Der Krieg der Welten - Herbert George Wells - E-Book

Der Krieg der Welten E-Book

Herbert George Wells

0,0
0,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Marsianer greifen die Erde an. Das hoffnungslos unterlegene Militär muss hilflos mitansehen, wie Städte in Schutt und Asche gelegt werden. Da es einen Ich-Erzähler gibt, muss die Invasion zurückgeschlagen worden sein – wie und womit ist eine der interessantesten Volten der Abenteuerliteratur. Der berühmte Klassiker der frühen Science-Fiction-Literatur in der komplett aufgefrischten Erstübersetzung von 1901, illustriert mit 33 stimmungsvollen Zeichnungen. Wie immer mit Dutzenden erklärenden Fußnoten zu Wissenschaft, Politik und Geografie. Null Papier Verlag

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 324

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



H. G. Wells

Der Krieg der Welten

Illustrierte Fassung

H. G. Wells

Der Krieg der Welten

Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Übersetzung: Gottlieb August Crüwell, G. Blache 1. Auflage, ISBN 978-3-954189-04-5

null-papier.de/426

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Buch

Vor­wort der Über­set­ze­rin

Ers­tes Buch – Das Kom­men der Mars­män­ner

I. Am Vora­bend des Krie­ges

II. Der fal­len­de Stern

III. Auf der Hor­sell-Wei­de

IV. Das Öff­nen des Zy­lin­ders

V. Der Hit­ze­strahl

VI. Der Hit­ze­strahl in der Chob­ham-Stra­ße

VII. Wie ich nach Hau­se kam

VIII. Frei­tag Nacht

IX. Der Kampf be­ginnt

X. Im Sturm

XI. Am Fens­ter

XII. Die Zer­stö­rung von Wey­bridge und Shep­per­ton

XIII. Wie ich mit dem Ku­ra­ten zu­sam­men­traf

XIV. In Lon­don

XV. In Sur­rey

XVI. Die Flucht aus Lon­don

XVII. Der »Thun­der-Child«

Zwei­tes Buch – Das Land un­ter den Mars­leu­ten

I. Un­ter­wegs

II. Was wir von dem zer­stör­ten Haus aus er­blick­ten

III. Die Tage der Ge­fan­gen­schaft

IV. Der Tod des Ku­ra­ten

V. Die Stil­le

VI. Das Werk von fünf­zehn Ta­gen

VII. Der Mann auf Put­ney Hill

VIII. Das tote Lon­don

IX. Die Ver­wüs­tung

Schluss­wort

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Soll­ten Sie Feh­ler fin­den oder An­re­gun­gen ha­ben, so mel­den Sie sich bit­te bei mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger, js@­null-pa­pier.de

Newslet­ter abon­nie­ren

Der Newslet­ter in­for­miert Sie über:

die Neu­er­schei­nun­gen aus dem Pro­gramm

Neu­ig­kei­ten über un­se­re Au­to­ren

Vi­deos, Lese- und Hör­pro­ben

at­trak­ti­ve Ge­winn­spie­le, Ak­tio­nen und vie­les mehr

htt­ps://null-pa­pier.de/newslet­ter

Buch

Ent­ste­hung

Das Buch wur­de 1898 ver­öf­fent­licht, also noch weit vor der Er­fin­dung des Flug­zeugs, und 70 Jah­re, be­vor der Mensch erst­mals sei­nen Fuß auf den Mond setz­te. Die tech­ni­sche Fan­ta­sie und Vor­stel­lungs­kraft, die Wells auf Grund­la­ge der da­ma­li­gen Er­kennt­nis­se über das Wel­tall, Pla­ne­ten und Tech­nik an den Tag leg­te, ist auch heu­te noch ab­so­lut be­ste­chend.

Be­deu­tung

Auf dem Hö­he­punkt des Bri­ti­schen Em­pi­res führ­te Wells sei­nen Le­sern vor, was mit Kul­tu­ren pas­siert, die von aus­län­di­schen, tech­nisch weit über­le­ge­nen In­va­so­ren an­ge­grif­fen wer­den: Sie wer­den aus­ge­rot­tet. Die Kehr­sei­te des tech­ni­schen Fort­schritts fin­det sich im Text wie­der – wenn der Schre­cken auch von au­ßer­halb, vom Mars kommt.

Spä­te­re Be­ar­bei­tun­gen

Der Ro­man be­grün­de­te H. G. Wells’ Ruhm als Science-Fic­ti­on-Au­tor und war Vor­la­ge für zahl­rei­che an­de­re li­te­ra­ri­sche Wer­ke und Ver­fil­mun­gen.

Berühmt wur­de „Krieg der Wel­ten“ auch als Hör­spiel von 1938. Der da­mals noch weit­ge­hend un­be­kann­te Or­son Wel­les in­sze­nier­te im ame­ri­ka­ni­schen Ra­dio am Vora­bend von Hal­lo­ween ein als Li­ver­epor­ta­ge ge­tarn­tes Hör­spiel, das über die In­va­si­on der USA durch Mar­sia­ner be­rich­te­te. Ob es da­mals al­ler­dings wirk­lich zu der ger­ne kol­por­tie­ren Mas­sen­pa­nik durch hys­te­ri­sche Hö­rer kam, wird heu­te le­dig­lich als ge­lun­ge­nes Mar­ke­ting be­zeich­net und ent­spricht nicht den Tat­sa­chen.

1978 er­schi­en das Mu­si­k­al­bum „Jeff Way­ne’s Mu­si­cal Ver­si­on of the War of the Worlds“. Als Er­zäh­ler fun­gier­te in der Ori­gi­nal­fas­sung Richard Bur­ton, in der 1980 er­schie­ne­nen deutsch­spra­chi­gen Ver­si­on Curd Jür­gens.

Eine sa­ti­ri­sche Ad­ap­ti­on war der Film „Mars At­tacks!“ von 1996 des Re­gis­seurs Tim Bur­ton, der sämt­li­che Gen­re­kli­schees per­si­flier­te. Hier bringt ein Coun­try-Song schließ­lich die un­ter Glas­hel­men sicht­ba­ren Hir­ne der In­va­so­ren zum Plat­zen.

Au­tor

Her­bert Ge­or­ge Wells (1866-1946) gilt, ne­ben Ju­les Ver­ne, als »Va­ter der Science-Fic­ti­on«. Ihm ver­dan­ken wir die grund­le­gen­de Aus­ar­bei­tung zahl­rei­cher Mo­ti­ve, die das Gen­re bis heu­te maß­geb­lich prä­gen: Zeit­rei­se, Un­sicht­bar­keit, au­ßer­ir­di­sche In­va­si­on und vie­le mehr. Dar­über hin­aus hat er sich als His­to­ri­ker und Ver­fas­ser ge­sell­schafts­kri­ti­scher Wer­ke einen Na­men ge­macht.

Zeich­ner

Die Il­lus­tra­tio­nen stam­men aus dem im Jah­re 2015 ver­stei­ger­ten Ori­gi­nal-Kon­vo­lut des Zeich­ners Hen­ri­que Al­vim Corrêa. Die­se wur­den für die Ver­öf­fent­li­chung auf­wen­dig di­gi­tal vom Gilb und Schmutz­fle­cken be­freit.

Zur Er­st­über­set­zung

Die ers­te, 1901 im Wie­ner Per­les Ver­lag er­schie­ne­ne Über­set­zung, stamm­te von Gott­lieb Au­gust Crüwell. Die­se war, selbst für da­ma­li­ge Ver­hält­nis­se, sper­rig zu le­sen. Nicht nur war der Text durch­setzt von ös­ter­rei­chi­schen Be­grif­fen, die nörd­lich der Al­pen eher un­be­kannt sein dürf­ten, schlim­mer noch, war der Text oft­mals nicht nach­be­ar­bei­tet wor­den, son­dern, wie so vie­le Ver­öf­fent­li­chun­gen der da­ma­li­gen Zeit, eine in der Satz­stel­lung nicht an­ge­pass­te Eins-zu-Eins-Über­set­zung des eng­li­schen Ori­gi­nals. Dies führ­te häu­fig zu Sät­zen, die ab­so­lut un­ver­ständ­lich wa­ren. Hier ein Bei­spiel für solch eine Pas­sa­ge:

„Jetzt, da das hef­ti­ge Aus­fah­ren bei sei­ner Auss­trö­mung vor­über war, haf­te­te der schwar­ze Rauch so fest auf dem Bo­den, dass, selbst vor sei­nem Ab­flie­ßen, in ei­ner Höhe von fünf­zig Fuß in der Luft, auf Dä­chern und obe­ren Stock­wer­ken ho­her Häu­ser und auf großen Bäu­men, es eine Mög­lich­keit gab, sei­ner gif­ti­gen Wir­kung sich völ­lig zu ent­zie­hen; das be­währ­te sich noch in je­ner Nacht in Street Cob­ham und Dit­ton.“

Die Auf­fri­schung liest sich schon viel flüs­si­ger und ver­liert den­noch nichts von ih­rem mehr als 100 Jah­re al­ten Ch­ar­me:

„Jetzt, da nach der De­to­na­ti­on der hef­ti­ge Schwall ver­flo­gen war, haf­te­te der schwar­ze Rauch so fest auf dem Bo­den, dass es selbst vor sei­nem Ab­flie­ßen, in ei­ner Höhe von fünf­zig Fuß, auf Dä­chern und obe­ren Stock­wer­ken ho­her Häu­ser und auf großen Bäu­men, eine Mög­lich­keit gab, sich sei­ner gif­ti­gen Wir­kung völ­lig zu ent­zie­hen; das be­währ­te sich noch in je­ner Nacht in Street Cob­ham und Dit­ton.“ Wer sich für die Be­ar­bei­tung al­ter Text bei Null Pa­pier in­ter­es­siert, dem emp­feh­le ich den Auf­satz „Was macht ein E-Book-Ver­le­ger so den gan­zen Tag? E-Books!“ (null-pa­pier.de/sto­ry)

Vorwort der Übersetzerin

Lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser,

Sie sind im Be­griff, sich den Text ein­zu­ver­lei­ben, der als der Ur-Text der Science-Fic­ti­on-Li­te­ra­tur gilt.

Fol­gen Sie dem Ich-Er­zäh­ler durch das Lon­don und sei­ne Um­ge­bung An­fang des 20. Jahr­hun­derts.

Spü­ren Sie ei­ner­seits die Fas­zi­na­ti­on des Au­tors für die Ver­spre­chun­gen des sich an­bah­nen­den tech­ni­schen Zeit­al­ters. Ah­nen Sie gleich­zei­tig die Be­droh­lich­keit die­ser neu­en Welt, die den da­ma­li­gen Zeit­ge­nos­sen ver­ständ­li­cher­wei­se nicht ganz ge­heu­er schi­en. Die ers­te Fahrt ei­ner dampf­be­trie­be­nen Ei­sen­bahn war noch nicht all­zu lan­ge her.

Be­den­ken Sie da­bei, dass da­mals eine schnel­le In­for­ma­ti­on über Ri­si­ken und de­ren Ver­mei­dung eben­falls noch ein wei­te­res Jahr­hun­dert auf sich war­ten ließ.

Wen wun­dert es da, dass die fremd­ar­ti­gen Ma­schi­nen li­te­ra­risch gleich als die Ap­pa­ra­tu­ren ei­ner frem­den Zi­vi­li­sa­ti­on ver­ar­bei­tet wer­den? Und kei­ner fried­li­chen, wie der Ti­tel des Bu­ches be­reits ver­heißt.

Las­sen Sie sich mit­neh­men, durch­aus auch in die Schre­cken, die eine un­ter­le­ge­ne Zi­vi­li­sa­ti­on durch eine wei­ter­ent­wi­ckel­te er­fah­ren kann.

Aber sei­en Sie von An­fang an ge­trös­tet, da der Au­tor dem Grund­satz treu bleibt, dass der Ich-Er­zäh­ler über­lebt.

Und freu­en Sie sich dar­auf, wer oder was sich schließ­lich als Ret­ter der Mensch­heit ent­pup­pen wird.

Ich wün­sche Ih­nen span­nen­de Le­se­stun­den.

Herz­lichst Ihre Ga­brie­le Bla­che

Erstes Buch – Das Kommen der Marsmänner

I. Am Vorabend des Krieges

Nie­mand hät­te in den letz­ten Jah­ren des XIX. Jahr­hun­derts ge­glaubt, dass die Mensch­heit ge­nau und scharf von in­tel­li­gen­ten Mäch­ten be­ob­ach­tet wür­de, grö­ßer als die Men­schen selbst und doch eben­so sterb­lich. Nie­mand hät­te ge­glaubt, dass, wäh­rend die Men­schen ih­rem Ta­ge­werk nach­gin­gen, sie be­lauscht und er­forscht wür­den, fast eben­so ein­dring­lich, wie ein Mann mit sei­nem Mi­kro­skop jene ver­gäng­li­chen Le­be­we­sen er­forscht, die in ei­nem Was­ser­trop­fen ihr We­sen trei­ben und sich dar­in ver­meh­ren. Mit un­end­li­chem Be­ha­gen schlen­der­te die Mensch­heit, mit ih­ren klei­nen Sor­gen be­schäf­tigt, kreuz und quer auf dem Erd­ball um­her, in ge­las­se­nem Ver­trau­en auf ihre Herr­schaft über die Ma­te­rie. Es ist mög­lich, dass die In­fu­so­ri­en1 un­ter der Lupe das­sel­be tun. Nie­mand quäl­te sich mit dem Ge­dan­ken, dass äl­te­ren Welt­kör­pern Ge­fah­ren für die Mensch­heit ent­sprin­gen könn­ten. Jede Vor­stel­lung, dass sie be­wohnt sein könn­ten, wur­de als un­wahr­schein­lich oder un­mög­lich auf­ge­ge­ben. Es ist selt­sam, sich heu­te der geis­ti­gen Ver­fas­sung je­ner ver­gan­ge­nen Tage zu ent­sin­nen. Es kam höchs­tens vor, dass Er­den­be­woh­ner sich ein­bil­de­ten, es könn­ten We­sen auf dem Mars le­ben, min­der­wer­ti­ge viel­leicht, je­den­falls aber sol­che, die eine ir­di­sche For­schungs­rei­se freu­dig be­grü­ßen wür­den. Aber jen­seits des gäh­nen­den Wel­ten­raums blick­ten Geis­ter, den un­se­ren über­le­gen wie un­se­re de­nen rei­ßen­der Tie­re, blick­ten In­tel­lek­te, un­ge­heu­er und kalt und un­heim­lich, mit nei­di­schen Au­gen auf un­se­re Erde. Be­däch­tig und ge­zielt schmie­de­ten sie ihre Plä­ne ge­gen uns. Und am Be­ginn des XX. Jahr­hun­derts kam die große Er­nüch­te­rung.

Der Pla­net Mars, ich brau­che den Le­ser kaum dar­an zu er­in­nern, dreht sich in ei­ner mitt­le­ren Ent­fer­nung von 140.000.000 Mei­len2 um die Son­ne. Und das Aus­maß von Licht und Wär­me, das er von der Son­ne emp­fängt, ent­spricht kaum der Hälf­te un­se­res An­teils. Wenn die Ne­bu­larhy­po­the­se3 nur im Ge­rings­ten rich­tig ist, muss er äl­ter sein als un­se­re Erde, und lan­ge, ehe un­ser Pla­net zu schmel­zen auf­ge­hört hat­te, muss das Le­ben auf sei­ner Ober­flä­che be­reits be­gon­nen ha­ben. Die Tat­sa­che, dass er kaum den sie­ben­ten Teil des Vo­lu­mens un­se­rer Erde er­reicht, muss sei­ne Ab­küh­lung bis zu der Tem­pe­ra­tur, bei der Le­ben be­gin­nen konn­te, be­schleu­nigt ha­ben. Er be­sitzt Luft und Was­ser und al­les Nö­ti­ge zur Er­hal­tung ani­ma­li­scher Exis­tenz.

Doch so ei­tel ist der Mensch und so ver­blen­det durch sei­ne Ei­tel­keit, dass bis zum Schluss des XIX. Jahr­hun­derts nicht ein ein­zi­ger Schrift­stel­ler je­mals dem Ge­dan­ken nä­her trat, dass dort geis­ti­ges Le­ben über­haupt oder gar weit über das ir­di­sche Maß hin­aus ent­ste­hen konn­te. Auch wur­de aus den Tat­sa­chen, dass der Mars äl­ter ist als un­se­re Erde, dass er nur den vier­ten Teil ih­rer Ober­flä­che be­sitzt, dass er wei­ter von der Son­ne ent­fernt ist, nie der zwin­gen­de Schluss ge­zo­gen, dass er nicht nur von den An­fän­gen des Le­bens ent­fern­ter, son­dern des­sen Ende auch nä­her ist.

Die zeit­li­che Ab­küh­lung, die einst auch un­se­ren Pla­ne­ten be­vor­steht, hat bei un­se­rem Nach­bars­tern schon große Fort­schrit­te ge­macht. Sei­ne phy­si­sche Be­schaf­fen­heit ist im Gan­zen noch ein Ge­heim­nis. Doch wis­sen wir jetzt, dass selbst in sei­nen äqua­to­ria­len Re­gio­nen die Mit­tags­tem­pe­ra­tur kaum jene un­se­res käl­tes­ten Win­ters er­reicht. Sei­ne Luft ist viel dün­ner als die un­se­re, sei­ne Mee­re sind so­weit zu­rück­ge­tre­ten, dass sie kaum mehr ein Drit­tel sei­ner Ober­flä­che be­de­cken, und wäh­rend des lang­sa­men Wech­sels sei­ner Jah­res­zei­ten bil­den sich un­ge­heu­re Schnee­gip­fel, die an je­dem Pole schmel­zen und sei­ne ge­mä­ßig­ten Zo­nen pe­ri­odisch über­flu­ten. Je­nes letz­te Sta­di­um der Er­schöp­fung, für uns noch so un­glaub­lich ent­fernt, ist für die Mars­be­woh­ner eine Ta­ges­fra­ge ge­wor­den. Der un­mit­tel­ba­re Druck der Not hat ih­ren Ver­stand ge­schärft, ihre Kräf­te er­höht, ihre Her­zen ver­här­tet. Und in­dem sie den Wel­traum über­blick­ten, sa­hen sie, aus­ge­rüs­tet mit Werk­zeu­gen und Geis­tes­ga­ben, die wir uns kaum träu­men lie­ßen, in nächs­ter Ent­fer­nung, nur 35.000.000 Mei­len son­nen­wärts, einen Mor­gens­tern der Hoff­nung, un­se­ren ei­ge­nen wär­me­ren Pla­ne­ten, grün mit sei­ner Ve­ge­ta­ti­on, grau mit sei­nem Was­ser, mit ei­ner wol­ki­gen At­mo­sphä­re, die von Frucht­bar­keit be­rich­tet, einen Stern, der durch sei­ne trei­ben­den Wol­ken­ge­bil­de sie Bli­cke tun lässt auf brei­te Stre­cken be­völ­ker­ten Lan­des und schma­le flot­ten­er­füll­ter Seen.

Und wir Men­schen, die die­sen Stern be­woh­nen, müs­sen wir je­nen nicht zum Min­des­ten so fremd­ar­tig und nied­rig er­schei­nen, wie uns Af­fen und Le­mu­ren? Der in­tel­lek­tu­el­le Teil der Mensch­heit gibt be­reits zu, dass das Le­ben ein un­auf­hör­li­cher Kampf ums Da­sein ist. Und es scheint, dass die­ser Glau­be auch von den Mars­be­woh­nern ge­teilt wird. Auf ih­rem Stern ist die Ab­küh­lung schon weit vor­ge­schrit­ten! Die­se Welt ist noch voll blü­hen­den Le­bens, aber be­völ­kert von ei­ner Men­ge, die jene als min­der­wer­ti­ge Le­be­we­sen be­trach­ten. In Wahr­heit, den Krieg son­nen­wärts zu tra­gen, ist ihre ein­zi­ge Ret­tung vor der Ver­nich­tung, die von Ge­schlecht zu Ge­schlecht im­mer nä­her an sie her­an­schleicht.

Und be­vor wir sie zu hart be­ur­tei­len, müs­sen wir uns er­in­nern, mit wel­cher scho­nungs­lo­sen und grau­sa­men Ver­nich­tung un­se­re ei­ge­ne Gat­tung nicht nur ge­gen Tie­re, wie den ver­schwun­de­nen Bi­son und den Walg­vo­gel, son­dern ge­gen un­se­re ei­ge­nen in­fe­rio­ren Ras­sen ge­wü­tet hat. Die Tas­ma­nier wur­den trotz ih­rer Men­schen­ähn­lich­keit, in ei­nem von eu­ro­päi­schen Ein­wan­de­rern ge­führ­ten Ver­nich­tungs­krie­ge bin­nen fünf­zig Jah­ren völ­lig aus­ge­rot­tet. Sind wir sol­che Apos­tel der Gna­de, dass wir uns be­kla­gen dür­fen, wenn die Mars­leu­te in dem­sel­ben Geist uns be­krie­gen?

Die Mars­leu­te schei­nen ih­ren Ab­sturz mit er­staun­li­cher Ge­nau­ig­keit be­rech­net zu ha­ben — ihre ma­the­ma­ti­schen Kennt­nis­se sind den uns­ri­gen of­fen­bar weit über­le­gen — und ihre Vor­be­rei­tun­gen tra­fen sie mit fast voll­kom­me­ner Ein­mü­tig­keit. Hät­ten un­se­re In­stru­men­te es er­laubt, so hät­ten wir die dro­hen­de Ge­fahr weit zu­rück im XIX. Jahr­hun­dert se­hen kön­nen. Män­ner wie Schia­pa­rel­li4 be­ob­ach­te­ten den Ro­ten Pla­ne­ten — bei­läu­fig be­merkt, ist es nicht selt­sam, dass seit un­ge­zähl­ten Jahr­hun­der­ten Mars der Stern des Krie­ges ge­we­sen ist? — aber sie wa­ren au­ßer­stan­de, die schwan­ken­den Er­schei­nun­gen zu er­klä­ren, die sie auf ih­ren Kar­ten so ge­nau ver­zeich­ne­ten. Wäh­rend die­ser gan­zen Zeit muss­ten die Mars­leu­te sich vor­be­rei­tet ha­ben.

Im Ver­lau­fe der Op­po­si­ti­on von 1894 wur­de auf dem er­hell­ten Teil der Schei­be ein großes Licht wahr­ge­nom­men, zu­erst im Lick-Ob­ser­va­to­ri­um,5 dann von Per­ro­tin6 in Niz­za, spä­ter auch von an­de­ren Beo­b­ach­tern. Eng­li­sche Le­ser hör­ten zu­erst da­von in ei­ner Num­mer der »Na­ture« vom 2. Au­gust. Ich bin der An­sicht, dass die Er­schei­nung der Re­flex des in ei­ner un­ge­heu­ren Ver­tie­fung ih­res Pla­ne­ten an­ge­brach­ten Ge­schüt­zes war, aus dem ihre Ge­schos­se auf uns ge­feu­ert wur­den. Son­der­ba­re noch un­auf­ge­klär­te Zei­chen wur­den in der Nähe je­nes Aus­bruchs wäh­rend der nächs­ten zwei Op­po­si­tio­nen be­ob­ach­tet.

Der Sturm brach vor sechs Jah­ren über uns los. Als der Mars sich der Op­po­si­ti­on nä­her­te, setz­te La­vel­le in Java die Dräh­te der astro­no­mi­schen Mit­tei­lungs­sta­ti­on in Be­we­gung, um in äu­ßers­ter Er­re­gung die ver­blüf­fen­de Nach­richt von ei­nem un­ge­heu­ren Aus­bruch weiß­glü­hen­den Ga­ses auf dem Pla­ne­ten zu über­mit­teln. Das hat­te am 12. ge­gen Mit­ter­nacht statt­ge­fun­den. Das Spek­tro­skop, zu dem er sich so­fort be­gab, zeig­te eine Mas­se flam­men­den Ga­ses an, haupt­säch­lich Was­ser­stoff, das sich mit enor­mer Schnel­lig­keit ge­gen die Erde zu be­weg­te. Die­ser Feu­er­strahl war un­ge­fähr ein Vier­tel nach zwölf un­sicht­bar ge­wor­den. Er ver­glich ihn mit ei­nem un­ge­heue­ren flam­men­den Ge­blä­se, das plötz­lich und ge­walt­sam aus dem Pla­ne­ten her­vor­schoss »wie flam­men­des Gas aus ei­ner Ka­no­ne«.

Das er­wies sich als ein sel­ten zu­tref­fen­der Aus­druck. Doch am nächs­ten Tage las man kein Wort da­von in den Zei­tun­gen, nur eine klei­ne No­tiz im »Dai­ly Te­le­graph«. Die Welt ver­harr­te in Un­ge­wiss­heit über eine der größ­ten Ge­fah­ren, die je­mals das mensch­li­che Ge­schlecht be­droht hat­ten. Ich hät­te über die Erup­ti­on über­haupt nichts ge­hört, wäre mir nicht der be­kann­te Astro­nom Ogil­vy in Ot­ters­haw be­geg­net. Er war von der Nach­richt über­aus be­wegt und im Über­maß sei­ner Ge­füh­le lud er mich ein, jene Nacht mit ihm zu­sam­men eine Prü­fung des Ro­ten Pla­ne­ten vor­zu­neh­men.

Trotz al­lem, was ich seit­her er­lebt habe, er­in­ne­re ich mich noch sehr ge­nau je­ner Nacht­wa­che: Das schwar­ze, stil­le Ob­ser­va­to­ri­um, die be­schat­te­te La­ter­ne, die einen schwa­chen Schim­mer auf den Bo­den in der Ecke warf, das un­aus­ge­setz­te Ti­cken des Uhr­werks am Te­le­skop, den klei­nen Spalt im Da­che — eine recht­e­cki­ge Ver­tie­fung, über die der Dunst der Ster­ne strich. Ogil­vy schritt auf und nie­der, un­ge­se­hen aber hör­bar. Blick­te man durch das Te­le­skop, dann ge­wahr­te man einen tief­blau­en Kreis und den klei­nen run­den Pla­ne­ten, wie er am Him­mel da­hin­schwamm.

Dicht ne­ben ihm im Ge­sichts­feld, er­in­ne­re ich mich, wa­ren drei klei­ne Licht­punk­te, drei te­le­sko­pi­sche Ster­ne, un­end­lich fern, und um sie her­um brü­te­te die un­er­gründ­li­che Fins­ter­nis des lee­ren Wel­traums. Man weiß, wie die Dun­kel­heit bei ei­ner fros­ti­gen stern­hel­len Nacht aus­sieht. Durch das Te­le­skop be­trach­tet scheint sie noch weit tiefer. Und un­sicht­bar für mich, weil es so fern und klein war, über je­nem un­glaub­li­chen Raum schnell und ste­tig auf mich zu flie­gend, jede Mi­nu­te umso vie­le tau­sen­de von Mei­len nä­her­kom­mend — saus­te je­nes Ding, das sie uns schick­ten, das Ding, das so viel Kampf und Un­heil und Tod über un­se­re Erde brin­gen soll­te. Als ich so späh­te, träum­te ich nicht ein­mal da­von; kein Mensch auf Er­den träum­te da­mals von je­nem un­fehl­ba­ren Ge­schoss.

In die­ser Nacht aber er­folg­te ein zwei­ter Aus­bruch von Gas auf dem fer­nen Pla­ne­ten. Ich sah ihn. Ein röt­li­cher Blitz an der Kan­te, die Um­ris­se nur sehr schwach kennt­lich, ge­ra­de, als das Chro­no­me­ter Mit­ter­nacht schlug. Ich mel­de­te es Ogil­vy, und er nahm mei­nen Platz ein. Die Nacht war wär­mer ge­wor­den und ich durs­tig. Mit un­ge­schickt aus­ge­streck­ten Bei­nen, mei­nen Weg in der Dun­kel­heit tas­tend ging ich zu dem klei­nen Tisch, auf dem die Si­phon­fla­sche stand. Ogil­vy ge­riet un­ter­des­sen über die Gas­aus­strö­mun­gen, die auf uns zu­ka­men, in un­ge­heu­re Er­re­gung.

In die­ser Nacht nahm ein zwei­tes un­sicht­ba­res Ge­schoss sei­nen Weg vom Mars aus ge­gen die Erde, ge­nau eine oder zwei Se­kun­den we­ni­ger als vier­und­zwan­zig Stun­den nach dem ers­ten. Ich er­in­ne­re mich, wie ich dort an dem Ti­sche saß; grü­ne und rote Krei­se flim­mer­ten vor mei­nen Au­gen. Ich är­ger­te mich, dass ich kei­ne Streich­hölz­chen hat­te, um rau­chen zu kön­nen. Ich dach­te we­nig über die Be­deu­tung des win­zi­gen Lich­tes nach, das ich ge­se­hen hat­te, und we­nig ver­mu­te­te ich, was es mir so bald brin­gen soll­te. Ogil­vy blieb bis ein Uhr auf der War­te, dann gab er es auf. Wir zün­de­ten die La­ter­ne an und gin­gen zu sei­nem Haus hin­über. Un­ten la­gen Ot­ters­haw und Chert­sey in der Dun­kel­heit, mit al­len ih­ren Hun­der­ten in Frie­den schlum­mern­den Men­schen.

Ogil­vy war jene Nacht er­füllt von Mut­ma­ßun­gen über die Be­schaf­fen­heit des Mars und mach­te sich über die land­läu­fi­ge An­sicht lus­tig, dass er Ein­woh­ner habe, die uns Zei­chen ge­ben. Sei­ne An­sich­ten fass­te er da­hin zu­sam­men, dass ein hef­ti­ger Me­teo­ri­ten­schau­er über dem Pla­ne­ten nie­der­ge­he, oder dass ein un­ge­heu­rer vul­ka­ni­scher Aus­bruch im Zuge sei. Er mach­te mich auch dar­auf auf­merk­sam, wie un­wahr­schein­lich es sei, dass auf zwei be­nach­bar­ten Pla­ne­ten die or­ga­ni­sche Ent­wick­lung sich in der­sel­ben Rich­tung be­wegt habe.

»Die Chan­cen ge­gen ir­gen­det­was Men­schen­ähn­li­ches auf dem Mars sind eine Mil­li­on zu eins«, sag­te er.

Hun­der­te von Beo­b­ach­tern sa­hen die Flam­me in je­ner Nacht, und in der Nacht dar­auf, um Mit­ter­nacht, und wie­der in der Nacht dar­auf, und so fort zehn Näch­te, eine Flam­me jede Nacht. Wa­rum die Schüs­se nach der zehn­ten Nacht auf­hör­ten, hat nie­mand auf Er­den zu er­klä­ren ver­sucht. Mag sein, dass die Gase, die sich beim Ab­feu­ern bil­de­ten, den Mars­leu­ten Un­ge­le­gen­hei­ten ver­ur­sach­ten. Dich­te Wol­ken von Rauch oder Dunst, durch ein mäch­ti­ges Te­le­skop für die Erde als klei­ne graue fluk­tu­ie­ren­de Fle­cken sicht­bar, brei­te­ten sich durch die Klar­heit der At­mo­sphä­re des Pla­ne­ten aus, und ver­dun­kel­ten sei­ne be­kann­te­ren Li­ni­en.

Selbst die Ta­ges­zei­tun­gen nah­men schließ­lich von die­sen Stö­run­gen No­tiz. Po­pu­lä­re Auf­sät­ze, die sich mit den Vul­ka­nen des Mars be­schäf­tig­ten, tauch­ten hie und da auf und wur­den über­all nach­ge­druckt. Ich er­in­ne­re mich, wie die halb­ko­mi­sche Zeit­schrift »Punch« in ei­ner po­li­ti­schen Zeich­nung einen glück­li­chen Ge­brauch von ih­nen mach­te. Und, al­len un­merk­lich, zo­gen jene Ge­schos­se, wel­che die Mars­leu­te auf uns ab­feu­er­ten, erd­wärts, und saus­ten jetzt mit ei­ner Schnel­lig­keit von vie­len Mei­len durch den lee­ren Wel­traum, Stun­de um Stun­de und Tag für Tag, nä­her und nä­her. Es scheint mir heu­te fast un­glaub­lich selt­sam, dass die Leu­te, wäh­rend die­ses rei­ßen­de Schick­sal über ih­nen hing, ih­ren win­zi­gen Ge­schäf­ten nach­ge­hen konn­ten, wie sie es da­mals ta­ten. Ich ent­sin­ne mich noch, wie Mark­ham ju­bel­te, als er sich für das il­lus­trier­te Blatt, das er in je­nen Ta­gen her­aus­gab, eine neue Fo­to­gra­fie des Pla­ne­ten ge­si­chert hat­te. Men­schen von heut­zu­ta­ge kön­nen sich kaum das Über­maß und die Un­ter­neh­mungs­lust vor­stel­len, die im Zei­tungs­we­sen des XIX. Jahr­hun­derts herrsch­te. Was mich be­traf, so war ich da­mals sehr da­mit be­schäf­tigt, Rad­fah­ren zu ler­nen; über­dies war ich für eine An­zahl Zeit­schrif­ten tä­tig, in de­nen ich Un­ter­su­chun­gen über die wahr­schein­li­chen Ent­wick­lungs­for­men mo­ra­li­scher Ide­en bei fort­schrei­ten­der Zi­vi­li­sa­ti­on ver­öf­fent­lich­te.

Ei­nes Nachts (das ers­te Ge­schoss kann da­mals kaum 10.000.000 Mei­len ent­fernt ge­we­sen sein) mach­te ich mit mei­ner Frau einen Spa­zier­gang. Es war ster­nen­hell und ich er­klär­te ihr die Zei­chen des Tier­krei­ses; ich zeig­te ihr den Mars, einen klei­nen Licht­punkt, der sich him­mel­wärts be­weg­te, und auf den so vie­le Te­le­sko­pe ge­rich­tet wa­ren.

Es war eine war­me Nacht. Auf un­se­rem Heim­weg zog eine Ge­sell­schaft Aus­flüg­ler aus Chert­sey oder Is­le­worth sin­gend und mu­si­zie­rend an uns vor­über. Aus den Fens­tern der obe­ren Stock­wer­ke der Häu­ser schim­mer­ten Lich­ter und die Leu­te gin­gen zu Bett. Vom Bahn­hof in der Fer­ne schol­len Töne sich ver­schie­ben­der Züge her­über, ein Klir­ren und Pol­tern von der Ent­fer­nung fast zur Me­lo­die ge­sänf­tigt. Mei­ne Frau mach­te mich auf den Glanz der ro­ten, grü­nen und gel­ben Si­gnal­lich­ter auf­merk­sam, die wie in ei­nem Netz­werk ge­gen den Ho­ri­zont hin­gen. So si­cher schi­en al­les, so ru­hig.

Als In­fu­so­ri­en (la­tei­nisch In­fu­so­ria), In­fu­si­ons­tier­chen oder Auf­guss­tier­chen be­zeich­net man klei­ne, sich z.B. im Auf­guss von pflanz­li­chem Ma­te­ri­al ent­wi­ckeln­de Tier­chen (z.B. Fla­gel­la­ten, Wim­per­tier­chen, Amö­ben).  <<<

Ge­meint sind eng­li­sche Mei­len, de­ren eine 1,61 km gleich­kommt.  <<<

Theo­rie des 18. Jahr­hun­derts zur Ent­ste­hung des Son­nen­sys­tems aus ei­nem Son­nen­ne­bel.  <<<

Gio­van­ni Vir­gi­nio Schia­pa­rel­li (1835-1910 in Mai­land) war ein ita­lie­ni­scher Astro­nom. Nach ihm wur­de ein Mars-Lan­der der Eu­ro­päi­schen Wel­trau­m­or­ga­ni­sa­ti­on (ESA) be­nannt, der 2016 al­ler­dings bei der Lan­dung auf dem Mars zer­schell­te.  <<<

Das Lick-Ob­ser­va­to­ri­um ist ein astro­no­mi­sches Ob­ser­va­to­ri­um, das von der Uni­ver­si­ty of Ca­li­for­nia be­trie­ben wird. Es be­fin­det sich in ei­ner Höhe von 1300 Me­tern auf dem Gip­fel des Mount Ha­mil­ton, nahe der Stadt San Jose, Ka­li­for­ni­en.  <<<

Hen­ri Jo­seph Ana­sta­se Per­ro­tin (✳ 19. De­zem­ber 1845; † 29. Fe­bru­ar 1904) war ein fran­zö­si­scher Astro­nom.  <<<

II. Der fallende Stern

Dann kam die Nacht des ers­ten fal­len­den Sterns. Er war früh am Mor­gen ge­se­hen wor­den, wie er über Win­che­s­ter hin ost­wärts schoss, eine Flam­men­li­nie, hoch in der At­mo­sphä­re. Hun­der­te müs­sen ihn ge­se­hen und für eine ge­wöhn­li­che Stern­schnup­pe ge­hal­ten ha­ben. Al­bin be­schrieb ihn und er­wähn­te, wie er einen grün­li­chen Strich hin­ter sich ließ, der ei­ni­ge Se­kun­den noch glüh­te. Den­ning, un­se­re größ­te Au­to­ri­tät für Me­teo­ri­ten, stell­te fest, dass die Höhe sei­ner ers­ten Er­schei­nung un­ge­fähr 90 oder 100 Mei­len be­trug. Er glaub­te, dass er un­ge­fähr 100 Mei­len öst­lich von ihm zur Erde ge­fal­len sei.

Ich be­fand mich da­mals ge­ra­de zu Hau­se, und schrieb in mei­nem Stu­dier­zim­mer. Und ob­wohl mei­ne Flü­gel­fens­ter ge­gen Ot­ters­haw blick­ten und die Vor­hän­ge auf­ge­zo­gen wa­ren (in je­nen Ta­gen lieb­te ich es, den nächt­li­chen Him­mel zu be­trach­ten), sah ich doch nichts da­von. Und doch muss die­ses selt­sams­te al­ler Din­ge, das je aus frem­den Sphä­ren auf die Erde fiel, ge­ra­de nie­der­ge­gan­gen sein, wäh­rend ich dort saß. Und hät­te ich auf­ge­blickt, wäh­rend es vor­beiflog, hät­te es mir nicht ent­ge­hen kön­nen. Man­che von den Leu­ten, die es sa­hen, be­haup­ten, dass sein Flug von ei­nem zi­schen­den Geräusch be­glei­tet war. Ich selbst ver­nahm nichts. Vie­le Leu­te in Berks­hi­re, Sur­rey und Midd­le­sex müs­sen es fal­len ge­se­hen ha­ben, dach­ten aber höchs­tens, dass wie­der ein Me­teo­rit ge­fal­len sei. Nie­mand scheint sich in je­ner Nacht die Mühe ge­nom­men zu ha­ben, nach der ge­fal­le­nen Mas­se zu su­chen.

Sehr früh am Mor­gen des nächs­ten Ta­ges er­hob sich der arme Ogil­vy, der die Stern­schnup­pe ge­se­hen hat­te. Er war über­zeugt, dass ir­gend­wo auf der Ge­mein­de­wei­de zwi­schen Hor­sell, Ot­ters­haw und Wo­king ein Me­teo­rit lie­gen muss­te, und ging fort in der Ab­sicht, ihn zu su­chen. Wirk­lich fand er ihn, bald nach der Däm­me­rung, und nicht weit von den Sand­gru­ben. Durch den Ein­bruch des Pro­jek­tils war eine un­ge­heu­re Höh­lung ent­stan­den. Sand und Kie­sel wa­ren mit großer Wucht in je­der Rich­tung der Hei­de zer­sto­ben und hat­ten Hau­fen ge­bil­det, die an­dert­halb Mei­len weit sicht­bar wa­ren. Öst­lich stand das Hei­de­kraut in Feu­er, und ein dün­ner, blau­er Rauch stieg in der Däm­me­rung auf.

Das Ding selbst lag fast ganz in Sand be­gra­ben, zwi­schen den ver­streu­ten Sp­lit­tern eine Kie­fer, die es im Nie­der­sau­sen zer­schmet­tert hat­te. Der frei­lie­gen­de Teil hat­te das Aus­se­hen ei­nes rie­si­gen Zy­lin­ders, der voll­stän­dig von ei­ner di­cken, schup­pi­gen, dun­kel­brau­nen Krus­te be­deckt war, die sei­ne Li­ni­en ver­wisch­te. Er hat­te einen Durch­mes­ser von un­ge­fähr drei­ßig Yard.1 Ogil­vy trat an die Mas­se her­an, aufs Höchs­te über­rascht von ih­rer Grö­ße und mehr noch von ih­rer Ge­stal­tung, da die meis­ten Me­teo­ri­ten mehr oder we­ni­ger ab­ge­run­det sind. Von sei­nem Flu­ge durch die Luft war der Kör­per aber noch so heiß, dass es ihm un­mög­lich war, nä­her her­an­zu­kom­men. Ein sur­ren­des Geräusch im In­nern des Zy­lin­ders schrieb er der un­gleich­mä­ßi­gen Ab­küh­lung sei­ner Ober­flä­che zu; denn es war ihm da­mals noch nicht der Ge­dan­ke ge­kom­men, dass der Zy­lin­der hohl sein kön­ne.

Er blieb am Ran­de der Höh­le ste­hen, die der Kör­per sich selbst ge­gra­ben hat­te, und starr­te die selt­sa­me Er­schei­nung an, vor al­lem ver­blüfft über das Un­ge­wöhn­li­che der Ge­stalt und Far­be. Der Ge­dan­ke an et­was wie eine Ab­sicht in sei­nem Er­schei­nen däm­mer­te schon da­mals lei­se in ihm auf. Der frü­he Mor­gen war wun­der­bar still, und die Son­ne, die ge­ra­de auf die Fich­ten ge­gen Wey­bridge zu schi­en, war schon warm. Er er­in­ner­te sich nicht, an je­nem Mor­gen Vö­gel ge­hört zu ha­ben, kein Lüft­chen reg­te sich. Der ein­zi­ge Laut wa­ren die schwa­chen Be­we­gun­gen aus dem In­nern des glim­men­den Zy­lin­ders.

Ganz al­lein war er auf der Hei­de. Da be­merk­te er, un­will­kür­lich zu­rück­schre­ckend, plötz­lich, wie ein Stück der grau­en Schla­cke, der aschen­ar­ti­gen Krus­te, die den Me­teo­rit be­deck­te, sich von der kreis­run­den Kan­te des En­des los­lös­te. Sie fiel in Flo­cken ab und er­goss sich auf den Sand. Ein großes Stück sprang so plötz­lich ab und fiel mit ei­nem so schar­fen Klang zur Erde, dass sein Herz fast still­stand.

Eine Mi­nu­te lang konn­te er es kaum fas­sen, was das zu be­deu­ten hat­te. Und ob­wohl die Hit­ze über­mä­ßig groß war, klet­ter­te er in die Höh­le hin­ab dicht an den Klum­pen her­an, um ihn nä­her zu be­trach­ten. Selbst dann noch glaub­te er, dass die­se Ab­schä­lung sich durch die Ab­küh­lung des Kör­pers er­klä­ren las­se. Was aber mit die­ser An­nah­me sich nicht ver­ei­nen ließ, war die Tat­sa­che, dass die Asche nur von dem Ende des Zy­lin­ders ab­fiel.

Da be­merk­te er, dass der kreis­för­mi­ge Schluss­teil des Zy­lin­ders sich sehr lang­sam um sei­ne Ach­se dreh­te. Es war eine so all­mäh­li­che Be­we­gung, dass er sie nur dar­an er­kann­te, dass ein schwar­zer Strich, der noch vor fünf Mi­nu­ten in sei­ner Nähe sicht­bar war, jetzt auf der an­de­ren Sei­te der Schei­be sich fand. Selbst jetzt ver­stand er kaum, was das zu be­deu­ten hat­te, als er einen ge­dämpf­ten krat­zen­den Laut hör­te und zu­gleich sah, wie der schwar­ze Strich sich um etwa einen Zoll vor­wärts be­weg­te. Da kam es über ihn wie ein Blitz. Der Zy­lin­der war künst­lich — hohl — mit ei­nem Ende, das sich ab­schraub­te! Et­was im In­nern des Zy­lin­ders schraub­te den Schluss­teil ab!

»Gro­ßer Gott!«, rief Ogil­vy, »da ist ein Mensch drin­nen — Men­schen sind drin­nen! Halb zu Tode ge­rös­tet! Die zu ent­rin­nen su­chen!«

Und auf ein­mal, mit ei­nem ra­schen Ge­dan­ken­sprung, ver­band er die Er­schei­nung mit dem Licht­blitz auf dem Mars. Der Ge­dan­ke an das ein­ge­schlos­se­ne Ge­schöpf war ihm so furcht­bar, dass er die Hit­ze ver­gaß und an den Zy­lin­der her­ab­stürz­te, um die Dre­hung zu be­schleu­ni­gen. Zum Glück aber hielt ihn die lang­sa­me Auss­trah­lung zu­rück, sich an dem noch glü­hen­den Me­tall die Hän­de zu ver­bren­nen. Ei­nen Au­gen­blick stand er un­schlüs­sig da, dann wand­te er sich um, klet­ter­te aus der Höh­le her­aus, und lief Hals über Kopf nach Wo­king. Es moch­te da­mals etwa sechs Uhr ge­we­sen sein. Er be­geg­ne­te ei­nem Fuhr­mann und ver­such­te, ihm sein Er­leb­nis be­greif­lich zu ma­chen. Aber was er be­rich­te­te, dazu sein Auf­zug, das war al­les so wüst — sei­nen Hut hat­te er in der Höh­le ver­lo­ren — dass der Mann ein­fach wei­ter­fuhr. Ganz den­sel­ben Mis­ser­folg hat­te er bei ei­nem Wirt in der Nähe der Hor­sell-Brücke, der eben die Türe sei­ner Schen­ke auf­schloss. Der Mann hielt ihn für einen ent­sprun­ge­nen Irr­sin­ni­gen und mach­te einen er­folg­lo­sen Ver­such, ihn in der Schank­stu­be ein­zu­schlie­ßen. Das er­nüch­ter­te ihn ein we­nig, und als er Hen­der­son, den Lon­do­ner Jour­na­lis­ten, in sei­nem Gar­ten sah, rief er ihn an den Gar­ten­zaun her­an und ver­such­te nun, sich ver­ständ­lich zu ma­chen.

»Hen­der­son«, rief er, »Sie ha­ben wohl die Stern­schnup­pe vo­ri­ge Nacht ge­se­hen?«

»Nun?«, sag­te Hen­der­son.

»Sie liegt jetzt drau­ßen aus der Hor­sell-Wei­de.«

»Don­ner­wet­ter!«, rief Hen­der­son, »ein ge­fal­le­ner Me­teor­stein! Nicht übel!«

»Aber es ist et­was mehr als ein Me­teor­stein. Es ist ein Zy­lin­der – ein künst­li­cher Zy­lin­der, Mann! Und es ist et­was drin­nen im Zy­lin­der.«

Hen­der­son, den Spa­ten in der Hand, neig­te sich et­was vor.

»Was sa­gen Sie da?«, frag­te er. Er ist auf ei­nem Ohr taub.

Ogil­vy teil­te ihm nun al­les, was er ge­se­hen hat­te, mit. Hen­der­son be­durf­te etwa ei­ner Mi­nu­te, um es zu er­fas­sen. Dann ließ er sei­nen Spa­ten fal­len, griff nach sei­nem Rock und kam auf die Stra­ße hin­aus. Bei­de eil­ten nun so­fort auf die Wei­de zu­rück und fan­den den Zy­lin­der noch in der­sel­ben Lage. Das Geräusch in sei­nem In­nern aber hat­te auf­ge­hört, und ein schma­ler Reif glän­zen­den Me­talls zeig­te sich zwi­schen dem Schluss­teil und dem Kör­per des Zy­lin­ders. An die­ser Stel­le drang die Luft mit ei­nem schwa­chen zi­schen­den Laut ent­we­der hin­ein oder her­aus.

Die Män­ner lausch­ten, dann schlu­gen sie mit dem Stock auf den Schup­pen­pan­zer. Da kei­ne Ant­wort kam, schlos­sen sie bei­de, dass der Mensch oder die Leu­te im In­nern be­wusst­los oder tot sei­en.

Bei­de wa­ren na­tür­lich au­ßer­stan­de, et­was zu tun. Sie schri­en den Ein­ge­schlos­se­nen ei­ni­ge trös­ten­de Wor­te und Ver­spre­chun­gen zu und kehr­ten zur Stadt zu­rück, um Hil­fe zu ho­len. Es lässt sich den­ken, wie sie aus­sa­hen, be­deckt mit Staub, ver­stört und un­or­dent­lich, wie sie im hel­len Son­nen­licht die klei­ne Stra­ße ent­lang eil­ten, ge­ra­de als die La­den­be­sit­zer ihre Tü­ren auf­schlos­sen, und die Leu­te ihre Schlaf­zim­mer­fens­ter öff­ne­ten. Hen­der­son eil­te so­fort ins Sta­ti­ons­ge­bäu­de, um die Nach­richt nach Lon­don zu te­le­gra­fie­ren. Die Zei­tungs­ar­ti­kel hat­ten die Leu­te schon vor­be­rei­tet und sie für die­se Nach­richt emp­fäng­lich ge­macht.

Um acht Uhr war schon eine An­zahl Kna­ben und un­be­schäf­tig­ter Leu­te nach der Wei­de auf­ge­bro­chen, um »die to­ten Män­ner des Mars« zu be­sich­ti­gen. Das war die Form, in der die Nach­richt sich ver­brei­te­te. Ich hör­te zu­erst da­von durch mei­nen Zei­tungs­jun­gen, als ich aus­ging, um mir mei­nen »Dai­ly Chro­nic­le« zu ho­len. Ich war na­tür­lich aufs Äu­ßers­te über­rascht und ver­lor kei­nen Au­gen­blick, fort­zu­ei­len, um mich über die Brücke von Ot­ters­haw nach dem Sand­hü­gel zu be­ge­ben.

1 engl. Yard -- 91 Zen­ti­me­ter.  <<<

III. Auf der Horsell-Weide

Ich fand eine klei­ne An­samm­lung von etwa zwan­zig Per­so­nen, die sich um die Höh­le schar­ten, in der der Zy­lin­der lag. Die Ge­stalt des un­ge­heu­ren in der Erde ge­bet­te­ten Kör­pers habe ich be­reits be­schrie­ben. Die auf­ge­wor­fe­ne Erde und die Sand­mas­sen schie­nen wie durch einen Zünd­schlag an­ge­häuft zu sein. Ohne Zwei­fel hat­te das Ein­schla­gen des Kör­pers eine Flam­men­bil­dung ver­ur­sacht. Hen­der­son und Ogil­vy wa­ren nicht dort. Ich ver­mu­te, dass sie nicht wuss­ten, was sie für den Au­gen­blick be­gin­nen soll­ten, und dass sie sich zu Hen­der­son be­ga­ben, um zu früh­stücken.

Vier oder fünf Kna­ben hat­ten sich an den Rand der Höh­le ge­setzt, schlen­ker­ten mit den Bei­nen und un­ter­hiel­ten sich da­mit, den rie­si­gen Bau mit Stei­nen zu be­wer­fen, bis ich ih­nen das Hand­werk leg­te. Nach­dem ich mit ih­nen dar­über ge­spro­chen hat­te, be­gan­nen sie um die Grup­pe der Um­ste­hen­den her­um ein Fang­spiel.

Un­ter den Leu­ten be­merk­te ich zwei Rad­fah­rer, einen Gar­ten­ar­bei­ter, den ich zu­wei­len be­schäf­tig­te, den Flei­scher Gregg und sei­nen klei­nen Sohn, ein Mäd­chen, das ein Kind trug, und zwei oder drei Mü­ßig­gän­ger und Ecken­ste­her, die ge­wöhn­lich in der Nähe des Bahn­hofs um­her­lun­ger­ten. Es wur­de sehr we­nig ge­spro­chen. In den nie­de­ren Stän­den Eng­lands hat­ten nur we­ni­ge Men­schen in je­nen Ta­gen mehr als sehr schwa­che astro­no­mi­sche Vor­stel­lun­gen. Die Meis­ten starr­ten nur schwei­gend das große tischar­ti­ge Ende des Zy­lin­ders an, das noch ge­nau so war, wie es Hen­der­son und Ogil­vy ver­las­sen hat­ten. Ich glau­be, dass die all­ge­mei­ne Er­war­tung der Leu­te, einen Hau­fen ver­kohl­ter Lei­chen zu fin­den, beim An­blick die­ser un­be­leb­ten Mas­se et­was ent­täuscht wur­de. Ei­ni­ge Per­so­nen gin­gen fort, wäh­rend ich dort war. An­de­re ka­men. Ich klet­ter­te in die Gru­be und es war mir, als hör­te ich un­ter mei­nen Fü­ßen eine schwa­che Be­we­gung. Der Ver­schluss hat­te of­fen­bar auf­ge­hört sich zu dre­hen.

Erst als ich ganz nahe an den Kör­per her­an­ge­tre­ten war, sprang mir die Fremd­ar­tig­keit sei­ner Er­schei­nung in die Au­gen. Auf den ers­ten Blick hat­te er wirk­lich nichts Auf­fal­len­de­res an sich, als ein um­ge­wor­fe­ner Wa­gen oder ein ge­fäll­ter Baum, der den Weg ver­sperrt. Al­ler­dings nicht ganz so. Mehr als ir­gen­det­was an­de­rem glich er ei­nem ros­ti­gen halb­ver­gra­be­nen Gas­rohr. Es be­durf­te ei­ner ge­wis­sen Sum­me wis­sen­schaft­li­cher Bil­dung, um zu be­mer­ken, dass die graue Krus­te auf dem Kör­per kein ge­wöhn­li­ches Oxid war, dass das gelb­lich-wei­ße Me­tall, das auf der Spal­te zwi­schen dem De­ckel und dem Zy­lin­der glänz­te, einen fremd­ar­ti­gen Far­ben­ton be­saß. Der Be­griff »Au­ßer­ir­disch« hat­te für die meis­ten Zuschau­er kei­ne Be­deu­tung.

Da­mals war ich schon fest da­von über­zeugt, dass der Ge­gen­stand vom Pla­ne­ten Mars ge­kom­men war. Aber ich hielt es für un­wahr­schein­lich, dass er le­ben­de We­sen ent­hal­ten wür­de. Ich ver­mu­te­te in der Schrau­ben­be­we­gung eine au­to­ma­ti­sche Tä­tig­keit. Trotz Ogil­vys An­sicht hielt ich an dem Glau­ben fest, dass es Le­be­we­sen auf dem Mars gebe. Von fan­tas­ti­schen Vor­stel­lun­gen er­füllt, be­schäf­tig­te ich mich mit der Mög­lich­keit, dass der Kör­per Hand­schrif­ten ent­hal­ten kön­ne, mal­te ich mir die Schwie­rig­kei­ten aus, die sich bei ih­rer Über­set­zung er­ge­ben wür­de, ob wir Mün­zen und Mo­del­le in ihm fin­den soll­ten, und so fort. Aber das Ding war doch ein we­nig zu groß, um mir die Rich­tig­keit mei­ner Vor­stel­lun­gen zu ver­bür­gen. Ich emp­fand eine leb­haf­te Un­ge­duld, es ge­öff­net zu se­hen. Um elf Uhr etwa, als sich nichts wei­ter er­eig­ne­te, kehr­te ich, voll von sol­chen Ge­dan­ken, nach mei­nem Haus in May­bu­ry zu­rück. Aber es fiel mir schwer, mit mei­ner Ar­beit über ab­strak­te For­de­run­gen wei­ter­zu­kom­men.

Am Nach­mit­tag hat­te sich das Aus­se­hen der Wei­de sehr ver­än­dert. Die frü­hen Aus­ga­ben der Abend­blät­ter hat­ten mit rie­si­gen Auf­schrif­ten:

»Eine Bot­schaft vom Mars.«

»Merk­wür­di­ger Be­richt aus Wo­king.«

und so wei­ter, ganz Lon­don auf­ge­schreckt. Dazu noch Ogil­vys Te­le­gram­me an die astro­no­mi­sche Mit­tei­lungs­sta­ti­on, die alle Stern­war­ten in den drei Kö­nig­rei­chen in Auf­re­gung ver­setzt hat­ten.

Ein hal­b­es Dut­zend oder mehr Flies1 vom Bahn­hof Wo­king stan­den auf der Stra­ße bei den Sand­hü­geln, dazu ein Korb­wa­gen2 von Chob­ham und eine ziem­lich vor­nehm aus­se­hen­de Pri­vat­kut­sche. Au­ßer­dem sah man eine Un­zahl von Fahr­rä­dern. Eine große Men­ge von Men­schen muss­te über­dies trotz der Hit­ze je­nes Ta­ges von Wo­king und Chert­sey zu Fuß her­ge­wan­dert sein. Al­les in al­lem eine be­trächt­li­che Men­schen­an­samm­lung — auch ei­ni­ge hell­ge­klei­de­te Da­men.

Es war glü­hend heiß, nicht ein Wölk­chen am Him­mel, kein Lüft­chen weh­te, ei­ni­ge ver­ein­zelt ste­hen­de Fich­ten spen­de­ten den ein­zi­gen Schat­ten. Das bren­nen­de Hei­de­kraut war end­lich er­lo­schen, aber die Ebe­ne ge­gen Ot­ters­haw zu war ge­schwärzt, so­weit das Auge reich­te, und senk­rech­te Rauch­säu­len stie­gen im­mer noch auf. Ein Obst­händ­ler in der Chob­ham Road hat­te sei­nen Sohn mit ei­ner Wa­gen­la­dung grü­ner Äp­fel und Ing­wer­bier her­auf­ge­schickt.

Als ich zum Ran­de der Gru­be kam, fand ich sie von ei­ner Grup­pe von Män­nern, etwa ei­nem hal­b­en Dut­zend, be­setzt — Hen­der­son, Ogil­vy und ei­nem großen blond­haa­ri­gen Mann (wie ich spä­ter hör­te, war es Mr. Stent von der kö­nig­li­chen astro­no­mi­schen Ge­sell­schaft) mit ei­ni­gen Ar­bei­tern, die Spa­ten und Bei­le schwan­gen. Stent gab sei­ne Be­feh­le in ei­ner kla­ren, ho­hen Stim­me. Er stand auf dem Zy­lin­der, der jetzt of­fen­bar viel küh­ler war. Sein Ge­sicht war dun­kel­rot und der Schweiß floss ihm in Strö­men her­ab. Es schi­en ihn et­was ir­ri­tiert zu ha­ben.

Ein großer Teil des Zy­lin­ders war nun bloß­ge­legt, ob­wohl das un­te­re Ende noch ein­ge­bet­tet lag. So­bald Ogil­vy mich un­ter dem gaf­fen­den Hau­fen am Ran­de der Gru­be be­merk­te, rief er mir zu hin­ab­zu­kom­men und frag­te mich, ob ich zum Guts­herrn Lord Hil­ton hin­über­ge­hen wol­le.

Die wach­sen­de Men­schen­men­ge, sag­te er, sei ein ernst­li­ches Hin­der­nis, das sich ih­ren Aus­gra­bun­gen ent­ge­gen­stel­le, be­son­ders die Kna­ben. Es müs­se ein leich­tes Ge­län­der auf­ge­stellt wer­den, um die Leu­te zu­rück­zu­drän­gen. Er er­zähl­te mir, dass im In­nern des Kör­pers ge­le­gent­lich noch eine lei­se Be­we­gung wahr­nehm­bar sei, dass es aber den Ar­bei­tern nicht ge­lun­gen wäre, den Schluss­teil ab­zu­schrau­ben, da er ih­nen kei­ne Hand­ha­be bot. Der Kör­per schi­en un­ge­heu­er dick zu sein, und es war mög­lich, dass die schwa­chen Lau­te, die wir ver­nah­men, von ei­nem lär­men­den Tu­mult im In­nern her­rühr­ten.

Ich war mit Freu­den be­reit, sei­nen Wunsch zu er­fül­len, und da­durch ei­ner der be­vor­zug­ten Zuschau­er in­ner­halb der ge­plan­ten Um­zäu­nung zu wer­den. Lei­der traf ich Lord Hil­ton nicht zu Hau­se an, man teil­te mir aber mit, dass er mit dem Sechs-Uhr­zug aus Lon­don er­war­tet wer­de. Da es da­mals un­ge­fähr ein Vier­tel auf sechs war, ging ich noch nach Hau­se, trank Tee, und ging dann zum Bahn­hof, um ihn un­ter­wegs auf­zu­hal­ten.

klei­ne ein­spän­ni­ge Miet-Eil­wa­gen  <<<

ein­ach­si­ge Kut­sche; Sul­ky  <<<

IV. Das Öffnen des Zylinders

Als ich auf die Wei­de zu­rück­kehr­te, war die Son­ne im Sin­ken. Zer­streu­te Grup­pen Neu­gie­ri­ger eil­ten aus der Rich­tung von Wo­king her­an, und ei­ni­ge Leu­te kehr­ten zu­rück. Die Men­ge um die Gru­be war an­ge­wach­sen und hob sich schwarz von dem Zitro­nen­gelb des Him­mels ab. Es moch­ten etwa zwei­hun­dert Per­so­nen ge­we­sen sein. Ei­ni­ge lau­te Stim­men wa­ren ver­nehm­bar und eine Art Kampf schi­en sich bei der Gru­be ent­s­pon­nen zu ha­ben. Die selt­sams­ten Vor­stel­lun­gen kreuz­ten sich in mei­nem Kopf. Als ich nä­her­kam, hör­te ich Stents Stim­me.

»Zu­rück! Zu­rück!«

Ein Kna­be kam auf mich zu ge­lau­fen.

»Es be­wegt sich!«, rief er mir im Vor­über­ei­len zu — »es dreht sich, und dreht sich auf. Das ge­fällt mir nicht. Da gehe ich lie­ber nach Hau­se!«

Ich kam nä­her zur Men­ge her­an. Es moch­ten in Wirk­lich­keit zwei- bis drei­hun­dert Leu­te ge­we­sen sein, die sich ge­gen­sei­tig puff­ten und stie­ßen. Je­der such­te, sich vor­zu­schie­ben und die an­de­ren zu­rück­zu­drän­gen. Die paar Da­men, die zu­ge­gen wa­ren, blie­ben da­bei nicht am we­nigs­ten zu­rück.

»Er ist in die Gru­be ge­fal­len!«, rief ei­ner.

»Zu­rück!«, schri­en an­de­re.

Der Hau­fe schwank­te ein we­nig, und ich ar­bei­te­te mich mit den Ell­bo­gen durch. Alle schie­nen in höchs­ter Auf­re­gung zu sein. Aus der Gru­be her­aus scholl ein ei­gen­tüm­li­ches sum­men­des Geräusch.

»Ich bit­te Sie!«,rief Ogil­vy, »hel­fen Sie mir, die­se Nar­ren zu­rück­zu­drän­gen. Wir wis­sen ja noch nicht, was in die­sem ver­wünsch­ten Ding steckt!«

Ich sah einen jun­gen Mann (ich glau­be, es war ein Kom­mis aus Wo­king), auf dem Zy­lin­der ste­hen und sich be­mü­hen, wie­der aus der Höh­le her­aus­zu­krie­chen. Die Men­ge hat­te ihn hin­ein­ge­sto­ßen.

Der Schluss­teil des Zy­lin­ders war von in­nen her­aus auf­ge­schraubt wor­den. Schon wa­ren na­he­zu zwei Fuß der glän­zen­den Schrau­be sicht­bar. Je­mand stieß mich un­ver­se­hens von rück­wärts, und ich ent­ging nur mit knap­per Not der Ge­fahr, auf das Schrau­be­nen­de zu stür­zen. Ich wand­te mich um, und in die­sem Au­gen­blick muss die Schrau­be her­aus­ge­kom­men sein. Der De­ckel des Zy­lin­ders schlug in hef­ti­ger Er­schüt­te­rung auf den Kie­sel­bo­den auf. Ich stieß mei­ne Ell­bo­gen ge­gen die mich von hin­ten drän­gen­de Men­ge und wand­te mich neu­er­dings dem Ko­loss zu. Ei­nen Au­gen­blick lang schi­en die kreis­run­de Öff­nung völ­lig schwarz. Der Glanz der sin­ken­den Son­ne blen­de­te mei­ne Au­gen.

Ich glau­be, je­der­mann er­war­te­te, einen Men­schen auf­tau­chen zu se­hen — wahr­schein­lich ein Ge­schöpf, das sich ein we­nig von uns ir­di­schen Men­schen un­ter­schei­den wür­de, aber im We­sent­li­chen doch einen Men­schen. Ich we­nigs­tens er­war­te­te es. Aber als ich ge­nau­er hin­sah, be­merk­te ich plötz­lich, wie sich im Schat­ten et­was rühr­te, grau, in wel­len­för­mi­gen Be­we­gun­gen, ei­nes über dem an­de­ren. Und dann ge­wahr­te ich zwei glü­hen­de Schei­ben wie Au­gen. Dann lös­te sich et­was, das ei­ner klei­nen grau­en Schlan­ge glich, etwa in der Stär­ke ei­nes Spa­zier­stockes, aus der sich win­den­den Mas­se los und schlän­gel­te sich in der Luft ge­gen mich — und dann ein zwei­tes.

Mich durch­frös­tel­te es plötz­lich. Hin­ter mir hör­te ich eine Frau laut krei­schen. Ich dreh­te mich halb um, mei­ne Bli­cke un­ver­wandt auf den Zy­lin­der ge­hef­tet, aus dem im­mer neue Fühl­hör­ner sich her­aus­wan­den. Dann be­gann ich mir mei­nen Weg vom Ran­de der Gru­be zu­rück­zu­bah­nen. Ich sah, wie sich das Er­stau­nen in den Ge­sich­tern der Leu­te in Ent­set­zen ver­wan­del­te. Von al­len Sei­ten hör­te ich wil­de Schreie und Aus­ru­fe. Ein all­ge­mei­nes Zu­rück­drän­gen be­gann. Ich sah, wie der Kom­mis noch im­mer sich ab­müh­te, aus der Gru­be her­aus­zu­kom­men. Ich sah mich al­lein, und be­merk­te, wie die Leu­te auf der an­de­ren Sei­te der Gru­be flüch­te­ten, Mr. Stent un­ter ih­nen. Ich wand­te mei­ne Au­gen wie­der dem Zy­lin­der zu, und ein un­bän­di­ger Schre­cken er­griff mich. Wie ver­stei­nert stand ich da und starr­te.

Ein großer grau­er, ge­drun­ge­ner Kör­per, un­ge­fähr von der Grö­ße ei­nes Bä­ren, er­hob sich lang­sam und schwer­fäl­lig aus dem Zy­lin­der. Als er sich auf­rich­te­te und vom Licht be­schie­nen wur­de, glit­zer­te er wie nas­ses Le­der. Mit sei­nen zwei großen dun­kel­ge­färb­ten Au­gen blick­te das Ge­schöpf mich un­ver­wandt an. Es hat­te un­ter den Au­gen einen Mund, des­sen lip­pen­lo­ser Rand un­aus­ge­setzt zit­ter­te und von Spei­chel troff. Der Rumpf hob und senk­te sich un­ter hef­ti­gem Keu­chen. Ein schlan­kes fühl­horn­ar­ti­ges An­häng­sel hielt den Rand des Zy­lin­ders um­klam­mert, ein an­de­res schlän­gel­te sich in der Luft.