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Teil 24 des Fantasy-Epos Nikko bleibt kaum Zeit, die schockierenden Ereignisse in Khond zu verarbeiten. Bald schon stellt er fest, dass alles sogar noch viel schlimmer ist. Ist er etwa der einzig übrig gebliebene Zauberer? Dank seiner treuen Untertanen fasst Nikko schnell neuen Mut und bereitet sich auf den Krieg vor. Als für ihn dann alles wieder besser zu laufen scheint, bemerkt er jedoch, dass er die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat! Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 194
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N. Bernhardt
Buch XXIV: Der letzte Zauberer
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch XXIV: Der letzte Zauberer
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962813-02-4
null-papier.de/562
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Kein Einzelfall
Zweites Kapitel: Doch nicht allein
Drittes Kapitel: Den Pass blockiert
Viertes Kapitel: Schlechte Nachrichten
Fünftes Kapitel: Der sprechende Tote
Sechstes Kapitel: Der große Schwund
Siebtes Kapitel: Verkürzt und schmerzlos
Epilog
Nikko bleibt kaum Zeit, die schockierenden Ereignisse in Khond zu verarbeiten. Bald schon stellt er fest, dass alles sogar noch viel schlimmer ist. Ist er etwa der einzig übrig gebliebene Zauberer?
Dank seiner treuen Untertanen fasst Nikko schnell neuen Mut und bereitet sich auf den Krieg vor. Als für ihn dann alles wieder besser zu laufen scheint, bemerkt er jedoch, dass er die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat!
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
http://hymal.info
Nikko hatte noch eine ganze Weile lang wie angewurzelt hinter dem Schreibtisch des Hochmeisters gewartet, bis dieser das Arbeitszimmer des Herzogs von Khondharr schließlich irgendwann verlassen hatte. Aber sogar dann hatte der Zauberer es zunächst nicht geschafft, auch nur einen Fuß zu bewegen.
Als er seine Starre letztlich überwand, war es draußen schon ziemlich dunkel. Oder hatte sich nur das Wetter noch weiter verschlechtert? Nikko konnte es nicht sagen, doch nahm er das Flackern der Fackeln im Korridor wahr, das durch den Spalt unter der Tür in den Arbeitsraum drang. Auch vom Hof her leuchteten einige Lichter durch das Fenster.
Was war hier nur geschehen? Nikko konnte die Worte der beiden Kerle noch immer nicht fassen. Es hatte jedoch so geklungen, als hätten sie sowohl den Herzog von Khondharr als auch den Großmeister … erledigt! Das konnte doch nicht sein, oder!?
Es musste aber so sein. Warum hätte dieser komische Hochmeister sich die Sache denn ausdenken sollen? Der Mann hatte nun wirklich nicht wie ein Aufschneider oder gar Spaßmacher gewirkt. Ganz im Gegenteil, sein Feldzug gegen die Zauberer schien ihm voller Ernst zu sein!
Wie aber hätte der Hochmeister und sein Orden es denn schaffen sollen, zwei so erfahrene Meister der Magie zu bezwingen? Hatten sich Khondyr und Peryndor von den Angreifern einfach nur überrumpeln lassen? Oder verfügte dieser Orden der … Flamme von irgendwas etwa über Mittel und Wege, sich vor Zaubern zu schützen oder diese gar völlig unwirksam zu machen?
Nun, auch der Kult des Gesalbten besaß scheinbar solche Möglichkeiten. Wie sonst hätten dessen Jünger Nikkos Feuerball überleben können, während dieser alle anderen Eiferer in kürzester Zeit zerfetzt und verbrannt hatte?
Oh je, was für einem Feind stand der Fürstmagier da nur gegenüber!? Wie sollte er gegen diesen Orden und den Kult bestehen, die schon die anderen Meister des nun gänzlich zerschlagenen Arkanen Ordens und nun auch noch Khondyr und Peryndor auf dem Gewissen hatten?
Aber erst einmal musste Nikko weg von hier! Er wollte lieber gar nicht wissen, wie viele Stunden er schon vergeudet hatte. Zum Glück schien bisher niemand etwas von seiner Anwesenheit bemerkt zu haben, sonst … bloß weg hier!
*
Als Nikko mit Hilfe eines schnell improvisierten Feldteleports wieder nach Sinál zurückgekehrt war, fühlte er sich nur unwesentlich besser. Irgendwie hatte er nicht mehr das Gefühl, hier noch sicher zu sein. Auch wenn er genau wusste, dass aller frühestens in einem halben Jahr mit der Ankunft der Armeen seiner Gegner zu rechnen war, fühlte es sich an diesem Abend so an, als stünden die Legionen bereits vor den Mauern der Stadt.
Was sollte der Fürstmagier nur machen, um sich und seine Lande zu schützen? Welche Fähigkeiten besaß er denn, die all die anderen Zauberer, die dem Feind nun schon zum Opfer gefallen waren, nicht hatten?
Mit ein klein wenig Erleichterung erinnerte sich Nikko daran, dass er sich durchaus auch an magischen Schulen versucht hatte, um die fast alle anderen Zauberer stets einen großen Bogen gemacht hatten. Gerade mit der Nekromantie hatten die wenigsten seiner Kollegen etwas zu tun haben wollen. War das vielleicht sein entscheidender Vorteil?
Natürlich wäre da auch noch die Dämonologie, obwohl sich zwischenzeitlich ja herausgestellt hatte, dass im Grunde alle Zauberer dem Gefallenen als eine Art oberster Dämon mehr oder weniger dienlich waren.
Ja, das war überhaupt ein wichtiger Punkt! Wieso hatten die beiden Zauberer sich nicht mit Hilfe des Gefallenen gegen die Angriffe der Feinde gewehrt? Dem mächtigen Wesen hätte es doch ein Leichtes sein müssen, diesen lachhaften Flammenorden zu zermalmen – wenn der Preis dafür stimmte.
Obwohl – der Orden der Flamme arbeitete ganz offensichtlich mit dem Kult des Gesalbten zusammen. Dieser war für den Gefallenen hingegen ein ziemliches Reizthema – so jedenfalls würde Nikko die Reaktion des Geistes auf seine entsprechende Frage während der letzten Beschwörung interpretieren. Konnte der Gefallene seine … die … Zauberer etwa nicht vor dem Gesalbten schützen und somit vielleicht auch nicht vor diesem anderen Orden?
Das wären ja prächtige Aussichten! Sollten seine Kenntnisse im Bereich der Nekromantie Nikkos einziger Trumpf sein, dann könnte es für ihn sehr schnell eng werden. Wer wusste schon, ob seine Gegner nicht auch über ein Mittel gegen Untote verfügten? Sollten seine untoten Krieger etwa auf einen Fingerzeig des Gesalbten hin in sich zusammensacken oder gleich ganz zu Staub zerfallen, dann würde es wohl eine ziemlich kurze und jämmerliche Schlacht um Hymal werden. Auch Nikkos Drache wäre davon ja betroffen!
Noch aber war nicht klar, ob der Feind tatsächlich über ein Mittel gegen die Untoten verfügte. Der Zauberer sollte sich also nicht selbst den Mut nehmen. Er musste jedoch künftig auf alles gefasst sein, sonst könnte es ihm allzu schnell wie Khondyr, Peryndor und all den anderen Meistern ergehen, die dieser grässliche Kult nun schon auf dem Gewissen hatte.
*
Als Nikko am nächsten Morgen seufzend aus dem Bett kroch, hatte er eine ungemein unruhige Nacht hinter sich. Bei all den Albträumen, die ihm den Schlaf genommen hatten, wäre er diesmal sogar dankbar gewesen, wenn sich der Gefallene wieder einmal in seinen Träumen gezeigt hätte. Im Moment wäre er schließlich für jede Unterstützung dankbar. Für wirklich jede!
Auf dem Frühstückstisch warteten dann heißer Tee und Gebäck auf den Verzehr, doch Nikko vermochte lediglich, lustlos ein paar Bissen herunterzuwürgen. Ohne den Tee wären ihm die Stücke beinahe im Halse stecken geblieben – ganz so, wie seine derzeitige Situation.
Auch an diesem Morgen konnte der Fürstmagier noch immer nicht glauben, dass nun sogar Khondyr und Peryndor nicht mehr waren. Gerade der Großmeister hatte ihn fast die gesamte Zeit seines Werdegangs als Magier begleitet und betreut. Natürlich war ihm der Alte oft genug eine ziemliche Last gewesen, aber der Zauberer hatte niemals vergessen, wie viel er ihm letztlich zu verdanken hatte.
Meister Khondyr hatte sich für Nikko hingegen erst in jüngster Vergangenheit als nützlich erwiesen. Anfangs war der Herzog von Khondharr ja eher eine Art Widersacher gewesen, das hatte sich jedoch in den letzten Monaten durchaus geändert. Umso ärgerlicher war es, dass er in ihm nun seinen einzigen Verbündeten unter den Regenten des Reichs verloren hatte.
Oh je, das wurde Nikko überhaupt erst jetzt bewusst! Wer auch immer in Khondharr nun das Sagen hatte, würde ganz bestimmt nicht mehr auf seiner Seite stehen wollen. Das aber bedeutete doch, dass Hymal jetzt vollständig von Feinden umringt war. An Handel war unter diesen Bedingungen wohl ebenfalls nicht länger zu denken.
Das durfte doch alles nicht wahr sein! Wie hatte es bloß passieren können, dass sich die Geschicke auf einen Schlag derart gewaltig verändert hatten? Sah es gestern im Grunde noch ganz gut aus, so konnte man heute gleich alle Hoffnung verlieren.
Hatte es denn überhaupt einen Sinn, hier in Hymal auszuharren? Sollte Nikko nicht besser irgendwohin fliehen? Vielleicht in den Süden, wie der Großmeister es ja stets geplant hatte. Ach, wenn der Alte es doch bloß rechtzeitig getan hätte, dann …
Meister Nibegu? Den hatte der Zauberer wieder einmal völlig vergessen. War der Fürstmagier von Ghalla-Umbua etwa seine letzte Hoffnung? Könnte Nibegu ihm helfen? Würde Nibegu ihm helfen? Aber um was sollte Nikko ihn überhaupt bitten?
Nun, es gab zumindest zwei Dinge, die der Zauberer bei ihm erfragen konnte. Einerseits Hilfe im Kampf gegen den Gesalbten und dessen Verbündete, andererseits … Asyl. Im Grunde verspürte der Meister jedoch kein besonders großes Verlangen danach, den Fürstmagier um Unterstützung in diesen Dingen zu bitten.
Sollte Nibegu überhaupt dazu fähig sein, Nikko im Kampf gegen den Gesalbten zu unterstützen, so wäre der Preis dafür wohl exorbitant. Außerdem würde der Zauberer sich dadurch völlig in die Abhängigkeit dieses schwer zu berechnenden Meisters begeben. Es war schließlich noch gar nicht so lange her, dass Nibegu einen Dämon auf ihn angesetzt hatte, woraufhin Nikko sich hatte rituell reinigen müssen, was seinerzeit ein ziemlicher Aufwand gewesen war.
Auch schien ein Asyl da unten, ausgerechnet im heiß-trockenen Süden, ebenso wenig verlockend. Selbst wenn Nikko in oder in der Nähe von Ghalla-Umbua irgendwo ein Heim fände und Nibegu ihn dazu noch in Ruhe lassen würde, könnte diese staubige Gegend ihm wohl niemals die Heimat ersetzen. Nein, das wäre weniger ein Heim, sondern eher ein Gefängnis!
Dennoch hatte der Zauberer das Gefühl, dass er mit Nibegu reden musste, und zwar dringend! Immerhin hatte dieser Meister vor einigen Monaten zu Nikkos großer Überraschung an der Beschwörung des Gefallenen teilgenommen. Er musste demnach nicht nur mit Peryndor vertraut sein, sondern auch mit Khondyr. Da war es allein schon eine Frage der Höflichkeit, ihn über das Schicksal der beiden Magier zeitnah zu unterrichten.
Nun, viel zu verlieren hatte der Fürstmagier ohnehin nicht mehr. Im Grunde schien es ihm daher sinnvoller, erst einmal mit Meister Nibegu zu reden, als gleich mit seinen eigenen Beamten zu sprechen. Nikko wusste ja nicht einmal, ob er denen überhaupt berichten sollte, was sich in Khond zugetragen hatte.
Oh je, irgendwann würden sie aber auch so davon erfahren. Vielleicht waren sogar schon jetzt Boten aus Khond unterwegs. Würden die Herren die Neuigkeiten zum Anlass nehmen, Nikko die Treue aufzukündigen? Oder würden sie nun umso fester zu ihm stehen? Das waren Fragen, die der Fürstmagier an diesem Tag lieber nicht beantwortet haben wollte.
*
Da die Dienerschaft in Sinál natürlich mitbekommen hatte, dass der Fürstmagier wieder vor Ort war, hatte dieser sich gleich nach dem Frühstück in den Magierturm zurückgezogen. Mit der klaren Ansage, dass er dort heute nicht gestört werden wollte, hoffte er, sich wenigstens eine Weile lang vor den lästigen Pflichten eines Regenten drücken zu können. Seine Beamten warteten nämlich bestimmt schon wieder ganz ungeduldig darauf, ihn in allen möglichen Besprechungen zu Tode zu langweilen.
Dennoch wäre es wohl am besten, die innerlich bereits beschlossene Reise nach Ghalla-Umbua nicht länger aufzuschieben. Ein großes Verlangen, mit dem durchtriebenen Fürstmagier zu sprechen, verspürte Nikko zwar noch immer nicht, aber das würde sich wohl auch nicht ändern. Warum also warten?
Im Grunde hätte er schon gestern zu Nibegu reisen sollen, schoss es dem Zauberer durch den Kopf. Das jähe Ende seiner beiden Kollegen ging den Meister schließlich etwas an. Je länger Nikko damit wartete, desto mehr würde er sich dafür am Ende noch zu rechtfertigen haben.
Also sammelte der junge Zauberer all seinen Mut zusammen und machte sich auf den Weg hinunter in den Teleportkeller. Auf halber Strecke fiel ihm dann ein, dass er das Teleportmuster für Ghalla-Umbua gar nicht mehr wusste. Hatte er es denn jemals auswendig gekonnt? Nikko konnte sich nicht daran erinnern, doch hatte er sich das Muster ganz bestimmt irgendwo notiert. Nur wo?
Verdammt! Warum konnte er einfach keine Ordnung halten?! Im Grunde kannte Nikko die Muster aller gängigen Zauber ja auswendig, weshalb es für ihn auch nicht so wichtig war, seine Unterlagen in Ordnung zu halten. Wenn er dann aber doch einmal einen seltener genutzten Zauber brauchte, rächte sich seine Unordnung doppelt bitter.
Moment mal, die Teleportmuster zu den Meistern des Südens befanden sich ja auch in Thorodos’ altem Wälzer, den der Zauberer zum Glück schon aus Halfuár mitgebracht hatte. So musste er wenigstens nicht auch dort noch einmal vorbei schauen.
Das Buch des Alten war in der Bibliothek schnell gefunden. Auch fand Nikko das Muster Ghalla-Umbuas darin ohne Probleme, sodass er sich gleich wieder auf den Weg in den Keller machen konnte.
Als er dann vor dem Teleportring stand, verließ ihn jedoch kurzzeitig wieder der Mut. Musste diese Reise denn wirklich sein? Meister Nibegu würde schon irgendwie mitbekommen, dass Khondyr und Peryndor … nun ja. Aber es ging doch nicht nur um das Schicksal der beiden, sondern auch darum, wie nun weiter zu verfahren war. Mit diesem Gedanken im Kopf fasste Nikko schnell neuen Mut und trat in den Teleportring.
Aber auch diesmal überkam ihn sogleich ein mulmiges Gefühl, so ähnlich wie gestern, als er nach Khond reisen wollte. Natürlich war es völlig abwegig, dass die Macht des Kultes oder dieses komischen Ordens plötzlich bis zu den Meistern des Süden reichte. Dennoch sollte der Zauberer beim Teleport auch diesmal größte Vorsicht walten lassen.
Diese Vorsicht zahlte sich schnell aus, denn was Nikko sah, als er vor der Vollendung des Teleports an den Zielort schaute, war alles andere als einladend! Feuer! Das ganze Anwesen Nibegus schien in Flammen zu stehen! Was war dort nur passiert?
Ohne lange zu überlegen, brach Nikko den Teleport ab. Unter solchen Umständen konnte er sich auf keinen Fall nach Ghalla-Umbua teleportieren – egal, wie neugierig er auch darauf war, was dort gerade vor sich ging.
Das konnte doch kein Zufall sein! Gestern hatte es Khondyr und Peryndor in Khond erwischt und nun stand das Anwesen des Fürstmagiers von Ghalla-Umbua in Flammen. Das musste doch bedeuten, dass Nibegu ebenfalls … geschlagen war, oder nicht?
Nun, es könnte durchaus auch sein, dass er einfach nicht anwesend war. Ja, vielleicht hielt er sich in dieser Bergfestung der Meister auf. Wie hieß sie doch gleich? Ach ja, Ohuhwa!
Hastig, ja fast schon panisch, blätterte Nikko in Thorodos’ Buch nach dem Teleportmuster für Ohuhwa. Er wusste genau, dass es irgendwo darin zu finden war, doch hatte er einfach kein Glück! Verflucht! Ganz ruhig! Erst einmal durchatmen und dann in aller Ruhe suchen.
Besser! Denn so war das Muster schnell gefunden. Sollte Nikko es wirklich wagen, sich ohne Einladung in die Bergfestung der Meister des Südens zu teleportieren? Da gab es doch diese Wächterstatuen und andere Verzauberungen, von denen ihm einige vermutlich noch gar nicht bekannt waren. Oh je, der Fürstmagier hatte sogar die Losung für die Statuen schon längst wieder vergessen!
Vielleicht könnte er die Statuen ja mit einem seiner Tricks umgehen, etwa durch die blaue Dimension. Oder er könnte sich von vornherein wieder zu einem Punkt etwas abseits des Ankers am Zielort teleportieren. Aber erst einmal sollte er ohnehin nachsehen, ob nicht auch Ohuhwa schon in Flammen stand!
Nein, es war kein Feuer, was Nikko am Zielort sah, doch wirkte auch dieser Anblick alles andere als einladend. Die Statuen waren teils zertrümmert, teils … ja, was war das denn? … waren sie etwa geschmolzen?
Als ob dieses Bild nicht schon verstörend genug war, tummelte sich zudem ein gutes Dutzend Krieger in dem Raum. Die größtenteils schwer gepanzerten Soldaten erinnerten den Zauberer ungemein an die Krieger dieses seltsamen Flammenordens, die er in Khond gesehen hatte. Das konnte doch kein Zufall sein!
Nein, da musste ein Zusammenhang bestehen – ein Zusammenhang, der Nikko vermutlich rein gar nicht gefallen würde. Offenbar reichte der Arm des Gesalbten und seines Kultes doch schon bis zu den Meistern des Südens. Scheinbar bediente er sich hier eines ähnlichen Ordens wie im Norden, der die Drecksarbeit für ihn erledigte.
Wie aber konnte der Gesalbte denn derart weit im Süden agieren? Ohne die Fähigkeit zur Teleportation war es doch eine monatelange Reise vom Reich bis zur Mündung des großen Stroms, an dessen Ufer die Städte des Südens gelegen waren. Konnte der Gesalbte sich also doch teleportieren oder war der Schlag gegen die Zauberer etwa von langer Hand geplant?
Das war zwar eine wichtige Frage, doch war es erst einmal viel wichtiger herauszufinden, was jetzt zu tun war! Immerhin hatte Nikko nun vermutlich auch seinen allerletzten potentiellen Verbündeten verloren. Von Nibegus genauem Schicksal hatte er zwar keine Kenntnis, doch sah es wahrlich nicht gut aus. Gar nicht gut!
Moment mal, hieß das etwa, dass alle Meister des Südens geschlagen waren? Das konnte doch nicht wahr sein, oder doch? Nein, irgendeiner von ihnen würde sich schon rechtzeitig in Sicherheit gebracht haben. Irgendeiner würde schon das Glück gehabt haben, nicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.
Wie hieß doch gleich der Kerl, zu dem Nikko sich ganz am Anfang seiner Reise in den Süden teleportiert hatte? Numbho oder so ähnlich! Sollte er sein Glück nicht auch mit einem Besuch bei diesem Fürstmagier versuchen?
Aber was hätte das für einen Sinn? Nikko könnte sich doch höchstens in Numbhos Anwesen teleportieren, das die Eiferer bestimmt auch schon längst angezündet oder besetzt hatten. Wenn er das Muster überhaupt noch irgendwo finden würde, könnte er ja trotzdem kurz nachschauen, wie die Lage in … ähm, wie hieß diese Stadt doch gleich? … ach ja, Abbhu-Uhamba war.
Kopfschüttelnd und kurz davor, in Panik auszubrechen, schlich Nikko schließlich die Treppe nach oben, um sich in seiner Bibliothek erst einmal in einen Sessel plumpsen zu lassen. Mit einem langen Seufzer tat er sich dort selbst leid.
Nach einiger Zeit verwandelte sich sein Selbstmitleid in blanke Wut. Was waren das nur für Zustände in dieser verfluchten Welt?! Konnte er denn nicht einfach nur seine Ruhe haben? Warum musste eigentlich immer irgendjemand hinter ihm her sein?
Doch nun hieß es, einen kühlen Kopf bewahren! Erst einmal musste sich Nikko darüber Klarheit verschaffen, wie die Dinge tatsächlich standen. Wie sonst sollte er seine nächsten Schritte planen?
Eines war schon einmal klar, die Reichweite des Gesalbten war schier unglaublich. Nikko hätte es nie für möglich gehalten, dass sein Einfluss bereits bis in den fernen Süden reichte, war aber gerade eines Besseren belehrt worden.
Dennoch schien es irgendwie unwahrscheinlich, dass der Gesalbte über die Möglichkeit der Teleportation oder einer ähnlichen Technik verfügte. Wäre das der Fall, dann hätte Nikko hier wohl längst schon … ungebetenen Besuch bekommen. Außerdem hatte dieser Hochmeister ja erwähnt, dass er mit seinem Heer erst im nächsten Jahr mühsam über den Vyldampass marschieren würde.
Nein, das konzertierte Vorgehen an derart weit auseinandergelegenen Orten war vermutlich das Resultat einer sehr langen Planung. Es sah ganz so aus, als hätte der Gesalbte sich im Norden wie im Süden Ordenskrieger dienstbar gemacht, die ihm bei seinem schändlichen Werk mit Schwert und Schild zur Hand gingen.
Dass Hymal bisher unbehelligt geblieben war, lag wohl allein daran, dass dem Gesalbten schlicht und einfach nicht bewusst gewesen war, dass sich Nikko und zeitweise auch Peryndor hier niedergelassen hatten. Genauso wenig hatte er ja zunächst gewusst, dass der Herzog von Khondharr ebenfalls ein Zauberer war. Nun aber hatte er davon Kenntnis erhalten und Nikko war sich durchaus bewusst, was ihn hier erwartete.
Eines jedoch verstand er nicht. War es ein bloßer Zufall, dass die Schergen des Gesalbten gerade jetzt gegen die Meister des Südens vorgingen? Unwahrscheinlich! Das musste also auch etwas mit der Sache in Khond zu tun haben. Vielleicht wusste der Gesalbte sogar, dass Nibegu vor Monaten in der Hauptstadt Khondharrs zu Gast war. Oder war er gar kürzlich erst wieder dort gewesen?
Das alles war ziemlich verwirrend … und auch ablenkend, denn diese Frage brachte Nikko im Grunde nicht weiter. Er musste sich doch langsam entscheiden, was er nun tun sollte! Obwohl es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gab. Entweder er würde fliehen oder er würde kämpfen.
*
Auch eine gute Stunde später hatte Nikko sich noch nicht entschieden, wie es nun weitergehen sollte. Zwar versuchte er, die wenigen ihm zur Verfügung stehenden Optionen zum Anlass zu nehmen, schnell zu einer Entscheidung zu kommen. Doch schien das leider nicht zu funktionieren.
Ein nicht ganz unwichtiger Punkt rückte bei all seinen Überlegungen jedoch immer mehr in den Fokus. Der Zauberer musste einfach wissen, ob er sich nun überhaupt noch auf seine Untergebenen verlassen konnte. Er hatte in den letzten Monaten ohnehin immer wieder Probleme mit Verrätern gehabt. Würde sich dieses Spiel nun wiederholen?
Im Grunde hatte Nikko längst beschlossen, seinen Beamten gegenüber die Karten auf den Tisch zu legen. Anhand ihrer Reaktionen könnte er vielleicht sogar erahnen, ob sie danach weiterhin zu ihm stünden – egal, was sie ihm dazu sagen würden. Allein der Mut für einen solchen Schritt fehlte ihm an diesem Tag. Sollte er sich dafür also noch ein wenig Zeit lassen?
Dem Fürstmagier war nicht klar, ob das wirklich etwas bringen würde, doch empfand er die Aussicht auf eine kleine Auszeit als zu verlockend, um sie allein dieser Möglichkeit wegen zu verwerfen.
Nein, ein paar Tage Zeit zum Überlegen konnte er sich auf jeden Fall gönnen, denn ganz so schnell würden die Boten aus Khond nicht nach Sinál kommen. Immerhin mussten sie erst einmal auf dem Landweg bis Dhobar gelangen und von dort aus mit dem Schiff weiterreisen.
Vermutlich blieben Nikko sogar ein paar Wochen, bis seine Untertanen von den Geschehnissen in Khond erfahren würden. Aber sollte er sich wirklich so viel Zeit nehmen?
Nein, auf keinen Fall. Dazu gab es einfach viel zu viel zu entscheiden und dann auch vorzubereiten. Im Grunde sprach ohnehin nur sein Mangel an Mut dagegen, die Beamten sofort mit der Situation zu konfrontieren.
Moment mal! Da war ja auch noch Danuwil! Den hätte Nikko beinahe vergessen. Der Graf von Telgâr war doch genau der richtige Mann, um die brenzlige Lage erst einmal in aller Ruhe zu besprechen. Nun, ob er wirklich der Richtige war, konnte vielleicht bezweifelt werden, aber unter den wenigen zur Verfügung stehenden war er wohl der am besten geeignete.
Ohne noch viele Gedanken zu verschwenden, entschloss sich der Magier dazu, sofort nach Telgâr zu reisen. Immerhin war er froh, nun wieder einen Plan zu haben – auch wenn dieser nur daraus bestand, sich erst einmal bei Danuwil auszuheulen.
*
Als Nikko in Telgâr angekommen war, hatte es zunächst noch eine Weile gedauert, bis Danuwil von einer kurzen Inspektion seines Lehens zurückgekehrt war. Der Graf hatte den Fürstmagier dann jedoch gleich zu einem verspäteten Mittagsmahl geladen, das die beiden nun mit erstaunlich wenigen Worten genossen.
Danuwil war an diesem Tag tatsächlich nicht sehr gesprächig, während Nikko noch nicht den Mut aufbringen konnte, den Grafen über die heikle Situation in Khond aufzuklären.
»Ich nehme an, Ihr bringt keine guten Nachrichten, Eure Eminenz?«, seufzte Danuwil schließlich.
»Wie kommt Ihr darauf?«, fühlte Nikko sich ertappt. Woher konnte der Graf das denn wissen?
»Nun, Euer Gesichtsausdruck lässt darauf schließen«, quälte Danuwil sich ein Grinsen auf die Lippen. »Sagt mir bitte nicht, dass wir die Sache mit dem Zwergensilber nun gänzlich verwerfen müssen!«
Ach daher wehte der Wind. Offenbar ging der Graf davon aus, dass Nikko mit dem Herzog von Khondharr über die Zwergenbinge verhandelt hatte und nun schlechte Nachrichten mitbrachte.
»Ich habe eine gute Nachricht und eine schlechte«, fiel dem Fürstmagier nichts besseres ein. »Welche wollt Ihr zuerst hören?«
»Ihr macht es aber spannend«, lachte Danuwil und wirkte nun etwas entspannter. »Zuerst die Gute!«
»Die gute Nachricht ist, dass Herzog Rhobany es nicht abgelehnt hat, Euch … also uns bei der Binge zu helfen«, antwortete Nikko und erkannte erst da, wie sehr er sich gleich zu verheddern drohte.
»Soso«, wusste Danuwil offenbar nicht, was er darauf antworten sollte.
»Die schlechte Nachricht ist …«, und da musste Nikko erst einmal kräftig durchatmen. »Nun, wie soll ich es Euch am schonendsten beibringen?«
»Nur heraus damit!«, drängte der Graf. »Jetzt habt Ihr mich ohnehin neugierig gemacht.«