für einen Lehnsherrn gehört, in der Not immer vor ihre Lehnsnehmer gestellt. Diese Tugend scheint nun abhandengekommen zu sein. Ich finde es abscheulich, dass ein Onkel seine Neffen für die Treue ihres Vaters zu seinem Bruder bestraft. Und das werde ich Henry auch jederzeit ins Gesicht sagen, falls er einmal hierherkommt. Von seinem Vater, dem Duke of Lancaster, hat er das jedenfalls nicht. Das war ein feiner Mann!«

Fitzalan war bei den Worten der Hausherrin der Unterkiefer heruntergeklappt. So hatte er noch nie jemanden über seinen König sprechen hören. In seinen Augen waren diese Worte der reinste Hochverrat. Doch bevor er etwas erwidern konnte, hatte bereits der Reeve seine Frau beim Ärmel gepackt und zischte ihr zu: »Maud, bist du verrückt geworden? Du redest uns alle um Kopf und Kragen. Entschuldige dich bei Seiner Lordschaft, aber sofort, und versichere Sir Fitzalan, dass wir all seine Befehle getreulich befolgen werden.«

»Ich denke ja gar nicht daran! Der Junge da ist fast noch ein Säugling. Was für eine Arbeit sollte er Henrys Vorstellung nach denn verrichten? Das würde ich wirklich gern wissen! Und der andere, ein Knabe von höchstens sechs Jahren, ist, wie man sieht, ebenso wie sein älterer Bruder am Ende seiner Kräfte. Wir werden die drei also erst einmal gründlich aufpäppeln müssen, sollen sie uns nicht unter der Hand krepieren. Danach werden wir weitersehen.«

Jetzt fuhr Thomas Fitzalan wie von der Tarantel gestochen auf.

»Ihr werdet tun, was ich Euch befehle, Mistress, sonst zieht Ihr Euch den Zorn des Königs zu und verliert selbst schneller Euer Heim, als Ihr bis drei zählen könnt! Habt Ihr das nun verstanden? Der dort«, der Earl zeigte mit der Reitgerte auf Richard, »wird in den Sandsteinbrüchen arbeiten. Dafür ist er wahrlich alt genug. Der andere«, jetzt war John dran, »soll vorläufig den Zieglern zur Hand gehen. Das Kleinkind übergebe ich Eurer Obhut. Aber verzärtelt es nicht, hört Ihr? Einmal im Jahr verlange ich einen ausführlichen Bericht oder komme selbst vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Sollte nicht alles zu meiner Zufriedenheit sein, lernt Ihr mich kennen. Dann wird es mit Eurem geruhsamen Leben hier vorbei sein. Und ehe ich es vergesse: Die Einnahmen der Baronie gehen zukünftig an mich. Habe ich mich jetzt für alle klar und verständlich genug ausgedrückt?«

Doch so schnell ließ Maud sich nicht einschüchtern. Sie holte gerade tief Luft, um Fitzalan die passende Antwort zu geben, als ihr Mann sich blitzschnell vor sie stellte, nicht ohne sie zuvor an beiden Handgelenken gepackt zu haben, damit sie ruhig blieb und nicht mehr vor ihn treten konnte.

»Jawohl, Mylord. Ihr könnt völlig unbesorgt sein. Es wird alles so geschehen, wie Ihr es wünscht. Ihr müsst meine Gemahlin entschuldigen, aber sobald sie Kinder sieht, weckt das ihren Mutterinstinkt. Doch sie wird sich fügen, dafür verbürge ich mich.«

Fitzalan hatte da so seine Zweifel, aber was wollte er machen? In diesem Haus trug offenbar die Frau die Beinlinge, zudem war er von der langen Reise müde und hatte keine Lust mehr, sich zu streiten. Also winkte er ab und beschloss, sich für den Rest seines Aufenthaltes leutselig zu geben. Was er nicht wollte, war, dass die Jungen womöglich nach kurzer Zeit starben, denn das brächte ihm mit Sicherheit den geballten Zorn der Lancasters ein. Folglich war es besser, dass sie lebten, aber nach und nach in Vergessenheit gerieten. Auf dem Rückweg wollte er deshalb bei Sheriff Sir Thomas Gerard vorsprechen und ihn beauftragen, von Zeit zu Zeit in Upholland nachzuschauen, ob die Wünsche des Königs auch getreulich befolgt wurden. Jetzt aber stand ihm der Sinn erst einmal nach einem vernünftigen Mahl und einem geruhsamen Nachtlager, bevor er sich morgen wieder auf den Weg nach Westminster machte, um Henry Bericht zu erstatten und, so hoffte er zumindest, eine angemessene Belohnung in Empfang zu nehmen.

 

»Und wenn es dreimal der Befehl des Königs ist, John, das lasse ich nicht zu! Der Junge wäre, wenn es nach Recht und Gesetz zuginge, nach dem Tod seines Vaters zumindest Baron of Holland, wenn nicht sogar Earl of Huntingdon und Duke of Exeter. Und du willst ihn in die Steinbrüche schicken? Was, wenn es wieder einmal andersherum kommt? Henrys Thronanspruch steht auf wackligen Füßen! Dem Earl of March stünde die Krone nach Richards Tod weit eher zu, das weißt du genau. Und dessen Mutter war eine Holland!«

Seit Fitzalan fort war, stritt Maud mit ihrem Gemahl tagtäglich über das Schicksal der ihnen anvertrauten Knaben.

»Der Earl of March, von dem du sprichst, ist erst neun Jahre alt, und niemand weiß, wo Henry ihn gefangen hält«, entgegnete Sir John unwillig. »Ich glaube kaum, dass er eine Chance auf die Krone hat. Denkst du, ich tue das gern? Aber Befehl ist nun einmal Befehl. Ich werde dafür sorgen, dass Richard nicht zu schwer arbeiten muss. Und abends kommt er in unser Haus, und du stellst ihm etwas Anständiges zu essen auf den Tisch. Doch mehr kann ich zumindest vorerst nicht für ihn tun.«

»Hast du gesehen, wie sie ihn zugerichtet haben, diese Bestien?«