Der Kampf gegen das Böse - Paul Marnou - E-Book

Der Kampf gegen das Böse E-Book

Paul Marnou

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Beschreibung

Prof. Dr. Mika Hennig lehrt als Dozent an der Paul-Wenner-Universität.Seine Frau Viktoria und seine Tochter Lotta werden bei einem Banküberfall von den Verbrechern ermordet. Er stürzt daraufhin in ein unendlich tiefes psychisches Loch. Seine Familie und Mönch Chenpo aus dem Lamayuru-Kloster im Norden Indiens helfen ihm wieder ins Leben zurück. Als starker Mensch verlässt er das Kloster. Er ermittelt zunächst zwei Jahre lang für eine geheime Organisation, die die Aufgaben übernommen hat, die Landeskriminalämter bei schweren Kapitalverbrechen zu unterstützen. Nach einer kurzen Einweisung in seinen neuen Wirkungsbereich wird Mika im gesamten Bundesgebiet als Einzelkämpfer für die Gerechtigkeit tätig. In diesen zwei Jahren bekämpft er erfolgreich Kidnapper, Bankräuber, Serienmörder, Banden und brutale Zuhälter. Nach seinem zweijährigen Dienst in der Organisation wird Mika nach einigen Schwierigkeiten noch für wenige Monate für das Bundesamt für Schwerstkriminalität tätig. Es gelingt ihm danach nicht nur, in seinen ursprünglichen Tätigkeitsbereich als Dozent für Psychologie zurückzukehren, sondern auch eine neue Liebesbeziehung aufzubauen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Der Kampf gegen das Böse

Ein Mann geht seinen Weg.

Vielen Dank, dass Du Dich für mein Buch entschieden hast. Hoffentlich hat es Dir gefallen. Wenn ja, würde ich mich über eine positive Bewertung und über Anregungen freuen. Liebe Grüße, Paul Marnou. Schau doch einmal auf meine Website: " https://www.autor-paul-marnou.de"

Der Kampf gegen das Böse

Ein Mann geht seinen Weg.

 

 

von

 

 

Paul Marnou

 

 

 

Über den Autor

Horst Rasch alias Paul Marnou ist im Mai 1947 geboren, verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Er war 42 Jahre mit Leib und Seele als Hauptschullehrer tätig, davon fast 40 Jahre an der Hermann-Claudius-Hauptschule in Marl. 2012 ging er mit 65 Jahren in den Ruhestand. Kurz nach seiner Pensionierung studierte er die Hunderassen im Verband deutscher Hundezüchter und entdeckte eine Hunderasse, die ihm bisher unbekannt war, den Eurasier. Er besuchte mit seiner Familie Hundeausstellungen und Züchter. Schon bald gehörte Eurasiermädchen B-Mila vom Jagdschloss Stutensee zur Familie, die seitdem stets an seiner Seite ist. Auf den ausgiebigen Spaziergängen mit Mila kann er nicht nur die Seele baumeln lassen. Dort entwickeln sich auch die Ideen zu seinen Büchern.

Teil 1

Gebrochene Flügel lernen wieder fliegen

1. Die Flügel der Liebe werden gebrochen

 

 

Lotta Hennig feiert heute ihren dritten Geburtstag. Sie ist die Tochter von Viktoria und Mika Hennig. Wie im letzten Jahr sind alle gekommen, um ihr zu gratulieren, die Eltern ihres Vaters, Oma Ina und Opa Volkmar, Papas Schwestern Liv und Ilma mit ihren Freunden, die Eltern ihrer Mutter, Oma Ann-Britt und Opa Björn sowie Mamas jüngere Schwestern Kerstin und Marie. Ihre Mama Viktoria kommt aus Schweden. Ihr Papa lehrt an der Paul-Wenner-Universität Psychologie und war bei seiner Einstellung dort der jüngste Lehrstuhlinhaber aller Zeiten.

Ihre Eltern lernten sich an der Universität in Göteborg kennen und lieben. Viktoria war damals Studentin und Mika übernahm auf Empfehlung seines Doktorvaters die Vertretung eines erkrankten Dozenten. Lottas Mutter wohnte mit ihren Eltern und Geschwistern in Hönö auf Hönö, einer Insel in den Schären nördlich von Göteborg. Die Uni stellte Mika ein schönes rotes Holzhaus in Hönö zur Verfügung. Als sich Viktoria und Mika das erste Mal sahen, war es Liebe auf den ersten Blick, die noch heute genau so groß ist wie beim Kennenlernen. Sie heirateten auf Hönö in der weißen Holzkirche mit dem wunderschönen roten Dach.

Jeder sieht ihnen an, dass sie noch immer von den Flügeln der Liebe getragen werden.

Lotta packt geduldig ihre vielen Geschenke aus. Mit großen Augen wird sie dabei von allen Geburtstagsgästen beobachtet. Das Geburtstagskind sieht ihrer Mama sehr ähnlich. Sie hat das gleiche blonde krause Haar und ist genauso hübsch. Papa Mika filmt mit seinem Handy jede Kleinigkeit. Nach dem Abendessen verabschieden sich Mikas Eltern und Geschwister. Lotta schlummert schon nach dem anstrengenden Tag in ihrem Bettchen.

Viktorias Familie wohnt im Haus von Viktoria und Mika. Sie bleibt noch bis zum Ende der Woche. Die Tage gehen schnell vorbei. Bei der Verabschiedung bemerkt Oma Ann-Britt traurig:

„Ich würde euch zu gerne mit nach Hönö nehmen, aber hier habt ihr es auch sehr schön.“

„Wir besuchen euch doch regelmäßig und das soll auch so bleiben. Die Semesterferien stehen vor der Tür. Wir werden schon bald wieder bei euch sein“, tröstet sie Viktoria.

Viktoria ahnt nicht, dass sie ihre Eltern und Geschwister nie wiedersehen wird.

Das Semesterende nähert sich sehr schnell. Mika hat am letzten Tag vor den Semesterferien morgens nur noch zwei Vorlesungen. Anschließend soll es direkt zum Flughafen nach Düsseldorf und von dort mit dem Flieger nach Göteborg gehen.

Am nächsten Tag sitzt die junge Familie gemeinsam am Frühstückstisch und redet über ihre Eltern und Geschwister auf Hönö.

„Liebling, da unser Reisegepäck schon im Auto verstaut ist, kann ich dich doch an der Uni abholen. Ich gehe mit Lotta vorher kurz zur Bank und wir treffen uns nach deiner letzten Vorlesung am Auto“, schlägt Viktoria vor.

„Gute Idee, dann müssen wir uns nicht auf dem Weg zum Flughafen abhetzen“, stimmt Mika zu.

Während Mikas Vorlesungen herrscht stets absolute Stille, nicht, weil er diese Stille fordert, sondern weil die Studentinnen und Studenten ihm äußerst interessiert zuhören und seine Mimik und Gestik genauestens beobachten. Mit dem heutigen Thema „Der Einfluss der Liebe auf die Psyche des Menschen“ in der letzten Vorlesung des Tages zieht er seine Zuhörer wieder in seinen Bann. Jede fallende Stecknadel hätte man hören können.

So nimmt jeder Anwesende deutlich das vorsichtige Öffnen der Tür wahr. Mika hält kurz inne und schaut wie seine Zuhörer zur Tür. Dort steht der Dekan mit zitternden Händen und Tränen in den Augen in Begleitung eines Kriminalbeamten. Er bemüht sich zu sprechen, doch seine Stimme versagt. Mika eilt zu ihm, um ihm zu helfen. Hinter Prof. Dr. Merzner und dem Herrn von der Kripo stehen noch die Sekretariatsleitern Frau Kunding und einige Dozenten, die ebenfalls mit den Tränen kämpfen.

„Was ist passiert? Warum sind sie so aufgelöst?“, fragt Mika.

Bevor er eine Antwort bekommt, hört er hinter sich die vorsichtige Aufforderung eines Uni-Mitarbeiters an Mikas Studenten, den Hörsaal bitte zu verlassen.

„Klären sie mich doch bitte auf“, fordert Mika.

„Bitte kommen sie mit ins Büro der Verwaltung. Da können wir ruhig reden“, antwortet der Kriminalbeamte mit ruhiger Stimme. Inzwischen fahren ein Krankenwagen und ein Arztwagen vor den Haupteingang. Ein Arzt und ein Sanitäter nähern sich dem Büro, in dem Mika inzwischen Platz genommen hat. Eine fürchterliche Angst ergreift ihn. Als Momente später seine Eltern mit den Ärzten das Büro betreten und seine Eltern entsetzlich weinen, springt Mika plötzlich auf und schreit:

„Sagt mir endlich, was los ist“, obwohl er schon das Fürchterlichste, Bitterste, Traurigste ahnt. Seine schluchzenden Eltern nehmen ihn in ihre Arme und drücken ihn ganz fest.

„Du musst jetzt sehr, sehr stark sein, Mika“, flüstert seine Mutter.

„Wo ist Viktoria, wo ist Lotta? Wie geht es ihnen? Sagt mir bitte, dass es ihnen gut geht“, fleht er seine Eltern an.

Mika ist dem Wahnsinn, dem Zusammenbruch nah. Als der Kriminalbeamte ihm mitteilt, dass seine Liebsten nicht mehr leben, bricht Mika zusammen. Einer der anwesenden Ärzte gibt ihm eine Beruhigungsspritze. Als er wieder ansprechbar ist, will er sofort zu seiner Frau und seiner Tochter.

„Ich möchte sie sofort sehen. Viktoria und Lotta haben versprochen, mich hier abzuholen, und sie halten immer ihr Versprechen. Bitte sagt mir, dass sie noch leben. Ich brauche sie so sehr. Was ist geschehen?“

Der grausame Tod seiner Frau und seiner Tochter zerstört eine große Liebe. Mika stürzt in ein dunkles, unendlich tiefes Loch.

Wenige Stunden später erwarten in Göteborg Viktorias Eltern mit großer Freude die Ankunft ihrer Kinder. Das Flugzeug landet, die Passagiere werden nach dem Zoll von ihren Gastgebern begrüßt. Nur Björn und Ann-Britt warten vergebens. Verunsichert versuchen sie, Viktoria und Mika zu erreichen, vergebens. Zu Hause auf Hönö meldet sich in der Zwischenzeit auch niemand.

„Ruf doch bitte bei Ina und Volkmar an. Die wissen sicher mehr und können uns aufklären“, bittet Ann-Britt ängstlich, „hoffentlich geht es den Kindern gut! Sie haben bestimmt die Maschine verpasst. Aber dann hätten sie uns sicher darüber informiert?“ Nach mehreren Versuchen können sie endlich eine Verbindung zu Volkmar herstellen.

Sie hören Volkmars schweres Atmen, bevor sie seine traurige Stimme vernehmen: „Es tut mir so leid. Unfassbares ist geschehen. Viktoria und Lotta sind tot.“

Schreiend bricht Ann-Britt zusammen. Sofort eilen Sanitäter des Flughafenpersonals zu ihr und bemühen sich um sie. Björn und Volkmar halten noch ihre Handys in der Hand.

„Was ist passiert?“ fragt Björn mit zitternder Stimme.

„Die Polizei sagte uns nur, dass die Bank, in der sich Viktoria mit Lotta aufhielt, überfallen wurde und Schüsse fielen. Was genau geschah, können wir noch nicht sagen“, schildert Volkmar mit leiser und zitternder Stimme.

„Wir kommen mit der nächsten Maschine zu euch. Wir möchten unsere Kinder sehen. Die Maschine, in der die Kinder sitzen sollten, fliegt in einer Stunde zurück. Ich versuche noch Plätze zu bekommen“, beendet Björn das bittere Gespräch.

Er informiert sofort Kerstin und Marie in Hönö über die schrecklichen Ereignisse in Deutschland und bittet sie, zum Flughafen zu kommen. Danach eilt er sofort zum Flugschalter der Fluggesellschaft, nachdem Ann-Britt ärztlich gut versorgt wurde. Sie darf und kann leider nicht in das Flugzeug steigen. Inzwischen erreichen auch Viktorias jüngere Geschwister weinend den Flughafen und eilen zu ihren Eltern. Björn bittet sie voller Verzweiflung, ihre Mutter ins Krankenhaus zu begleiten.

„Ich habe noch einen Platz bekommen und muss in Kürze zum Einchecken. Bitte passt gut auf Mama auf. Ich lasse euch nicht gerne allein; aber ich muss zu Viktoria, Mika und Lotta. Mama wünscht sich das auch“, verabschiedet sich Björn von seinen Kindern und nimmt sie fest in seine Arme.

Was geschah am Vormittag?

„Viktoria schließt ihr Haus ab, schaut sich noch einmal um und bricht mit Lotta in Richtung Geldinstitut auf. Sie liegt gut in der Zeit, denn die Bank öffnet erst in zwanzig Minuten. Sie erreicht den Eingang der Bank kurz vor neun Uhr. Ein Bankangestellter öffnet pünktlich die Türen, und mit Viktoria und Lotta betreten noch ein älteres Ehepaar und ein älterer Herr die geräumige Schalterhalle. Bevor ein Kunde zum Schalter treten kann, stürmen vier vermummte und schwer bewaffnete Männer die Bank und schreien in gebrochenem Deutsch:

„Alle hinlegen und Geld her, sonst knallen wir alle ab.“

Die ängstliche Viktoria legt sich schützend über ihre kleine Lotta. Der ältere Herr ist körperlich nicht in der Lage, sich hinzulegen. Brutal hält ihm ein Verbrecher eine Waffe an den Kopf und schreit:

„Bist du alter Sack schwerhörig, „hinlegen“ habe ich gesagt.“

„Ich kann nicht“, antwortet der alte Herr in Todesangst.

„Dann werde ich dir helfen“, grinst ihn der Bankräuber und Mörder an und drückt ab.

Tödlich getroffen bricht der alte Mann zusammen.

„Geht doch, du Penner, schlaf und träume gut. Kannst mir ja mal von deinen süßen Träumen erzählen“, lacht der Täter hämisch, „und jetzt rückt endlich die Kohle raus, sonst lassen wir noch andere träumen.“

Eine Bankangestellte, die sich geschützt im schusssicheren Bereich der Bank aufhält, drückt auf den Alarmknopf.

Da sich das Öffnen des Tresors durch die eingebaute Zeitschaltung verzögert, schießen die wütenden und ungeduldigen Verbrecher gegen das Panzerglas. Ein Querschläger trifft Viktoria, die noch immer schützend über Lotta liegt und ängstlich hochschaut, tödlich am Kopf und zerfetzt ihr rechtes Auge. Die kleine Lotta liegt wimmernd unter ihrer Mama. Der tote Körper Viktorias lässt dem Töchterlein kaum noch Luft zum Atmen. Das kleine Mädchen weint bitterlich und ruft mit letzter Kraft immer wieder: „Mama, Mama, Mama.“

Die Martinshörner der nahenden Polizei vernehmen auch die Verbrecher. Als sie gerade ohne Geld aus der Bank flüchten wollen, werden sie von der eintreffenden Polizei daran gehindert, und sie stürmen zurück in die Bank. Plötzlich gerät der Rettungsversuch der Polizei außer Kontrolle. Hinterher ist nicht mehr festzustellen, wer zuerst schoss. Ein brutaler Schusswechsel erschüttert die Bank. Nacheinander werden die Körper der Anwesenden von Geschossen getroffen. Die zarte Stimme der süßen Lotta verstummt plötzlich. Alle Bankmitarbeiter im geschützten Bankbereich und zwei Verbrecher überleben die Katastrophe, ein Täter schwer verletzt. Alle Kunden, drei ältere Herrschaften und eine junge Mutter mit ihrem Kind, werden von Kugeln mehrfach tödlich getroffen.

Der tödliche Querschläger zerstörte schon Viktorias hübsches Gesicht. Weitere Kugel durchschlagen ihren Hinterkopf und ihren Körper. Viktorias Versuch, ihre Tochter mit ihrem Körper zu schützen, bleibt leider ohne Erfolg. Der zarte Körper des kleinen Mädchens wird von mehreren Kugeln förmlich zerrissen, das empfindliche Köpfchen von einer Kugel zerstört. Hinter dem sicheren Panzerglas hängt ein Zettel mit Verhaltensregel bei einem möglichen Überfall an der Wand. Auf dem Zettel steht für jedermann deutlich zu lesen:

„Im Falle eines Überfalles ist alles zu unterlassen, was Kunden gefährden könnte.“

Ein unbedachter Knopfdruck zerstört eine glückliche Familie. Volkmar holt Björn vom Düsseldorfer Flughafen ab. Ina bleibt bei Mika, der nur noch vor sich hinstarrt. Die Ankunft Björns nimmt er gar nicht wahr. Er spürt nicht, wie Björn liebevoll übers Haar streichelt.

Die Leichen der geliebten Kinder liegen bereits im gerichtsmedizinischen Institut.

Eine erneute Nachfrage von Volkmar und Björn, die Kinder noch einmal sehen zu dürfen, wird wiederholt verneint.

„Bitte verstehen sie uns. Ihre Kinder wurden durch die Kugeln so sehr entstellt, dass sie sie nicht sehen sollten. Halten sie ihre Tochter und ihre Enkelin so in Erinnerung, wie sie zuletzt gesehen haben. Es tut mir sehr leid“, bitten der leitende Gerichtsmediziner und ein Beamter der Kripo um Verständnis.

Ohne großen Widerspruch verlassen die beiden Väter mit gesenkten Köpfen das Institut.

Bei der Untersuchung von Viktoria und Lotta bestätigt sich eine befürchtete Vermutung:

„Beide Körper wurden von Geschossen aus Polizeiwaffen und Verbrecherwaffen getroffen!“

Nach einer Woche geben die Mediziner die Leichen zur Beerdigung frei. Viele Menschen begleiten Viktoria und Lotta auf dem Weg zu ihrer letzten Ruhestätte. Freunde Mikas tragen den weißen Sarg mit Viktoria. Björn und Volkmar halten den kleinen weißen Sarg mit ihrer Lotta in den Händen. Tränen laufen an ihren Wangen herunter. Viktorias Geschwister stützen ihre Mutter. Tags zuvor reisten sie zur Beerdigung ihrer ermordeten Tochter und ihres Enkelkindes an.

2. Mikas Weg aus der Finsternis

 

 

 

Einer fehlt bei der Beerdigung, Mika. Alle Versuche seiner Angehörigen, ihn zu erreichen, in seinen Kopf einzudringen, schlagen fehl.

Sein seelischer Absturz setzt sich fort. Eltern, Geschwister und Freunde lösen sich bei dem Bemühen ab, Mikas Absturz zu bremsen. Sie geraten dabei an ihre physischen und psychischen Grenzen. Tagelang sitzt er in seinem Haus auf demselben Sofa. Die heruntergelassenen Rollos verdunkeln das Zimmer. Jeder Versuch seiner Eltern und Geschwister, Licht in das Zimmer zu bringen, wird durch ein Stöhnen von Mika verhindert. Nur ein winziges Lämpchen auf Mikas Schreibtisch macht eine räumliche Orientierung möglich. Sehr mühsam schleppt sich Mika fast instinkthaft zur Toilette, um dann gleich wieder auf dem Sofa in gleicher gebeugter Haltung zu verharren. Sein Zustand verlangt eine Betreuung rund um die Uhr. Sie ernähren ihren Sohn, Bruder, Freund und Schwager wie einen hilflosen Menschen. Sie geben nicht auf, mit Mika zu reden, und zeigen ihm fortwährend Bilder und Videos von Viktoria und Lotta, in der Hoffnung, wenigsten einen Funken Aufmerksamkeit in seinem Gesicht zu erkennen.

Nach Wochen zeigt Mika endlich eine erste Regung. Seine Schwester Liv spielt ein Video ab, das Mika selbst an Lottas letztem Geburtstag mit seinem Handy aufnahm. Lotta tobt mit ihrer Mama im eigenen Garten herum. Ihr fröhliches Lachen und Kreischen ist deutlich zu hören. Mika hebt kurz seinen Kopf und in seinem Gesicht ist ein leichtes Lächeln zu sehen. Überglücklich telefoniert Liv sofort mit ihren Eltern. Vorsicht bewegt sie sich zum Terrassenfenster und lässt durch einen schmalen Schlitz ein bisschen Licht ins Zimmer, aber bereit, nach einer negativen Reaktion Mikas, den Schlitz sofort wieder zu schließen. Doch Mika bleibt ganz ruhig in gewohnter Sitzhaltung. Nach einer guten Stunde betreten die Eltern mit Livs Freund das zu ihrer Verwunderung und Freude leicht erhellte Wohnzimmer. Liv spielt das Video noch einmal ab. Gespannt beobachten alle Mikas Gesicht. Wieder bewegt er seinen Kopf nach oben und lächelt. Aber jetzt lächelt er auch seine Eltern und Liv an. Die Rollos werden in den nächsten Tagen schrittweise hochgezogen und das in den letzten Wochen düstere Zimmer wird von hellen Sonnenstrahlen durchflutet. Mika nimmt die Bilder um sich herum immer stärker wahr. Lächeln und weinen wechseln einander ab. Livs Freund, der als Stationsarzt in einer Spezialklinik für Psychiatrie tätig ist, sieht das Verhalten Mikas als bedeutenden Schritt hin zur Besserung. Er leugnet aber nicht einen noch langen Weg bis zur vollständigen Genesung.

3. Die Heilung von Körper, Geist und Seele

 

 

 

Er berichtet von einem ähnlichen Fall eines jungen Mannes, der seine Familie durch einen tragischen Verkehrsunfall verlor. Diesen Mann schickten die behandelnden Ärzte, nachdem er wieder kleine Anzeichen zur Kommunikation erkennen ließ, in das Grenzgebiet zwischen Indien und China zu einem buddhistischen Mönch, der ihn tatsächlich wieder vollständig ins normale Leben zurückführen konnte.

„Das werden wir natürlich auch versuchen“, sagt Vater Volkmar sofort und zu Livs Freund gewandt, „du sagst uns bitte, wann wir einen Versuch starten dürfen.“

Mika macht zur großen Freude seiner Familie immer größere Fortschritte. Ihm muss nicht mehr bei seinen Mahlzeiten geholfen werden. Die Einkäufe übernehmen weiterhin andere für ihn, denn nach draußen wagt sich Mika noch nicht. Bald bleibt niemand mehr über Nacht bei ihm. Und plötzlich begrüßt er morgens seinen Vater, der gerade die Haustür aufschließt, mit „Hallo Papa“.

Sofort telefoniert der sichtlich gerührte Vater mit Mutter Ina:

„Schatz, wir haben unseren Sohn wieder!“

Wenige Wochen später fliegen Vater und Sohn nach Indien, von Frankfurt nach Delhi, von dort nach Scinagar und weiter zum Zielflughafen Leh. Die letzten zweihundert Kilometer legen sie mit einem Geländewagen zum Lamayuru-Kloster zurück. Dort werden sie schon von Mönch Chenpo erwartet. Mikas Vater fährt noch am gleichen Tag zurück nach Leh, wie es mit Mönch Chenpo im Kloster vereinbart war.

Niemand weiß, wie lange Mika dortbleiben wird und ob man ihm helfen kann, vollkommen genesen in sein normales Leben zurückzukehren. Wortlos zeigt ihm Mönch Chenpo seine karge Schlafstätte. In den ersten Wochen lehrt ihn Chenpo, der als junger Mann in Deutschland Germanistik studiert hat und außer Deutsch noch Englisch und Französisch spricht, sich wiederzufinden, sein Schicksal zu ertragen und den Tod seiner Liebsten als Teil seines Lebens zu akzeptieren. Mikas Geist und Seele wird stabilisiert und sein Lebensblick nach vorne gerichtet. Schon bald kann sich Mika auf jeden Teil seines Körpers, seiner Muskeln konzentrieren. Seine Sinne werden geschärft. Er lernt die Anatomie des Menschen bis ins Kleinste kennen.

In den ersten Wochen seines Aufenthaltes bereiten ihm die dünnere Luft in 4000 Metern Höhe und die Temperaturen im unbeheizten Kloster große Probleme. Der Meditationsraum ist der einzige Ort im Kloster, der durch einen Kachelofen leicht beheizt wird, aber nur im Winter. Als der Winter mit starken Minusgraden naht, bereiten Mika Luft und Kälte keine Probleme mehr.

Mika hat gelernt, alle Stärken seines Körpers zu beherrschen und dessen Schwachstellen zu beseitigen oder zu schützen, wenn das erforderlich ist. Er kennt jede empfindliche Region des menschlichen Körpers, die leicht zu verletzen oder zu zerstören sind. Mika, der schon als kleiner Junge in Sportvereinen erfolgreich tätig war, erlernt von Mönch Chenpo viele Kampfsportarten in Vollendung. Seine Hände, Arme, Beine, Füße im Einklang mit seinen Sinnen und Muskeln werden, wenn sie eingesetzt werden müssen, zu tödlichen Waffen. Mit seinen Händen kann er, gezielt eingesetzt, einen ganzen Körper und Körperteile anderer Menschen in Sekundenbruchteilen lähmen. Aber Chenpo lehrt ihn auch, diese Waffen zu kontrollieren und nur im Notfalle gegen die Ungerechtigkeit einzusetzen. Nie hätte Chenpo Mika zur menschlichen Kampfmaschine geformt, wenn er nicht vorher den feinen Charakter erforscht und erkannt hätte. Mönch Chenpo ist sich ganz sicher, dass sein ehemaliger Lehrling und jetziger Meister seine Fähigkeiten nur im Sinne der Gerechtigkeit einsetzen wird. Er bereitet Mika auf dessen neue Aufgaben vor.

Nach eineinhalb gemeinsamen Jahren verabschiedet Chenpo Mika nur sehr ungern. Eine ganz besondere Freundschaft ist in der vergangenen Zeit zwischen den beiden entstanden. Zu gerne hätte er Mika als dauerndes Mitglied des Klosters gesehen. Aber er weiß, dass Mika in Deutschland erwartet wird.

 

4. Die Vorbereitung

 

 

 

 

Vom Lamayuru-Kloster legt Mika die gleiche Strecke zurück wie bei seinem Hinflug. Nach dreißig Stunden landet er in Frankfurt. Sein erster Weg führt ihn zum Bundesamt für Schwerstkriminalität (BAfSH) nach Wiesbaden. Bevor er das gut gesicherte Gelände betreten kann, muss er an der Pforte bei den Wachbeamten seine Zutrittsberechtigung nachweisen. Mika reicht den Beamten eine rote Kunststoffkarte in Checkkartengröße, die ihm schon in Indien bei seiner Abreise von Mönch Chenpo mit den notwendigen Informationen überreicht wurde. Ein Mann des Sicherheitsdienstes steckt die Karte in ein Lesegerät neben dem PC. Nach kurzer Zeit leuchtet ein grünes LED–Lämpchen auf. Sofort bekommt Mika die Zugangsberechtigung. Er betritt das Amtsgebäude nicht durch den Haupteingang. Mitarbeiter des BAfSH können das Amt durch mehrere Seiteneingänge betreten, um den kürzesten Weg von ihren jeweiligen Parkplätzen, die rund um das Gebäude verteilt sind, zu den Eingängen zu nutzen. Mika nähert sich dem einzigen Seiteneingang, vor dem keine Beamten stehen. Der liegt in einem nicht einsehbaren Bereich des Gebäudes. Mika betätigt eine Klingel neben einer Stahltür.

„Ja bitte?“ fragt eine elektronische Stimme.

Gleichzeitig fährt im Mauerwerk eine Metallscheibe wie bei einem Nachttresor herunter, hinter der eine Buchstabentastatur sichtbar wird. Mika tippt ein Wort ein und die Stahltür wird wie von Geisterhand geöffnet. Wenige Sekunden nach Mikas Eintritt schließt sich die Tür wieder. Er steht in einem kleinen Vorraum, in dem er nur kurz wartet. Die einzige Innentür des Raumes öffnet sich, und ein Herr mit dunkelgrauem Anzug und dunkelblauer Krawatte betritt den Vorraum.

„Wie kann ich ihnen helfen?“ fragt er Mika.

„Chenpo“, antwortet Mika kurz.

„Wir haben sie schon erwartet“, fährt der Mann fort, „treten sie bitte ein.“

Mika folgt dem Herrn in ein größeres Zimmer mit bequemen Sitzgelegenheiten. Hier erhält er von dem Herrn alle Informationen, die für seinen zukünftigen Aufgabenbereich wichtig sind:

„Mönch Chenpo hat sie bereits über uns informiert und uns über sie. Ich kenne Chenpo schon seit vielen Jahren. Wir lernten uns zufällig in einem Straßencafé hier in Wiesbaden kennen. Chenpo hatte gerade sein Studium beendet. Er erzählte mir von seinen Zukunftsplänen. Ich arbeitete schon einige Jahre in diesem Amt, zunächst als ermittelnder Beamter. Nach einem „Dienstunfall“ wurde ich an einen Schreibtisch verdammt und war für den Archivbereich zuständig.

Wenn ich heute das Gebäude betrete, glaubt noch jeder Kollege, dass ich diese Tätigkeit noch immer ausübe. Tatsächlich kontrolliert unsere Organisation das Archiv. Wir können deshalb zu jederzeit auf wichtige Informationen, die in der Vergangenheit liegen, zugreifen. Chenpo erzählte mir, dass er bald in den Norden Indiens zurückkehren will, um dort in einem Kloster tätig zu sein. Aus diesem Gespräch entwickelte in den folgenden Jahren unsere Organisation. Leider darf und will ich ihnen nicht mehr über den Entwicklungsprozess erzählen. Während ihres Aufenthaltes im Kloster besuchte ich Chenpo mehrmals. Auch sie und ihre Entwicklung habe ich mit großem Interesse beobachtet. Deshalb kenne ich auch den traurigen Grund für ihren Aufenthalt im Kloster und bin über jede Phase ihrer physischen und psychischen Genesung, Stabilisierung, Stärkung und ihre jetzigen Fähigkeiten unterrichtet.

Ich werde ihnen nun alles über ihren neuen Tätigkeitsbereich erzählen, alles, was sie unbedingt wissen müssen. Sie gehören ab heute einer Organisation an, die sich für Gerechtigkeit einsetzt und unschuldige Menschen vor Verbrechern schützt. Sie wissen bereits von Mönch Chenpo, dass es uns auf dem Papier nicht gibt, unsere Organisation, mich und ab jetzt sie und alle anderen Mitarbeiter. Wir arbeiten im Verborgenen. Auch den Angestellten des Bundesamtes ist unsere Organisation nicht bekannt. Alle Hilfeanfragen der Landeskriminalämter, die an das BAfSH gerichtet sind, erscheinen auch auf unseren PCs und wir entscheiden dann selbstständig, wann und wo wir eingreifen müssen. Bei den Hilfeanfragen bitten die Bundesländer um Unterstützung bei äußerst brutalen Verbrechen, die die zuständigen Behörden nicht alleine bewältigen können. Wenn wir einen Auftrag übernehmen, erlischt dieser unmittelbar nach unserer Übernahmeentscheidung in den elektronischen Unterlagen des BAfSH. Unsere Mitarbeiter erhalten von uns Namen, deren Benutzung genauestens vorbereitet wurden. Das bedeutet, dass Mika Hennig noch immer im Lamayuru-Kloster in Nordindien lebt. Dort wird er auch die nächsten zwei Jahre bleiben. Sie dienen uns hier in Deutschland die nächsten zwei Jahre unter einem anderen Namen. Sollten sie die nächsten zwei Jahre überleben, können sie als Mika Hennig aus Indien nach Deutschland zurückkehren, und sie haben für ihr Leben ausgesorgt. In diesem Falle liegt wenige Tage danach ein Buch zu Hause in ihrem Briefkasten. Das Buch haben sie im Kloster geschrieben. In diesem Buch beschreiben sie ausführlich ihr bisheriges Leben mit allen Höhen und Tiefen. Es trägt den Titel „Das Schicksal des Mika Hennig“. Studieren sie das Buch so schnell und so gut wie möglich, denn es wird in wenigen Wochen in den Top 10 der Büchercharts sein und sie sind dann ein gefragter Mann. Außerdem wird ihr Konto gut gefüllt sein. Sollten sie aber bei einem ihrer Einsätze ums Leben kommen, ist Mika Hennig in Indien bei einer Bergwanderung tödlich abgestürzt. Ihre Leiche in Deutschland kann nicht identifiziert werden, auch nicht über ihren neuen Organisationsnamen. Mönch Chenpo beschreibt sie als einen ganz besonderen Menschen, der die große Chance hat, die zwei Jahre heil zu überstehen. Hilfe dürfen sie von hier nicht erwarten, da es sie und uns nicht gibt. Sie haben bei der deutschen Aristo Bank ein Konto, das unter dem Namen Franz Schubert läuft. Franz Schubert ist ein fiktiver Großhandelskaufmann bei einer großen Spedition im München. Über dieses Konto erfahren sie ihre neuen Aufträge. Sie können in jeder Bankfiliale der Deutsche Aristo Bank bundesweit Auszüge ziehen. Nach der ihnen bekannten Entschlüsselungsmethode erfahren sie auf den Auszügen ihren neuen Auftrag. Vernichten sie die Auszüge unverzüglich nach Entschlüsselung durch Verbrennen in ihrer jeweiligen „Dienstwohnung“. Ihre Aufträge erhalten sie in unregelmäßigen Abständen, manchmal nur zwei bis drei im Jahr, aber auch zwei in wenigen Tagen. Durch ein Licht- und Tonzeichen auf ihrem Dienst-Handy werden sie in dringenden Fällen aufgefordert, Auszüge zu ziehen. Neun von zehn Aufträge sind Notfälle. Der Fall, den sie in den nächsten vierundzwanzig Stunden ausführen müssen, ist solch ein Notfall. Bundesweit stehen ihnen komfortable Unterkünfte zur Regeneration zur Verfügung. Diese Unterkünfte sind bestens gesichert. In den Wohnungen tauschen sie jedes Mal nach einem Einsatz ihr Handy. Falls sie die zwei Jahre heil überstehen, müssen sie ihre Einsatztasche mit den Waffen und ihre Schlüssel innerhalb einer Woche im Tresorraum einer Wohnung hinterlegen. Personalausweise, Pässe und ihr Handy vernichten sie nach Vorschrift. Halten sie sich nicht zu lange in einer Wohnung auf, höchstens eine Woche, damit sich niemand an ihr Gesicht gewöhnen kann. Vermeiden sie Kontakte im Haus. Nach einem erfüllten Auftrag müssen sie eine Wohnung aufsuchen. Den Grund dafür müssen sie nicht wissen. Wir sehen immer, wo sie sind. Gehen sie nur in Lokale, Restaurants, Kinos, die gut besucht sind. Dort fallen sie weniger auf. In den Unterlagen, die sie von mir erhalten, sind die jeweiligen Wohnungsstandorte verschlüsselt aufgeführt. Dort, wo Wohnungen sind, finden sie auch Autos und Motorräder. Sie erhalten Spezialschlüssel für alle Wohnungen, Autos und Motorräder. Durch einen Anruf in der jeweiligen Wohnung erfahren sie, ob diese von einem anderen Mitarbeiter belegt ist, gerade „gesäubert“ wird oder neu ausgestattet wird. Ertönt ein Besetztzeichen, ist die Wohnung belegt. Die Wahrscheinlichkeit einer Belegung ist aber sehr gering. Sie müssen während ihrer „Dienstzeit“ einmal im Monat in einer unserer Wohnungen absteigen. Übernachten sie nur in Hotels mit großem Publikumsverkehr. Die Hotels müssen in der Nähe einer Dienstwohnung liegen, damit sie immer schnell einsatzbereit sind. In den Wohnungen finden sie ausreichend Verpflegung und Nachschub für alles, was sie zum Einsatz benötigen, Waffen aller Art, Sprengstoffe und vieles mehr. Wenn sie gleich dieses Gebäude durch den Haupteingang verlassen, haben sie keine Möglichkeit mehr, uns zu kontaktieren. Uns gibt es nicht. Sie müssen wöchentlich Auszüge ziehen, damit wir sehen, dass sie noch leben. Tun sie das nicht, wird Frank Schubert gelöscht und die Wohnungstürschlösser und Autoschlösser werden neu programmiert, sodass ihre Schlüssel nicht mehr passen. Sie erhalten somit keine weiteren Aufträge. Ihre Versorgung nach zwei Jahren entfällt. Wenn sie einen Auftrag erledigt haben, heben sie innerhalb der nächsten zwölf Stunden an einem Geldautomaten der Aristobank eine bestimmte Geldsumme von ihrem Konto ab. Anschließend ziehen sie sofort Auszüge. Auf den Auszügen wird ihnen der Empfang ihrer Mitteilung bestätigt. Hinterlassen sie nie Spuren. Halten sie sich aus Streitereien heraus, auch wenn es ihnen noch so schwerfällt. In diesem Aktenkoffer finden sie alles für ihren ersten Einsatz und alle Informationen, die sie gerade von mir erfahren haben. Ich wünsche ihnen viel Glück.“

 

5. Der Kampf gegen die albanische Mafia

 

 

 

Sie fliegen in zwei Stunden nach Hamburg. Von dort kam eine sehr dringende Hilfeanfrage. Ein verdeckter Ermittler des Landesamtes für Schwerstkriminalität (LAfSK) ist von der albanischen Mafia, die in Hamburg den Drogen- und Menschenhandel beherrscht, enttarnt und entführt worden. Die albanische Mafia bestraft Verräter mit „der systematischen Entkernung“. Zunächst wird dem Opfer ein Serum gespritzt, das eine Ohnmacht auch bei den größten Schmerzen verhindert. Das Opfer fühlt also alle Schmerzen, die ihm zugefügt werden, bis zum endgültigen Tod. Zuerst wird ihm mit einem Rasiermesser der Kopf kahlgeschoren. Dabei werden bewusst tiefe Schnittwunden auf der Kopfhaut erzeugt. Dann arbeitet sich der „Foltermeister“ systematisch nach unten. Die Ohren, die Nasenspitze und die Lippen werden abgeschnitten, danach die Brustwarzen. Es folgen die Finger, stückweise, erst der kleine Finger, Glied für Glied, usw. Nach den Fingern folgen die Handstummel, Unterarme und Oberarme. Ähnliches geschieht mit den Zehen, Füßen, Unterschenkeln und Oberschenkeln. Um ein vorzeitiges Ausbluten zu verhindern, werden die blutenden Wunden mit glühenden Eisen verödet. Mit einer Kreissäge wird zum Schluss der Kopf abgetrennt. Den verbleibenden Rumpf schicken sie anschließend gut verpackt an die Behörde, für die der gequälte Mensch gearbeitet hat. Verhindern sie bitte, dass es dazu kommt. Der Aufenthaltsort des Entführten ist leider niemandem bekannt. Nehmen sie bitte ihren Koffer und verlassen sie das BAfSK durch den Haupteingang. Wir werden uns nicht mehr sehen. Sie sind ab jetzt auf sich allein gestellt.

Am frühen Abend landet Mika in Hamburg. Mit der U-Bahn fährt er zum Jungfernstieg und legt von dort die letzten Meter zur Wohnung zu Fuß zurück. Vorher überprüft er durch einen Anruf den Belegungsstatus. In der äußerst komfortablen Wohnung bereitet Mika seine Waffen und sein Equipment für seinen ersten Einsatz vor. Sein erster Weg führt ihn in die dunklen Gassen von Sankt Pauli, in die Seitenstraßen zur großen und kleinen Freiheit. Dort erfährt Mika in wenigen Sekunden von einem albanischen Zuhälter und Drogenhändler den Standort der Mafiazentrale, Informationen über den Aufenthaltsort des entführten Ermittlers allerdings nicht. Der Zuhälter kann später der Polizei nicht mitteilen, wer ihm die schweren Verletzungen zugefügt hat. Der Kopf der albanischen Mafia steuert seine Geschäfte aus einer alten Villa in der Nähe des Hafens. Da sich Mika ohne fahrbaren Untersatz durch die Gassen von Sankt Pauli bewegt, muss er sich für die Fahrt zur Mafiazentrale ein Auto ausleihen, das ohne Fahrer am Straßenrand steht.

Die Villa wird von hohen Mauern umgeben, auf denen NATO Draht in mehreren Lagen ein Überwinden unmöglich macht. Jeder Zentimeter außerhalb der Mauern wird von Kameras überwacht. Nur durch ein großes Stahltor ist das Innere der Mauern zu erreichen.

Mit gezielten Schüssen aus einem kleinen Kunststoffrohr befördert Mika zwei Knetgummi ähnliche Kugeln auf die Gehäuse der Kameras, die links und rechts des Tores befestigt sind. Beim Aufprall bleiben die Plastiksprengstoffkugeln an den Kameras kleben. Innerhalb des Plastiksprengstoffes befinden sich Zünder, die Mika Momente später mit seinem Handy zündet und die Kameras durch die kleine Sprengung zerstört.

Zwei Muskelprotze öffnen hastig eine Tür, die sich in dem mächtigen Zufahrtstor befindet, um sich den Schaden anzuschauen, und nach den Ursachen zu sehen. Mit Taschenlampen beleuchten sie kurz die zerstörten Kameras, um sofort Meldung ins Haus zu geben. Aber dazu kommen sie nicht. Lautlos wie eine Katze nähert sich Mika den beiden. Mit kräftigen Griffen in den Halsbereich lähmt Mika die Zwei. Bei einem führt die Lähmung Minuten später zu einem qualvollen Tod, dem anderen entlockt er, nachdem er kurzzeitig den Lähmungszustand löst, mit dem Versprechen, seine Qualen zu beenden, den Aufenthaltsort des entführten Ermittlers. Mika hält sein Versprechen und erlöst ihn durch Genickbruch von seinen Lähmungsqualen. Neben den Leichen hinterlässt er ein Zeichen der russischen Konkurrenz. Mikas nächstes Ziel ist eine nicht weit entfernt liegende kleine Halbinsel im Hamburger Hafen, auf der sich noch Überreste einer ehemaligen kleinen Werft befinden. Er erkennt sofort durch sein Nachtsichtgerät der neuesten Technik die starke Bewachung des Geländes. Geräuschlos nähert er sich dem ersten Bewachungsposten. Ein gezielter Griff und der Wächter wird zum Schläfer, ohne die Möglichkeit je wieder aufzuwachen. Nachdem Mika weitere drei Ganoven auf die gleiche Art von ihren Bewachungsaufgaben befreit hat, muss er sich dem dunklen Eingangsbereich zur Halle nähern. In einer Nische direkt neben dem Eingang entdeckt Mika mit seinem Nachtsichtwärmegerät den letzten Wachposten außerhalb der Halle. Aus dem Halleninneren ist leises hämisches Gelächter zu hören. Mit einem Giftpfeil, den er nahezu lautlos mit einer Spezialpistole abschießt, setzt er den letzten Wachposten außer Gefecht. Durch einen Türschlitz erkennt Mika die letzten Vorbereitungen zur bevorstehenden Hinrichtung. Schnelles Handeln ist nötig. Durch den Türschlitz sieht Mika nur vier Personen, den Folterknecht, zwei weitere Personen, die die Hinrichtung filmen wollen, und den auf einem Stuhl sitzenden und gefesselten Entführten. Mit wenigen schnellen Handgriffen macht er sein Spezialgewehr einsatzbereit. Er weiß genau, dass seine Reaktionszeit viel kürzer ist als bei allen anderen Menschen. Im Kloster lernte er, in solchen Situationen absolut ruhig und konzentriert zu handeln. Vorsichtig bewegt er die Türklinke nach unten, die Tür ist nicht verschlossen. Er muss sie also nicht aufsprengen.

„Schnell oder langsam öffnen?“

Mika entscheidet sich für die schnelle Variante. Er reißt blitzartig die Tür auf und erkennt in Bruchteilen von Sekunden, wo die restlichen Verbrecher positioniert sind. Bevor ein Anwesender zur Waffe greifen kann, fallen sie wie Dominosteine um. Mika hatte seine Waffe so eingestellt, dass zehn Schüsse in einer Sekunde abgefeuert werden. In demselben Rhythmus bewegte er das Gewehr höchst konzentriert von „Ziel“ zu „Ziel“, ohne das Opfer zu gefährden. Nachdem er sich genauestens versichert hat, dass sich keine weiteren Personen in der Halle aufhalten, befreit er den LAfSK-Beamten. Mika fordert den Befreiten mit Handzeichen auf, nicht zu reden, und schaltet in der Halle das Licht aus. Gemeinsam verlassen sie unter Mikas Führung die Halle und die kleine Halbinsel, immer konzentriert auf mögliche Gefahren. Mit dem geborgten Auto fahren die beiden zum Polizeikommissariat in der Noltkestraße, in der seit der Entführung des verdeckten Ermittlers Beamte des zuständigen LAfSK auf ihren Kollegen warten.

Wenige Minuten, nachdem Mika mit dem befreiten Polizisten die Halbinsel verließ, nähern sich mehrere Personen dem unheimlichen Ort mit einem kleinen Transporter. In sehr kurzer Zeit laden sie die Toten innerhalb und außerhalb der Halle in den Transporter, um danach zur nahe gelegenen Müllverbrennungsanlage zu fahren. Die albanische Mafia selbst entsorgt ihre Mitglieder, um der Polizei keine Hinweise über die Organisation zu hinterlassen. Natürlich vernichten sie auch die russische Flagge, die sie am Ort des Geschehens finden.

Gleichzeitig verabschiedet sich Mika ohne Worte, nur mit Gesten, noch immer maskiert und mit Handschuhen, von dem überglücklichen Geretteten. Mika beobachtet genau dessen letzten Schritte ins Polizeirevier. Als sich die Tür hinter dem verdeckten Ermittler schließt, fährt er sofort weiter und stellt das Auto auf einem Parkstreifen an einer belebten Straße ab. Mit seiner Arbeitstasche, ohne Sturmmaske und ohne Handschuhe, aber mit einer braunen Jacke zu schwarzen Schuhen und einer schwarzen Hose steigt er aus dem Auto und begibt sich zur nächsten U-Bahnhaltestelle auf der anderen Straßenseite. In seiner Unterkunft erfrischt er sich kurz und zieht bei der nahegelegensten Filiale der Deutschen Bank am Geldautomaten sein erstes Geld und die ersten Auszüge. Die Erledigung seines Auftrages wird bestätigt. Am folgenden Tag fährt Mika mit einem „Dienstwagen“ nach Hannover in ein neues Quartier, in dem er sich drei Tage aufhält. In den folgenden vier Wochen wohnt er in fünf verschiedenen Wohnungen und wartet auf den nächsten Auftrag. Sein jeweiliges Auto stellt er stets auf vorgeschriebenen Parkplätzen ab. Routinemäßig kontrolliert er in den Unterkünften die Vollständigkeit der Ausrüstung. Das Waffenlager ist immer komplett.

Mika langweilt sich in keiner Phase seiner Einsatzbereitschaft. Er lernte bei Mönch Chenpo, äußerst konzentriert zu sein, in allen Situationen.

Gelegentlich blickt Mika in Entspannungsphasen zurück und denkt an seine Familie, an seine verstorbene geliebte Frau Viktoria, seinen geliebten Schmetterling Lotta sowie an alle noch lebenden Angehörigen. Chenpo lehrte ihn auch, mit dem Leiden umzugehen, es zu verstehen. Mika weiß der Verlockung zu widerstehen, seine Eltern und Geschwister zu besuchen, die regelmäßig von ihrem Sohn und Bruder lange Briefe aus Indien erhalten. Alle vermissen ihn sehr und hoffen, ihren Mika eines Tages in ihre Arme nehmen zu können.

Im Hamburg tobt inzwischen ein Bandenkrieg zwischen der albanischen und russischen Mafia. Drogenhandel, Menschenhandel und Prostitution bringen sehr viel Geld ein. Da mag keine Bande eine Konkurrenz, mit der man das lukrative Geschäft teilen möchte. Die Spuren, die Mika am Haupteingang der albanischen Zentrale hinterließ, zeigen ihre Wirkung, zur Freude einer aufstrebenden asiatischen Organisation, die das LAfSK schon seit geraumer Zeit beobachtet.

 

6. Der Banküberfall

 

 

Mika zieht es nach Aachen in eine Wohnung nahe des Domes. Nach einem kleinen Abendspaziergang schaltet er den Fernseher ein, um die aktuellen Nachrichten anzuschauen. In den Nachrichten werden Bilder von einem schweren Banküberfall auf die Filiale einer Großbank in Köln gezeigt. Ein Reporter vor Ort schildert die momentanen Erkenntnisse:

„Sechs schwerbewaffnete Männer, die wegen mehrfachen Mordes eine lebenslange Haft verbüßten, brachen am frühen Morgen unter Mithilfe eines Mitglieds des Aufsichtspersonals aus dem Gefängnis aus, überfielen anschließend ein bewachtes Waffendepot der Bundeswehr, töteten das Wachpersonal und entkamen mit schweren Schusswaffen und Handgranaten. Am frühen Nachmittag stürmten sie in die zu diesem Zeitpunkt gut besuchte Bank und nahmen in der Schalterhalle circa dreißig Personen als Geiseln.

Drei der Verbrecher stürmten in die oberen Verwaltungsräume im ersten, zweiten und dritten Stockwerk und trieben alle Bankangestellten in die Schalterhalle zu den verängstigten Kunden. Sie fordern zehn Millionen Euro Lösegeld, ein gepanzertes Fluchtfahrzeug und freie Fahrt. Ferner drohen sie mit der Tötung von Geiseln, falls sich ein Sondereinsatzkommando der Polizei der Bank nähern sollte.“

Eine gute Stunde später wird Mika durch ein akustisches und ein optisches Signal aufgefordert, bei der circa hundert Meter entfernten Deutschen Aristo Bank Auszüge zu ziehen. Weitere zwanzig Minuten später sitzt er mit seiner Einsatzausrüstung in einem schnellen Auto und rast Richtung Köln.

Was war in der Zwischenzeit geschehen:

„Trotz der Warnung der Bankräuber und Mörder näherte sich eine Spezialeinheit der Polizei dem Gebäude, leider nicht unbemerkt von den Bankräubern.

Diese fragten daraufhin nach Vätern und Müttern, die mehr als drei Kinder hätten. In ihrer Verzweiflung und in der Hoffnung, frei zu kommen, meldeten sich ein Mann und eine Frau, der Mann Vater von drei kleinen Kindern und die Frau Mutter von vier Kindern. Aus dem Nichts heraus hob der Wortführer der Gangster seine Waffe und erschoss den Mann und die Frau. Sieben Kinder aus zwei jungen Familien wurden auf brutalste Art zu Halbwaisen. Andere Geiseln mussten die Ermordeten zum Ausgang tragen, damit jeder Verantwortliche außerhalb der Bank die Forderungen der Verbrecher ernst nimmt. Einer älteren Dame, die in ihrer Angst laut aufschrie, zerschoss der Anführer das Kniegelenk. Die Verbrecher drohten nun, stündlich eine Geisel zu töten, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden.“

Die Einsatzleitung der Polizei hätte die Forderungen der Verbrecher ernster nehmen müssen, da alle sechs Geiselnehmer keine Chance hatten, jemals wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Der Anführer tötete bei einem Banküberfall mit zwei Kumpanen, die in anderen Haftanstalten sitzen, drei Bankangestellte. Die Getöteten wurden mit Kabelbindern aneinandergefesselt, mit den Händen auf dem Rücken. Die Atmung durch die Nase verhinderten stramme Nasenklemmen. Die Knebel im Mund befestigten die Unmenschen mit festklebendem Teppichband. Die Angestellten erstickten qualvoll im geschlossenen Tresorraum. Bei den anderen Scheusalen sieht es nicht besser aus. Jeder der Typen ermordete mindestens zwei unschuldige Menschen auf äußerst brutale Art und Weise. Ihre Situation wird sich also nicht verschlechtern. Sie kommen wieder ins Gefängnis, aber mehr nicht. Das ist leider beim Einsatz der Spezialeinheit nicht beachtet worden.

Nach 45 Minuten trifft Mika am weit abgesperrten Einsatzort ein. Es ist schon dunkel. Die oberen Etagen des Bankgebäudes sind unbeleuchtet. In der Schalterhalle, mit nun mehr als fünfzig ängstlichen Menschen, leuchten alle Lampen. Der Raum kann von außen nicht eingesehen werden, da alle Vorhänge zugezogen wurden. Unbemerkt überwindet er die Absperrung und nähert sich sehr zügig aus einem nicht einsehbaren Winkel dem Bankgebäude. An einem Blitzableiter hangelt er sich bis zum obersten Stockwerk, noch immer unbemerkt von jedermann. Nahezu lautlos schneidet er mit einem Spezialglasschneider ein Loch in eine Scheibe, öffnet durch das Loch das Fenster und gelangt in die Damentoilette der obersten Etage. Vorsichtig öffnet er die Tür zum Flur zunächst einen kleinen Schlitz. Mit einer Laserkamera überprüft er langsam den Flur nach allen Seiten. Zur rechten Seite entdeckt er den Schein der Taschenlampe eines Verbrechers, der anscheinend die Bank nach oben auf Eindringlinge überwachen soll. Mika schätzt in Sekunden die Entfernung. Als sich der Verbrecher von ihm entfernt, öffnet Mika die Tür körperbreit und schleicht wie eine Raubkatze zügig auf sein Opfer zu. Er stößt seinen Daumen in dessen Halswirbelbereich. Nummer eins liegt kampfunfähig am Boden. So schnell wie möglich, aber immer lautlos und höchst konzentriert nähert sich Mika dem Treppenhaus und bewegt sich lautlos zur zweiten Etage. Die Türen vom Flur zum Treppenhaus sind geöffnet. Mika hört deutlich die Schritte eines weiteren Mörders und Bankräubers. Der Schein einer Taschenlampe zeigt Mika den Ort des Killers. Die Geräusche aus der Schalterhalle erleichtern ihm seinen lautlosen Weg. Blitzartig greift Mika mit der linken Hand den Kopf in Höhe des Mundes, reißt den Kopf kurz nach hinten und schlägt gleichzeitig mit den Fingerknochen der geballten Faust in den unteren Wirbelsäulenbereich. Auch Nummer zwei legt Mika vorsichtig zu einem lebenslangen Schlaf auf den Boden. Er verharrt kurz, um sich auf Bankräuber Nummer drei zu konzentrieren, der höchstwahrscheinlich in der ersten Etage schlafen möchte. Der Lärm aus dem Erdgeschoss nimmt zu. Frauen und Kinder, angeschrien von den verbleibenden drei Bluthunden, weinen vor Angst und Hoffnungslosigkeit.

Mika erreicht die erste Etage gerade in dem Moment, als sich Nummer drei der Tür zum Treppenhaus nähert. Mika nimmt das Entgegenkommen gerne an. Ein kurzer kräftiger Schlag in den Bereich der Halsschlagadern erledigt auch dieses Problem. Der schwierige Teil seiner Arbeit folgt jetzt. Noch in der ersten Etage bereitet Mika sein Spezialgewehr vor und stellt die Schusszahl auf drei und die Abschusszeit aller Schüsse auf 0,5 Sekunden ein.

Die Stimme des Anführers zählt laut die letzten fünf Minuten einer ablaufenden Stunde herunter.

„Wollen wir doch mal sehen, wen ich gleich erlösen werde“, tönt es durch das Gebäude, „vielleicht suche ich auch zwei von euch aus. Wir warten noch immer auf die Kohle und das Fluchtfahrzeug. Die wollen uns wohl verarschen, die Ratten in Uniform spielen mit uns und euren Leben, aber wir machen bei dem Spiel nicht mit.“

Mika öffnet leise eine Tür zum innen liegenden Laubengang, von dem er die Schalterhalle gut von oben übersehen kann. Die letzten zwei Minuten bis zum Ablauf einer Stunde werden gerade vom vermeintlichen Anführer mit einem Grinsen im Gesicht angekündigt. Seine Pistolenmündung zeigt schon auf den Kopf eines zitternden und weinenden jungen Mädchens. Die anderen zwei Verbrecher entdeckt Mika gut verteilt in der großen Schalterhalle. Da außer dem zur Hinrichtung ausgewählten Mädchen alle Geiseln auf dem Boden liegen, ist die Wahrscheinlichkeit, eine Geisel zu verletzen, sehr gering. Als die letzten Minuten angesagt wird, legt Mika seine Waffe mit voller Konzentration an und nimmt den Anführer der Gangster ins Visier, ein Schwenk zur zweiten Zielperson und ein weiterer zur Dritten. Die Schwenkwinkel werden in Bruchteilen von Sekunden im Gehirn und dadurch in der Muskulatur gespeichert. Wieder nimmt Mika den Anführer, der das Mädchen töten will, ins Fadenkreuz. Sein linker Zeigefinger berührt vorsichtig, fast zärtlich, den Abzug. Eine Schusssalve durchbricht die Todesstille in der Halle kurz vor der Hinrichtung des Mädchens. Drei Körper brechen fast zeitgleich zusammen, keine weitere Geisel wird verletzt. Ein weiterer Schuss ertönt. Bevor eine Panik ausbrechen kann, macht Mika auf sich aufmerksam:

„Ruhe! Hören sie mir zu. Sie sind in Sicherheit. Bleiben sie dort, wo sie jetzt sind. Ist der Bankdirektor unter ihnen?“

Ein gut gekleideter Mann mittleren Alters steht auf und hebt seinen Arm:

„Ich leite diese Bankfiliale. Was kann ich tun?“

„Sie gehen ganz ruhig zum Telefon und rufen die Polizei an, die rund um das Gebäude verteilt ist. Sagen sie, dass alle sechs Geiselnehmer tot und die Geiseln befreit sind. Fordern sie dringend Ärzte und Sanitäter an. Alle Anwesenden verlassen bitte erst nach Eintreffen der Polizei und Ärzte nur auf Aufforderung die Schalterhalle. Ziehen sie die Vorhänge zur Seite. Sie haben sehr tapfer grausame Stunden überstanden, haben sie deshalb noch wenige Minuten Geduld, damit sie nicht in Panik geraten. Ich achte auf ihre Sicherheit.“

Polizisten, Ärzte und Sanitäter nähern sich nach dem Anruf des Filialleiters dem Eingang. Bankangestellte entriegeln die Türen zur Bank. Die Verletzten werden zuerst versorgt und gleichzeitig die von den Schwerverbrechern getöteten Geiseln abtransportiert. Das Spezialeinsatzkommando sichert die Halle und kümmert sich um die getöteten Verbrecher.

„Wer hat die Verbrecher getötet und sie befreit?“ fragt der leitende Beamte.

Mehrere Personen zeigen fast gleichzeitig nach oben zu der Stelle, von der ein maskierter Mann ihnen nach den befreienden Schüssen Anweisungen zur Sicherheit gab. Doch auf dem Laubengang ist niemand zu sehen. Das Einsatzkommando durchsucht die oberen Stockwerke, wo sie auch auf drei Etagen verteilt, die weiteren drei Verbrecher vorfinden. Die Polizisten entdecken das Loch in dem geöffneten Fenster auf der Damentoilette, aber keine weitere Person.

Auf dem Rückweg nach Aachen hört Mika in den Nachrichten von der geheimnisvollen Befreiungsaktion der Geiseln, von der Beendigung des Banküberfalles und dem Tod der sechs Verbrecher. Befreite Geiseln sprechen nur von einer Person, die sie gerettet haben soll. Weiter berichten sie von nur zwei Schüssen, die der Retter abgefeuert hat. Der erste Schuss, nach dem die Geiselnehmer zusammenbrachen, hörte sich wie ein lang gezogener Knall an. Mit dem zweiten Schuss, der sich wie ein normaler Knall anhörte, erweckte der maskierte Held ihre Aufmerksamkeit und verhinderte dadurch eine Panik.

Mika parkt sein Auto auf dem vorgeschriebenen Parkplatz, von dort geht er zum nahe gelegenen Bankschalter und zieht Geld und Auszüge. In der Wohnung liest er die verschlüsselte Durchführungsbestätigung. Er vernichtet wie vorgeschrieben sein altes Handy, bereitet ein neues Handy vor, vervollständigt sein Einsatzmaterial und bereitet sich auf eine geruhsame Nacht vor. Auf dem Weg ins Schlafzimmer hört er plötzlich laute Hilfeschreie einer jungen Frau. Mika greift zu seinem Nachtsichtglas. Im dunklen Teil einer Seitenstraße sieht er die schreiende Frau und zwei Männer, die die Frau schlagen und zu Boden zerren. Obwohl Mika verboten ist einzugreifen, zieht er blitzschnell seine Einsatzkleidung an, öffnet unbeobachtet seine Wohnung, um in schnellen, leisen Schritten das Haus zu verlassen. Unbemerkt erreicht er den Tatort.

Am nächsten Tag ist in der Zeitung zu lesen:

„Die Polizei nahm gestern in der Nähe des Domes zwei lang gesuchte Sexualstraftäter, die vor sechs Monaten aus einer Anstalt in Bayern ausgebrochen waren, fest. Beim Eintreffen der Polizei waren sie noch bewusstlos. Weder die gerettete Frau noch die zwei Täter konnten Angaben zum Hergang machen. Wer die Polizei benachrichtigte, war auch nicht festzustellen.“

Fünf Stunden Schlaf reichen Mika zur Regeneration. Nach weiteren zwei Tagen bricht er seine Zelte in Aachen ab und fährt nach Stuttgart. Dort kann er zwischen zwei Wohnungen wählen.

Eine liegt in der Nähe der Universität und die zweite im Heusteigviertel. Die Wohnung nahe der Uni ist belegt. Mika wüsste zwar zu gerne, wer sich gerade in der Wohnung aufhält, aber eine Überprüfung ist ihm nicht gestattet. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass die Wohnung wieder „desinfiziert“ wird. In einem gut besuchten Hotel im Heusteigviertel bucht er als Franz Schubert ein Appartement für drei Übernachtungen.

In Hamburg erreicht währenddessen der Machtkampf zwischen den albanischen und russischen Clans seinen Höhepunkt. Dieser Machtkampf wird argwöhnisch von bisher schwächeren Banden, die nur im Hintergrund mit kleineren Verbrechen tätig sind, beäugt. Besonders eine äußerst brutale Organisation, ein Ableger der Triaden aus Asien, beobachtet die blutigen Kämpfe der beiden Clans. Die beiden kämpfenden und mordenden Gruppen schwächen sich Tag für Tag immer mehr. Die Spezialeinsatzkommandos der Polizei warten schon seit Tagen auf den Einsatzbefehl. Die Aufgaben jedes Kommandos sind genau festgelegt. Die Zentralen der Clans und die bekannten „Dependancen“ müssen gleichzeitig ausgelöscht werden. Die Verhaftung der führenden Köpfe der rivalisierenden Gruppen darf nicht misslingen. Der leitende Koordinator der Einsätze erteilt endlich den Einsatzbefehl. Mehrere hundert Spezialisten durchforsten die genannten Stützpunkte der albanischen und russischen Clans, mit Erfolg. Nach drei Tagen wird der Großeinsatz beendet. Die führenden Köpfe und die meisten Handlanger der Clans werden verhaftet.

Die Tage des Polizeieinsatzes nutzte die Splittergruppe der asiatischen Triaden, um die kleineren Banden, die hofften, bald etwas vom großen Kuchen abzubekommen, durch ein grausames Zeichen einzuschüchtern. Sie lauerten Mitgliedern der verschiedenen Banden auf, schnitten mit Rasiermessern die Kopfhaut, beginnend an der Stirn rund um den Kopf, auf und rissen die Haut mit einem Griff in die Haare ab. Die Körper der Schwerverletzten legten sie vor den Türen der unterschiedlichen Bandenlokalitäten mit einer deutlichen Warnung ab. Die Asiaten erreichten ihr Ziel.

7. Der Kampf gegen die Triaden

 

 

Wenige Tage später berichten verdeckte Ermittler von der neuen gelben Gefahr: „Eine asiatische Verbrecherbande versucht mit allen Mitteln, die Geschäfte der beiden zerschlagenen Mafiagruppen an sich zu reißen. Sie sind bei dem Vorhaben nicht weniger brutal und grausam wie ihre Vorgänger. Ihr Bandenstützpunkt liegt zurzeit auch unten am Hafen in den hinteren Zimmern eines gut besuchten Chinarestaurants. Da die Räumlichkeiten für eine größer werdende Organisation zu klein und zu unsicher sind, ist die Gruppe schon auf der Suche nach einem neuen und größeren Bandentreffpunkt, den sie dann auch besser sichern können. Alles deutet darauf hin, dass die neuen Räume wieder in der Nähe des Hafens liegen werden.“

Sämtliche Informanten der Polizei erhalten sofort den Auftrag, die neue Unterkunft der Asiaten zu melden. Die neue gefährliche Bande wird von Maulwürfen, die sie bei der Polizei eingeschleust hat, über die Aktivitäten der Kripo unterrichtet und ergreift unverzüglich zu brutalen Maßnahmen. Die Frauen und sechs Kinder von zwei leitenden Polizeibeamten werden entführt. Stunden später wird ein Brief in den Nachtbriefkasten des Polizeipräsidiums geworfen. Der Brief enthält die Forderung der Verbrecher und ein Bild der entführten Frauen und Kinder. Den Opfern wurden die Köpfe geschoren. Auf einem Zettel ist in schlechtem Deutsch zu lesen:

„Stellen sie unverzüglich ihre Ermittlungen gegen uns ein. Unsere Spitzel werden uns sofort von falschen Aktionen ihrerseits unterrichten. Sollten wir Kenntnis davon bekommen, dass sie sich nicht an unsere Forderungen halten, werden wir ihnen täglich durch einen Körperteil ihrer Angehörigen mitteilen, was wir von ihren Ermittlungen halten. Wir werden die Gefangenen erst freilassen, wenn wir unsere Macht ausgebaut und gefestigt haben.“

Diese Nachricht und das Bild hinterlassen bei der Polizei und besonders bei den betroffenen Beamten tiefe Spuren der Angst. Der komplette Polizeiapparat wird gelähmt. Was kann man tun, ohne die Frauen und Kinder zu gefährden?

Die maßgebenden Köpfe der Polizei und des LAfSK beraten stundenlang ohne Ergebnis, da niemand die Verantwortung für ein mögliches Vorgehen übernehmen will. Wie soll man den Aufenthaltsort der Entführten ohne Ermittlungen ausfindig machen?

Am folgenden Tag liegt ein weiterer Brief im Briefkasten des Präsidiums, mit folgendem Inhalt:

„Wir sind umgezogen und haben unseren Standort geändert. Wir danken ihnen für ihr Verständnis und ihre Unterstützung und freuen uns auf weitere gute Zusammenarbeit bis ein Körperteil ihrer Lieben uns scheidet.“

Dem Brief liegt ein weiteres Bild bei, auf dem die Frauen und Kinder, nur in Unterwäsche gekleidet, auf Matratzen liegend zu sehen sind.

Mika bereitet sich wie fast jeden Morgen, wenn die Umstände es zulassen, zur selben Zeit auf seinen Fitnesslauf vor. Auf Empfehlung eines Hotelmitarbeiters läuft er durch einen kleinen Park in der Nähe des Hotels. Seine Laufgeschwindigkeit wird von den wenigen morgendlichen Spaziergängern mehr als nur bestaunt. Bänke und Sträucher nutzt er dabei gerne als Hindernisse. Nach mehr als zwölf Kilometern betritt er das Hotel ohne sichtliche Belastungsspuren. Seine Muskulatur, Kampfschläge, Kampfgriffe, Reflexe, Konzentration und sein Gedächtnis trainiert er jeden Tag. Mika weiß genau, dass der kleinste Fehler im Einsatz sein Leben beenden kann.

Am letzten Tag seines Stuttgart-Aufenthaltes sitzt Mika unten in der Cafeteria des Hotels und genießt seine Frühstücksbrötchen mit einem Kännchen Darjeeling-Tee. Er wählt seinen Platz stets so, dass er nur schlecht gesehen werden kann, aber er alles, was um ihn herum geschieht, in seinem Blickfeld hat. Um keine Spuren zu hinterlassen, trägt Mika auch beim Frühstück feinste Kunststoffhandschuhe, die mit dem bloßen Auge nicht auf der Haut zu erkennen sind. Sein Handy liegt zwischen Frühstücksteller und Teekanne. Die kurzen akustischen und optischen Zeichen kann nur er wahrnehmen. Ruhig wischt er sich mit der Serviette den Mund ab, steht auf und schlendert mit seinem kleinen Koffer einem freundlichen „Auf Wiedersehen und vielen Dank für den guten Service“ zum Hotelausgang. Die Rechnung beglich er schon vor dem Frühstück. Zielstrebig steuert er die Filiale der deutschen Aristo- Bank an, deren Standort er schon vor Ankunft in Stuttgart im Internet gefunden hat. Mit den Auszügen begibt sich Mika in seine Dienstwohnung. Schnell entschlüsselt er die Nachricht auf den Auszügen. Nachdem er sein Handy gewechselt hat, bucht er am Laptop der Wohnung den nächst möglichen Flug nach Hamburg. Mit einem Dienstwagen fährt Mika kurze Zeit danach zum Stuttgarter Flughafen und stellt das Auto auf dem vorgesehenen Parkplatz ab. Am Schalter der Airline nimmt er sein Flugticket in Empfang.

„Haben sie einen guten Flug Herr Schubert“, wünscht ihm die freundliche Mitarbeiterin bei der Ticketübergabe.

Mika lächelt die junge Frau freundlich an und bedankt sich bei ihr. Da das Einchecken schon läuft, muss er nicht warten. Im Flugzeug beginnt schon seine Konzentration auf den neuen Auftrag. Da er alleine in seiner Reihe sitzt, wird er nur einmal kurz von der netten Stewardess gestört. Vom Flughafen Fuhlsbüttel in Hamburg fährt Mika aus Zeitgründen mit der U-Bahn zu seiner Wohnung. Hier versorgt er sich mit allen Dingen, die er für den ersten Teil seines Einsatzes benötigt. Ein China-Restaurant im Hafenviertel, dem ehemaligen Standort der asiatischen Mafia, die Frauen und Kinder zweier leitenden Polizeibeamten entführt hat, ist sein Ziel. Das Lokal ist gut besucht, besonders von Touristen. Mika sucht sich einen Platz neben einem Fenster aus, durch das er ins Hafenbecken schauen kann. Schon vor Betreten des Restaurants prägt er sich das wie ein riesiger Steinzylinder aus dem Wasser ragende Außengelände und alle vorhandenen Hauseingänge ein. Das Ausflugsziel und die dazu gehörigen gepflasterten Parkplätze werden von Wasser umgeben. Nur über eine kleine Brücke ist das Lokal zu erreichen. Mika bestellt sich Peking Ente mit süßsaurer Soße, gebratene Nudeln und ein asiatisches Bier. In wenigen Minuten sortiert er die Gäste. Drei Herren, die an einem Tisch nahe des Tresens sitzen und sich angeregt auf Chinesisch unterhalten, erlangen seine besondere Aufmerksamkeit. Mika trägt eine schicke braune Brille, die ihm ermöglicht die Gesichter der drei Gestalten heranzuzoomen. Das in die Brille eingearbeitete, winzige Richtmikrofon ermöglicht, ihm das Gespräch zu verfolgen.

Seine Chinesisch-Kenntnisse reichen aus, die Inhalte zu verstehen. Zwei weitere Gestalten betreten den Raum und gesellen sich kurz zu den drei Herren in Schwarz, um Momente später zu den Toilettentüren rechts vom Tresen zu gehen. Während Mika das Essen verspeist, stehen die verbliebenen drei Herren ebenfalls auf. Einer verlässt das Lokal, die anderen zwei suchen auch die Herren-Toilette auf. Mika bittet die Kellnerin um die Rechnung. Bevor er bezahlt, sucht er kurz die Toilette auf. Nur ein älterer Herr erledigt einige Meter neben Mika sein Geschäft. Da die vier Typen nicht ins Lokal zurückgekehrt sind, haben sie sich in Luft aufgelöst. Mit dem älteren Herrn ein paar Worte wechselnd, verlässt Mika die Toilettenräume. Ihm ist die schmale Lücke in der Wand aufgefallen, die geschickt im Schatten der Beleuchtung liegt. Auf dem Weg zurück ins Lokal tastete Mika unauffällig die Wände ab. Hinter der Wand rechts der Lücke bemerkte Mika einen Hohlraum. Die Tür zur Damen-Toilette liegt auf der anderen Seite des Tresens neben der Tür zur Küche. Bei der Überquerung der Brücke prägte sich Mika die Lage der Küchenfenster ein. Von den Fenstern geht es circa fünf Meter tief ins Wasser. Durch die Glasscheibe hinter dem Tresen ist allen Gästen ein Blick in die große Küche möglich.

Mika gibt der Bedienung ein gutes Trinkgeld, zieht seinen schicken Lederblouson an und verlässt mit seiner kleinen Arbeitstasche das Restaurant. Als er mit dem Auto hinter der leicht ansteigenden Brücke rechts abbiegt, taucht einer der asiatischen Herren aus dem China-Restaurant auf der anderen Straßenseite auf einem Weg zwischen zwei hohen Sträuchern auf, gefolgt von mehreren weiteren Typen, die nicht im Lokal waren. Der Weg steigt leicht an und führt in ein kleines Waldgebiet. Im Rückspiegel sieht Mika, wie die Gestalten erwartungsvoll in die entgegengesetzte Richtung schauen, als wenn sie jemanden oder etwas erwarteten. Mika setzt seinen Weg fort und fährt zur Dienstwohnung. Im verborgenen Tornetzwerk sucht er nach Geländeplänen, die ihm genaue Auskunft über die Beschaffenheit der Gegend rund um das China-Restaurant geben. In sehr alten Plänen entdeckt er, dass noch nach dem Zweiten Weltkrieg ein unterirdischer Gang zu dem riesigen Steinzylinder führte, auf dem sich jetzt das Ausflugziel befindet. Im Zweiten Weltkrieg befanden sich dort zwei Flugabwehrgeschütze, die durch die verborgenen Gänge aus zwei ebenfalls unterirdischen Hallen jenseits der Straße mit Munition versorgt wurden. Laut Plan wurden die Gänge und die Hallen aus Sicherheitsgründen zugeschüttet. Mika ist sich bewusst, dass er äußerst vorsichtig ermitteln muss, um die Geiseln nicht zu gefährden. Ein härterer Eingriff wird später erfolgen müssen. In den folgenden Stunden bewegt sich Mika als Tourist durch Sankt Paulis weltbekannte Gassen, um die Ausbreitung der Asiaten und deren, von den Albanern und Russen übernommenen Lokalitäten, in sein Gehirn einzuprägen. Am frühen Morgen des folgenden Tages arbeitet sich Mika wie ein schwarzer Panther Meter für Meter durch das kleine Waldstück oberhalb des China-Restaurants. Er vermutet in der Umgebung einen Eingang in die angeblich zugeschütteten unterirdisch liegenden Hallen aus dem Zweiten Weltkrieg. Geduldig wartet er in Kampfkleidung auf einen Hinweis für seine Vermutung. Dieser Hinweis lässt nicht lange auf sich warten. Aus dem Nichts steigt vor ihm eine Gestalt aus dem Waldboden auf und läuft den Weg hinunter zur Straße. Mika nähert sich geräuschlos bis auf wenige Meter dem Ort, an dem die Gestalt aus dem Erdboden auftauchte.

Nur wenige Zentimeter entfernt von ihm bewegt sich der Boden und eine großes Stück Grasfläche wird hochgeklappt. Mehrere Männer asiatischer Herkunft steigen leise miteinander redend aus dem Untergrund. Bevor die Grasfläche sich langsam wieder senkt, nimmt Mika ganz schwach die Stimmen weinender Kinder wahr.

„Diese Gelegenheit muss ich nutzen“, schießt es durch seinen Kopf, „wenn sich die Erdklappe wieder öffnet, werde ich eingreifen. Das müssen die entführten Frauen und Kinder sein.“

Von weiteren Entführungen stand nichts in seinem entschlüsselten Auftrag. Gut getarnt wartet Mika auf seinen Einsatz. Von der Straße nähert sich auf dem Weg eine einzelne Person und läuft direkt auf den sich wieder öffnenden Erdeingang zu. Blitzschnell handelt Mika und macht die Gestalt Zeit kampfunfähig. In einem Gestrüpp, nahe des Eingangs, versteckt er sie. Flink und lautlos gleitet er die unterirdische Treppe hinunter. Er hört mehrere chinesische Stimmen, die zur Treppe gerichtet sind. Die Raumakustik lässt auf eine riesige Halle schließen. Mit seiner schallgedämpften Waffe einsatzbereit in den Händen, bewegt er sich auf die Stimmen zu. Nur Sekunden später ertönen zahlreiche dumpfe Schüsse. Mehrere Gestalten in der Halle sacken zusammen, kurz danach fallen weitere Schüsse und erneut brechen Personen zusammen. In einer entfernten Ecke sieht Mika einen großen Eisenkäfig, in dem die verängstigten Geiseln ihn mit weitgeöffneten Augen anstarren. Den Geiseln wird schnell bewusst, dass diese dunkel gekleidete und maskierte Person ein Retter sein muss. Mika knackt gekonnt das Vorhängeschloss und befreit die Gefangenen aus dem Käfig. Leise und mit wenigen Worten erklärt Mika, wie sie sich jetzt verhalten müssen. Er bewegt sich als erster lautlos die Treppe zum kleinen Waldstück hoch, hebt vorsichtig die Grasnarbe an und überprüft in Sekunden die Umgebung. Er gibt den unten ungeduldig Wartenden ein Zeichen. Als Frauen und Kinder im Wald stehen, schließt Mika wieder mit Bedacht die Klappe. So geräuschlos wie möglich folgen ihm alle Befreiten. Auf einem Parkplatz für Ausflügler steht ein dunkelgrauer Kombi mit einem großen Gepäckraum, in den sich einige Kinder legen müssen, was denen unter diesen glücklichen Umständen nicht schwerfällt. Die restlichen Kinder steigen mit den Müttern in den Passagierraum. Als sich alle Personen im Auto befinden, ist aus dem Wald lautes Geschrei zu hören. Mika startet den geräuscharmen Motor und fährt die ersten Meter langsam los, um dann das Auto zu beschleunigen. Schüsse sind zu hören. Sogleich nimmt er über eine gesicherte Leitung Kontakt zum Polizeipräsidium auf, das seit der Entführung der Familienmitglieder rund um die Uhr von leitenden Beamten, Mitgliedern der Einsatztruppen und Vertretern des LAfSK besetzt ist. Unter den leitenden Beamten befinden sich auch die betroffenen Familienväter. Ein ängstliches „ja bitte, wer ist dort“ ist im Autolautsprecher zu hören.

„Ich bringe ihnen in wenigen Minuten ihre gesunden Frauen und Kinder zurück. Öffnen sie bitte das Tor zum Innenhof. Ich fahre einen dunkelgrauen Kombi“, antwortete Mika, „mein Name ist unwichtig.“