Der Krankenstand im Unternehmen. Faktoren und Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte auf die Gesundheit der Mitarbeiter - Kerstin Grashaußer - E-Book

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Kerstin Grashaußer

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Beschreibung

Akademische Arbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Führung und Personal - Sonstiges, Note: 1,3, Technische Universität Kaiserslautern, Sprache: Deutsch, Abstract: Gesundheit ist nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO der Zustand eines vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens, und nicht allein das Fehlen von Krankheit. Ausgehend von dieser Definition entwickelte der Sozi¬alwissenschaftler ANTONOVSKY die Theorie der Salutogenese, deren Fokus auf den gesundheitsförderlichen Faktoren der Arbeit liegt und weniger auf krankmachenden Faktoren. Mit der Salutogenese liefert er einen Ansatz, um zu erklären, wie Menschen Belastungen erfolgreich bewältigen und damit ihre Gesundheit fördern. Als eines der bedeutsamsten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts stuft die WHO chronischen Stress ein. Unter Stress wird ein kurzzeitiger oder anhaltender Zustand erhöhter Aktiviertheit verstanden, der durch das Erleben von Gefährdung oder Bedrohung hervorgerufen wird. Die aus Dauerstress resultierende dauerhafte Aktivierung führt schließlich zu kurz- und langfristigen Reaktionen des Körpers. So ist beispielsweise dauerhafter Stress ein Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen. Die folgende Arbeit fokusiert die Frage, ob Führung und Führungskräfte einen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter haben. Denn eine Studie von Bertelsmann zeigt, dass das Verhalten von Führungskräften doppelt wirkt: direkt auf die Mitarbeiter und indirekt durch die Prägung der untergeordneten Führungskraft. Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung wird daher zunächst der Krankenstand in deutschen Unternehmen betrachtet.

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Inhalt

 

1 Einleitung

2 Krankenstand in deutschen Unternehmen und seine wirtschaftlichen Konsequenzen

2.1 Datenbasis zur Ermittlung des Krankenstandes in Deutschland

2.2 Krankenstand in deutschen Unternehmen

2.3 Konsequenzen für Gesellschaft und Unternehmen

3 Einflüsse auf die Gesundheit von Mitarbeitern und Führungskräften

3.1 Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell

3.2 Einflussmöglichkeiten der Führungskraft auf die Gesundheit der Mitarbeiter

4 Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

 

1Einleitung

 

Gesundheit ist nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO der Zustand eines vollkommenen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens, und nicht allein das Fehlen von Krankheit.[1] Ausgehend von dieser Definition entwickelte der Sozialwissenschaftler ANTONOVSKY[2] die Theorie der Salutogenese, deren Fokus auf den gesundheitsförderlichen Faktoren der Arbeit liegt und weniger auf krankmachenden Faktoren. Mit der Salutogenese liefert er einen Ansatz, um zu erklären, wie Menschen Belastungen erfolgreich bewältigen und damit ihre Gesundheit fördern.

 

Als eines der bedeutsamsten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts stuft die WHO chronischen Stress ein.[3] Unter Stress wird ein kurzzeitiger oder anhaltender Zustand erhöhter Aktiviertheit verstanden, der durch das Erleben von Gefährdung oder Bedrohung hervorgerufen wird. Die aus Dauerstress resultierende dauerhafte Aktivierung führt schließlich zu kurz- und langfristigen Reaktionen des Körpers. So ist beispielsweise dauerhafter Stress ein Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen.[4]

 

Die folgende Arbeit fokusiert die Frage, ob Führung und Führungskräfte einen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter haben. Denn eine Studie von Bertelsmann zeigt, dass das Verhalten von Führungskräften doppelt wirkt: direkt auf die Mitarbeiter und indirekt durch die Prägung der untergeordneten Führungskraft.[5]

 

Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung wird daher zunächst der Krankenstand in deutschen Unternehmen betrachtet.

 

2 Krankenstand in deutschen Unternehmen und seine wirtschaftlichen Konsequenzen

 

2.1 Datenbasis zur Ermittlung des Krankenstandes in Deutschland

 

Zur Darstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten[6] in der deutschen Wirtschaft werden die Daten von 10,1 Millionen erwerbstätigen Mitgliedern der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) in Deutschland herangezogen. Diese Datenbasis wurde gewählt, da die AOK die Krankenkasse mit dem größten Marktanteil in Deutschland ist.

 

Jedoch ist zu beachten, dass die AOK mit ihrer Versichertenstruktur nur bedingt repräsentativ für die Gesamtbevölkerung in Deutschland ist. Aufgrund ihrer historischen Funktion als Basiskasse ist der Anteil der gewerblichen Mitglieder deutlich über dem Schnitt der Gesamtbevölkerung, während Angestellte unterrepräsentiert sind.[7] Schwierig ist grundsätzlich die Ermittlung des Krankenstandes bei Führungskräften, da diese oftmals privat versichert sind und lediglich die freiwillig Versicherten in den Statistiken der Krankenkassen erfasst werden. Wegen der großen Datenbasis und der detaillierten Auswertung sollen dennoch hier die Daten der AOK herangezogen werden, da sie die Entwicklung und Veränderung der krankheitsbedingten Fehlzeiten und der daraus resultierenden Kosten für die deutsche Wirtschaft sehr gut darstellen und für die Thematik eines gesunden Führungsstils sensibilisieren.

 

Problematisch bei der Ermittlung des Krankenstandes ist bei allen Studien, dass lediglich die Abwesenheit der Mitarbeiter erfasst werden kann. Neben den krankheitsbedingten Fehlzeiten existieren zusätzlich die motivationsbedingten Fehltage. Dieser so genannte Absentismus umfasst beispielsweise das „blau machen“ an Montagen oder Freitagen und die Flucht in Arbeitsunfähigkeit bei Konflikten oder Umsetzungsproblemen.[8]

 

2.2 Krankenstand in deutschen Unternehmen

 

Die oben erläuterte Datenbasis bildet die Grundlage für die Analyse des Krankenstandes. Diese soll klären, an welchen Krankheiten die Mitarbeiter und die Führungskräfte leiden und ob die Ursachen Anhaltspunkte für einen möglichen Einfluss der Führungskräfte bieten.

 

Im Jahr 2010 lag der Krankenstand in deutschen Unternehmen bei 4,8 %.[9] Der Krankenstand beschreibt den Anteil der im Auswertungszeitraum angefallenen Arbeitsunfähigkeitstage am Kalenderjahr.[10]

 

Der Krankenstand wurde hauptsächlich von folgenden sechs Krankheitsarten dominiert: Die höchste Anteiligkeit mit 24,2 % hatten dabei Erkrankungen der Muskeln und des Skeletts. Im Anschluss daran folgten mit einer Anteiligkeit von 12,9 % Verletzungen, mit 12 % Atemwegserkrankungen und mit 9,3 % psychische Erkrankungen. Einen weiteren großen Anteil bildeten Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems mit 6,6 % und der Verdauungsorgane mit 5,8 %. Interessant für die Betrachtung ist der Anstieg der Muskel- und Skeletterkrankungen um 1,2 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr und der psychischen Erkrankungen um 0,7 Prozentpunkte.

 

Insbesondere den psychischen Erkrankungen kommt eine besondere Bedeutung zu, da seit 1999 die Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen um fast 80 % zugenommen haben.[11] Dies ist besonders bedenklich, da Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen mit 23,4 Tagen Ausfalldauer fast doppelt so lange ausfallen wie Mitarbeiter mit somatischen Erkrankungen, die im Schnitt 11,6 Tage ausfallen. Psychische Erkrankungen treten mit einem Anteil von 12,9 % vermehrt in der Dienstleistungsbranche auf, während in der Baubranche lediglich ein Anteil von 6 % verzeichnet wurde.[12]

 

Jedoch ist kritisch zu betrachten, dass psychische Belastungen auch zu anderen Symptomen wie Rückschmerzen, Magenproblemen oder Herz-/Kreislaufstörungen führen können und gerade zu Beginn der Erkrankung diese nicht unmittelbar mit einer psychischen Erkrankung in Verbindung gebracht werden.[13] Darüber hinaus sind in der Dienstleistungsbranche psychische Erkrankungen eher anerkannt, da durch Supervisionen oder Coaching psychische Belastungen durchaus präsent sind.[14] Auch ist der Begriff Burnout[15] in sozialen Berufen oder im gehobenen Management mittlerweile etabliert, während vor allem in männerdominierten Berufsgruppen psychische Erkrankungen und Erschöpfungszustände als Schwäche angesehen werden.

 

Interessant für die Betrachtung der krankheitsbedingten Fehlzeiten ist außerdem die berufliche Stellung. So weisen die Arbeiter mit 21,2 Arbeitsunfähigkeitstagen pro AOK-Mitglied den höchsten Anteil an Fehlzeiten auf, während Angestellte lediglich 13,0 Tage arbeitsunfähig sind. Hierbei ist zu beachten, dass Arbeiter aufgrund ihrer höheren physischen Belastung und einer höheren Unfallgefahr gefährdeter sind als Angestellte und ihre Arbeitsunfähigkeit im Vergleich zu Bürotätigkeiten damit eher länger dauert. Weiterhin existiert im Angestelltenverhältnis zwar oftmals eine größere Verantwortung, aber auch ein größerer Handlungsspielraum, der vermutlich zu einer größeren Motivation und Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit führt. Ebenso wirken sich die außerberuflich schlechteren Lebensverhältnisse (z.B. Wohnsituation, Ernährung, Erholungsmöglichkeiten) zum Teil negativ auf den Gesundheitszustand niedriger Einkommensgruppen aus.[16]

 

Im Gegenzug wird Managern eine dauerhaft erhöhte körperliche und psychische Belastung mit negativen Folgen für das Herz-Kreislauf-System zugesprochen.[17] Inwieweit diese Annahme der Realität entspricht wurde in der SHAPE-Studie wissenschaftlich überprüft, konnte aber nicht bestätigt werden.[18] Führungskräfte berichten zwar über eine deutlich höhere Erschöpfung als die Allgemeinbevölkerung in Deutschland, doch treten Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Managern nicht häufiger auf als in der Gesamtbevölkerung.[19] Dafür leiden weibliche Führungskräfte häufiger an körperlichen Beschwerden als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung, während männliche Führungskräfte deutlich weniger Beschwerden aufweisen als die durchschnittliche männliche Bevölkerung.[20] Eine mögliche Ursache ist, dass selbst in modernen Paar-Beziehungen oftmals Frauen den Hauptteil der Tätigkeiten im Haushalt und in der Familie übernehmen und damit einer Mehrfachbelastung ausgesetzt sind.[21]

 

Sowohl bei den männlichen als auch bei den weiblichen Führungskräften lässt sich aber eine signifikant höhere Stressbelastung feststellen. Die chronische Stressbelastung resultiert zum einen aus hohen Anforderungen in den Bereichen Arbeitsüberlastung, soziale Überlastung und Erfolgsdruck und zum anderen aus einem Mangel an Bedürfnisbefriedigung, der anhand der Faktoren Arbeitsunzufriedenheit, Über-forderung bei der Arbeit, Mangel an sozialer Anerkennung, soziale Spannungen und soziale Isolation gemessen wurde.[22] Einen entscheidenden positiven Einfluss auf die Gesundheit der Führungskräfte haben die Faktoren Wertschätzung, Achtung und Lob. Dagegen führen hohe Arbeitsanforderungen, geringe Kontrollmöglichkeiten und wenig soziale Unterstützung zu erhöhten Stressbelastungen.[23]

 

Die Analyse des Krankenstandes zeigt, dass psychische Erkrankungen, Burnout und die chronische Stressbelastung, welche sich negativ auf die Gesundheit der Mitarbeiter und Führungskräfte auswirkt, zugenommen haben. Da Burnout grundsätzlich mit Belastungen der Arbeitswelt in Verbindung gebracht wird und auch Stress in hohem Maße aus den Anforderungen des Arbeitsalltags bzw. der Mehrfachbelastung durch Familie und Beruf resultiert, liegt die Gesundheit der

Mitarbeiter und Führungskräfte auch in der Verantwortung der Unternehmen und bestätigt insbesondere einen Handlungsbedarf in den Bereichen Motivation, Arbeitszufriedenheit[24] und Stressbewältigung auf allen Hierarchieebenen.

 

Da die Führungskräfte in unmittelbarem Kontakt mit ihren Mitarbeitern stehen und für die Verteilung und Strukturierung der Aufgaben in ihrem Verantwortungsbereich zuständig sind, nehmen sie folglich auch Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Die Analyse zeigt aber auch, dass die Führungskräfte selbst hohen Belastungen ausgesetzt sind, die sie möglicherweise daran hindern, ihre Mitarbeiter gesundheitsorientiert zu führen. Das bedeutet, dass bereits bei der Stressreduzierung der Führungskräfte angesetzt werden muss, um gesunde Führung erreichen zu können.

 

Darüber hinaus legen die Unterschiede bei den Krankheitsursachen in den unterschiedlichen Berufsgruppen nahe, dass ein zielgruppenorientiertes betriebliches Gesundheitsmanagement notwendig ist und unterschiedliche Gesundheitsförderungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen für Arbeiter, Angestellte und Führungskräfte im Bereich der gesunden Führung angeboten werden müssen, wobei der Fokus dieser Arbeit auf den Führungskräften liegt.

 

2.3 Konsequenzen für Gesellschaft und Unternehmen

 

Nachdem festgestellt werden konnte, dass das Unternehmen und seine Führungskräfte Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter nehmen, bleibt die Frage offen, ob sich Investitionen in das betriebliche Gesundheitsmanagement und die anstehenden Veränderungsprozesse in der Führungskultur für Unternehmen lohnen. Zur Klärung werden deshalb die wirtschaftlichen Folgen des Krankenstandes betrachtet.

 

Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin verursachten in 2009 459,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage 75 Milliarden Euro Ausfall an Produktion und Bruttowertschöpfung.[25] Die gesamtwirtschaftlichen direkten Kosten für Krankheiten werden vom Statistischen Bundesamt für das Jahr 2008 sogar auf 254 Milliarden Euro geschätzt, wovon psychische Erkrankungen einen Anteil von 28,6 Milliarden Euro ausmachen.[26]

 

Neben diesen direkten Kosten entstehen den Unternehmen aber vor allem auch hohe indirekte Kosten aufgrund eines schlechten Firmenimages, mangelnder Arbeitsmoral, hoher Fluktuation und des Absinkens der Attraktivität für externe Bewerber.[27] Darüber hinaus wechseln überlastete Führungskräfte häufiger den Job als weniger belastete Führungskräfte und verursachen damit besonders hohe Folgekosten durch aufwändige Rekrutierungs- und Einarbeitungsprozesse.[28]

 

Zusätzlich zu den Kosten durch Absentismus entstehen den Unternehmen zusätzlich Kosten durch Präsentismus. Präsentismus beschreibt das Phänomen, dass die Mitarbeiter zwar zur Arbeit erscheinen, aber aufgrund von physischen oder psychischen Beeinträchtigungen nicht die volle Arbeitsleistung erbringen. Schätzungen ergeben, dass auf zehn Tage pro Kopf und Jahr entgangener Arbeit durch Absentismus nochmals etwa zehn bis zwanzig Tage entgangener Arbeit durch Präsentismus kommen.[29] Gestützt werden diese Zahlen auch durch die Daten der PARGEMA-Befragung bei Führungskräften, die angaben immerhin an 8,3 Tagen krank zur Arbeit gegangen zu sein.[30]

 

Selbst ohne eine genaue Gegenrechnung der Investitionen in betriebliches Gesundheitsmanagement lässt sich bereits aufgrund der extrem hohen direkten und indirekten Kosten für die Gesellschaft und die Unternehmen darlegen, dass sich die Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeiter lohnen und Veränderungsprozesse in den Unternehmen zur Etablierung einer gesunden Führung angestoßen werden sollten.

 

Die Gesundheitsförderung ist aufgrund der hohen Kosten für die Unternehmen nicht nur Aufgabe des Mitarbeiters selbst, sondern eben auch der Unternehmen und dessen Führungskräfte. Aufgrund der demographischen Entwicklung ist zudem zu erwarten, dass der Krankenstand weiter ansteigt, da zwar die Zahl der Krank-meldungen mit zunehmendem Alter sinkt, doch die durchschnittliche Dauer der Abwesenheit ansteigt.[31] Die damit verbundenen hohen Ausfallkosten und der zunehmende War for Talents werden in Zukunft dazu führen, dass die Reduzierung der krankheitsbedingten Abwesenheiten von Fach- und Führungskräften ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein wird.

 

3 Einflüsse auf die Gesundheit von Mitarbeitern und Führungskräften

 

3.1 Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell

 

Im vorangegangenen Kapitel konnte gezeigt werden, dass die Belastungen aus dem Arbeitsalltag Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter und Führungskräfte haben und die Gesundheitsförderung Ziel der Unternehmen sein muss. Welche Faktoren genau Einfluss auf die Gesundheit von Mitarbeitern und Führungskräften nehmen und welche Einflussmöglichkeiten die Führungskräfte auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter haben, soll in diesem Kapitel geklärt werden.

 

Als Grundlage wird das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept von ROHMERT und RUTENFRANZ[32] aus dem Bereich der Arbeitswissenschaften herangezogen, welches zur Beschreibung und Erklärung von arbeitsbedingter Gesundheit und Krankheit dient.

 

Belastungen umfassen nach DIN EN ISO 10075 alle Einflüsse, die extern auf den Mitarbeiter zukommen und auf ihn einwirken.[33] Eine Belastung besteht aus allen körperlichen und/oder geistigen und/oder sozialen Anforderungen, die bei der Übernahme einer Arbeitsaufgabe unter bestimmten Bedingungen entstehen.[34] Arbeitswissenschaftlich betrachtet ist der Begriff Belastung wertfrei. Erst die negative Auswirkung der Belastung auf den Mitarbeiter wird als Fehlbelastung bezeichnet und ist zudem abhängig von den Leistungsvoraussetzungen des Individuums.[35]

 

Belastungen treten im materiell-technischen, im sozialen und im persönlichen Bereich auf und bestehen entweder in einzelnen Bereichen oder überlappen sich, wie Abbildung 1 zeigt.

 

 

Abbildung 1: Bereiche der Belastungsfaktoren bei der Arbeit[36]

 

Welche unterschiedlichen Belastungen auf den Mitarbeiter einwirken und wie diese den einzelnen Bereichen zugeordnet werden können, ist der folgenden Abbildung 2 zu entnehmen.

 

 

Abbildung 2: Klassifizierung der möglichen Belastungen in der Arbeitswelt[37]

 

Treten besonders viele negative Belastungsfaktoren auf, so gilt eine Arbeitstätigkeit als besonders belastend.[38] Die Übersicht zeigt bereits sehr deutlich, dass der Fokus auf den psychischen Belastungen und weniger auf den physischen Belastungen liegt und dass Führungskräfte in vielen Bereichen eine Einflussmöglichkeit haben, so z.B. im Bereich des sozialen Systems oder des materiell-technischen und sozialen Systems.

 

Mit der Ausführung der Arbeitstätigkeit tritt die Beanspruchung beim Mitarbeiter auf. Beanspruchungen sind nach DIN EN ISO 10075 die unmittelbaren, nicht langfristigen Auswirkungen der Belastung auf den Mitarbeiter in Abhängigkeit von dessen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich seiner individuellen Bewältigungsstrategien.[39]

 

Körperliche Anforderungen führen zu einer physischen Beanspruchung und geistige und soziale Anforderungen zu einer psychischen Beanspruchung, die sich wiederum in kognitive und emotionale Beanspruchungen differenzieren lassen.

 

Eine kognitive Beanspruchung existiert, wenn zur Bewältigung der Arbeitsaufgabe vorwiegend kognitive Leistungsvoraussetzungen erforderlich sind. Eine Über- oder Unterforderung eines Mitarbeiters entsteht, wenn die persönlichen Leistungsvoraussetzungen in diesem Bereich nicht mit den geforderten Leistungsvoraussetzungen übereinstimmen.

 

Emotionale Beanspruchungen entstehen durch die Bewertung der Belastungs-faktoren. Die Bewertung erfolgt aufgrund des Vergleichs von Bedürfnissen oder Motiven und den wahrgenommenen Möglichkeiten zur Realisierung. Die Intensität der emotionalen Beanspruchung wird dabei durch die Art und Größe der Diskrepanz zwischen dem Bedürfnis und der Realisierungsmöglichkeit bestimmt.[40] So kann für eine Verkäuferin die Anweisung, die Regale bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeräumt zu haben dann eine hohe emotionale Beanspruchung darstellen, wenn sie im selben Zeitraum auch alle Kunden bedienen soll.

 

Die Einwirkungen der Belastungen auf den arbeitenden Menschen und die daraus entstehenden Beanspruchungen, die von den Rahmenbedingungen und den individuellen Bewältigungsstrategien des Menschen abhängen, können in Abbildung 3 folgendermaßen dargestellt werden:

 

 

Abbildung 3: Belastungs-Beanspruchungsmodell[41]

 

Aufgrund von Beanspruchungen können kurzfristig psychische oder physische Reaktionen auftreten, die als Beanspruchungsreaktionen bezeichnet werden. Dazu gehören u.a. Stress, Ermüdung, Monotonie oder Leistungsabnahme. Halten die Reaktionen der Beanspruchung zeitlich an und verfestigten sich psychisch oder physisch, so handelt es sich um Beanspruchungsfolgen. Diese zeigen ihre Auswirkungen in Krankheiten, Suchtverhalten, Fehlzeiten, Burnout, Unzufriedenheit oder vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand.[42]

 

Bei der Betrachtung der Beanspruchungsreaktionen und -folgen müssen auch die positiven Faktoren betrachtet werden. So zeigen sich kurzfristige Reaktionen durch Emotionen wie Lust, Freude, Zufriedenheit, Glück oder Flow[43], die aus einer Arbeitstätigkeit heraus entstehen können. Als positive Folge manifestieren sich diese Emotionen in einem allgemeinen Wohlbefinden, welches gemäß Definition ein wichtiger Faktor für die psychische Gesundheit ist.[44]

 

Ressourcen übernehmen nun die Mittlerfunktion zwischen Belastung und Beanspruchung. Stehen Ressourcen in der Organisation, der Arbeit und dem Menschen in ausreichender Form zur Verfügung, so können Fehlbelastungen vermieden oder gemindert werden und die Beanspruchungsreaktionen und -folgen verringert oder sogar ganz verhindert werden.[45] Ressourcen lassen sich in innere Ressourcen, die im Mitarbeiter selbst liegen, und in äußere Ressourcen, die in der Organisation und der Arbeitstätigkeit begründet liegen, unterteilen und können folgendermaßen kategorisiert werden:

 

 

Abbildung 4: Klassifikation der Ressourcen[46]

 

Die in Abbildung 4 dargestellten Ressourcen können alle einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit der Mitarbeiter leisten. Die Organisation trägt durch ihre Struktur und ihre Bedingungen entscheidend zur Gesundheit ihrer Mitarbeiter bei, während die Arbeitstätigkeit den Beitrag leistet, inwieweit der Mensch seine Fähigkeiten entfalten kann und wie er seine Handlungskompetenz einsetzen kann. Schließlich trägt der Mitarbeiter mit seinen Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Handlungsmuster, Kontroll- und Kompetenzerwartungen und positive Emotionalität) selbst wesentlich zu seiner Gesundheit bei.

 

3.2 Einflussmöglichkeiten der Führungskraft auf die Gesundheit der Mitarbeiter

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Führungskräfte in den drei Ressourcenkategorien Organisation, Arbeitstätigkeit und Persönlichkeit Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter nehmen können. Führungskräfte der unteren und mittleren Führungsebene haben zwar kaum Einfluss auf die Unternehmensstrategie, jedoch sind sie dafür verantwortlich, Veränderungen nach oben weiterzugeben und können das Klima in ihrem Team entscheidend beeinflussen.

 

Eine wesentliche Rolle spielen die Führungskräfte im Bereich der Arbeitstätigkeit, da sie die Verantwortung für die Aufgabenverteilung in ihrem Team tragen und für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter in erster Linie verantwortlich sind. Letztendlich hat die Führungskraft, wenn auch nur begrenzt, Einfluss auf die Persönlichkeit des Mitarbeiters. Zum einen trägt sie Verantwortung, dem Mitarbeiter Aufgaben zuzuteilen, die ihn in seiner persönlichen Entwicklung unterstützen, und zum anderen muss sie im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht[47] darauf achten, dass der Mitarbeiter sich aufgrund seiner Persönlichkeit (z.B. Neigung zur Überarbeitung) keinen gesundheitlichen Gefahren aussetzt bzw. ihm Hilfestellung anbieten.

 

Ebenso hat die Führungskraft bereits die Möglichkeit, Belastungen die auf den Mitarbeiter wirken, zu verringern oder zu beseitigen. Zum Teil sind Grenzen für die Belastung gesetzlich festgelegt[48], sodass deren Einhaltung von der Führungskraft regelmäßig überwacht werden muss und bei Nichteinhaltung entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen, z.B. bei der Einhaltung von Lärmschutzgrenzen.[49] In Bezug auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz ist die Führungskraft dazu angehalten auf das Tragen der entsprechenden Schutzkleidung zu achten und ihre Mitarbeiter dahingehend zu unterweisen. Schwieriger gestaltet sich dagegen das Einwirken auf nicht gesetzlich geregelte Belastungen, da hier der Mitarbeiter in seiner Arbeitsumgebung betrachtet werden muss. Auch hier ist die Führungskraft gefordert, die Belastungen zu identifizieren und zu versuchen, diese zu verringern. Leidet ein Mitarbeiter beispielsweise unter dem Mobbing von Kollegen, so sollte die Führungskraft Gespräche mit den Betreffenden führen oder eine Versetzung veranlassen.

 

Über ihren Einfluss auf die Belastungen der Mitarbeiter nehmen Führungskräfte auch indirekt Einfluss auf die Beanspruchung der Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang ist es für Führungskräfte wichtig, sich bewusst zu machen, wie sie positive Beanspruchungsreaktionen und -folgen bei den Mitarbeitern hervorrufen können.[50] Übergibt sie einem lernbegierigen und erfahrenen Mitarbeiter die Verantwortung für ein neues Projekt, welches er gerne übernehmen möchte, so kann sie ihn in seinen Fähigkeiten bestärken und ihm bei einem erfolgreichen Abschluss zu einem Glücksgefühl und Selbstvertrauen verhelfen.

 

In das in Abbildung 4 dargestellte Belastungs-Beanspruchungs-Modell lässt sich nun neben den Beanspruchungsreaktionen und -folgen die Rolle der Führungskraft integrieren und ihre durchgängige Einflussmöglichkeit auf die Gesundheit des Mitarbeiters darstellen (Abbildung 5).

 

 

Abbildung 5: Rolle der Führungskraft im Belastungs-Beanspruchungs-Modell[51]

 

Somit konnte gezeigt werden, dass Führungskräfte durch Wahrnehmung ihrer Führungsaufgabe einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter haben.

 

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in: „Gesunde Führung als Voraussetzung für gesunde Mitarbeiter“ von Kerstin Grashaußer.

 

ISBN: 978-3-656-53463-1

 

http://www.grin.com/de/e-book/264263/

 

4Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

 

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Badura, B./M. Steinke (2011): Die erschöpfte Arbeitswelt - Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg!, Gütersloh, Bertelsmann Stiftung.

 

Benz, D. (2009): Integriertes Gesundheitsmanagement - Ein Leitfaden, in: W. Kromm/G. Frank (Hrsg.), Unternehmensressource Gesundheit. Weshalb die Folgen schlechter Führung kein Arzt heilen kann, Düsseldorf, Symposion Publishing, S. 181-213.

 

Berthel, J./F. G. Becker (2007): Personal-Management: Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag, 8., überarbeitete und erweiterte Auflage.

 

Blake, R. R./J. S. Mouton (1995): Verhaltenspsychologie im Betrieb - Der Schlüssel zur Spitzenleistung. Das neue Grid-Management-Konzept in einer vollkommen überarbeiteten Neuauflage, Düsseldorf, Econ Verlag, 3. Auflage.

 

Bödecker, W./M. Friedrichs (2011): Psychische Belastungen am Arbeitsplatz kosten Milliarden, http://www.boeckler.de/impuls_2011_16_2.pdf, zugegriffen am 27.02.2012.

 

 Bohulskyy, Y./M. Erlinghagen et al. (2011): Arbeitszufriedenheit in Deutschland sinkt langfristig, IAQ-Report, http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2011/report2011-03.pdf, zugegriffen am 27.02.2012.

 

Brandenburg, U./P. Nieder (2009): Betriebliches Fehlzeiten-Management, Wiesbaden, Gabler-Verlag, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage.

 

 Buchenau, P./A. Hofmann (2012): Die Performer-Methode - Gesunde Leistungssteigerung durch ganzheitliche Führung, Wiesbaden, Gabler Verlag.

 

Burns, J. M. (1978): Leadership, New York, Harper & Row.

 

Busch, K. (2011): Die Arbeitsunfähigkeit in der Statistik der GKV, in: B. Badura/A. Ducki et al. (Hrsg.), Fehlzeiten Report 2011. Führung und Gesundheit, Berlin; Heidelberg; New York, Springer Verlag, S. 385-392.

 

Conrad, P./M. Trummer (2010): Studienbrief PE0610 - Mitarbeiterführung - Grundlagen und Konzepte, Kaiserslautern, Distance and International Studies Center, TU Kaiserslautern.

 

 Dieckhoff, K./T. Hoffmann (2008): Gute Mitarbeiterführung - Psychische Fehlbelastungen vermeiden, Dortmund, Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA).

 

Eberhardt, D. (2009): Gesundheitsförderlich führen, in: W. Kromm/G. Frank (Hrsg.), Unternehmensressource Gesundheit. Weshalb die Folgen schlechter Führung kein Arzt heilen kann, Düsseldorf, Symposion Publishing, S. 267-302.

 

Echterhoff, M. (2011): Führungskräfte tragen Verantwortung - auch für die Gesundheit der Beschäftigten?! Eine empirische Untersuchung zur Selbsteinschätzung von Führungskräften hinsichtlich ihrer gesundheitsrelevanten Einflussmöglichkeiten im Betrieb, in: B. Badura/A. Ducki et al. (Hrsg.), Fehlzeiten Report 2011. Führung und Gesundheit, Berlin; Heidelberg; New York, Springer Verlag, S. 89-95.

 

Eilles-Matthiessen, C./S. Scherer (2011): Bindung, Leistung, Kontrolle und Selbstwertschutz: Die Motive des Mitarbeiters als Perspektive sozial kompetenten Führungsverhaltens, in: B. Badura/A. Ducki et al. (Hrsg.), Fehlzeiten Report 2011. Führung und Gesundheit, Berlin; Heidelberg; New York, Springer Verlag, S. 15-25.

 

Falkenstein, M. (2011): Brainfood für die Werkskantine, in: Personalwirtschaft - Magazin für Human Resources 11 (Sonderheft), S. 14-15.

 

Fischer, J. E. (2009a): Gesundheitsmonitor für Unternehmen, in: W. Kromm/G. Frank (Hrsg.), Unternehmensressource Gesundheit. Weshalb die Folgen schlechter Führung kein Arzt heilen kann, Düsseldorf, Symposion Publishing, S. 215-237.