Der Hofmeister - Jakob Michael Reinhold Lenz - E-Book

Der Hofmeister E-Book

Jakob Michael Reinhold Lenz

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Was Eltern unter guter Erziehung verstehen, kommt bei ihren Kindern nicht unbedingt immer gut an, und die Zukunftspläne passen auch selten zusammen. Für Konfliktstoff beim Erwachsenwerden ist also reichlich gesorgt. Auch eine Privaterziehung schützt nicht vor bösen Überraschungen. Was tun zum Beispiel, wenn der Sohn den Hauslehrer schlägt und die Tochter sich in ihn verliebt?

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Seitenzahl: 142

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Jakob Michael Reinhold Lenz

Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung

Eine Komödie

Drama/en

FISCHER E-Books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Inhalt

NamenErster AktErste SzeneZweite SzeneDritte SzeneVierte SzeneFünfte SzeneSechste SzeneZweiter AktErste SzeneZweite SzeneDritte SzeneVierte SzeneFünfte SzeneSechste SzeneSiebente SzeneDritter AktErste SzeneZweite SzeneDritte SzeneVierte SzeneVierter AktErste SzeneZweite SzeneDritte SzeneVierte SzeneFünfte SzeneSechste SzeneFünfter AktErste SzeneZweite SzeneDritte SzeneVierte SzeneFünfte SzeneSechste SzeneSiebente SzeneAchte SzeneNeunte SzeneZehnte SzeneElfte SzeneLetzte SzeneAnhangEditorische NotizDaten zu Leben und WerkJakob Michael Reinhold Lenz, ›Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung‹Jakob Michael Reinhold Lenz

Namen

HERR VON BERG, Geheimer Rat

DER MAJOR, sein Bruder

DIE MAJORIN

GUSTCHEN, ihre Tochter

FRITZ VON BERG

GRAF WERMUTH

LÄUFFER, ein Hofmeister

PÄTUS, BOLLWERK, Studenten

HERR VON SEIFFENBLASE

SEIN HOFMEISTER

FRAU HAMSTER, Rätin

JUNGFER HAMSTER

JUNGFER KNICKS

FRAU BLITZER

WENZESLAUS, ein Schulmeister

MARTHE, alte Frau

LISE

DER ALTE PÄTUS

DER ALTE LÄUFFER, Stadtprediger

LEOPOLD, JUNKER DES MAJORS, ein Kind

HERR REHAAR, Lautenist

JUNGFER REHAAR, seine Tochter

Erster Akt

Erste Szene

Zu Insterburg in Preußen

LÄUFFER

Mein Vater sagt: ich sei nicht tauglich zum Adjunkt. Ich glaube, der Fehler liegt in seinem Beutel; er will keinen bezahlen. Zum Pfaffen bin ich auch zu jung, zu gut gewachsen, habe zu viel Welt gesehn und bei der Stadtschule hat mich der Geheime Rat nicht annehmen wollen. Mag’s! er ist ein Pedant und dem ist freilich der Teufel selber nicht gelehrt genug. Im halben Jahr hätt ich doch wieder eingeholt, was ich von der Schule mitgebracht, und dann wär ich für einen Klassenpräzeptor noch immer viel zu gelehrt gewesen, aber der Herr Geheime Rat muss das Ding besser verstehen. Er nennt mich immer nur Monsieur Läuffer, und wenn wir von Leipzig sprechen, fragt er nach Händels Kuchengarten und Richters Kaffeehaus, ich weiß nicht: soll das Satire sein, oder – Ich hab ihn doch mit unserm Konrektor bisweilen tiefsinnig genug diskurrieren hören; er sieht mich vermutlich nicht für voll an. – Da kommt er eben mit dem Major; ich weiß nicht, ich scheu ihn ärger als den Teufel. Der Kerl hat etwas in seinem Gesicht, das mir unerträglich ist. (Geht dem Geheimen Rat und dem Major mit viel freundlichen Scharrfüßen vorbei.)

Zweite Szene

Geheimer Rat. Major.

MAJOR

Was willst du denn? Ist das nicht ein ganz artiges Männichen?

GEH. RAT

Artig genug, nur zu artig. Aber was soll er deinen Sohn lehren?

MAJOR

Ich weiß nicht, Berg, du tust immer solche wunderliche Fragen.

GEH, RAT

Nein aufrichtig! Du musst doch eine Absicht haben, wenn du einen Hofmeister nimmst und den Beutel mit einem Mal so weit auftust, dass dreihundert Dukaten herausfallen. Sag mir, was meinst du mit dem Geld auszurichten; was foderst du dafür von deinem Hofmeister?

MAJOR

Dass er – was ich – dass er meinen Sohn in allen Wissenschaften und Artigkeiten und Weltmanieren – Ich weiß auch nicht, was du immer mit deinen Fragen willst; das wird sich schon finden; das werd ich ihm alles schon zu seiner Zeit sagen.

GEH. RAT

Das heißt: du willst Hofmeister, deines Hofmeisters sein; bedenkst du aber auch, was du da auf dich nimmst – Was soll dein Sohn werden, sag mir einmal?

MAJOR

Was er … Soldat soll er werden; ein Kerl, wie ich gewesen bin.

GEH. RAT

Das Letzte lass nur weg, lieber Bruder; unsere Kinder sollen und müssen das nicht werden, was wir waren: die Zeiten ändern sich, Sitten, Umstände, alles, und wenn du nichts mehr und nichts weniger geworden wärst, als das leibhafte Kontrefei deines Eltervaters – –

MAJOR

Potz hundert! wenn er Major wird, und ein braver Kerl wie ich, und dem König so redlich dient als ich!

GEH. RAT

Ganz gut, aber nach funfzig Jahren haben wir vielleicht einen andern König und eine andre Art ihm zu dienen. Aber ich seh schon, ich kann mich mit dir in die Sachen nicht einlassen, ich müsste zu weit ausholen und würde doch nichts ausrichten. Du siehst immer nur der graden Linie nach, die deine Frau dir mit Kreide über den Schnabel zieht.

MAJOR

Was willst du damit sagen, Berg? Ich bitt dich, misch dich nicht in meine Hausangelegenheiten, so wie ich mich nicht in die deinigen. – Aber sieh doch! da läuft ja eben dein gnädiger Junker mit zwei Hollunken aus der Schule, heraus. – Vortreffliche Erziehung, Herr Philosophus! Das wird einmal was Rechts gehen! Wer sollt es in aller Welt glauben, dass der Gassenbengel der einzige Sohn Sr. Exzellenz des königlichen Geheimen Rats – –

GEH. RAT

Lass ihn nur. – Seine lustigen Spielgesellen werden ihn minder verderben als ein galonierter Müßiggänger, unterstützt von einer eiteln Patronin.

MAJOR

Du nimmst dir Freiheiten heraus. – Adieu.

GEH. RAT

Ich bedaure dich.

Dritte Szene

Der Majorin Zimmer. Frau Majorin auf einem Kanapee. Läuffer in sehr demütiger Stellung neben ihr sitzend. Leopold steht.

MAJORIN

Ich habe mit Ihrem Herrn Vater gesprochen und von den dreihundert Dukaten stehenden Gehalts sind wir bis auf hundertundfunfzig einig geworden. Dafür verlang ich aber auch Herr – Wie heißen Sie? – Herr Läuffer, dass Sie sich in Kleidern sauber halten und unserm Hause keine Schande machen. Ich weiß, dass Sie Geschmack haben; ich habe schon von Ihnen gehört, als Sie noch in Leipzig waren. Sie wissen, dass man heutzutage auf nichts in der Welt so sehr sieht, als ob ein Mensch sich zu führen wisse.

LÄUFFER

Ich hoff, Euer Gnaden werden mit mir zufrieden sein. Wenigstens hab ich in Leipzig keinen Ball ausgelassen, und wohl über die fünfzehn Tanzmeister in meinem Leben gehabt.

MAJORIN

So? lassen Sie doch sehen.

(Läuffer steht auf.)

Nicht furchtsam, Herr … Läuffer! nicht furchtsam! Mein Sohn ist buschscheu genug; wenn der einen blöden Hofmeister bekommt, so ist’s aus mit ihm. Versuchen Sie doch einmal, mir ein Kompliment aus der Menuet zu machen; zur Probe nur, damit ich doch sehe. – Nun, nun, das geht schon an! Mein Sohn braucht vor der Hand keinen Tanzmeister! Auch einen Pas, wenn’s Ihnen beliebt. – Es wird schon gehen; das wird sich alles geben, wenn Sie einmal einer unsrer Assembleen werden beigewohnt haben … Sind Sie musikalisch?

LÄUFFER

Ich spiele die Geige, und das Klavier zur Not.

MAJORIN

Desto besser: wenn wir aufs Land gehn und Fräulein Milchzahn besuchen uns einmal; ich habe bisher ihnen immer was vorsingen müssen, wenn die guten Kinder Lust bekamen zu tanzen: aber besser ist besser.

LÄUFFER

Euer Gnaden setzen mich außer mich: wo war ein Virtuos auf der Welt, der auf seinem Instrument Euer Gnaden Stimme zu erreichen hoffen dürfte.

MAJORIN

Ha ha ha, Sie haben mich ja noch nicht gehört. … Warten Sie; ist Ihnen die Menuet bekannt? (Singt.)

LÄUFFER

O … o … verzeihen Sie dem Entzücken, dem Enthusiasmus, der mich hinreißt. (Küsst ihr die Hand.)

MAJORIN

Und ich bin doch enrhumiert dazu; ich muss heut krähen wie ein Rabe. Vous parlez françois, sans doute?

LÄUFFER

Un peu, Madame.

MAJORIN

Avez-Vous déjà fait Votre tour de France?

LÄUFFER

Non Madame … Oui Madame.

MAJORIN

Vous devez donc savoir, qu’en France, on ne baise pas les mains, mon cher. …

BEDIENTER (tritt herein)

Der Graf Wermuth …

(Graf Wermuth tritt herein.)

GRAF (nach einigen stummen Komplimenten setzt sich zur Majorin aufs Kanapee. Läuffer bleibt verlegen stehen

Haben Euer Gnaden den neuen Tanzmeister schon gesehn, der aus Dresden angekommen? Er ist ein Marchese aus Florenz, und heißt … Aufrichtig: ich habe nur zwei auf meinen Reisen angetroffen, die ihm vorzuziehen waren.

MAJORIN

Das gesteh ich, nur zwei! In der Tat, Sie machen mich neugierig; ich weiß, welchen verzärtelten Geschmack der Graf Wermuth hat.

LÄUFFER

Pintinello … nicht wahr? ich hab ihn in Leipzig auf dem Theater tanzen sehen; er tanzt nicht sonderlich …

GRAF

Er tanzt – on ne peut pas mieux. – Wie ich Ihnen sage, gnädige Frau, in Petersburg hab ich einen Beluzzi gesehn, der ihm vorzuziehen war: aber dieser hat eine Leichtigkeit in seinen Füßen, so etwas Freies, Göttlichnachlässiges in seiner Stellung, in seinen Armen, in seinen Wendungen –

LÄUFFER

Auf dem Kochischen Theater ward er ausgepfiffen, als er sich das letzte Mal sehen ließ.

MAJORIN

Merk Er sich, mein Freund! dass Domestiken in Gesellschaften von Standespersonen nicht mitreden. Geh Er auf Sein Zimmer. Wer hat Ihn gefragt?

(Läuffer tritt einige Schritte zurück.)

GRAF

Vermutlich der Hofmeister, den Sie dem jungen Herrn bestimmt? …

MAJORIN

Er kommt ganz frisch von der hohen Schule. – Geh Er nur! Er hört ja, dass man von Ihm spricht; desto weniger schickt es sich, stehen zu bleiben.

(Läuffer geht mit einem steifen Kompliment ab.)

Es ist was Unerträgliches, dass man für sein Geld keinen rechtschaffenen Menschen mehr antreffen kann. Mein Mann hat wohl dreimal an einen dasigen Professor geschrieben und dies soll doch noch der galanteste Mensch auf der ganzen Akademie gewesen sein. Sie sehen’s auch wohl an seinem links bordierten Kleide. Stellen Sie sich vor, von Leipzig bis Insterburg zweihundert Dukaten Reisegeld und jährliches Gehalt fünfhundert Dukaten, ist das nicht erschröcklieh? –

GRAF

Ich glaube, sein Vater ist der Prediger hier aus dem Ort …

MAJORIN

Ich weiß nicht – es kann sein – ich habe nicht darnach gefragt, ja doch, ich glaub es fast: er heißt ja auch Läuffer; nun denn ist er freilich noch artig genug. Denn das ist ein rechter Bär, wenigstens hat er mich ein für alle Mal aus der Kirche gebrüllt.

GRAF

Ist’s ein Katholik?

MAJORIN

Nein doch, Sie wissen ja, dass in Insterburg keine katholische Kirche ist: er ist lutherisch, oder protestantisch wollt ich sagen; er ist protestantisch.

GRAF

Pintinello tanzt … Es ist wahr, ich habe mir mein Tanzen einige dreißigtausend Gulden kosten lassen, aber noch einmal so viel gäb ich drum, wenn …

Vierte Szene

Läuffers Zimmer. Läuffer. Leopold. Der Major. Erstere sitzen an einem Tisch, ein Buch in der Hand, indem sie der Letztere überfällt.

MAJOR

So recht; so lieb ich’s; hübsch fleißig – und wenn die Canaille nicht behalten will, Herr Läuffer, so schlagen Sie ihm das Buch an den Kopf, dass er’s Aufstehen vergisst, oder wollt ich sagen, so dürfen Sie mir’s nur klagen. Ich will dir den Kopf zurecht setzen, Heiduck du! Seht da zieht er das Maul schon wieder. Bist empfindlich, wenn dir dein Vater was sagt? Wer soll dir’s denn sagen? Du sollst mir anders werden, oder ich will dich peitschen, dass dir die Eingeweide krachen sollen. Tuckmäuser! Und Sie, Herr, sei’n Sie fleißig mit ihm, das bitt ich mir aus, und kein Feriieren und Pausieren und Rekreieren, das leid ich nicht. Zum Plunder, vom Arbeiten wird kein Mensch das Malum hydropisiacum kriegen. Das sind nur Ausreden von Euch Herren Gelehrten. – Wie steht’s, kann er seinen Cornelio? Lippel! ich bitt dich um tausend Gottes willen, den Kopf grad. Den Kopf in die Höhe, Junge! (Richtet ihn.) Tausend Sackerment den Kopf aus den Schultern! oder ich zerbrech dir dein Rückenbein in tausend Millionen Stücken.

LÄUFFER

Der Herr Major verzeihen: er kann kaum Lateinisch lesen.

MAJOR

Was? So hat der Racker vergessen. – Der vorige Hofmeister hat mir doch gesagt, er sei perfekt im Lateinischen, perfekt … Hat er’s ausgeschwitzt – aber ich will dir – Ich will es nicht einmal vor Gottes Gericht zu verantworten haben, dass ich dir keinen Daumen aufs Auge gesetzt habe, und dass ein Galgendieb aus dir geworden ist, wie der junge Hufeise oder wie deines Onkels Friedrich, eh du mir so ein gassenläuferischer Taugenichts – Ich will dich zu Tode hauen – (Gibt ihm eine Ohrfeige.) Schon wieder wie ein Fragzeichen? Er lässt sich nicht sagen. – Fort mir aus den Augen. – Fort! Soll ich dir Beine machen? Fort, sage ich. (Stampft mit dem Fuß. Leopold geht ab. Major setzt sich auf seinen Stuhl. Zu Läuffern.) Bleiben Sie sitzen, Herr Läuffer; ich wollte mit Ihnen ein paar Worte allein sprechen, darum schickt ich den jungen Herrn fort. Sie können immer sitzen bleiben; ganz, ganz. Zum Henker Sie brechen mir ja den Stuhl entzwei, wenn Sie immer so auf einer Ecke … Dafür steht ja der Stuhl da, dass man drauf sitzen soll. Sind Sie so weit gereist und wissen das noch nicht? – Hören Sie nur: ich seh Sie für einen hübschen artigen Mann an, der Gott fürchtet und folgsam ist, sonst würd ich das nimmer tun, was ich für Sie tue. Hundertundvierzig Dukaten jährlich hab ich Ihnen versprochen: das machen drei – Warte – Dreimal hundertundvierzig: wie viel machen das?

LÄUFFER

Vierhundertundzwanzig.

MAJOR

Ist’s gewiss? Macht das so viel? Nun damit wir gerade Zahl haben, vierhundert Taler preußisch Courant hab ich zu Ihrem Salarii bestimmt. Sehen Sie, das ist mehr als das ganze Land gibt.

LÄUFFER

Aber mit Eurer Gnaden gnädigen Erlaubnis, die Frau Majorin haben mir von hundertfunfzig Dukaten gesagt; das machte gerade vierhundertfunfzig Taler und auf diese Bedingungen hab ich mich eingelassen.

MAJOR

Ei was wissen die Weiber! – Vierhundert Taler, Monsieur; mehr kann Er mit gutem Gewissen nicht fodern. Der vorige hat zweihundertfunfzig gehabt und ist zufrieden gewesen wie ein Gott. Er war doch, mein Seel! ein gelehrter Mann; auch und ein Hofmann zugleich: die ganze Welt gab ihm das Zeugnis, und Herr, Er muss noch ganz anders werden, eh Er so wird. Ich tu es nur aus Freundschaft für Seinen Herrn Vater, was ich an Ihm tue und um Seinetwillen auch, wenn Er hübsch folgsam ist, und werd auch schon einmal für Sein Glück zu sorgen wissen; das kann Er versichert sein. – Hör Er doch einmal: ich hab eine Tochter, das mein Ebenbild ist und die ganze Welt gibt ihr das Zeugnis, dass ihresgleichen an Schönheit im ganzen Preußenlande nichts anzutreffen. Das Mädchen hat ein ganz anders Gemüt als mein Sohn, der Buschklepper. Mit dem muss ganz anders umgegangen werden! Es weiß sein Christentum aus dem Grunde und in dem Grunde, aber es ist denn nun doch, weil sie bald zum Nachtmahl gehen soll und ich weiß wie die Pfaffen sind, so soll Er auch alle Morgen etwas aus dem Christentum mit ihr nehmen. Alle Tage morgens eine Stunde und da geht Er auf ihr Zimmer; angezogen, das versteht sich: denn Gott behüte, dass Er so ein Schweinigel sein sollte wie ich einen gehabt habe, der durchaus im Schlafrock an Tisch kommen wollte. – Kann Er auch zeichnen?

LÄUFFER

Etwas, gnädiger Herr. – Ich kann Ihnen einige Proben weisen.

MAJOR (besieht sie

Das ist ja scharmant! – Recht schön; gut das: Er soll meine Tochter auch zeichnen lehren. – Aber hören Sie, werter Herr Läuffer, um Gottes willen ihr nicht scharf begegnet; das Mädchen hat ein ganz ander Gemüt als der Junge. Weiß Gott! es ist als ob sie nicht Bruder und Schwester wären. Sie liegt Tag und Nacht über den Büchern und über den Trauerspielen da, und sobald man ihr nur ein Wort sagt, besonders ich, von mir kann sie nichts vertragen, gleich stehn ihr die Backen in Feuer und die Tränen laufen ihr wie Perlen drüber herab. Ich will’s Ihm nur sagen: das Mädchen ist meines Herzens einziger Trost. Meine Frau macht mir bittre Tage genug: sie will alleweil herrschen und weil sie mehr List und Verstand hat, als ich. Und der Sohn, das ist ihr Liebling; den will sie nach ihrer Methode erziehen; fein säuberlich mit dem Knaben Absalom, und da wird denn einmal so ein Galgenstrick draus, der nicht Gott, nicht Menschen was Nutz ist. – Das will ich nicht haben. – Sobald er was tut, oder was versieht, oder hat seinen Lex nicht gelernt, sag Er’s mir nur und der lebendige Teufel soll drein fahren. – Aber mit der Tochter nehm Er sich in Acht; die Frau wird Ihm schon zureden, dass Er ihr scharf begegnen soll. Sie kann sie nicht leiden, das weiß ich; aber wo ich das Geringste merke. Ich bin Herr vom Hause, muss Er wissen, und wer meiner Tochter zu nahe kommt – Es ist mein einziges Kleinod, und wenn der König mir sein Königreich für sie geben wollt’: ich schickt’ ihn fort. Alle Tage ist sie in meinem Abendgebet und Morgengebet und in meinem Tischgebet, und alles in allem, und wenn Gott mir die Gnade tun wollte, dass ich sie noch vor meinem Ende mit einem General oder Staatsminister vom ersten Range versorgt sähe, – denn keinen andern soll sie sein Lebtage bekommen, – so wollt’ ich gern ein zehn Jahr eher sterben. – Merk Er sich das – und wer meiner Tochter zu nahe kommt oder ihr worin zu Leid lebt – die erste beste Kugel durch den Kopf. Merk Er sich das. – (Geht ab.)

Fünfte Szene

Fritz von Berg. Augustchen.

FRITZ

Sie werden nicht Wort halten Gustchen: Sie werden mir nicht schreiben, wenn Sie in Heidelbrunn sind, und dann werd ich mich zu Tode grämen.

GUSTCHEN

Glaubst du denn, dass deine Juliette so unbeständig sein kann? O nein; ich bin ein Frauenzimmer; die Mannspersonen allein sind unbeständig.

FRITZ