Der Iran - Simone Dinah Hartmann - E-Book

Der Iran E-Book

Simone Dinah Hartmann

4,4

Beschreibung

Dieser Band versteht sich als Einspruch gegen die indifferente Haltung großer Teile der europäischen Öffentlichkeit: gegenüber dem Terror gegen die iranische Bevölkerung und der Vernichtungsdrohung gegen Israel seitens der Teheraner Mullahs. Zum einen geht es um eine Analyse und Kritik der islamischen Diktatur im Iran. Zum anderen geht es um das Verhältnis Europas und insbesondere Deutschlands und Österreichs zu Teheran. Während sich die meisten aktuellen Publikationen zum Thema Iran auf das Atomprogramm konzentrieren, stellt der Band die Diskussion über das iranische Nuklearprogramm in den breiteren Kontext einer Analyse der iranischen Diktatur in Geschichte und Gegenwart. Das Verhalten Österreichs und Deutschlands gegenüber dem Iran wird vor dem Hintergrund der vergangenheitspolitischen Debatten in diesen Ländern diskutiert. Neben den Beiträgen von deutschen und österreichischen PolitikwissenschaftlerInnen und GesellschaftskritikerInnen finden sich mehrere Aufsätze von iranischen Oppositionellen. Der Band macht auch erstmals zwei Texte israelischer Autoren einem deutschsprachigen Publikum zugänglich. Ganz bewusst stehen dabei wissenschaftliche Analysen, Essays und Kommentare nebeneinander. Ergänzt werden diese durch die Dokumentation politischer Stellungnahmen zur iranischen Bedrohung durch prominente Autorinnen und Autoren wie Leon de Winter, Henryk M. Broder, Wolfgang Neugebauer, Benny Morris oder Beate Klarsfeld.

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Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hrsg.)

Der Iran

Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hrsg.)

Der Iran

Analyse einer islamischen Diktaturund ihrer europäischen Förderer

Mit einem Vorwort von Leon de Winterund einem Geleitwort von Henryk M. Broder

StudienVerlag

 

 

© 2008 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.studienverlag.at

Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder

Satz: Studienverlag/Thomas Auer

Umschlag: Studienverlag/Vanessa Sonnewend

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-7065-5821-1

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at.

Inhaltsverzeichnis

Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann

Kritik des Iran und praktische Intervention.Eine Vorbemerkung

Leon de Winter

Für Boykott und Regime Change! Ein Vorwort

Henryk M. Broder

Brahms in Teheran. Ein Geleitwort

Stephan Grigat

Die iranische Bedrohung. Über die Freunde der Mullah-Diktatur und den Existenzkampf des jüdischen Staates

Die Politik der „Islamischen Republik“

Wahied Wahdat-Hagh

Die Herrschaft des politischen Islam im Iran.Ein Überblick zu Struktur und Ideologie der khomeinistischen Diktatur

Gerhard Scheit

Der neue Vernichtungswahn und seine internationalen Voraussetzungen. Wodurch sich Ahmadinejads Islamische Republik von Hitlerdeutschland unterscheidet

Yossi Melman

Von den Nuklearambitionen des Schahs zur islamischen Bombe. Zur Geschichte des iranischen Atomprogramms und der Rolle der IAEO

Yossi Klein Halevi/Michael B. Oren

Israels Alptraum. Zur Rezeption der iranischen Gefahr im Staat der Shoahüberlebenden

Fathiyeh Naghibzadeh

Die göttliche Mission der Frau. Zu Geschichte und Struktur des Geschlechterverhältnisses im Gottesstaat Iran

Alex Gruber

Der Kampf gegen das „Freudenhaus der Bourgeoisie“.Zur Lage der Homosexuellen im Iran

Florian Markl

Der lange Arm der Mullahs. Iranischer Terror von Beirut bis Buenos Aires

Thomas Uwer/Thomas von der Osten-Sacken

Kalkül und Chaos. Der iranische Einfluss im Irak

Nasrin Amirsedghi

Von der Sehnsucht nach Arbeitermacht zur Ayatollahmacht. Anmerkungen zur Kollaboration der iranischen Linken mit dem Islam

Der Iran und Europa

Matthias Küntzel

Friedlich in die Katastrophe. Deutschlands Rolle im Atomstreit mit dem Iran

Thomas Becker

Die Wiederkehr des Führers. Als der iranische Präsident die Deutschen für eine historische Mission begeistern wollte

Stephan Grigat/Florian Ruttner/Farideh Azadieh

Geschäft und Verbrechen. Ökonomische Kooperation mit dem Iran und die postnazistische Gesellschaft in Österreich

Andreas Benl

Delegierte Regression. Der europäische Kulturrelativismus: eine Form der Kollaboration mit dem Islamismus

Justus Wertmüller

Religion der Befreiung. Der politische Islam als Erweckungsbewegung

Simone Dinah Hartmann

Was tun mit den Europäern? Überlegungen zum Kampf gegen Antisemitismus, islamischen Terror und iranisches Nuklearprogramm

Kazem Moussavi

Europa, Israel und die iranische Opposition.Argumente gegen Appeasement und für ein notwendiges Bündnis

Hiwa Bahrami

Geschäftstüchtige Illusionen. Die iranischen Nationalitäten und die verfehlte europäische Politik

Dokumentation

Redebeiträge und Grußbotschaften von der Kundgebung „Keine Geschäfte mit den iranischen Mullahs“ am 30. September 007 in Wien

Raimund Fastenbauer

Kein zweites Risiko!

Elisabeth Pittermann

Österreichs Verpflichtung

Wolfgang Neugebauer

Mit allen Mitteln

Beate Klarsfeld

Protest seit 30 Jahren

Arie Talmi

Im Norden Israels

Benny Morris

Der zweite Holocaust

Autorinnen und Autoren

Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann

Kritik des Iran und praktische Intervention

Eine Vorbemerkung

Der vorliegende Band versammelt Vorträge, die auf dem Symposium Die Islamische Republik Iran – Analyse einer Diktatur am 29. und 30. September 2007 in der Universität Wien gehalten wurden, und wird durch weitere Beiträge zum Thema ergänzt. Bei dem Symposium, das von der Gruppe Café Critique und der österreichischen Sektion von Scholars for Peace in the Middle East organisiert wurde, ging es nicht allein um eine akademische Auseinandersetzung mit der Mullah-Herrschaft im Iran, sondern in erster Linie um eine Intervention. Verdeutlicht wurde das durch die Kundgebung Keine Geschäfte mit den iranischen Mullahs, die, von Café Critique und der Israelitischen Kultusgemeinde mit Unterstützung zahlreicher Gruppen organisiert, im unmittelbaren Anschluss an das Symposium in Wien abgehalten wurde und sich unter anderem gegen den geplanten Milliardendeal der österreichischen OMV mit dem Regime in Teheran richtete. Die hier im Dokumentationsteil und als Vorwort veröffentlichten Reden und Grußbotschaften stammen von diesem Versuch, eine breitere Öffentlichkeit für die Unmenschlichkeit des iranischen Regimes, seine Vernichtungsdrohungen gegen den jüdischen Staat und für die europäische Kollaboration mit diesem Regime zu sensibilisieren.

In den Beiträgen des vorliegenden Bandes geht es zum einen um eine Beschreibung, Analyse und Kritik der islamischen Diktatur im Iran. Zum anderen geht es um das Verhältnis Europas und insbesondere Deutschlands und Österreichs zu einem Regime, das droht, in neuen religiösen und politischen Formen an den Vernichtungswahn des Nationalsozialismus anzuknüpfen. Während sich die meisten der aktuellen Publikationen zum Iran auf das Atomprogramm konzentrieren, stellt der vorliegende Band die Diskussion über das iranische Nuklearprogramm in den Kontext einer Analyse der iranischen Diktatur in Geschichte und Gegenwart. Das Verhalten Österreichs und Deutschlands gegenüber dem Iran wird vor dem Hintergrund der vergangenheitspolitischen Debatten in diesen Ländern diskutiert.

Eines der Anliegen des Symposiums war es, einige jener linken und liberalen iranischen Oppositionellen zu Wort kommen zu lassen, die unmissverständlich mit dem ansonsten auch für die iranische Linke typischen Antiamerikanismus und Antizionismus1 brechen. Nicht, dass es für iranische Oppositionelle keine Gründe für Kritik am Verhalten Israels und der USA in der Geschichte des 20. Jahrhunderts gäbe;2 aber die Einschätzung Israels und der USA hat sich auch bei den linken und linksradikalen persischen Oppositionsgruppen dermaßen von allen realen Ereignissen verselbständigt, dass sie sich, wie in der globalen Linken, in ihrer Ressentimenthaftigkeit zu einem Haupthindernis für emanzipative Bestrebungen entwickelt hat. Umso erfreulicher ist es, dass es heute linke oder aus der Linken kommende Autorinnen und Autoren gibt, die einen klaren Kontrapunkt zu den bisher üblichen Positionierungen setzen.

Neben diesen iranischen Oppositionellen und den Beiträgen von deutschen und österreichischen Politikwissenschaftlern und Gesellschaftskritikern, bei denen ganz bewusst wissenschaftliche Analysen, Essays und politische Kommentare nebeneinander stehen, macht der Band mit den Beiträgen von Yossi Melman und von Yossi Klein Halevi und Michael B. Oren auch zwei einschlägige Texte von israelischen Autoren erstmals einem deutschsprachigen Publikum zugänglich.

Das Buch versteht sich als Einspruch gegen die Indifferenz, mit der große Teile der europäischen Öffentlichkeit dem Terror gegen die iranische Bevölkerung und der Vernichtungsdrohung gegen Israel seitens der Teheraner Mullahs begegnen. Wenn der von Theodor W. Adorno formulierte kategorische Imperativ, im Stande der „Unfreiheit“, also in der falschen Gesellschaft, das „Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe“3 nicht zum feuilletonistischen Aperçu verkommen soll, so kann man unmöglich in einem untätigen Akademismus verharren. Die Gefahr der Aufstockung des iranischen Vernichtungsarsenals mit Nuklearwaffen erfordert Interventionsversuche auch von jenen, die nicht unmittelbar in politische Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Wie diese Interventionen aussehen müssen und in welchen Formen sie stattfinden können, wäre dringend zu diskutieren. Vielleicht können einige der hier präsentierten Überlegungen und Analysen Impulse für solch eine Diskussion liefern.4

Es bleibt die Hoffnung, dass solch eine Publikation neben der Schärfung der Waffen der Kritik auch zu einem aktivistischen Schub führen kann. Die in diesem Buch behandelten Gegenstände sind so beschaffen, dass sich eine rein publizistische Beschäftigung mit ihnen von selbst verbietet. Es geht nicht um interesselose Theorie, sondern um Kritik, die mit genau jenen Zielen praktisch werden muss, die Leon de Winter in seinem Vorwort formuliert.

Die Beiträge von Wahied Wahdat-Hagh, Gerhard Scheit, Fathiyeh Naghibzadeh, Alex Gruber, Matthias Küntzel, Andreas Benl, Simone Dinah Hartmann und Kazem Moussavi sind überarbeitete Fassungen der Vorträge beim Symposium Die Islamische Republik Iran. Bei den Artikeln von Nasrin Amirsedghi, Florian Markl, Thomas Uwer und Thomas von der Osten-Sacken, Thomas Becker, Hiwa Bahrami, Stephan Grigat, Florian Ruttner und Farideh Azadieh handelt es sich um Originalbeiträge für diesen Band. Henryk M. Broders Geleitwort beruht auf einem Artikel, der bei Spiegel-Online unter dem Titel Die wollen nur spielen am 31. August 2007 erschienen ist. Eine frühere Fassung des Beitrags von Justus Wertmüller findet sich in der Nr. 39 der Zeitschrift Bahamas. Der Artikel von Yossi Melman basiert auf Exzerpten aus seinem gemeinsam mit Meir Javedanfar verfassten Buch The Nuclear Sphinx of Tehran: Mahmoud Ahmadinejad and the State of Iran und wurde von den Herausgebern sowie Karin Lederer und Marc Zannoni übersetzt. Eine frühere Fassung des Beitrags von Yossi Klein Halevi und Michael B. Oren erschien in The New Republic und wurde von Luis Liendo Espinoza und den Herausgebern übersetzt.

Entwicklungen, die sich nach dem 20. Dezember 2007 ergeben haben, konnten in den Aufsätzen nicht mehr berücksichtigt werden.

 

Anmerkungen

1      Vgl. beispielsweise die Stellungnahmen der vergleichsweise sympathischen Arbeiterkommunistischen Partei Iran (vgl. WPI-Briefing, Nr. 198, 2006, S.1f.) und ihrer Abspaltung, der Arbeiterkommunistischen Partei Iran Hekmatist zum Libanonkrieg 2006 (http://www.hekmatist.com/deutsch/Libanon.htm, 20.12.2007) und erst recht jene der marxistisch-leninistischen Tudeh-Partei (vgl. Tudeh-Info, Informationsblatt der Tudeh Partei Iran, Nr. 39, 2006; http://www.tudehpartyiran.org/german_file/TUDEH_INFO39.pdf; 20.12.2007).

2      Zu den iranisch-israelischen Beziehungen vor 1979 vgl. David Menashri: Post-Revolutionary Politics in Iran. Religion, Society and Power, New York – London 2001, S.261f. Zu den US-amerikanisch-iranischen Beziehungen vgl. Behrouz Khosrozadeh: Die Ayatollahs und der Große Satan. Iran – USA. Die Beziehungen im historisch-analytischen Überblick, Berlin 2007, dessen Analyse mitunter allerdings selbst von Ressentiments getrübt wird.

3      Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 6. Frankfurt/M. 1997, S.358.

4      In Folge des erwähnten Symposiums und der anschließenden Kundgebung hat sich in Wien die Plattform STOP THE BOMB – Bündnis gegen das iranische Vernichtungsprogramm gebildet, die unter anderem – neben vielen Autoren und Autorinnen dieses Buches – von Arik Brauer, Alfred Dorfer, Hermann Gremliza, Gerhard Haderer, Elfriede Jelinek, Marika Lichter, Ariel Muzicant, Erwin Riess, Robert Schindel, Lotte Tobisch, Topsy Küpers, Elisabeth Orth, den Universitätsprofessoren Micha Brumlik, Jeffrey Herf und Andrei S. Markovits, Brigitte Bailer vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Center in Jerusalem, mehreren ehemaligen israelischen Botschaftern in Österreich sowie von Kurt Hengl, dem ehemaligen Botschafter Österreichs in Israel, unterstützt wird. Vgl. www.stopthebomb.net.

Leon de Winter

Für Boykott und Regime Change!

Ein Vorwort

Viele Jahre hindurch versuchten der deutsche Außenminister, die Franzosen und der britische Außenminister mit den Mullahs im Iran zu verhandeln. Sie scheiterten. Es muss ein ziemliches Spektakel gewesen sein: Drei mehr oder weniger ehrbare EU-Politiker reden mit iranischen Typen, die es lieben zu täuschen und zu betrügen. Für alle, die gewillt waren es zu sehen, war es offensichtlich, dass die Iraner nicht gewillt waren ihre nuklearen Träume aufzugeben. Die Mullahs bereiten eine nukleare Waffe vor und ihr Hauptziel sind die Juden.

Lest sorgfältig die Worte Ahmadinejads, die er vor der ganzen Welt in der Hauptkonferenzhalle des UN-Gebäudes in New York äußerte. Es war eine lange hasserfüllte Ansprache über die „Zionisten“, ein bedeutendes neues Wort mit dem Sinngehalt: die „Juden“. Er versteckt seine Vorhaben nicht. Er ist stolz, dass er sie hat. Sie stehen im Einklang mit seinem leidenschaftlichen Glauben an das Ende aller Zeiten. Er erwartet, dass der islamische Messias in Bälde erscheint. Er will dem Messias mit ein oder zwei Nuklearbomben nachhelfen.

Die Europäer haben alles, was ihnen eingefallen ist, versucht. Viele EU-Vertreter gingen zu vielen Sitzungen und versuchten an die Aufrichtigkeit der Mullahs zu glauben. Aber insgeheim wussten sie, dass die Mullahs nicht zuhören würden, dass nicht ein einziges Argument sie vom Bau der Atombombe abhalten kann. Die Mullahs wollen sie und sie sind gewillt und fähig jeglicher Drohung zu widerstehen. Sie lügen uns ins Gesicht. Sie betrügen uns als wären wir nichts wert.

Ja, es gab Abkommen. Die Medien der EU lobten unsere Diplomaten, nachdem bedeutungslose Abkommen unterzeichnet wurden. „Die sind wundervoll“, schrieben die Medien und sagten, „schaut, wie unsere EU-Diplomaten das Iran-Problem mit ‚soft power‘ lösen!”

Die Mullahs aber durchschauten uns. Sie sehen, dass wir auf tönernen Füßen stehen. Und sie wissen, dass wir wissen, dass sie wissen. Wir müssen mit einem massiven Boykott anfangen. Das Regime in Teheran verliert seine Machtbasis auf Grund von ökonomischen Problemen. Wir können ihre Probleme verschlimmern. Es wird keinen dramatischen Unterschied hinsichtlich unseres eigenen Lebensstandards ausmachen – aber für die Fortsetzung des Mullah-Regimes kann es verheerend sein. Wir brauchen dort einen Regime Change. Um der Freiheit und der Demokratie willen.

Henryk M. Broder

Brahms in Teheran

Ein Geleitwort

Viele Banalitäten, die noch vor zwei, drei Generationen als gesicherte Erkenntnis galten, sind längst empirisch widerlegt: dass Frauen nicht für den Militärdienst taugen, Deutsche überdurchschnittlich fleißig, Juden besonders intelligent, Holländer extrem geizig und Österreicher von Natur aus charmant und gastfreundlich sind. Andere Binsen dagegen kennen kein Verfallsdatum: Armut ist die Ursache für Terrorismus, Kultur bringt Menschen und Völker einander näher.

Innerhalb der deutschen Kultur wiederum kommt der Musik eine ganz besondere Rolle zu. Doch wer an die erzieherische, kreative und versöhnliche Kraft der Musik glaubt, der sollte bedenken, dass SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich Komposition gelernt hatte und ein sehr begabter Cello-, Geige- und Klavierspieler war. Einige KZ-Kommandanten waren in ihrer Freizeit große Musikliebhaber und förderten im Rahmen ihrer Möglichkeiten kleine Ensembles. Mit Musik geht eben alles besser. Und letztes Jahr erlebten wir an einem anschaulichen Beispiel, was Musik vermag oder wozu Musiker imstande sind.

Das Osnabrücker Symphonie-Orchester ist im Sommer 2007 nach Teheran gereist, um dort Brahms und Beethoven zu spielen und damit zur Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Islamischen Republik Iran beizutragen. Mit dem Gastspiel sollte auch demonstriert werden, „dass es viele Ähnlichkeiten zwischen uns gibt und dass wir keinen Grund haben, einander zu fürchten“, wie es der Leiter des Osnabrücker Morgenland Festivals nach der Landung in Teheran sagte.

Zu den Maßnahmen, die Angst abbauen und Vertrauen bilden sollten, gehörte auch, dass die Musikerinnen des Orchesters während der Konzerte Kopftücher tragen mussten. Die Gäste folgten also den Anstandsregeln der Gastgeber, die ihrerseits nicht versprochen hatten, mit der Urananreicherung oder der Hinrichtung von Schwulen und Lesben auszusetzen bis die Tournee vorbei ist.

Wie krankhaft naiv oder unheilbar gesund Kulturschaffende sein können, die sich ihre gute Laune nicht einmal von den Schreien gesteinigter Frauen nehmen lassen, konnte man in der Neuen Osnabrücker Zeitung studieren. Dort veröffentlichte einer der Musiker sein Teheraner Tagebuch. In der ersten Folge beschreibt er noch die Freuden der Reise und die Ankunft in der Stadt: „Und so fahren wir vom Imam-Khomeini-Flughafen am Imam-Khomeini-Mausoleum vorbei nach Teheran. Einen Tag haben wir jetzt Zeit, uns über den wahnsinnigen Verkehr in der Zwölf-Millionen-Stadt zu wundern und uns auszuruhen.“

Am dritten Tag wird es ernst. „Eine Stunde vor dem Konzert bekomme ich einen Hinweis von einer iranischen Frau: Im Saal werden nicht nur musikinteressierte Zuhörer sitzen, sondern auch Mitglieder der iranischen Behörden, die vor allem darauf achten werden, wie wir gekleidet sind.“ Daraufhin veranlasste er das Notwendige: „Ich gehe deshalb zu jeder Frau im Orchester und bitte sie, vor allem auf die Kopftücher zu achten. Die Damen reagieren und ziehen sich die Tücher bis tief in die Stirn oder legen sie neu an. Bloß keinen Ärger mit diesen Leuten bekommen.“

Danach läuft alles „fantastisch“: Am Ende sind alle glücklich. „Ich schaue in die erste Reihe. Dort sitzen die kulturellen Vertreter des Landes. Sie haben ein Lächeln im Gesicht. Wir spüren, wie sehr Musik in der Lage ist, die Herzen der Menschen zu erreichen.“

Natürlich spricht prinzipiell nichts dagegen, dass deutsche Musiker in Teheran ein Konzert geben. Im Gegenteil. Auch wenn es nur eine symbolische Geste wäre, sie könnten ihren Auftritt mit einer Schweigeminute für die Opfer des Mullah-Regimes beginnen oder die Todesfuge von Paul Celan in der Vertonung des DDR-Komponisten Tilo Medek spielen, um den vielen Iranern, die in den letzten Wochen öffentlich hingerichtet wurden, eine letzte Ehre zu erweisen. Sehr subtil und völlig unverdächtig wäre es, wenn sie Näher, mein Gott, zu Dir anstimmen würden, einen Choral, den das Bordorchester der Titanic spielte, als das Schiff in den Fluten versank.

Aber die geigenden Gäste aus der Friedensstadt Osnabrück dachten nicht einmal im Traum daran, ihre Gastgeber zu kränken. Alles, was sie wollten, war: spielen, spielen, spielen. So wie die Sportler, die 1936 an den Olympischen Spielen in Berlin teilnahmen, nichts von den Nazis wissen und nur eines wollten: laufen, laufen, laufen.

Nein, dieser Vergleich ist weder unfair noch übertrieben. Im Jahre 1936 waren die Nazis erst vier Jahre an der Macht, die Nürnberger Gesetze waren zwar schon verabschiedet, aber der Krieg noch in weiter Ferne und Auschwitz nur eine unbekannte Kleinstadt namens Oswiecim irgendwo in Polen. Die Mullahs dagegen regieren seit 29 Jahren, sie haben Millionen von Iranern ins Exil getrieben und im Lande ein Terror-Regime etabliert, das an Ausdauer, Brutalität und krimineller Energie gemessen zu den besten seiner Art zählt.

Während die Nazis 1936 noch trainierten, haben die Mullahs schon lange bewiesen, wie effektiv sie arbeiten und wozu sie in der Lage sind. Dabei muss man sich nicht einmal darüber aufregen, dass die „friedliche Nutzung“ der Kernenergie, die der Iran anstrebt, dazu dienen soll, die Region nach den Vorstellungen der Mullahs zu „pazifizieren“. Es reicht, wenn man zur Kenntnis nimmt, was das Regime mit der eigenen Bevölkerung anstellt, wie es angebliche Verbrecher reihenweise öffentlich exekutiert, die Baha’i verfolgt und alle Ansätze einer Demokratisierung im Keim erstickt.

Unter solchen Umständen Brahms und Beethoven in Teheran zu spielen, bedeutet nach der Melodie des Regimes zu tanzen. Und so wie die Nazis 1936 von den Olympischen Spielen profitiert haben, indem sie der Welt ein fröhliches und friedliches Deutschland vorgaukelten, profitierte vom Gastspiel der Osnabrücker Symphoniker nur das iranische Regime, dem jede Gelegenheit recht ist, die Welt zu täuschen.

Das ist das gute Recht der Mullahs. Wie in jedem totalitären System bestimmt der Wunsch, an der Macht zu bleiben, die Wahl der Mittel. Der Skandal liegt darin, dass sie dabei Hilfestellung aus einem Land erhalten, in dem Parolen wie „Wehret den Anfängen!“, „Nie wieder 33!“ und „No blood for oil!“ das Tischgebet und das Vaterunser ersetzt haben. Je länger das Dritte Reich zurück liegt, umso stärker artikuliert sich der Widerstand gegen die NS-Diktatur, während der Umgang mit gegenwärtigen Diktaturen umso lässiger und nachlässiger ausfällt, je größer die Kaufkraft der regierenden Despoten ist. Am Beispiel des Irans und seiner deutschen und österreichischen Geschäftspartner, mit denen sich die Beiträge dieses Bandes dankenswerter Weise auseinandersetzen, wird das nur allzu deutlich.

Stephan Grigat

Die iranische Bedrohung

Über die Freunde der Mullah-Diktatur und den Existenzkampf des jüdischen Staates

Im Haus des Henkers soll man nicht vom Strick reden, sonst habe man Ressentiment, sagte Theodor W. Adorno hinsichtlich der deutschen Nachkriegsgesellschaft.1 Heute soll man in den postnazistischen Gesellschaften Österreich und Deutschland nicht vom eliminatorischen Antizionismus und vom Antisemitismus der von eben diesen Ländern gehätschelten Djihadisten sprechen. Tut man es doch, wird einem Ressentiment gegenüber dem Islam, Instrumentalisierung der Vergangenheit und Relativierung des nationalsozialistischen Antisemitismus vorgeworfen. Die ebenso simple wie folgenschwere Tatsache, dass es keine Diskrepanz gibt zwischen der Rhetorik und den tatsächlichen Absichten der Islamisten, gilt in weiten Kreisen Europas nach wie vor als maßlose Übertreibung von politischen Extremisten und wird schlimmstenfalls als ‚antimoslemischer Rassismus‘ diskreditiert.2

Einst war der Hinweis, man solle nicht jedes Gemetzel in der Weltgeschichte als Holocaust und nicht jedes autoritäre Regime als faschistisch bezeichnen, ein berechtigter Einwand gegen die von Linken wie Rechten betriebene Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen. Doch heute sind die Warnungen vor einer ‚Inflationierung des Faschismusbegriffs‘ und einer ‚Instrumentalisierung der Shoah‘ Floskeln geworden, welche die Verharmlosung und Verdrängung aktueller Gefahren befördern. Das wird hinsichtlich des Iran besonders deutlich.

Ali Khamenei, der Nachfolger von Ayatollah Ruhollah Khomeini, erklärte 1999 bei einer Kundgebung zum Al-Quds-Tag, dem Jerusalem-Tag: „Es gibt nur eine Lösung für das Nahost-Problem: die Vernichtung und Zerstörung des jüdischen Staates.“3 Bereits 1997 hatte er in einer Ansprache vor den Revolutionswächtern proklamiert, Israel werde von den Seiten der Geschichte getilgt werden. In einem Treffen mit Scheich Yassin versicherte er dem damaligen Führer der Hamas hinsichtlich Israel, der Iran werde dieses „Krebsgeschwür nicht einmal für eine Stunde anerkennen“.4 Der im Westen als „moderat“ gehandelte iranische Expräsident Ali Akbar Haschemi Rafsanjani hatte bereits in seinem Buch Israel’il va Qods-e ’Aziz den Kampf gegen Israel zur heiligen Pflicht aller Moslems erklärt.5 2001 spekulierte er bei einer Kundgebung zum Al-Quds-Tag darüber, dass bereits der Einsatz einer Atombombe, gezündet in der Nähe von Tel Aviv, ausreichen werde, um Israel zu vernichten. Und – das ist das Entscheidende – offensichtlich wäre er gewillt, dafür den Tod von Millionen Iranern als Folge eines israelischen Gegenschlages in Kauf zu nehmen: „Wenn eines Tages die islamische Welt ebenfalls mit Waffen ausgestattet ist, wie sie Israel heute besitzt, dann wird die Strategie der Imperialisten zum Stillstand kommen, denn schon der Einsatz einer einzigen Atombombe im Inneren Israels wird alles vernichten. Auch wenn dies der islamischen Welt Schaden zufügen wird, ist es nicht widersinnig, so eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen.“6 Ähnlich selbstzerstörerisch äußerte sich 1997 Iran News, als verkündet wurde, der Iran könne sich in der Palästina-Frage „niemals kompromissbereit“ zeigen, selbst wenn das „auf Kosten der eigenen nationalen Interessen“ ginge.7 Auch exiliranische Autoren verweisen darauf, dass es in der iranischen Führung heute maßgebliche Kräfte gibt, für die es „zweitrangig (ist), was vom Iran nach einem flächendeckenden Krieg mit den USA übrigbliebe“.8 Solche Überlegungen stehen ganz in der Tradition von Khomeini, der schon kurz nach der Revolution von 1979 erklärt hatte, der Iran könne ruhig untergehen, wenn nur der Islam den Sieg im weltweiten Kampf gegen die Ungläubigen davon trage. In einer Rede in Qom führte er 1980 aus: „Wir beten nicht den Iran an, wir beten Allah an […] ich sage, soll der Iran brennen. Ich sage, soll dieses Land in Rauch aufgehen, vorausgesetzt, der Islam erweist sich als siegreich.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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